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Literaturdatenbank zur Freinet-Pädagogik

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Titel: Neue Medien in der Freinet-Pädagogik von Kellner, Michael close
Titel:Neue Medien in der Freinet-Pädagogik
Autor:Kellner, MichaelSprache:deutsch
Quelle:Kassel_LANG_DATAB__source_typ:Monographie
veröffentlicht am:DD.MM.2004
url:http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/35387.html

Text:

Neue Medien in der Freinet-Pädagogik

Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
Freinet im modernen elektronischen Zeitalter
Gefahren und Potentiale des Computers in der Freinet-Pädagogik
"Frei-NET-P@dagogik": Das Internet und seine Auswirkungen auf die "moderne Schule"
Konkrete Möglichkeiten für den freinet-pädagogischen Unterricht
Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis

Einleitung

Es ist noch nicht lange her, dass Politiker Deutsche Elite-Universitäten gefordert haben. Der Drang nach Bildung ist groß. Dies ist vielleicht eine verzweifelte Reaktion auf den PISA-Schock, der uns durch Mark und Bein gefahren ist und uns immer noch verunsichert. Es muss sich etwas tun im Bildungswesen meinen viele Politiker. Forderungen nach radikalen Veränderungen des Schulwesens kommen von allen Seiten. Ist jedoch die Amerikanisierung der Deutschen Hochschulen hier der richtige Ansatz? Werden die Elite-Pädagogen von morgen Deutsche Schüler wieder auf die richtige Bahn leiten? Ist es nicht vielmehr das Schulsystem im Primarbereich, das effektives pädagogisches Handeln erschwert? Lehrer haben heutzutage nicht viele Freiräume für Erziehungsexperimente und somit kaum Potential für eine pädagogische Effizienzsteigerung. Vor allem in Regelschulen stehen die Chancen schlecht für innovative Lernkonzepte wie zum Beispiel die Freinet-Pädagogik. Die Schulstruktur fesselt die Lehrer eng an sich und will sie nicht freigeben für neue, kreative Ideen. Zeit- und Stundenplanstaffelung lässt kaum Platz für intensives Arbeiten. Klassenkonstellationen von weit über 20 Schülern pro Lehrkraft überfordern diese Tag für Tag. Vielleicht sollte man die Probleme bei der Wurzel packen und vor Allem Grundschulen einer radikalen Neustrukturierung unterziehen. Vielleicht kann man die Gesellschaft so vor einer nächsten PISA-Krise und vor weiteren fehlgeleiteten Verzweiflungsentscheidungen der Bildungspolitiker bewahren und vielleicht kann die Freinet-Pädagogik hiefür eine Schlüsselfunktion übernehmen. Noch vor gar nicht langer Zeit veröffentlichte die Zeitschrift „Spiegel“ den Artikel: „Besser lernen mit Multikulti?“ (Spiegel 25/04). „Multikulti? - Da gab es doch einen Begriff, der so ähnlich klingt und alle Kulturen der Welt miteinander verbindet: Ach ja, Multimedia!“ Somit ergibt sich auch die Fragestellung: „Besser lernen mit Multimedia?“ - Also mit Computer Internet & Co. Den Neuen Medien wird nachgesagt, sie würden in sich neue Lernchancen beherbergen. Wenn die Gesellschaft nach moderner Erziehung für unsere Kinder verlangt, ist die Forderung nach Integration neuer Technologien oftmals nicht weit. Allein schon die Lebensumwelt der Kinder fordert den Einbezug Neuer Medien in den Unterricht.

Stellen wir also fest: Wir haben eine Bildungsmisere auf der einen Seite und schulische Neustrukturierungsgedanken, sowie Neue Medien auf der anderen Seite. Da lässt sich doch eins und eins zusammenzählen: Eine reformpädagogische Medienar-

beit muss her! Sieht man in der Reformpädagogik die Ideen Célestin Freinets, so ist die Mischung komplett: Freinet-Pädagogische Bildungsarbeit gepaart mit dem Einsatz Neuer Medien. Ist dies vielleicht das Geheimrezept für eine optimale Erziehung? Gefragt werden muss, inwiefern eine freinet’ische Medienpädagogik überhaupt realisierbar ist. Augenscheinlich bietet die Pädagogik Freinets mit ihren technischen Veranlagungen und Eigenschaften wie z.B. Korrespondenz, freier Text oder Druckerei einen idealen Nährboden für den Einsatz Neuer Medien. Noch mehr scheint sie mit ihrer didaktischen Grundlegung und Struktur erst einen sinnvollen Einsatz moderner Technologien zu ermöglichen. Vielleicht hat die Regelschule Neue Medien gar nicht richtig einsetzen können und deswegen versagt. Möglicherweise verlangt Medienpädagogik nach einem gänzlich anderen Schulsystem. Hier gilt es mögliche Zugänge oder Hindernisse aufzuspüren. Was kann die Medienpädagogik für die Freinet-Pädagogik tun bzw. nicht tun und umgekehrt?

Um diese Fragestellungen zu beantworten, sollen zunächst theoretische Aspekte der Freinet-Pädagogik verschiedenen Erkenntnissen der Medienpädagogik gegenübergestellt werden. Im weiteren Verlauf werden Einstellungen und Ideale Freinets in Bezug auf Technologie und Innovation betrachtet und Neue Medien intensiv beleuchtet. Mögliche Potentiale und Gefahren von Neuen Medien für die Freinet-Pädagogik spielen durchgängig eine bedeutende Rolle zur Meinungsfindung, bis abschließend praxisnahe Beispiele für eine mögliche Freinet-Medienpädagogik erörtert werden sollen.

1. Die historische Idee Freinets und moderne Ansätze der Medienpä-dagogik

Im Wandel der Zeit unterzieht sich Pädagogik vielen Veränderungen und Neuerungen. Neue Erkenntnisse kommen hinzu und ergänzen die bisherige Wissenssammlung oder befördern manch ältere Auffassung in die Schublade „Alt und pädagogisch nicht mehr tragbar“. Ein moderner und relativ junger Ansatz ist die Idee Neue Medientechnik aktiv in den Unterricht einzubeziehen. Hier passt man sich neuen technischen Gegebenheiten unter pädagogischen Gesichtspunkten an, um so mit dem Wandel der Gesellschaftstechniken Schritt zu halten und die pädagogische Wirklichkeit auf dem neusten Stand zu halten. Doch zeigt sich auch, dass ältere Erkenntnisse heute noch eine erstaunliche Aktualität aufweisen können. So sieht man es in der Freinet Pädagogik, welche nach wie vor in nahezu unveränderter Form die heutige Erziehungswissenschaft beeinflusst. Nachfolgend sollen nun ältere Ideen Freinets und moderne Ansätze der Medienpädagogik dargestellt werden, um im weiteren Verlauf dieser Arbeit Parallelen, Überschneidungen, Differenzen und Möglichkeiten zur Verbindung dieser zwei Bereiche darstellen zu können.

1.1 Zum Grundverständnis der Freinet-Pädagogik

1.1.1 Kerngedanken der Freinet-Pädagogik

Verfolgt man die Wurzeln der Freinet Pädagogik zurück bis hin zu den Anfängen, so gelangt man in das französische Dorf Bar-sur-Loup, um Mitte der zwanziger Jahre. Hier hat die Entwicklung einer einflussreichen pädagogischen Konzeption und die Idee einer grundlegenden Schulreform ihren Ursprung (Zehrfeld 1977, S. 16). Die Intention alt eingesessene Unterrichtsmethoden abzuschaffen und die Schule grundlegend zu verändern, rührte aus den Kindheitserinnerungen Célestin Freinets. Er berichtete, sich noch sehr gut an seine frühen Schuljahre erinnern zu können. Bei pädagogischen Fragestellungen versetzte er sich in seine eigene Kindheit zurück und erkannte für sich die Fehler einer alt eingesessenen Form der Schulpädagogik. Diese betitelte er aufgrund seiner meist negativen Schulerfahrung als „Kasernenschule“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 13). Freinet bemängelte das unangemessene Eingehen auf kindliche Interessen beruhend auf der zu sehr rationalen und kapitalistischen

Sichtweise der Verantwortlichen, die nicht die Kindesentwicklung selbst, sondern die notwendigen Lerninhalte zum Bestehen der Examina in den Vordergrund stellten (Freinet 1979, S. 14f.).

Erste Inspiration für neue Unterrichtskonzeptionen erhielt er durch Erfahrungen mit den „classes promenades“, die eine Art Lebensweltpädagogik darstellten (Zehrfeld 1977, S.16). Es entwickelte sich die Vision einer modernen Schule, die eigene und gesellschaftliche Bedürfnisse der Kinder in den erzieherischen Mittelpunkt stellt, es ihnen ermöglichte ihre Persönlichkeit optimal zu entfalten und ein gefestigtes Individuum in der Gesellschaft zu werden. Über diese Bedürfnisse sollten Lerninhalte und die Art der Erziehung abgeleitet werden (Freinet 1979, S. 15.). Nach Célestin Freinet stellte das Erfassen der gesellschaftlichen Bedürfnisse von Kindern kein besonders großes Problem dar, weil diese mehr oder weniger deutlich im Lehrplan festgelegt waren. Eine größere Herausforderung war für Freinet, das Individuum Kind differenziert in seiner physischen und psychischen Natur mit all seinen Neigungen und Fähigkeiten zu erkennen, um hieraus eine angemessene pädagogische Konzeption zu entwickeln. Es war jedoch nicht möglich jedem einzelnen Kind einen individuellen Erziehungsplan zu bieten. Zumindest wollte man ihm eine interessenfördernde Umgebung schaffen, kindgemäße Techniken zur Unterstützung der intellektuellen Entwicklung finden und entsprechende Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellen. So war es möglich dem Kind verschiedene Perspektiven für die Zukunft zu bieten, welche es je nach Veranlagung, Neigung und Bedürfnis nutzen konnte (Freinet 1979, S. 15f.).

Im Sinn des „Lebendigseins“ betonte Freinet immer wieder, dass die Schule nicht nur eine Lernwelt, sondern auch eine Lebenswelt der Kinder sein sollte. Die Akzente setzte Freinet nicht mehr auf eine einseitige Überlieferung von Wissen. Er wollte sich vielmehr den natürlichen Lerntrieb und die schöpferischen Kräfte von Kindern für den Unterricht zu nutze machen. Hierbei kann die Freinet-Pädagogik die breite Palette an Bildungsmöglichkeiten nutzen, die die Erziehungswirklichkeit zur Verfügung stellt und mit seinen Arbeitsmaterialien und Techniken eine natürliche, lebendige und in seinen Augen vollkommene Erziehung ermöglichen. Dazu soll die Arbeit Motor und Philosophie sein (Freinet 1979, S. 16).

In einer Arbeitergesellschaft sah Freinet die Arbeitsschule, die sich in den Prozess der Lebenswirklichkeit integriert. Bildungserwerb sollte vor allem durch Selbsttätigkeit zustande kommen, was nach heutiger Sicht der Kerngedanke aller reformpäda-

gogischen Bereiche ist (Eichelberger, Laner 2003, S. 7). Um den Gedanken der „Arbeitsschule“ realisieren zu können forderte er, der passiven und formellen Pädagogik den Rücken zu kehren. Er kritisierte das gesamte System dieser Pädagogik mit all seinen Ausleseverfahren, Klassenarbeiten und Examina. Weiterhin verurteilte er das Bestreben Kinder heranzuziehen, deren Hirne mit Wissen vollgestopft wurden und diese dann als „optimales Endprodukt“ anzusehen, während Kinder mit einem „wachen Kopf“ und „geschickten Händen“ ins Abseits gerieten (Freinet 1979, S. 17). Freinet war oftmals der Kritik ausgesetzt, seinem Konzept würde es an nötigen Or-ganisationsformen mangeln und eine Schule nach seiner Beschreibung würde im Chaos versinken, da keine ausreichende Disziplin der Schüler zu erwarten sei. Er widerspricht jedoch diesen Aussagen und beschreibt eine schulische Harmonie, welche in seiner pädagogischen und sozialen Reform enthalten sei. Aus dieser Harmonie solle sich die Disziplin der Schüler entwickeln, die auf natürliche Art und Weise, nämlich durch die Ordnung der organisierten Schüleraktivität, zustande käme. Er beschreibt diesen Vorgang als eine Kraft, die durch die rationelle menschliche Gestaltung des Schullebens geweckt werde. Damit sei die Disziplin eine andere, als die zu seiner Zeit an Schulen vorherrschende. Nach seiner Auffassung solle es keine oberflächliche und förmliche Disziplin mehr geben. Vielmehr sieht er in ihr den natürlichen Ausdruck und die Folge einer funktionierenden Organisation der Schüleraktivität und des schulischen Gemeinschaftslebens. Seine Konzeption aus materieller, technischer und pädagogischer Arbeitsorganisation solle entscheidendes Kriterium eines ausgeglichenen Schullebens sein (Freinet 1979, S. 17f.). Freinet spricht in diesem Zusammenhang von einem neuen Arbeitsklima in den Schulklassen. Er beschreibt dies als ein „Klima des Vertrauens“, in dem Kinder sowohl Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, als auch in die Mitschüler haben. Kinder sollen in einer Gruppe zusammenhalten und sich akzeptierend und weiterhelfend gegenübertreten und nicht etwa kontrahierend oder gehässig. Dieses Klima darf jedoch nicht dadurch zustande kommen, dass der Lehrer sämtliche Konflikte unterbindet, sondern soll vielmehr durch seine eigene funktionelle pädagogische Planung herbeigeführt werden (Zehrfeld 1977, S. 20f.).

Nach Freinet erfordert ein solch umfangreicher Paradigmenwechsel radikale Veränderungen. Er beschreibt, dass nicht nur Unterrichtsräume, Lehrpläne und Stundenpläne an das neue Schulmodell angepasst werden müssten, sondern auch Arbeitsmittel und Unterrichtstechniken. Er verurteilt vor allem den Frontalunterricht, der zum

größten Teil aus verbaler Aktivität des Lehrers besteht, den Unterricht nach Handbüchern, die schriftlichen Arbeiten, das sture Auswendiglernen und das streng an die Vorschriften gebundene Schönschreiben. Seine Reform- und Modernisierungsideen sollen jedoch nicht in radikaler Form die alte Schule ablösen. Freinet will die Anpassungen harmonisch und ausgeglichen in der Form vollzogen sehen, dass weder soziale Notwendigkeiten der Schule, noch finanzielle Aspekte der Lehrerumschulung ig-noriert werden (Freinet 1979, S. 18f.).

Freinet hat erkannt, dass nicht nur neue Lehr-, Lernmethoden im Mittelpunkt einer Reform stehen soll, sondern auch die individuelle Entwicklung des Kindes in der Gesellschaft. Er setzt bereits hier ein deutliches Zeichen für die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen am Schulsystem. Diesbezüglich erstellt er kein Förder- und Lernkonzept, sondern eher ein Entwicklungskonzept für Kinder. Es soll den Kindern genau das gegeben werden, was sie in gegenwärtigen Entwicklungsstufen benötigen (Eichelberger, Filice 2003, S. 16). Hierfür hält Freinet eine umfangreiche Planung bereit, bei dem vom Aufbau der Klassenräume über Arbeits- und Erziehungstechniken bis hin zur finanziellen Durchsetzbarkeit der Reform alles bedacht wird.

Im nächsten Abschnitt soll nun die Entstehung praxisnaher Ideen Freinets genauer beschrieben werden.

1.1.2 Zur Entwicklung der Freinet-Unterrichtspraxis

Wie schon erwähnt, entwickelten sich erste Ideen für neue konkrete Unterrichtspraktiken durch Freinets Kontakt mit den so genannten „classes promenades“, einer Art Lebensweltpädagogik. Er nutzte diesen Ansatz für seine Zwecke und entwickelte ihn Schritt für Schritt weiter.

Einen motivierenden und lebensnahen Unterricht erhielt Célestin Freinet nicht nur durch die typischen Erkundungsgänge der „classes promenades“, sondern auch durch die schriftliche Nachbereitung des Erlebten und Gelernten, direkt nach Rückkehr in den Klassenraum. Als Mittel zur Vergegenwärtigung nutzte er anfangs die Wandtafel, an der jeder seinen eigenen Text einfügen konnte, um nachher einen Gesamttext aller Schüler zu erhalten. Es tauchten jedoch Konflikte zwischen dieser Unterrichtsidee und den Richtlinien der Lehrpläne auf, welche das Arbeiten mit Lehrbüchern nahezu unumgänglich machten. Um diesen Konflikt zu lösen, nutzte er die Möglichkeit, eigene Berichte, Aufsätze und Gedichte der Kinder zu drucken und mit anderen

Schulen auszutauschen, um diese dann als eine neue Generation von Schulbuchliteratur zu verwenden. Es entstand die Idee der Klassendruckerei, welche in Form von Druckstock und Setzkasten in einer Ecke der Klasse aufgebaut wurde (Zehrfeld 1977, S. 17f.).

Auf diesen grundlegenden Gedanken baute Freinet weiter auf und es entwickelten sich spezielle Unterrichtstechniken, welche die Freinet Pädagogik heute auszeichnen. Schüler erstellten freie Texte, welche in dem so genannten „Klassenjournal“ zusammengestellt wurden und dann im Sinn einer zwischenschulischen Korrespondenz untereinander verschickt wurden. Insbesondere bildete der „freie Text“ den Ausgangspunkt zur Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption und der Unter-richtsorganisation. Freinet war es wichtig, den Kindern die Möglichkeit zu geben, zu jeder Zeit, zu jedem Anlass und in beliebiger Form Texte schreiben zu können, sei es mit der Schreibmaschine (heute wäre es wohl der Computer) oder mit Bleistift auf ein Papierfetzen - Die Form war Freinet hierbei egal. Wichtig war ihm, dass das Schriftstück zum Gegenstand eines Arbeitsprozesses wurde. Das Vorlesen bzw. Präsentieren des eigenen Textes in der Klasse war erster Teil des Arbeitsprozesses. Hierdurch sollten Kinder sehr viel motivierter lesen und schreiben lernen. In einem weiteren Arbeitsschritt sollte der Text in mühevoller Handarbeit gedruckt werden, wodurch die Kinder, neben sozialen Kompetenzen, sehr viel über Buchstaben, Schrift und Rechtschreibung lernen sollten. Um demotivierende Frustrationen hierbei so gering wie möglich zu halten, hielt es Freinet für wichtig, eine Lehrerkorrektur der Texte anfangs auszulassen. Eine Korrektur erfolgte erfahrungsgemäß vielmehr durch die Mitschüler, welche Probleme beim Weiterarbeiten mit den fehlerdurchsetzten Texten hatten. Hieraus und durch später wohldosiert einzusetzende Korrekturhilfen des Lehrers, sollte sich die Motivation zum gemeinsamen Überarbeiten der Texte entwickeln (Zehrfeld 1977, S. 18f.).

Freinet legte viel Wert darauf, Kinder in ihrem Neugierverhalten zu ermutigen und das Erfahrungslernen zu unterstützen. Hierzu entwickelte er verschiedene weitere Arbeitsmittel und Organisationsformen, die es jedem Kind erlaubten, gemäß eigener Interessen und Talente, einen individuellen Lernrhythmus zu erhalten. Er kam zu der Auffassung, dass es hierfür nötig war, den Aufbau des Klassenraumes grundlegend umzugestalten, um aus ihm einen Erlebnisraum zu schaffen, in dem entdeckendes und forschendes Lernen möglich war und eine freundliche und angenehme Atmosphäre herrschte (Eichelberger, Filice 2003, S. 18).

Auf die beschriebene Art und Weise entwickelten sich die Gedanken Freinets Schritt für Schritt weiter zu einer fein ausdifferenzierten und durchdachten Konzeption für einen neuen Unterricht.

Es ist jedoch erwähnenswert, dass Freinet nicht in allen Punkten als Pionier anzusehen ist. Er setzte sich intensiv mit anderen reformpädagogischen Bereichen ausein-ander, besonders mit der Arbeitschulbewegung 1 , und bediente sich hier und dort an dem, was ihm für seine Zwecke von Nutzen erschien. Im Laufe der Jahre reiste er viel herum, sammelte Erfahrungen mit verschiedensten Unterrichtspraktiken und Methoden und ließ sich dabei für seine eigenen Ideen inspirieren. Pädagogen, die Freinet besonders beeinflussten waren unter Anderem Georg Kerschensteiner, Hugo Gandig, Pawel Petrowitsch Blonskij, John Dewey, Ovide Decroly und Maria Mon-tessori. Auch seine Frau, Elise Freinet, übte Einfluss auf die sich entwickelnde Pädagogik aus, besonders im Bezug auf Aspekte wie „freier Ausdruck“, Kunst und Ästhetik (Hering, Hövel 1996, S. 233). Stück für Stück ergab sich am Ende schließlich das daraus, was wir heute als Freinet-Pädagogik bezeichnen, mit all ihren grundlegenden Techniken und Methoden.

Im Folgenden sollen nun fundamentale Prinzipien und Techniken, welche Freinet im Laufe der Jahre erarbeitete oder in sein Konzept integrierte, genauer dargestellt werden.

1.1.3 Wesentliche Unterrichtsprinzipien und Techniken der Freinet-Pädagogik

Fragt man heute danach, worum es in der Freinet-Pädagogik geht, stößt man häufig auf Begriffe wie „Korrespondenz“, „Druckerei“ oder „Freie Arbeit“. Dies sind nur einige der Eigenschaften, welche die Pädagogik Freinets heute besonders kennzeichnen. Er stellt spezifische Arbeitsprinzipien und Techniken sehr deutlich und übersichtlich dar und ermöglicht es so, eine Vorstellung davon zu erhalten, wie die Freinet-Pädagogik in der Praxis funktionieren kann. Im folgendem soll nun ein Überblick über die wichtigsten Unterrichtsprinzipien, Freinet-Techniken und Mittel geschaffen werden, um abschließend ein möglichst genaues Bild von der tatsächlichen Form dieser Pädagogik in der Unterrichtswirklichkeit zu erhalten. Die Freinet-Schule soll stets einen Bezug zum Leben der Kinder herstellen. Das alltägliche Leben soll in der Schule weitergehen und mit in den Unterricht hineinflie-

1 DieArbeitschulbewegung nach Kerschensteiner

ßen. Dazu gehört auch, eigene Erfahrungen zu machen, aktiv zu handeln und Dinge dieser Welt zu erproben. Nach Freinet ist das Lebenspotential des Menschen die positive Kraft, die die eigene Entwicklung vorantreibt (Laun 1938, S. 38). Um diesem Prinzip gerecht zu werden, schlägt Freinet verschiedene Mittel und Techniken vor. Hierbei ist zu erwähnen, dass Célestin Freinet nicht Erfinder, sondern Sammler dieser Techniken war. Er hat Vorschläge der Reformpädagogen seiner Zeit übernommen und für seine pädagogischen Zwecke verwendet. Ein Bezug zum Leben kann unter anderem durch Berichte, Untersuchungen oder Arbeitsateliers hergestellt werden (Eichelberger, Filice 2003, S. 18f.) 2 .

Auch in der Freinet-Schule ist man auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Es ist nicht nur wichtig, dass die in der Schule gelernten Inhalte sinnvoll sind, sondern auch, dass das Lernen und Leben in der Schule dazu beiträgt einen Lebenssinn finden zu können. Ein Lernen, bei dem man Erfahrungen mit dem eigenen Lebenssinn macht, kann nur ein selbst bestimmtes Lernen sein, bei dem Freiheit und Selbsttätigkeit eine große Rolle spielen (Eichelberger, Filice 2003, S. 19f.). Ein sinnvolles Lernen kann nach Freinet nur ein Lernen in Freiheit sein. In diesem Zusammenhang spielen vor Allem die freie Wahl der Arbeitsschwerpunkte, der freie Ausdruck und der freie Text eine wichtige Rolle. Kinder haben die Freiheit ihren Gefühlen, Träumen, Wünschen und Meinungen Ausdruck zu verleihen. Auch freie Untersuchungen oder freies Experimentieren sind für das Prinzip der Freiheit von Nutzen (Eichelberger, Filice 2003, S. 20). Die Schüler sind jedoch dazu angehalten, selbst ausgewählte Tätigkeiten auch zu Ende zu bringen. Freiheit ist also nicht gleichzusetzen mit Zügellosigkeit (Baillet 1983, S. 15). Um einer Arbeiterschule gerecht zu werden darf es nicht an der nötigen Arbeit und Selbsttätigkeit fehlen. Das selbstständige Arbeiten findet vorwiegend in den Arbeitsateliers statt. Als Mittel und Techniken empfiehlt Freinet unter Anderem Feldarbeit, Kochen, Mechanik, Dokumentensammeln oder künstlerisches Schaffen, wie zum Beispiel graphische Gestaltung. Einen Großteil der selbsttätigen Arbeiten übernehmen die Schüler eigenverantwortlich. Das Übernehmen von Verantwortung ist in einer Freinet-Klasse nicht wegzudenken. Gerade das Mitspracherecht bei der Gestaltung des Schulalltags setzt verantwortliches Handeln und Denken voraus. Damit das Prinzip der Verantwortung funktioniert, ist es wichtig den Kindern Aufgaben in aller Deutlichkeit zu übergeben. Sie können „Ämter“ übernehmen, Arbeitspläne erstellen

2 Siehe 1.1.2, Seite 12

oder im Rahmen einer Klassenversammlung zusammen mit allen Anderen die Ver-antwortlichkeit über das Schulleben tragen (Eichelberger, Filice 2003, S. 19 f.). Dabei entstehen im Laufe der Zeit wahrscheinlich Regeln der Zusammenarbeit auf natürliche Weise. Es sollte darauf geachtet werden das keine Regeln zum Selbstzweck entstehen und nicht vom Lehrer auferlegt werden, ohne dass die Kinder deren Notwendigkeit akzeptiert haben (Paulhiès, Barré 1977, S. 66). Ein weiteres grundlegendes Prinzip der Freinet-Pädagogik ist die Kooperation der Kinder untereinander und miteinander. Dieses Prinzip steht dem oft beobachteten Konkurrenzverhalten der Kinder gegenüber und soll diesem durch seine sozialen Förderungseigenschaften entgegenwirken. Die Kinder erleben die Kooperation ganz besonders bei Tätigkeiten wie z.B. dem Schuldrucken, der Korrespondenz unterein-ander, dem Abhalten des Klassenrates, das Arbeiten in Gruppen oder dem Experimentieren (Eichelberger, Filice 2003, S. 20).

Mit diesen Prinzipien zielt Freinet vor Allem auf eine offene und befreiende Erziehung ab, die sich im Unterricht manifestieren soll. Kinder sitzen also nicht mehr passiv auf den Bänken und warten auf Instruktionen des Lehrers, sondern gehen selbständig in Gruppen zusammen (zu zweit oder mehr) und Arbeiten an Aufgaben, welche sie selbst gewählt haben. Diese Arbeiten können verschiedenartig sein, vom Textdrucken über Mathematiklehrgängen bis hin zu Experimenten oder technischem Handwerk. Durch die freie Arbeitswahl ist die herkömmliche Fächertrennung meist aufgehoben. Die Unterrichtsplanung geht von den Interessen und Bedürfnissen der Kinder aus, was jedoch nicht die Vorgaben des Lehrplans entkräften darf. Die Rolle des Lehrers ist vorwiegend helfend, koordinierend und beratend. Sicherlich kommt man aber auch in der Freinet-Pädagogik nicht immer um das Korrigieren herum. Die Kinder sollen das Gefühl haben, dass der Lehrer stets für sie präsent ist und für jede einzelne Tätigkeit reges Interesse zeigt. Diese Form von Wertschätzung und Anteilnahme des Lehrers ist grundlegend für das Gelingen des Prinzips der selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Arbeit, welche ein zentrales Element der Freinet Pädagogik bildet. Die Arbeitsmittel, die im Unterricht verwendet werden, gehen über Schulbücher hinaus. Schüler arbeiten mit der Druckerpresse, dem Schreibcomputer, der Bibliothek, verschiedenartigen Werkzeugen etc. Sie lernen mit Kopf, Herz und Hand. Der Wahl der Arbeitsmittel ist kaum eine Grenze gesetzt, solange es für die Kinder sinnvoll ist. Zur Strukturierung des Unterrichts dienen Rituale wie die Wochenplanung, Tagesplanung, der Morgenkreis und der Klassenrat. Neben allgemein-

gültigen Prinzipien bietet Freinet eine Fülle von solchen Mitteln, Techniken und Unterrichtselementen, die er in genauer Form darstellt, womit er seine Pädagogik einfach zugänglich, verständlich und durchführbar macht (Eichelberger, Filice 2003, S. 21f.).

Der Klassenrat ist ein wichtiges demokratisches Element in der Freinet-Klasse. Hier lernen die Kinder durch Kommunikation und Kooperation, besonders in Bezug auf ihre sozialen Kompetenzen. Der Klassenrat hat die Aufgabe, die Verantwortung der einzelnen Kinder für die unterschiedlichen Bereiche der Gemeinschaft festzulegen. Aufgaben werden definiert und verteilt und auf deren Durchführung geachtet. Berichte über gelungene oder vernachlässigte Dienste werden zur Sprache gebracht. Aber auch für Probleme anderer Art findet man hier Rat. Für das gemeinschaftliche Zusammenleben werden im Klassenrat Regeln festgelegt und für Konflikte werden gemeinschaftlich Lösungen gesucht. Von den Schülern geleitet, findet er in der Regel ein Mal in der Woche statt. Man hat jedoch die Möglichkeit in besonderen Fällen weitere Sitzungen einzuberufen (Rohrwasser, Vesper 1976, S. 149). Weitere wichtige Funktionen des Klassenrates sind das Beschließen der Unterrichtsplanung, das Erstellen des Wochenplans, die Diskussion der „Klassenratspräsidenten“ und die Festlegung derer Amtszeit (z.B. einen Monat). Der Klassenrat hat einen großen erzieherischen Einfluss auf die Kinder. Sie erfahren, dass Zuhören ein wichtiger Teil des Dialogs ist, dass es nötig ist sich auf das Thema zu beziehen, dass man der Reihe nach zum Wort kommt, dass Fehler einen qualitativen Wert haben, dass die eigene Meinung behutsam vertreten werden kann und dass man auf Minderheiten Rücksicht nehmen soll. Der Lehrer ist im Klassenrat ebenfalls ein Teilnehmer, hilft bei der Organisation und Moderation, hat aber genau wie die Kinder auch nur eine Stimme bei den Abstimmungen. Beschlüsse des Klassenrates sind auch für ihn verbindlich (Eichelberger, Filice 2003, S. 25f.).

Im Gegensatz zum Klassenrat wird der Morgenkreis täglich durchgeführt. Er ist ebenfalls ein fester Bestandteil in den meisten Freinet-Klassen. Hier führen die Schüler freie Gespräche unter der Anleitung eines Kindes, welches vorher bestimmt wird. Hier hat auch der Lehrer die Möglichkeit mehr über das Leben und die Interessen der Kinder zu erfahren, was er sich später wiederum für den Unterricht zu Nutze machen kann. Die freien Gespräche im Morgenkreis sind eine notwendige Grundlage für das Zusammenleben und letztendlich auch für das Erlernen von Regeln. Es können Gefühle, Emotionen und private Angelegenheiten mitgeteilt werden, wofür eine vertrau-

te Atmosphäre zwingend notwendig ist, in welcher sich die Kinder geborgen fühlen. Der Morgenkreis bietet den Kindern die Möglichkeit der emotionalen und intellektuellen Teilnahme am Leben der Mitschüler. Die Schüler bekommen das Gefühl nicht alleine mit ihren Problemen dazustehen. Diese sozial-erzieherischen Effekte können sowohl das schulische als auch das private Gemeinschaftsleben stark beeinflussen (Eichelberger, Filice 2003, S. 26f.).

Viele Aktivitäten in der Freinet-Pädagogik wie z.B. das Schreiben, Malen, Tanzen oder Singen stehen unter dem Prinzip des freien Ausdrucks. Dies schafft Freiheit für individuelle Lerninteressen. Sämtliche Aktivitäten, wie z.B. das Tanzen sind nicht Fächergebunden, sondern können jederzeit in den Unterricht einbezogen werden. Der freie Ausdruck verhilft den Kindern zu wichtigen Selbsterfahrungen. Im gleichen Zusammenhang steht der freie Text. Er beginnt bereits mit dem Malen und Zeichnen, welches die erste schriftliche Ausdrucksform der Kinder ist, in denen sie sich ihrer Umwelt mitteilen. Sie stellen wahrgenommenes dar, drücken Empfindungen in Schrift oder Schriftähnlichem aus und können somit ihren Mitteilungsdrang ausleben. Das Verlangen nach einer kommunikativen Ausdrucksform findet also ein Ventil im freien Text. Diesem kann man eine therapeutische und politische Funktion zuordnen. Hinsichtlich der therapeutischen Funktion lässt sich sagen, dass der freie Text den Kindern durch das Ausdrücken von Erfahrungen oder Problemen helfen kann, Schwierigkeiten zu überwinden und/oder davon Abstand zu nehmen. Wenn Kinder frei von Sorgen sind, können sie sich besser auf ihr eigentliches Leben und die Schule konzentrieren. Der politische Sinn ist, dass die Schüler das Wort haben und frei bestimmen können was sie ausdrücken möchten. (Rohrwasser, Vesper 1976, S. 15). Die freien Texte benötigen keinerlei Korrektur, da die Texte nur ohne jegliche Einengung als frei empfunden werden. Die Aufgabe des Lehrers besteht darin, den Lernprozess zu unterstützen und gegebenenfalls Impulse für Gestaltungsmöglichkeiten und Hilfestellungen zu geben, um so die Vielfalt des schriftlichen Ausdrucks zu fördern. Eine gute Anwendungsmöglichkeit findet man in der Korrespondenz mit Partnerklassen per Brief oder E-Mail, im Gestalten einer Klassenzeitung oder einer Homepage (Eichelberger, Filice 2003, S. 30ff.). Oft wird mit der Freinet-Pädagogik das Schuldrucken in einem Atemzug erwähnt. Sie hat einen besonders hohen Stellenwert in der „modernen Schule“ 3 , was Freinet 1935 dazu veranlasste ein ganzes Buch zu diesem Thema zu veröffentlichen. Er be-

3 DieFreinet Bewegung wurde oftmals als die Bewegung der modernen Schule bezeichnet.

tont, dass durch die Einführung der Klassendruckerei in der Schulklasse ein neues Klima einkehre, welches das Schulleben intensiver mache (Freinet 1995, S.16). Die Druckerei dient der Vervielfältigung von freien Texten, aber auch als Kommunikationsmittel und Hilfe zur Orthographie. Die verfassten Texte werden nach vereinbarter Korrektur gedruckt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Von eigenen Texten bis hin zu politischen Flugblättern zur freien Meinungsäußerung kann alles gedruckt werden. Die Kinder lernen so, dass ihr Leben durch eigene Initiative gestaltbar ist und sie hierfür selbst die Verantwortung tragen. So präsentiert die Druckerei die Dimension des politischen Handelns und der Eigenverantwortung, wodurch sie unter Anderem zum Symbol der Freinet Bewegung geworden ist. Sie hat jedoch auch einen großen didaktisch-methodischen Wert beim Erlernen der Schriftsprache und des Lesens. Sie ermöglicht es Buchstaben zu greifen und zu begreifen, sie zu ordnen und zusammenzustellen. So befassen sich die Schüler intensiv mit dem ABC in einem aufwendigen Arbeitsverfahren, in dem die Eigenerfahrung des Kindes eine große Rolle spielt. Das Gefühl, etwas aus eigener Kraft geleistet zu haben, stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder. Aber durch das gemeinsame Arbeiten werden auch soziale Kompetenzen geschult. Sie lernen sich untereinander zu arrangieren und erfahren Rücksichtnahme sowie Toleranz. Oftmals wird aus verschiedenen Artikeln zuletzt eine Klassenzeitung erstellt und veröffentlicht. Die Schuldruckerei und das freie Schreiben sind eine gute didaktische Gelegenheit, um den „Kindern das Wort zu geben“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 33f.).

Die Klassenzeitung bringt viele Vorteile mit sich. Sie steigert den Wert der selbst verfassten Texte, bietet Sozialisierungsmöglichkeiten und ist ein Mittel des Austausches. Darüber hinaus dient sie der Entmystifizierung von Printmedien und ist letztendlich eine respektable Geldquelle. Die Klassenzeitung spiegelt das Geschehen in der Klasse und in der Umwelt der Kinder wieder. Die Kinder sollen die Verantwortung über veröffentlichte Texte übernehmen. Aber auch ganz wie bei einer „echten“ Zeitung sollte die Qualität des Produktes einwandfrei und die Inhalte für die Leser von Interesse sein (Barré, Beaugrand, 1977, S. 59ff.).

Es sollte ein Anliegen von jeder Freinet-Klasse sein, eine Korrespondenzklasse zu finden, mit der sie Erfahrungen aus ihrer Unterrichts- und Lebenswelt austauschen können. Ideen für gemeinsame Projekte, wie zum Beispiel einer gemeinsamen Zeitung, sind keine Grenzen gesetzt. Ein internationaler und interkultureller Austausch ist von besonders hohem Wert. Kinder können voneinander lernen und sich weiträu-

mig orientieren, was eine weltoffene Sichtweise fördert (Eichelberger, Filice 2003, S. 33f.). Jeder Schüler hat einen eigenen Korrespondenten in der jeweiligen Klasse. Es besteht also die Möglichkeit individuelle oder kollektive Briefe mit der Korrespondenzklasse auszutauschen. Dies hat den Vorteil, dass auch ungenutzte Texte noch eine sinnvolle Verwendung finden (Henning 1976, S. 16). Wenn Kinder die Möglichkeit haben Lerninteressen persönlich zu gestalten, ist es ratsam eine Dokumentation über durchgeführte Schülerarbeiten zu führen, was in der Freinet-Pädagogik häufig in Form von Klassentagebüchern geschieht. Diese verschaffen einen Überblick über vergangene Lerninhalte und fördern die Selbstorganisation und das kontinuierliche Lerngeschehen in der Klasse (Eichelberger, Filice 2003, S. 33f.).

Für Freinet ist nicht das Wissen an sich wichtig, sondern vielmehr der Weg der zum Wissen führt. Er spricht oftmals vom forschenden und entdeckenden Lernen, welches direkt aus dem Prinzip der eigenständigen Unterrichtsplanung und des freien Ausdrucks entsprießt. Um ein solches Lernen zu ermöglichen, ist es notwendig den Unterricht in die Natur oder außerschulische Einrichtungen zu verlegen. Hier können Erkundungen durchgeführt und später deren Ergebnisse dokumentiert und verwendet werden, zum Beispiel in der Klassenzeitung. Des Weiteren bedarf es für das entdeckende Lernen einer Anpassung in der Klasse. Freinet hat aus diesem Grund die Klasse in Ateliers, in Arbeitsräume, eingeteilt (Eichelberger, Filice 2003, S. 35). Die praktische Arbeit in den erwähnten Ateliers hat in der Freinet-Pädagogik einen hohen Stellenwert. Sie dienen den verschiedensten individuelle Tätigkeiten, Rollenspiele, aber auch dem Experimentieren und dem Umgang mit technischen Medien. Ein festes Atelier in der Freinet-Klasse ist häufig ein Lesebereich, bestehend aus einer Dokumentensammlung und einer Bibliothek (Jörg 1995, S. 25f.). Nachdem ein grober Einblick in die Entstehungsgeschichte und methodischdidaktische Konzeption der Freinet-Pädagogik gegeben wurde, gilt es nun den zweiten Teilbereich des Themas in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen. Im Folgenden sollen grundlegende Ideen, Inhalte und Ziele der Mediendidaktik in allgemeiner Form dargestellt werden.

1.2 „Moderne Mediendidaktik“ und „Moderne Medienerziehung“ als medienpädagogische Disziplinen

1.2.1 Begriffsbestimmung

„Mediendidaktik“ ist ein in der Literatur häufig verwendeter Begriff. Das Anliegen der Mediendidaktik ist die geplante, gezielte und reflektierte Verwendung von nichtpersonalen Medien (z.B. die Tafel, Lehrbücher oder Computer) zu pädagogischen Zielen und Zwecken (Hoffmann 2003, S. 346). Das Feld der nicht-personalen Medien ist groß und soll im Rahmen dieser Arbeit eingegrenzt werden. Im weiteren Verlauf der Betrachtungen sollen lediglich die Neuen Medien im engeren Blickfeld stehen. Aber auch diese gilt es genau einzukreisen. Den Begriff “Neue Medien“ verwendet man bereits seit dem Beginn der 70er Jahre für Kommunikationsmittel und Verfahren der Informationsübertragung und -speicherung, die durch die Entwicklung neuer Technologien entstanden sind. Von daher werden auch in die Jahre gekommenen Medien, welche schon längst in den Unterrichtsalltag integriert sind, in der Literatur zu den „neuen“ Medien gezählt, wie z.B. der Fernseher und der Videorekorder. Es ist fragwürdig, ob die Bezeichnung „neu“ hier noch gerechtfertigt ist. Gerade der Videorekorder ist inzwischen fast ganz vom Markt verdrängt und im Begriff von moderner DVD-Technologie ersetzt zu werden. Medien des „mittleren Alters“ sollen hier nicht weiter thematisiert werden, da es hierzu bereits einen reichhaltigen literarischen Fundus gibt. Als Neue Medien 4 sollen im Verlauf dieser Arbeit nur jene bezeichnet werden, die tatsächlich eine gewisse Aktualität in ihrem Lebensalter, technischen Standards und/oder gesellschaftlicher Verwendung aufweisen. Mit den Begriffen Computer, Internet, Webserver, CD/DVD, MP3-Player, Lern- und Kreativsoftware, Digitalkamera/Digitale Camcorder, Beamer und interaktive Präsentationssoftware (z.B. PowerPoint) sind die wichtigsten davon genannt. Auch sämtliche multimediale Angebote sollen dazu gezählt werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, soll die Bezeichnung des zugehörigen wissenschaftlichen Bereiches dieser Definition von Neuen Medien angepasst werden. Es bietet sich in diesem Sinn an „Mediendidaktik“ fortan als „Moderne Mediendidaktik“ zu bezeichnen, da sie sich ausschließlich auf Medien mit einer gewissen Modernität fokussiert. Im Gegensatz zur Freinet-Pädagogik hat die „Moderne Mediendidaktik“ als eine pädagogische Form keinen revolutionären Kerngedanken oder einschlägige Reform-



4 Sieheauch S. 43 „Alte Medien versus Neue Medien“

absichten des Bildungswesens. Natürlich geht es auch hier um Veränderung und Neuerung, doch wird dies vielmehr in einem ergänzendem Rahmen gesehen. „Moderne Mediendidaktik“ ist als eine Teildisziplin der Medienpädagogik anzusehen, die sich wiederum der allgemeinen pädagogischen Wissenschaft unterordnet. Sie ist ein Teil eines Ganzen, da sie von allgemeindidaktischen Theorien, gesellschaftlichen/bildungspolitischen Vorgaben und Erkenntnissen aus anderen Wissenschaften bzw. Nachbardisziplinen (z.B. Medienkunde, Medienforschung) beeinflusst wird. Die Funktionen und Wirkungen von Neuen Medien in Lehr- und Lernprozessen sind der zentrale Ausgangspunkt dieses wissenschaftlichen Bereiches. Ihre Intention als Frage formuliert könnte lauten: „Wie kann sich Pädagogik Neue Medien zunutze machen?“ und nicht etwa „Wie können Neue Medien die Allgemeinpädagogik grundlegend verändern?“ (Kron, Sofos 2003 S. 47f.).

Während es die Aufgabe der „Modernen Mediendidaktik“ ist, Neue Medien für eigene pädagogische Ziele zu benutzen, sind in der „Medienerziehung“ Neue Medien an sich das angestrebte Ziel. Der Blick ist darauf gerichtet Heranwachsende zu einem bewussten, kritischen und reflektierten Umgang mit Neuen Medien zu erziehen. Medienerziehung ist daher auch ein sehr praxisbezogenes Gebiet. Deshalb ist es sinnvoll, die beschriebene Definition der Medienerziehung der Begrifflichkeit der Neuen Medien anzupassen, indem man sie als „Moderne Medienerziehung“ bezeichnet. In dieser medienpädagogischen Disziplin kommen sowohl Erkenntnisse aus Forschung und Theorie, als auch gesellschaftliche, politische und Organisatorische Faktoren zum tragen. Diese werden dann im Blickwinkel von Handlungsnormen, beispielsweise in der Form von Zielen, Methoden, Medienauswahl oder Medienkontrolle gesehen. Im Vergleich beider Bereiche kann man feststellen, dass „Moderne Mediendidaktik“ versucht Lernziele durch Neue Medien zu erreichen, während „Moderne Medienerziehung“ nach Lernzielen für Neue Medien sucht (Kron, Sofos 2003 S. 47f., Tulodziecki 1997a, S.30). Oft wird das tatsächliche praktische Handeln mit Medien im Unterricht weiteren Begriffen, der „medienpädagogischen Arbeit“ oder der „Medienpraxis“ zugeordnet. Somit wären beide Bereiche als reine Theoriedisziplinen deklariert. Da in der Fragestellung dieser Arbeit Theorie und Praxis eng mit-einander verbunden sind, soll praxisbezogenes Medienhandeln im weitern Verlauf als ein Bestandteil der „Modernen Mediendidaktik/Medienerziehung“ gesehen und nicht weiter unterschieden werden (Sacher 2000, S. 14, Tulodziecki 1997b, S. 45).

Schlagworte:

lit_2006-buch, Examensarbeit_allgemeine_Pädagogik

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ID: 2930  |  hinzugefügt von user unknown an 18:00 - 25.10.2006