lit_db 0.2.2adev.0341a © by Xenon
|
85 passende Datensätze gefunden!
title: Demokratie im Klassenzimmer by Bartels, Silke |
|
Titel: | Demokratie im Klassenzimmer |
Autor: | Bartels, Silke | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Freiburg | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | 1997 | | |
url: | |
Text:
Demokratie im Klassenzimmer Die Einführung des Klassenrates
Schlagworte:
Examensarbeit_Grundschulpädagogik
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 1139 | hinzugefügt von Hagstedt an 12:12 - 28.10.2002 |
title: Der Klassenrat, Ziele, Vorteile, Organisation by Blum Hans-Joachim |
|
Titel: | Der Klassenrat, Ziele, Vorteile, Organisation |
Autor: | Blum Hans-Joachim | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Mülheim an der Ruhr, Verlag an der Ruhr | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2006 | | |
url: | |
Text:
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Klassenrat: Was ist das?
Theoretische Grundlage des Klassenrats
Definition für die Regelschule
Schüler und Lehrkraft im Klassenrat:
Rollen und Verantwortung
Kapitel 2: Klassenrat: Wozu?
Was bringt der Klassenrat?
Klassenrat und guter Unterricht
Klassenrat und Kompetenzerwerb 1
Entlastung der Lehrkraft
Wo sind die Grenzen des Klassenrats?
Was der Klassenrat nicht kann
Was nicht in den Klassenrat gehört
Klassenrat in der Grundschule: ein Konzeptvorschlag
Vorüberlegungen und -entscheidungen
Klassenrat in der Sekundarstufe I: ein Konzeptvorschlag
Vorüberlegungen und -entscheidungen
Kapitel 3: Klassenrat: Wie geht das?
Vorüberlegungen
Klassenratsstunde
Stuhlkreis
Redegegenstand
Sammeln der Anliegen
Leitung des Klassenrats
Ablauf und Struktur des Klassenrats
Voraussetzungen bei der Lehrkraft
Haltung
Kompetenzen
Voraussetzungen bei den Schülern
Regeleinhaltung
Zuhören
Freies Reden
Einführung des Klassenrats
Sinn des Klassenrats
Ablauf
Regeleinführung
Vorüberlegungen mit den Schülern
Konfliktmoderation kennen lernen
Vorsicht: Nicht in Fallen tappen!
Projektfalle
Selektionsfalle
Freiwilligkeitsfalle
Neutralitätsfalle
Lösungsfalle
Kapitel 4: Schüler leiten den Klassenrat
Konzept zur Ausbildung von Klassenratmoderatoren
Vorbereitung
Durchführung
Schritt in die Praxis
Nachbereitung
Fortführung
Ablauf der Ausbildung
Ablaufplan – Die Ausbildung von Klassenratsmoderatoren
Training Schritt 0–6
Fall- und Übungsbeispiele – Rollenspiele
Rollenspiel 1
Rollenspiel 2
Rollenspiel 3
Kapitel 5: Vorbereitung der Schüler auf den Klassenrat
Grundlegende Fähigkeiten
Regeleinhaltung
Zuhören
Freies Reden
Hilfreiche Fähigkeiten
Selbst- und Fremdwahrnehmung
Konzentration
Gefühle
Empathiefähigkeit
Einfühlendes Zuhören
Klare Kommunikation durch Ich-Botschaften
Konflikte konstruktiv lösen
Anhang: Kopiervorlagen
Literaturtipps
Schlagworte:
lit_2006-buch, Klassenrat,
summary:
Achtung - hier ist nicht der freinetische Klassenrat beschrieben! (Rezension i.V. JG 6.2007)
An immer mehr Schulen wird ein Klassenrat gegründet: Durch das eigene Mitspracherecht stärken Kinder hier früh ihr Selbstbewusstsein und lernen gleichzeitig, wie wichtig Fairness, Höflichkeit und Verantwortung für die Arbeit im Team sind. Der Klassenrat löst dabei organisatorische Fragen (Unterrichtsgestaltung, Klassenfahrten, Projekte), spricht aber auch emotionale Konflikte, persönliche Probleme oder mögliche Ungerechtigkeiten innerhalb der Klassengemeinschaft an.
Das Buch erklärt Ihnen, wie Sie ohne großen Aufwand einen Klassenrat einrichten, welche Fallstricke Sie beachten müssen und wie Sie Ihren Unterrichtsalltag durch den Klassenrat deutlich entlasten. Sie können Unterrichtszeit wieder effektiver nutzen und haben trotzdem genügend Raum, um Konflikte und Probleme (z.B. Auseinandersetzungen mit Lehrern, Vandalismus in der Klasse) gemeinsam mit Ihren Schülern konstruktiv zu lösen. Kopiervorlagen, Arbeitsblätter und grafische Übersichten ermöglichen die direkte Umsetzung in die Praxis - von der Grundschule bis in die Sekundarstufe.
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2976 | hinzugefügt von Jürgen an 21:35 - 25.6.2007 |
title: Rituale by Clausen, Bernd |
|
Text:
Inhalt:
* Bernd Clausen: Vorwort
* Shinobu Oku: Rituale in der japanischen Schule
* Raimund Vogels: Der Topf ist zerbrochen. Zur rituellen Bedeutung der Beerdigungszeremonie bei den Bura Nordostnigerias
* Kirsten Wappler-Urdahl: Rituale in der Waldorfpädagogik. Besonderheiten der Waldorfpädagogik
* Charlotte Fröhlich, Lydia Eichler: Musikpädagogik in Grund- und Sonderschule. Vom Sinn ritualisierter Unterrichtssequenzen
* Martin Wurm: Der Klassenrat. Ein Ritual der Freinet-Pädagogik
* Peter Walter: Rituale an einer Förderschule für Praktisch Bildbare. Ein Erfahrungsbericht
* Autoren
Bernd Clausen studierte Musikwissenschaft, Schulmusik und Germanistik in Göttingen und Hannover. Nach einer knapp fünfjährigen Lehr- und Forschungstätigkeit in Hokkaido/Japan arbeitet er seit 2003 als Juniorprofessor im Fach Musikpädagogik an der Universität Bielefeld.
Schlagworte:
lit_2006-mono
summary:
Rituale sind in unterschiedlichen wissenschaftlichen Zusammenhängen thematisiert worden. Soziologie und Anthropologie entwickelten Ritualtheorien, die Bedeutung und Wirkungsmechanismen darzustellen versuchen, wobei Grenzziehungen zu Begriffen wie Tradition oder Routine diskutiert werden. Daneben gibt es eine Reihe von Beiträgen, die aus historischer Perspektive Entwicklungslinien von Ritualen verfolgen, wobei die Einflüsse eines Rituals auf kulturelle Äußerungen nicht immer auf den ersten Blick sichtbar sind. Auch die erziehungswissenschaftliche Literatur der letzten zehn Jahre hebt verstärkt die Bedeutung von Ritualen hervor, wie die zahlreichen Publikationen zu diesem Thema zeigen. Während für die Grundschule die Durchführung von Ritualen in unterrichtlichen Kontexten in unterschiedlichen Weisen dargestellt ist, sind aus Sicht der Musik und des Musikunterrichts die Möglichkeiten bisher nur marginal beschrieben worden, obgleich aus anthropologischer Perspektive musikalische Momente eine außerordentlich wichtige Rolle bei der Durchführung von Ritualen im kultischen Sinne spielen.
Dieser dritte Band der Schriftenreihe PENDULUM nähert sich dem Themenbereich Rituale nicht nur unter dem Blickwinkel der sozialen Intensivierung von Gruppenprozessen in der Ästhetischen Erziehung, sondern setzt durch zwei Aufsätze aus anderen Kulturen auch vergleichend kulturwissenschaftliche Akzente.
Notiz:
ISBN 3895285749, Verlag Aisthesis,
|
ID: 2931 | hinzugefügt von Jürgen an 04:28 - 27.10.2006 |
title: Klassenrat als interaktive Praxis. Auseinandersetzung - Kooperation - Imagepflege by de Boer, Heike |
|
Titel: | Klassenrat als interaktive Praxis. Auseinandersetzung - Kooperation - Imagepflege |
Autor: | de Boer, Heike | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Wiesbaden, Vs Verlag | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2006 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
lit_2006-buch,
summary:
Umschlagtext
Heike de Boer setzt sich mit der Frage auseinander, was der Klassenrat für die Akteure bedeutet. Die interaktive Praxis des Klassenrates steht im Mittelpunkt der qualitativ-empirischen Untersuchung und führt zur Rekonstruktion der kindlichen Perspektive als Akteursperspektive. Peer-Interaktionen werden fokussiert, ohne die schulpädagogische Frage nach interaktivem Lernen auszublenden. Mittels teilnehmender, videogestützter Beobachtungen über drei Grundschuljahre hinweg zeigt sich der Klassenrat als öffentliche Bühne, die zur Imagepflege und Selbstinszenierung motiviert und gleichzeitig Handlungsräume zum Argumentieren und Kooperieren bietet. Die konsequent ethnografische Sicht ermöglicht Irritationen der normativen Erwartungen an den Klassenrat und zieht eine Neubestimmung der Grenzen und Chancen nach sich.
Über den Autor
Heike de Boer ist pädagogische Mitarbeiterin am Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe, Fachbereich Erziehungswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Notiz:
ISBN-10: 3531151347
ISBN-13: 978-3531151342
|
ID: 2975 | hinzugefügt von Jürgen an 20:10 - 25.6.2007 |
title: Die Rechte der Kinder by Dietrich, Ingrid |
|
Titel: | Die Rechte der Kinder |
Autor: | Dietrich, Ingrid | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 1 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1997 | | |
url: | |
Text:
Die SchülerInnen haben das Recht auf ihren eigenen Lernprozeß, ihre eigene Entwicklung und ihre Individualität.
Dies gilt besonders auch für beeinträchtigte Kinder, ausländische Kinder und Kinder anderer Muttersprachen.
Die Verschiedenheit der Lernenden ist eine Bereicherung - ihre "Gleichschaltung" ist verderblich.
Die Lernenden haben das Recht auf ihren eigenen Lernrhythmus.
Das Lernen soll Freude machen und in Erfolgserlebnissen münden.
Selektion aufgrund von Konkurrenz und Mißerfolg soll so weit wie möglich abgebaut werden.
Nicht Übernahme "fertiger" Ergebnisse, sondern eigenes Experimentieren und "tastendes Versuchen" sind Ziele des Lernprozesses.
Nicht Indoktrination durch vorgegebene "Schulbuch-Weisheiten", sondern eigene kritische Untersuchungen der Wirklichkeit sollen das Denken der SchülerInnen bestimmen.
Die SchülerInnen sind InitiatorInnen ihres eigenen Lernprozesses (mit Hilfe von individuellen Arbeitsplänen, Arbeitsmaterialien zur Selbstkorrektur, freien Texten und individueller Bewertung von Lernfortschritten).
Das Lernen der Klassengruppe soll in gemeinsamer Verantwortung kooperativ organisiert werden.
Die Selbstregulierung von Konflikten erfolgt im Klassenrat.
Schlagworte:
fr_koop_1-97
kein Summary verfügbar
Notiz:
entnommen aus: Dietrich I. (Hg.), Handbuch der Freinet-Pädagogik, Weinheim Basel 1995, S. 27
|
ID: 3026 | hinzugefügt von Jürgen an 16:40 - 20.11.2007 |
title: "Warum darf Daniel das?" by Doppler, Christof |
|
Text:
"Warum darf Daniel das?"
Klassenrat in einer HS-Integrationsklasse
CHRISTOF DOPPLER
In unserer ersten Ausgabe haben wir ausführlich den Klassenrat beziehungsweise die Kinderkonferenz erklärt, ich werde daher nicht weiter auf Organisationsformen und ähnliches eingehen, sondern möchte meine persönlichen Erfahrungen im Klassenrat hinsichtlich des Themas "Integration" darlegen.
Ich habe bisher in drei verschiedenen I-Klassen gearbeitet und jeweils am Klassenrat teilgenommen. In jeder Klasse verlief der Kinderkreis anders, und es gibt daher keine allgemeingültigen Aussagen, wie er zu verlaufen hat, welche Themen besprochen werden sollten usw.
In einer Klasse wurde hauptsächlich über Problem gesprochen, vor allem über Probleme, die mit den SPF-Kindern auftraten. Eine andere Klasse wiederum nützte das Parlament, um konkret Vorschläge für Unterrichtsthemen zu machen und meine derzeitige 4. Klasse sieht im Klassenrat so etwas wie eine Plauderstunde, in der sie sich über verschiedenste Themen unterhalten und den Lehrer weitgehend zurückstellen - es ist ihre Redestunde und ich bin eigentlich überflüssig.
Schlagworte:
atsch-h6
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2680 | hinzugefügt von Jürgen an 07:30 - 15.12.2005 |
title: Die Methoden der Freinet-Pädagogik by Drevermann, Lena |
|
Text:
Die Methoden der Freinet-Pädagogik im Fremdsprachenunterricht
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 3
2. Grundlagen und Ziele 3
2.1 Loslösung vom Schulbuch 4
2.2 Benotung 6
3. die techniques 7
3.1 Freier Text und Schuldruckerei 7
3.2 Klassenkorrespondenz 8
4. Aspekt des interkulturellen Lernens 10
5. Die drei Ebenen des Fremdsprachenunterrichts 11
6. Grenzen und Gefahren 12
7. Schlussbemerkung 13
8. Literaturverzeichnis 14
1. Einleitung
In der folgenden Ausarbeitung möchte ich darlegen, wie der Fremdsprachenunterricht im Sinne von Célestin Freinet gestaltet werden kann. Hierbei gehe ich zunächst auf die Grundsätze der Freinet- Pädagogik ein, und erläutere, wie diese auf den Fremdsprachenunterricht übertragen werden können. Des Weiteren stelle ich einige, für den Fremdsprachenunterricht besonders Sinnvolle und nützliche Techniken vor. Schwerpunktmäßig habe ich den freien Text in Verbindung mit der Schuldruckerei sowie die Klassenkorrespondenz bearbeitet habe, da diese Ausschlaggebend für den Verlauf und die Gestaltung des Unterrichts sind. Zudem habe ich den Aspekt des interkulturellen Lernens in diese Arbeit mit aufgenommen, da die Klassenkorrespondenz im
Fremdsprachenunterricht nach Freinet nicht nur die sprachliche Kompetenz fördert, sondern auch die Toleranz gegenüber fremden Kulturen. Darauf folgend beschreibe ich die Gesamtkonzeption des Fremdsprachenunterrichts nach Freinet anhand eines drei- Phasen Modells nach Ingrid Dietrich. Abschließend mache ich auf die Grenzen und Gefahren des Freinet- orientierten Unterricht aufmerksam, und formuliere in kurzer Form, wie sich der Unterricht in der Sekundarstufe I und II verhält.
2. Grundlagen und Ziele
Da die Freinet- Pädagogik ursprüngliche eine Konzeption für die Volksschule war, hat sich Freinet selber nicht explizit zum Fremdsprachenunterricht geäußert, allerdings lassen sich seine Methoden und Prinzipien auch hier erfolgreich einsetzen, da sie für alle Lernbereiche gelten. 1 Die Grundhaltung seiner Erziehung ist, „...Kinder und Heranwachsende als lernfähige, wissbegierige, auf Wachstum und persönliche, individuelle Entwicklung durch sinnvolle Arbeit angelegte Wesen zu betrachten.“ 2
Eines der Hauptziele der Freinet- Pädagogik ist die „Überwindung des nur „verkopften“ Lernens sowie die Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit“ 3 . Übertragen auf den Fremdsprachenunterricht bedeutet dies, dass die Lernenden soviel mit d er authentischen Fremdsprachen konfrontiert werden müssen wie möglich. In Verbindung dazu muss die Kommunikation im Unterricht zu einer lebendigen Sache gemacht werden, damit trotz räumlicher Distanz eine Art Nähe zur gesprochenen Fremdsprache hergestellt wird. Darüber hinaus muss die Trennung von Schule und Leben durch soviel Realitätskontakt wie möglich durchbrochen werden. 4 Dies geschieht indem der zu erledigenden Arbeit ein Sinn gegeben wird, z.B. wenn Texte für die Klassenkorrespondenz etc.
1 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 218 f
2 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 218 Z. 9 ff
3 Dietrich, Ingrid : Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 219, Z. 1 f
4 Dietrich, Ingrid : Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 219
verwendet w erden. Zudem soll das Verantwortungsbewusstsein der Lernenden gefördert werden, da sie selber die Verantwortung für ihr Lernen tragen. 5
Das tâtonnement expérimental, d.h. das experimentierende Sich-vorantasten des Lernenden, 6 ist ein weiteres wichtiges Prinzip der Freinet-Pädagogik, welches sich ebenso auf den Fremdsprachenunterricht
übertragen lässt, und zwar indem die Lernenden Hypothesen über den Gebrauch und Regelmäßigkeiten der Sprache aufbauen. Dabei stößt er zwangsläufig auf Schwierigkeiten, die er dann in Kooperation mit dem Lehrer, den Mitschülern o.ä. nutzt, um neue Hypothesen über den Sprachgebrauch aufzubauen. 7
2.1 Loslösung vom Schulbuch
Wie in jedem anderen Freinet- orientierten Unterricht, soll auch das Erlernen einer Fremdsprache vom frontalen Lehrbuchunterricht losgelöst werden. Der erste Grund hierfür ist das Problem der Progression. Der traditionelle Unterricht ist analytisch- synthetischer Natur; d.h. man geht erst zu einem neuen Element über, wenn die vorhergehenden Elemente bekannt sind. 8 Das Problem hierbei ist, dass so lediglich die einzelnen Elemente blind nachvollzogen werden, diese aber keine unmittelbar einsichtige Bedeutung haben. Zudem kann es keine für alle Lernenden gleich günstige Progression geben, so dass zwangsläufig das für Freinet charakteristische Dogma „im eigenen Rhythmus lernen“ nicht erfüllt werden kann. Der Lernende muss mit einer authentischen Situation konfrontiert werden, welche sich über die linguistische Progression hinwegsetzt, da ihm das zu Lernende losgelöst erscheint von der Realität, die ihn interessiert. Durch die Authentizität wird der Lernende persönlich berührt, was zur Folge hat, dass die Behaltensleistung wesentlich höher ist . 9 Ein weiterer Grund, der gegen die in Schulbüchern gegebene Progression spricht, ist die synkretische Sichtweise des Lernenden, d.h. die Tendenz, eine Gesamtheit zu sehen, bevor die Einzelheiten betrachtet werden. 10 Freinet nennt dieses die „Ganzheitliche Methode“. Statt der Lehrbücher soll sich die Arbeit nach persönlichen Interessen richten, 11 und aus mobilen Bausteinen und Ordnern bestehen, welche dem Schüler erlauben, sich sein eigenes Lehrbuch zusammenzustellen. 12 Alternativen zum Lehrbuch sind zum Beispiel das Durchführen von Diskussionen, das Bearbeiten von Arbeits- und Grammatikkarten und das Schreiben freier Texte. 13 Allerdings befinden sich in der Klassenbibliothek sehr wohl Musterexemplare von Lehrbüchern, diese werden aber nicht im
5 Baillet, Dietlinde : Freinet praktisch, S. 171 f
6 Dietrich, Ingrid : Handbuch der Freinet- Pädagogik, S.219
7 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 219
8 Freinet, Elise: Erziehung ohne Zwang, S. 32 f
9 Dietrich, Ingrid , Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 220 ff
10 Freinet, Elise : Erziehung ohne Zwang, S. 33
11 Baillet, Dietlinde: Freinet praktisch; S. 153
12 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 222
13 Baillet, Dietlinde : Freinet praktisch, S. 153
Klassenverband durchgenommen, sondern können zur individuellen Lektüre entliehen werden. 14
2.2 Benotung
Die herkömmliche Methode der Benotung im Fremdsprachenunterricht besteht darin, dass alle Schüler in einem begrenzten Zeitraum die gleiche Arbeitsaufgabe bearbeiten, welche dann mithilfe des Notensystems bewertet werden. Diese Art der Benotung findet in der Freinet- Pädagogik nicht statt, da jeder Schüler seine eigenen Lernwege bestreitet, 15 und somit nicht vergleichend mit den Mitschülern bewertet werden kann. Die individuelle Leistungsbewertung wird sehr ernst genommen, und in Absprache mit den Schülern vorgenommen. Die AnhängerInnen Freinets sehen sich als ArbeiterInnen in der Klasse, und verstehen das Lernen der Schüler ebenfalls als ernstzunehmende Arbeit, über die sie Arbeitsverträge abschließen. 16 Die Schüler müssen regelmäßig eine Rechenschaftsbilanz ihrer geleisteten Arbeit, bzw. über das Erfüllen der Verträge, sowie eine Selbsteinschätzung ablegen. wodurch das Verantwortungsbewusstsein gefördert wird, da sie lernen, Verantwortung für ihre geleistete Arbeit zu tragen. Die Rechenschaft geschieht in Form von schriftlichen Monatsbilanzen, in denen die Schüler zusätzlich zu ihren geleisteten Arbeiten und ihrer Selbsteinschätzung, ihre Meinung zum Klassenklima niederlegen. Die Zeugniszensuren werden gemeinsam im Klassenverband besprochen: Der Schüler schätzt sich zunächst einmal selbst ein, wozu die Klasse anschließend Stellung nimmt. Danach macht der Lehrer seinerseits einen Zensurenvorschlag. 17 Auf diese Weise sollen die Schüler lernen, dass Freiheit auch Verantwortung einschließt. 18
„ Schülerarbeit sollte ihren Sinn nicht in guten Zensuren finden, sondern sollte in sich selbst sinnvoll sein (...). Ein sinnvolles Tun ist immer befriedigend, und der eigene Stolz über eine gelungene Arbeit ist wichtiger als eine gute Zensur.“ 19
3. Die techniques
Die Charakteristika der Freinet- Pädagogik sind die techniques, welche alle pädagogischen Hilfsmittel und methodischen Maßnahmen bezeichnen, die auszeichnend für Freinet sind. Hierzu gehören z.B. die Klassenzeitung, freie Texte, Korrespondenz, Schuldruckerei und auch die sozialen
14 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik S. 222
15 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik, S.226 f
16 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 218
17 Baillet, Dietlinde : Freinet praktisch, S. 171
18 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 227
19 Baillet, Dietlinde : Freinet praktisch, S. 171
Institutionen innerhalb der Klasse wie z.B. der Klassenrat oder die Wandzeitung. 20 Diese Methoden sind die angewandten Alternativen zum lehrbuchorientierten Unterricht, die den Schülern die Möglichkeit geben, ihren Interessen entsprechend zu arbeiten, und darüber hinaus Arbeiten zu erledigen, die einen Sinn beinhalten. 21 Allerdings ist es wichtig zu bemerken, dass alle techniques im Zusammenspiel den Freinet-orientierten Unterricht kennzeichnen, da sie sich gegenseitig ergänzen und auch sinngebend verhalten.
3.1 Freier Text und Schuldruckerei
Grundlegend für den Unterricht in der Freinet- Pädagogik ist der freie Ausdruck, wobei dieser mündlicher, schriftlicher, oder auch schöpferischer Natur sein kann. Allerdings findet im Fremdsprachenunterricht vorzugsweise der freie Text Anwendung. Hierbei werden keine Aufsätze zu vorgegebene Themen verfasst, sondern die Schüler können aus eigenem Antrieb das schreiben, was sie grade interessiert, und immer wann sie das Bedürfnis danach haben. 22 Natürlich hat nicht jeder Schüler überhaupt ein Bedürfnis zu schreiben, so dass auch Hilfsmittel wie Bilder und Reizwörter eingesetzt werden können, die die Motivation fördern, und zum Schreiben anregen sollen. 23 Eine weitere Motivation zum Schreiben ist, dass die Texte gedruckt und im Rahmen der Klassenkorrespondenz verschickt oder für die Schülerzeitung verwendet werden. 24 Hierin besteht auch der Sinn der Druckerei, der Korrespondenz und der Klassenzeitung: die Schüler sollen den Sinn des Schreibens erkennen und so Motivation erlangen, da sie nicht nur für sich schreiben, sondern auch für die Partnerklasse des Ziellandes. Darüber hinaus fördert die Druckerei die Kooperation innerhalb der Klasse, da zum Drucken mehrere Schüler notwendig sind. Ein anderer Aspekt der Druckerei ist die Verbindung von intellektuellen und praktischen Tätigkeiten, welche die Aufhebung der Trennung von Kopf und Handarbeit mit sich ziehen. 25
„Beim Drucken wird die Sprache von den Händen der Kinder auseinandergenommen und wieder
zusammengesetzt, sie ist keine anonyme Formulierung mehr, sondern wird
ihre eigene Schöpfung.“ 26
3.2 Klassenkorrespondenz
Wie schon erwähnt ist es im Fremdsprachenunterricht nach Freinet von besonderer Bedeutung, dass die Lernenden soviel mit der authentischen Fremdsprache konfrontiert werden wie nur eben möglich. 27 Diese Authentizität ergibt sich, wenn die Notwendigkeit die Zielsprache
20 Dietrich, Ingrid : Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 218
21 Baillet, Dietlinde : Freinet praktisch, S. 153
22 Schlemminger, Gerald: Freinet- Techniken in Fremdsprachenunterricht
23 aus: Lernzirkel „Wege zur Öffnung des Unterrichts“
24 Hans, Jörg: Praxis der Freinet- Pädagogik, S. 27
25 Schlemminger, Gerald: Freinet- Techniken im Fremdsprachenunterricht
26 Giradin, zit. nach: Koitke, Christine: Freinet- Pädagogik, Unterrichtserfahrungen
27 Dietrich, Ingrid : Handbuch der Freinet- Pädagogik, S. 219
anzuwenden nicht im Klassenzimmer simuliert, sondern durch den Kontakt Realität wird. 28 Dies geschieht durch Klassenkorrespondenz mit einer Partnerklasse des Ziellandes. Hierbei ist es aber wichtig, dass die Partnerschaft in die Klasse integriert wird, und nicht als zusätzliche Spielerei gilt, denn sie muss vollständig zum sozialen Leben gehören, und somit die soziale Gruppe des Einzelnen und der Klasse erweitern. 29 Eine weitere Besonderheit der Korrespondenz ist, dass die Lernenden mit authentischen Äußerungen der Muttersprachler, sowie mit grammatischen Phänomene, Ausdrucksformen und Vokabeln konfrontiert werden, die nicht der Progression der Lehrbücher angepasst sind. Somit geht die Ablehnung der Lehrbücher mit der Konfrontation mit der Zielsprache einher. 30 Darüber hinaus verliert auch durch die Klassenkorrespondenz die Arbeit der Lernenden ihre Sinnlosigkeit, da z.B. in Form von „freien Texten“ Briefe an die Partner geschrieben werden. 31 Auch der kommunikative Aspekt spielt eine sehr große Rolle, da die Sprache durch die Korrespondenz nicht mehr nur als Sprache an sich verwendet wird, sondern als Mittel zur mitteilungsbezogenen, interaktionellen Kommunikation. 32
Die Klassenkorrespondenz hat allerdings nicht nur Auswirkungen auf das Sprachenlernen an sich, sondern auch auf die Rollen und Sozialformen innerhalb der Klasse; Arbeitsteilung und kooperative Vorgehensweisen werden aufgrund der von Kommunikation bestimmten Aufgaben unumgänglich, z.B. bei der Gruppenarbeit. 33
Da es zum Ziel gehört, die Partnerschaft vollständig in das pädagogische Leben einzubeziehen, ist es notwendig, die Partnerklasse über jede Gruppenaktivität zu informieren. Dies geschieht nicht nur in der bekannten Briefform, sondern es werden auch ergänzend freie Texte, Klassenzeitungen, Tonbänder, Päckchen etc. verschickt. Dadurch wird der Schüler sehr bald nicht nur für sich arbeiten, sondern auch für die Austauschpartner, was wiederum zu einer Förderung der Motivation führt. 34 Besondere Vorteile im Bezug auf das ganzheitliche Lernen bietet das versenden von Tonbandaufnahmen, da sie die Fähigkeiten des Schülers im audio-lingualen bereich fördern, und er sich auf diese Weise auf die Diskrepanz zwischen der gesprochenen Sprache im Klassenraum und der realen Sprachsituation vorbereiten und gewöhnen kann. 35 Darüber hinaus lernen sie, dass nicht das Verständnis aller Redeelemente entscheidend ist, sondern das erschließen von zusammenhängen aus dem Kontext. 36 Aber auch das Aufnehmen dieser Tonbänder ist sehr sinnvoll, da die Schüler durch das Abhören ihre Fehler erkennen können, und zudem ihr fremdsprachliches Sprechen erproben können und so sicherer in ihrer Artikulation werden. 37
28 http://www.bildung.hessen.de/examen/englisch/primar/korrespondenz/eunterricht.pdf S. 11
29 Koitke, Christine: Freinet- Pädagogik, Unterrichtserfahrungen, S.52 f
30 http://www.bildung.hessen.de/examen/englisch/primar/korrespondenz/eunterricht.pdf S. 26
31 Hans, Jörg (Hrsg): Praxis der Freinet- Pädagogik, S.27
32 http://www.bildung.hessen.de/examen/englisch/primar/korrespondenz/eunterricht.pdf S.10
33 http://www.bildung.hessen.de/examen/englisch/primar/korrespondenz/eunterricht.pdf S.14
34 Koitke, Christine : Freinet- Pädagogik, Unterrichtserfahrungen, S. 53
35 http://www.bildung.hessen.de/examen/englisch/primar/korrespondenz/eunterricht.pdf S.32
36 Dietrich Ingrid, : Kritisch-pädagogische Gedanken zu „alternativen Methoden“
37 http://www.bildung.hessen.de/examen/englisch/primar/korrespondenz/eunterricht.pdf S.31
4. Aspekt des interkulturellen Lernens
Die Klassenkorrespondenz im Fremdsprachenunterricht fördert allerdings nicht nur die sprachliche Kompetenz gefördert, sonder durch den Kontakt mit Angehörigen der fremden Kultur werden auch Toleranz auf- und Fremdenstereotypen abgebaut. 38 Durch die Briefpartner werden die eigenen regionalen, traditionellen Werte in Frage gestellt, da die Briefpartner zumeist andere Wertmaßstäbe haben. Das Kennenlernen und Verstehen der verschiedenen Sichtweisen ermöglicht den Schülern, sich in gewissem Maße von familiären und sozialen Einflüssen zu befreien, und somit toleranter zu werden. 39 Zudem wird die Weltsicht des Einzelnen erweitert da zu der monolingualen Welt einen neue fremde Welt und ein neuer Kulturkreis hinzukommt. 40 Darüber hinaus bekommen die Schüler einen Einblick in die unterschiedlichen Umwelten, zum Beispiel können die Schüler aus einem Buch leicht erfahren, was ein Stahlwerk ist, durch die Klassenkorrespondenz erhalten sie z.B. aber auch Einblick in das Leben der Arbeiter, die Stimmung in der Arbeitersiedlung oder die Problematik eines Streiks oder Unfalls. 41 Allerdings bezieht sich Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht nur eingeschränkt auf Informationen über die andere Kultur, sondern vielmehr auf die Sensibilisierung für fremde Kulturen, sowie die Sichtbarmachung und den Abbau von Klischees und die Entwicklung von Toleranz. 42 Allerdings beinhaltet das Interkulturelle Lernen auch Auswirkungen auf das Verstehen und Empfinden der eigenen Kultur. Die Schüler erkennen die Relativität von bestimmten Tatsachen, die sie als gegeben hinnehmen 43 , und lernt, Fremdes und Eigenes vergleichend zu betrachten sowie die Bereitschaft zur selbstkritischen Infragestellung der eigenen Werte und Normen. 44
5. Die drei Ebenen des Fremdsprachenunterrichts
Die Gesamtkonzeption des Fremdsprachenunterricht in der Freinet-Pädagogik kann in drei Ebenen untergliedert werden, welche sich auf die Kommunikation in der Klasse beziehen. Ebene I (Phasen gemeinsamer Arbeit)
Die LehrerInnen legen ein Minimalprogramm fest, welches die Basis der späteren Arbeit wird. Zudem regen sie die Schüler an, ihre Grundfertigkeiten z.B. in Diskussionen, kommunikativ in der Gruppe
38 http.//www.ph-ludwigsburg.de/franzoesisch/overmann/baf5/5k.htm
39 Koitke, Christine : Freinet- Pädagogik, Unterrichtserfahrungen, S. 54
40 http.//www.ph-ludwigsburg.de/franzoesisch/overmann/baf5/5k.htm
41 Koitke, Christine: Freinet- Pädagogik, Unterrichtserfahrungen, S. 53
42 http://www.bildung.hessen.de/examen/englisch/primar/korrespondenz/eunterricht.pdf S 18
43 Koitke, Christine: Freinet- Pädagogik, Unterrichtserfahrungen, S. 54
44 Krumm, Hans Jürgen: Interkulturelles Lernen und interkulturelle Kommunikation, S. 157
anzuwenden. Ziel dieser Phase ist nicht das Einprägen konkreter Kenntnisse, sondern die Entwicklung der Aufnahmefähigkeit. 45 Ebene II (Phase personalisierter Arbeit)
Durch die gemeinsame Arbeit in der ersten Phase verfügen die Schüler über genügend Material, so dass sie ihre individuellen Interessen an der Unterrichtsreihe vertiefen können. Ziel ist es hierbei, die Schüler an ihrem Lernprozess zu beteiligen, und sie nach ihrem eigenen Rhythmus lernen zu lassen. Zudem sollen sie lernen, ihre Arbeit selbst zu organisieren und alle Arten von Informationsträgern dafür zu nutzen. Sie sollen Erfahrungen machen, ohne unter der ständigen Kontrolle des Lehrers zu stehen. Die Unterrichtsstunde hält sich an keinen festen Verlaufsplan, da sie sich in die Realsituation der Klasse anpasst. Grundlegend ist der freie mündliche und schriftliche Ausdruck, der durch die Korrespondenz angeregt und gefördert wird. 46
Ebene III (Phase der Sozialisierung)
In dieser letzten Phase präsentieren die Schüler oder die Schülergruppen in Form einer mündlichen Vorstellung ihre Ergebnis vor der Klasse. Zunächst unterliegt die Vorstellung der Kritik der Klasse, und anschließend der des Lehrers, der darüber hinaus auch ergänzt und bei der Zusammenfassung hilft. Am Ende kann die Arbeit in den Kommunikationskreislauf der K lasse eingefügt werden, z.B. in Ordner geheftet oder zwecks Klassenkorrespondenz an Partnerklassen verschickt werden. 47
6. Grenzen und Gefahren
In der vorangegangenen Ausführung habe ich im wesentlichen beschrieben, wie der Fremdsprachenunterricht in der Freinet- Pädagogik aussieht. Hierbei ist es sehr deutlich geworden, dass die Schüler weitaus mehr Freiheiten und Abwechslung haben, als es im traditionellen Unterricht der Fall ist. Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass dies nicht automatisch mit der Einführung der Freinet- Methoden geschieht. Die Schüler müssen an die Freiheit gewöhnt werden, und nicht alle können mit ihr umgehen. So liegt es nahe, das auch dem Freient-Unterricht Grenzen gesetzt sind; so besteht zum Beispiel die Gefahr, das der Unterricht in Chaos ausbricht und das die Freiheit zum Stören ausgenutzt wird. 48 Zudem ist es auch fraglich, ob mit den zur Verwendung stehenden Mitteln die im Lehrplan formulierten Ziele erfüllt werden können. Ein anderer Aspekt ist die intensive Vorbereitung Seitens des Lehrers sowie der Kostenfaktor, der unter normalen Umständen die finanziellen Mittel sprengt, und somit nur schwer in einer staatlichen Schule durchzuführen ist. Darüber hinaus kann der Unterricht bei
Dauereinsatz ebenso langweilig werden, wie der herkömmliche Frontalunterricht.
45 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik S. 225
46 Dietrich, Ingrid: Handbuch der Freinet- Pädagogik S. 225 f
47 Dietrich, Ingrid : Handbuch der Freinet- Pädagogik S. 226
48 Baillet, Dietlinde : Freinet praktisch, S. 188 f
In Bezug auf die Anwendung der Freinet- Methoden in den verschiedenen Klassen lässt sich abschließend sagen, dass sie besonders in der Sekundarstufe I sehr kreativitäts- und Eigenständigkeitsfördernd sind und zudem der Raum für eigene Ideen und individuelles Lerntempo sehr motivierend wirkt. In der Sekundarstufe II ist die Anwendung hingegen problematisch, da der Lehrplan sehr inhaltlich geprägt ist, allerdings bietet sich z.B. durch die entspannte Lernatmosphäre die Möglichkeit der individuellen Leistungsförderung. 49
7. Schlussbemerkung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Fremdsprachenunterricht nach Freinet sehr kommunikationsfördernd ist. und somit auch großen Wert auf das A und O des Erlernens einer Sprache gelegt wird: der praktischen Anwendung. Fördern und motivierend ist zudem auch, dass er sehr Schüler- und Interessenorientiert aufgebaut ist, und somit für die Behaltensleistung und für den Lernerfolg von großem Vorteil ist. Ein weiterer positiver Punkt ist, dass nicht nur der Unterrichtsstoff vermittelt wird, sondern das auch die Förderung von menschlichen Eigenschaften wie Verantwortungsbewusstsein und Toleranz eine sehr große Rolle spielt. Allerdings sollten auch die Grenzen und Gefahren der Freinet- Pädagogik nicht unbeachtet bleiben, da diese die Schwierigkeiten bei der Durchführung aufzeigen und deutlich machen, das sich die Anwendung auch kontraproduktiv auswirken kann.
49 Ergebnisse der Fachkonferenz Englisch, Handapparat
8. Literaturverzeichnis
Baillet, Dietlinde: Freinet- praktisch. Beispiele und Berichte aus Grundschule und Sekundarstufe. Weinheim-Basel 2 1989.
Dietrich, Ingrid (Hrsg.): Handbuch der Freinet- Pädagogik. Weinheim-Basel 1995.
Dietrich, Ingrid: kritisch- pädagogische Gedanken zu „alternativen Methoden“ - Friedenserziehung, eine alternative zum Fremdsprachenunterricht. In: Müller, Bernd- Dietrich: Anders Lernen im Fremdsprachenunterricht: Experimente aus Paris. Berlin 1989.
Freinet, Elise: Erziehung ohne Zwang, Der Weg Célestin Freinets. Stuttgart 1981
Hans, Jörg (Hrsg): Praxis der Freinet- Pädagogik. Paderborn-München-Wien-Zürich 1981
Koitke, Christine (Hrsg): Freinet- Pädagogik. Unterrichtserfahrungen zur freier Text, Selbstverwaltung, Klassenzeitung, Korrespondenz u.a.. Berlin 1977.
Krumm, Hans Jürgen: Interkulturelles Lernen und interkulturelle Kommunikation. In: Bausch, Karl-Richard et al. (Hrsg): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen 1995
Schlemminger, Gerald: Freinet- Technik im Fremdsprachenunterricht. Forschungsbericht über 40 Jahre Unterrichtspraxis. In: Neusprachliche Mitteilungen 48 (1995), Heft 3, S. 153- 163
Söll, Florian: Momentaufnahmen zum Thema Klassenkorrespondenz. In: Hagstedt, Herbert (Hrsg): Freinet- Pädagogik Heute. Beiträge zum Internationalen Célestin-Freinet-Symposion ind Kassel. Weinheim 1997. S. 49- 59.
Lernzirkel „Wege zur Öffnung des Unterrichts“, Reformpädagogischer Verlag Jörg Potthoff.
http://www.bildung.hessen.de/examen/englisch/primar/korrespondenz/eu nterricht.pdf
http://195.16.228.70:90/Zeitungen/zeitg498.htm
Schlagworte:
Seminararbeit, Hausarbeiten.de, fremdsprache, schuldruck, lit-2002_buch, e-book,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Proseminar, sehr gut, Kosten, 1,49 €, Uni Bochum
Titel: Die Methoden der Freinet-Pädagogik im Fremdsprachenunterricht
Veranstaltung: Proseminar Freinet- Pädagogik
Autor:Lena DrevermannJahr: 2002
Seiten: 12
Archivnummer: V107627
ISBN (eBook): 978-3-640-05881-5
DOI: 10.3239/9783640058815
Dateigröße: 186 KB
Sprache: Deutsch
|
ID: 1504 | hinzugefügt von Jürgen an 00:28 - 22.6.2005 |
title: Celestin Freinet und die Bewegung der 'école modèrne' by Eppler, Irena |
|
Text:
Inhaltsverzeichnis
S. 3
1. Einleitung
S. 4
2. Biographische Rahmendaten
S. 5
3. Anthropologie und Erziehungsziel der Freinetpädagogik
4. Zentrale Erziehungsprinzipien
4. 1. „Natürliche Methode“ und forschend entdeckendes Lernen 6
4. 2. Lebensweltbezug 6
4. 3. Freiheit und Selbstständigkeit 7
4. 4. Demokratie, Ordnung und Disziplin 7
4. 5. Rechte der Kinder 8
4. 6. Individualität 8
4. 7. Wertschätzung materieller Arbeit 8
5. Konkrete Unterrichtsmethoden
5. 1. Druckerei, freier Text, Klassenkorrespondenz und deren Entwicklung 9
5. 2. Klassenrat 10
5. 3. Individuelle/kollektive Wochenpläne 11
5. 4. Bewertung 11
5. 5. Gruppenarbeit und Arbeitsateliers 12
S. 12
6. Schluss
Literaturverzeichnis S. 14
1. Einleitung
Die Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war nicht nur politisch und industriell eine Zeit des Umbruchs und der Veränderungen, sondern es entstanden auch gesellschafts - und bildungspolitisch zahlreiche Ideen und Ansätze, die noch bis in die heutige Zeit das gesamte Bildungs - und Schulwesen entscheidend mit beeinflussen. Die Gesellschaft kritisierte die Unflexibilität und Enge der Herbartschen Formalstufen des Unterrichts, den autoritären Führungsstil der Lehrer, und die fehlende Berücksichtigung der Kindheit als Schonraum und eigenständige Phase der Entwicklung. Nach einem vehementen Rückschlag dieses fortschrittlichen alternativen Denkens aufgrund des 2. Weltkrieges und dessen Folgen, überschwemmt uns heute ein vielseitiges Angebot an alternativen Schulmodellen, wobei die Ideen der Jahrhundertwende in modifizierter und oft kombinierter Form den heutigen reformpädagogischen Konzepten als Grundlage dienen.
Viele Eltern stellen sich heute die Frage, welche Schule, ob Regel - Montessori - Waldorf oder - Freinet, für ihr Kind die richtige ist, und vor allem welche Schule ihrem Kind die besten Zukunftschancen bieten kann. In diesem Zusammenhang entsteht auch oft eine Diskussion über die Leistungsfähigkeit und das feststellbare Leistungsniveau der Schüler auf Alternativschulen im Vergleich zu Regelschulen. Diese Frage ist allerdings sehr komplex und lässt sich nicht in allgemeiner Form beantworten, auch da bei einem direkten Vergleich klare Beurteilungskriterien fehlen. Die Frage, welche Schule welchem Kind die besten Bildungschancen bietet muss also individuell geklärt werden. Der erste Schritt ist sicherlich die umfassende Suche nach Informationen zu den jeweiligen Bildungszielen, - ideen, - und methoden des entsprechenden Schulmodells. Sicher ist, dass Eltern, die sich intensiv mit der Frage nach der besten Schule für ihr Kind auseinandersetzen, engagiert und interessiert ihrem Kind zur Seite stehen, was schon allein sehr hilfreich und nützlich für die Chancen des Kindes ist.
Die folgende Arbeit soll einen Überblick über die alternativen pädagogischen Ideen eines ausgewählten Denkers und Praktikers geben, der seine revolutionären Gedanken in die Tat umsetzte und auch heute noch - allein in Frankreich - über 30.000 Anhänger findet: Die Rede ist von Celestin Freinet und seiner Bewegung, der école modèrne.
Inspiriert von alternativen Erziehungsmodellen, von Maria Montessori, John Dewey oder Peter Petersen, entwickelte Freinet Unterrichtstechniken und Arbeitsmaterialien, die auch noch im heutigen, nicht nur alternativen Unterricht, ihren Einsatz finden, wie z.B. die Schuldruckerei, der freie Text, die Klassenzeitung oder - Korrespondenz. „Aufgrund seiner Kritik an der herkömmlichen >>Schulkaserne<< und dem lebensfernen >>scholastischen<< Unterricht forderte er die Verbindung von Schule und Leben, von körperlicher und geistiger Arbeit, die pädagogische Kooperation von Schülern und Lehrern, sowie der Lehrer untereinander.“ 1
2. Biographische Rahmendaten
Celestin Freinet wird 1896 in Gars, in der Provence geboren. Mit dem Ziel Lehrer zu werden wird er 1912 in das Lehrerseminar von Nizza aufgenommen. Leider konnte er sein Studium zu diesem Zeitpunkt nicht beenden, da er schon 1915 als Offizier im ersten Weltkrieg einberufen wurde. Schon zwei Jahre später wurde er durch einen Lungenschuss sehr schwer verletzt, sodass er von diesem Zeitpunkt an große Sprech - und Atemprobleme hatte. Nichts desto trotz bekam er 1920 eine Anstellung an der Dorfschule von Bar sur Loup, zudem er auch erst 1923 sein Examen als Lehrer für das höhere Schulwesen bestand. Herkömmlicher Frontalunterricht wäre aufgrund seiner schweren Kriegsverletzung überhaupt nicht möglich gewesen, weshalb er sich über Alternativen und andere Formen des Unterrichts Gedanken machen musste. Es wäre jedoch falsch zu behaupten, der Lungenschuss sei der Grund weshalb Freinet sein reformpädagogisches Konzept entwickelt hätte - die auslösende Funktion lässt sich aber nicht leugnen. „Mit unnachgiebiger Hartnäckigkeit in körperlichen und seelischen Anstrengungen begann der junge Lehrer die ebenso lange wie geduldige Lehrzeit in seinem pädagogischen Beruf. Dies konnte er nur durch einen Kompromiß erreichen, indem er einerseits seine eigene Gesundheit schonte und andererseits den Kindern eine aktivere Rolle im Schulleben zukommen ließ.“ 2 Seine Pädagogik der Individualität und Spontaneität hatte das Ziel, die Schüler zum selbstständigen arbeiten zu bewegen und gleichzeitig vom klassischen Lehrervortrag abzukommen, der die Schüler automatisch in eine passive Haltung versetzt.
1 Böhm 2000, S. 184
2 Freinet, E. 1981, S. 17-18
3. Anthropologie und Erziehungsziel der Freinet - Pädagogik
In einer Zeit des Krieges und der sozialen Missstände war Freinet immer darum bedacht, Kindern durch eine bessere Schulbildung einen höheren Bildungsstandard und somit bessere Lebenschancen zu ermöglichen. Als sozialistisch geprägter, jedoch vielmehr sozialer Mensch trat er mit seinen Ideen den Kampf gegen das veraltete Schulwesen an. „Ziel der Erziehung war nicht der der Gemeinschaft untergeordnete Massenmensch, sondern die freie, selbst denkende, selbstbewusste, verantwortlich handelnde Persönlichkeit, die nach besten Kräften zum Wohle der Gemeinschaft beiträgt.“ 3 Das Kind muss also selbsttätig und aktiv seinen Lebensraum entdecken, um seine individuellen Fähigkeiten und seine einzigartige Persönlichkeit in vollem Maße entfalten zu können. Den Erziehern bleibt nichts anderes übrig als ein Interessen förderndes Milieu zu schaffen und dem Kind eine möglichst vielseitig anregende Lernumwelt zu bieten, damit es seine schöpferischen und kreativen Anlagen entwickeln kann. Diese Art des Denkens setzt ein organisches Menschenbild voraus, das Freinet und auch seine Frau und treueste Mitarbeiterin Elise, ohne Zweifel verfolgten. Sie waren der Meinung, dass der Wille zu lernen aus dem Kinde selbst hervorgeht, getragen von spontaner Motivation und auf Entdeckerdrang basierend. Das Kind ist sozusagen hungrig nach Leben und Aktivität. Es muss sich selbst erziehen und bilden, und zwar nicht indem es die Ideen und das Verhalten der Erwachsenen vorbehaltlos übernimmt, sondern indem die Erzieher das Kind in seinem autonom entdeckenden Lernen unterstützen und ihm eine dafür geeignete Lernumwelt bieten. „Wir sind daher gezwungen, es dem Züchter gleichzutun, dem es nur unvollkommen gelingt, seinen Tieren das ihnen gemäße Spezialfutter, das ihnen eine optimale Entwicklung garantiert, zuzuteilen. Er kann nichts Besseres tun, als seine Fohlen auf die freie Weide zu führen, wo sie in Ruhe zwischen zwei mutwilligen Sprüngen das saftige Gras suchen, das ihrem Körper Geschmeidigkeit und Kraft und ein vor Gesundheit glänzendes Fell verleiht.“ 4 Derartige Vergleiche mit dem Tierreich sind bei Freinet keine Seltenheit, was wiederum auch sein organisches, „natürlich wachsen lassendes“ Menschenbild widerspiegelt.
Schlagworte:
lit_2006-buch, e-book,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Uni Würzburg
Titel: Celestin Freinet und die Bewegung der "école modèrne"
Veranstaltung: Keine
Autor:Irena EpplerJahr: 2006
Seiten: 15
Archivnummer: V75309
ISBN (eBook): 978-3-638-79818-1
ISBN (Buch): 978-3-638-79745-0
DOI: 10.3239/9783638798181
Dateigröße: 115 KB
Sprache: Deutsch
|
ID: 4345 | hinzugefügt von Jürgen an 11:53 - 7.8.2012 |
title: Klassenrat by Giese, Christiane (verantwortlich), Lara Schmermund, Katja Haufe |
|
Text:
„Zeit haben, um über Probleme in der Klasse zu sprechen“, das mag die erste Asso-
ziation zum Thema Klassenrat sein - und sie ist nicht falsch. Aber sich auf Klassenrat
als neues Element in der Schule einzulassen, heißt mehr als eine Stunde in der Woche
über Probleme sprechen: Es heißt den Umgang miteinander, das Lernklima, die Klas-
senkultur und die Schulkultur zu verändern.
Konzepte
Es gibt unterschiedliche Konzeptionen von Klassenrat, von denen zwei grundlegende
hier kurz vorgestellt werden. Ein Ansatz fußt in der Freinet-Pädagogik, der andere
steht in der Tradition der Individualpsychologie.
Für die Freinet-Pädagogik sind Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Kin-
der von herausragender Bedeutung. Hier ist die Klassenversammlung ein festes Ele-
ment im Zusammenarbeiten und Zusammenleben: Es werden Regeln für die Arbeit
und für den Umgang miteinander festgelegt, in der Versammlung werden Ergebnisse
präsentiert und es kann eine gemeinsame Bewertung und Bilanzierung erfolgen. Aber
auch zwischenmenschliche Probleme werden thematisiert und Lösungen gemeinsam
erarbeitet.
...
Schlagworte:
Klassenrat,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Quelle: Demokratie-Baustein „Klassenrat“ , www.blk-demokratie.de
BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“ , 07.10.2004
PDF-Baustein - 36 kB
|
ID: 2977 | hinzugefügt von Jürgen an 23:40 - 25.6.2007 |
title: Klassenrat, Klassenparlament by Grundschule Harmonie |
|
Titel: | Klassenrat, Klassenparlament |
Autor: | Grundschule Harmonie | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Bindestrich 71, p. 8-9 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | 00.08.2011 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
lit_2011-art, Bindestrich-71,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 4109 | hinzugefügt von Jürgen an 16:14 - 17.2.2012 |
title: Welche theoretischen Elemente definieren Freinet-Klassen by Guczogi, Theresa |
|
Text:
Untersuchung aufgrund von Expertinneninterviews im Raum Wien
Schlagworte:
Examensarbeit, Bachelorarbeit, lit_2012-buch, Elise-h05, Klassenrat, Erzählkreis, freier Text, Schuldruckerei, Schulbuch, Wochenplan, Wochenpläne, Arbeitsatelier, Projektwoche, tastendes Versuchen,Team, Ausbildung,
summary:
Abstract (in deutscher Sprache)
Diese Arbeit setzt sich mit den Elementen des französischen Reformpädagogen Célestin Freinet und deren Umsetzung an Wiener Volksschulen auseinander. In Österreich gibt es zwar Freinet-Fortbildungen für bereits im Dienst stehende LehrerInnen, aber keine einheitliche Freinet-LehrerInnenausbildung, daher ist die Auslegung dieser Pädagogik individuell verschieden. In der Arbeit werden zuerst die zentralen Elemente der Freinet-Pädagogik beschrieben und ein Blick auf das Leben des Pädagogen geworfen. Es folgen ExpertInneninterviews mit fünf Wiener Freinet-PädagogInnen und eine Zusammenfassung von Forschungsergebnissen und Literatur.
Abstract (in englischer Sprache)
This research paper deals with the progressive French educator’s Célestin Freinet educational system/theories and their/its implementation in Viennese primary schools. In Austria there is no homogenous Freinet teacher training, but advanced trainings for teachers in service do exist, which results in this pedagogy’s being interpreted individually by each teacher respectively. This paper sets out to describe the central elements of Freinet pedagogy, followed by a short glance at the educator’s life and expert interviews with five Viennese Freinet teachers. The paper’s end features a summary of research results and the used literature
INHALTSVERZEICHNIS
0. Vorwort 6
1. Forschungsinteresse 7
2. Verankerung der Freinetpädagogik 7
2.1 Verankerung der Freinet-Pädagogik Österreich, mit Schwerpunkt Wien 7
2.2 Verankerung der Freinetpädagogik in den Niederlanden 8
3. Freinet-Pädagogik in der Praxis 8
3.1 Celestin Freinet (Person) 9
3.2 Elemente seiner Pädagogik 11
3.2.1 Arbeitsateliers 11
3.2.2 „Weg mit den Schulbüchern“ 12
3.2.3 Arbeitsplan 12
3.2.4 Klassenrat 13
3.2.5 „Verlasst die Übungsräume“ und „tastendes Versuchen“ 14
3.2.6 Schuldruckerei 14
3.2.7 Freier Text / Freier Ausdruck 15
3.3 Blick in die Niederlande 16
4. Forschungsliteratur und Forschungsinstrument 17
4.1 Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring 17
4.2 Methode des Interviews 17
4.3 Präsentation der Ergebnisse 19
4.4 Darstellung der Auswertung 50
4.5 Zusammenfassung 53
5. Glossar 57
6. Quellenangaben…………………………………..…………………………………...…. 58
6.1 Literaturverzeichnis……………………………………………………………………58
6.2 Internetquellen…………………………………………………………………………58
7. Anhang 60
7.1 Interviewtranskript 1 60
7.2 Interviewtranskript 2 67
7.3 Interviewtranskript 3 77
7.4 Interviewtranskript 4 83
7.5 Interviewtranskript 5 92
Notiz:
Zusammenfassung in Elise 5, 2013
|
ID: 4476 | hinzugefügt von Jürgen an 16:27 - 26.3.2013 |
title: Bachelorarbeit von Theresa Guczogi in Wien by Guczogi, Theresa |
|
Text:
Welche theoretischen Elemente definieren Freinet-Klassen? Untersuchung aufgrund von ExpertInneninterviews im Raum Wien.
Die Arbeit ist bei Freinetpädagogik in Wien bei freinet.paed.com im Volltext mit freundlicher Genehmigung von Theresa Guczogi abrufbar.
So lautet der Titel der Arbeit, die tief in den Freinet-Unterricht an Wiener Schulen taucht. Theresa Guczogi stellt fest:
“Zentrale Elemente, die in Wiener Freinet-Klassen verwendet werden, sind Klassenrat und Erzählkreise. … Das freie Schreiben wird in Wien vor allem in Form von verschiedenen Arten der Korrespondenz, hauptsächlich Web Blogs und selbst erstellten Büchern, aber auch mittels Brief- oder E-Mail-Kontakt mit Partnerklassen, Wandzeitungen, Radiosendungen, E-Mails an die Eltern oder andere „wichtige Personen“, und sogar über Twitter, praktiziert. Im Zuge dessen werden der Umgang und die Risiken der neuen Medien thematisiert. … Auch in „Bildnerische Erziehung“ wird der freie Ausdruck von den Wiener PädagogInnen verwendet, ebenso wie in Verbindung mit Werken, dem Theaterspiel und Musik.”
Freinet selbst habe sich zwar dezidiert gegen Schulbücher ausgesprochen, aber alle Freinet-LehrerInnen verwenden Schulbücher – vor allem Mathematik- und Schreiblehrgänge sowie Lesebücher in der Klassenbibliothek. Wochenpläne sind keine abzuarbeitenden Ansammlungen von Aufgaben, sondern werden unterschiedlich eingesetzt: Teilweise planen die Kinder selbst, was sie in ihrem nächsten Projekt bearbeiten wollen, oder schreiben auch im nachhinein auf, was sie in der Woche getan haben. Es gibt auch ‘Materialbücher’, in denen alle für die Kinder verfügbaren Materialien abgebildet werden. Sie helfen den Kindern in dem durchweg sehr freien Unterricht die Übersicht zu behalten.
....
Schlagworte:
lit-2013_art, Blog, Examensarbeit, Bachelorarbeit,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Zum Artikel über den Link
|
ID: 4494 | hinzugefügt von Jürgen an 01:05 - 17.10.2013 |
title: Freinet-Bewegung - eine politische Bewegung? by Hagstedt, Herbert |
|
Text:
Freinet-Bewegung -
eine politische Bewegung?
HERBERT HAGSTEDT
1.
Die Freinet-Bewegung hat ihre revolutionäre Sprache verloren.
Die politische Bedeutung der frühen Bewegung, auch noch der 60er Jahre, war geprägt von einer radikaleren, offensiveren Sprache. Freinets Sprache selbst ist immer auch eine des engagierten Schulkampfes gewesen, der konsequenten Attackierung der vorgefunden. Schulwirklichkeit: Schule als Kaserne, "Kampf den Schulbüchern"...
Heute ist die Sprache der Freinet-Bewegung entradikalisiert, seicht und lauwarm. Kein Schulrat, kein Schulaufsichtsamt fühlt sich mehr ans Bein gepinkelt. Im Gegenteil: Freinet- Pädagogen gelten in unserem Lande als besonders fleißige, engagierte, im Stillen werkelnde Lehrerinnen, an vielen Schulen die letzten Kollegen; die sich noch mit Schule voll identifizieren. Und besonders angenehm: ihre Sprache ist moderat und modernistisch geworden. Sie paßt in die dominante Terminologie der zweiten reformpädagogischen Epoche. "Sie sprechen von Klassenrat, Frau Kollegin? Sie meinen Morgenkreis."
Freinetpädagogische Termini der lauen Art haben Eingang in alle neueren Lehrpläne gefunden. Die Sprache ist verbindlich und offiziell geworden. Diese Sprache schreckt niemanden mehr. Die Begriffe sind austauschbar geworden, das Subversive ist weg. Freie Arbeit oder Werkstattunterricht - ja gerne. Wir sind diplomatisch geworden. Der scharfe Ton ist nicht mehr zu hören.
Schlagworte:
atsch-h8
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2699 | hinzugefügt von Jürgen an 08:11 - 15.12.2005 |
title: Freinet-Pädagogik heute by Hagstedt, Herbert |
|
Titel: | Freinet-Pädagogik heute |
Autor: | Hagstedt, Herbert | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Weinheim, Dt. Studienverlag | Quellentyp: | Sammelband |
veröffentlicht am: | DD.MM.1997 | | |
url: | |
Text:
Freinet-Pädagogik heute - Beiträge zum Internationalen Célestin-Freinet-Symposion in Kassel
Rückseitentext: Der französische Landschullehrer Célestin Freinet gehört zu den Pädagogen, die mit ihren Ideen die Schulreform-Versuche der letzten Jahrzehnte maßgeblicgh bereichert haben. Seine für die 'moderne Schule' zentralen Konzepte haben sich im Schulalltag bewährt: Morgenkreis und Klassenrat, Schreibwerkstatt und Freie Texte, Klassenkorrespondenz und Klassenzeitung, lerntagebuch und Freier Ausdruck, Schuldruckerei und Arbeitskarteien, Rechenkonferenz und Forscher-Ateliers, Wochenplan und Schülervorträge.
Aus Anlaß des 100. Geburgstag dieses großen Pädagogen am 15. 10. 1996 gab es eine internationale Jubiläumsveranstaltung an der Universität Kassel. Im vorliegenden band wird die aktuelle Auseinandersetzung in der Erziehungswissenschaft um Freints 'pädagoik der Arbeit' dokumentiert, nach den gegenwartsbezogenen Perspektiven der Freinet-Pädagogik gefragt und es werden dazu neuere befunde der Unterrichtsforschung dargestellt.
Schlagworte:
lit_1997-buch,
summary:
I Zur Einführung:
Hagstedt, Herbert: Freinet-Pädagogik heute und morgen
Barré, Michael: Was ist an der Freinet-Pädagogik noch modern?
II gegenwartsbezogene Aspekte der Freinet-Pädagogik
Schneider, Karl: Perspektiven der Schuldruckerei
Söll, Florian: Momentaufnahmen zu Thema Klassenkorrespondenz
Derrien, Christian, Schlemminger, Gerald: Das Telekommunikationsnetz der französischen Freinet-Bewegung
III Beiträge zur Unterrichtsforschung
Purmann, Ernst: Der Morgenkreis als Unterrichtstechnik
Röhner, Charlotte: Lebens- und Entwicklungsthemen in freien Texten
VI Freinet-Pädagogik in internationaler perspektive
Grunder, Hans Ulrich: Freinet-Pädagpgik in der Schweiz
Steiger, Peter: Replik auf Hans-Ulrich Grunders Beitrag
Ueberschlag, Roger: Freinet im Ausland
V Erziehungsphilosophie und Freier Ausdruck
Le-Bohec, Paul: Freinet in der Gegewart und in der Zukunft
Garlichs, Ariane: Heilende Wirkungen Freien Ausdrucks
VI Ateliers zum Freien Ausdruck
Glänzel, Hartmut: Zur Bedeutung von Ateliers auf einem Freinet-Symposion
Sahner, Barbara: Das Atelier 'Maskenbau und Maskentheater'
Glänzel, Angela und Hartmut: Das Atelier 'Mathematik und freier Ausdruck'
VII Abschluß-Podium: Freinet-Pädagogik heute
Schlemminger, Gerald: Forschungsdesiderata der Freinet-Pädagogik
Gradauer, Emmerich: Freinet-Pädagogik in Österreich
Herzog, Silvia: Die internationalen treffen
Dettinger, Eberhard: Welche Perspektive hat die Freinet-Pädagogik heute?
Kovermann, Brigitta: Internationale herausforderungen für das 21. jahrhundert
Ferleihung des Freinet-Preises
Ateliers zum Freien Ausdruck
Autorenverzeichnis
Notiz:
ISBN 3 89271 736 2
|
ID: 3177 | hinzugefügt von Jürgen an 00:34 - 6.10.2008 |
title: Über
Freinet
hinaus –
eine
Schule
der
Kinder by Hagstedt, Herbert |
|
Titel: | Über
Freinet
hinaus –
eine
Schule
der
Kinder |
Autor: | Hagstedt, Herbert | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Festschrift zum 60. Geburtstagvon Walter Hövel | Quellentyp: | Artikel aus Sammelband |
veröffentlicht am: | 12.4.2009 | | |
url: | |
Text:
Herbert
Hagstedt
Über
Freinet
hinaus
–
eine
Schule
der
Kinder
Für
Walter
Hövel
zum
60.
Geburtstag
„
Unsere
Aufgabe
ist
es,
eine
Pädagogik
zu
finden,
bei
der
das
Kind
soviel
wie
möglich
die
Richtung,
in
die
es
gehen
will,
auswählt
und
bei
welcher
der
Erwachsene
so
wenig
wie
möglich
autoritär
kommandiert.
Darum
bemüht
sich
unsere
Pädagogik,
in dem
sie
dem
Kind
soviel
wie
möglich
das
Wort
gibt...“
Célestin
Freinet
4.
Pädagogische
Invariante
(Pädagogische
Werke,
Bd.
II,
S.
493,
Paderborn
2000)
Im
Auftrag
der
Robert‐Bosch‐Stiftung
und
der
Heidehof
Stiftung
haben
Jury‐Mitglieder
des
Deutschen
Schulpreises
die
für
das
Jahr
2006
nominierten
18
Schulen
porträtiert
(Fauser
u.a.
2007).
Das
Porträt
von
Hannelore
Faulstich–Wieland
stellt
die
Grundschule
Harmonie
vor:
Jahrgangsübergreifendes
Lernen
über
alle
vier
Schuljahr
hinweg,
selbst
gesteuertes
und
miteinander
geplantes
Arbeiten,
Verantwortungsübernahme
in
Klassenrat
und
im
Kinderparlament,
sogar
„Expansives
Lernen“,
ein
Konzept
von
Klaus
Holzkamp,
kommt
dem
Jury‐Mitglied
in
den
Sinn
–
aber
kein
Wort
von
Freinet
(Faulstich‐Wieland
2007).
Eine
andere
Besucherin,
die
die
Schulentwicklung
seit
der
Gründung
der
Grundschule
Harmonie
mitverfolgt
hat,
meint
festgestellt
zu
haben,
dass
Frei‐ net
nur
in
den
Anfangsjahren
„ein
häufig
erwähnter
Pädagoge
in
Harmonie“
war
(Schiemann
2008).
Tatsächlich
hatte
der
Schulleiter
selbst
in
seiner
Rede
zur
Einweihung
der
neuen
Grundschule
im
Eitorfer
Stadtteil
Harmonie
auf
jede
direkte
Erwähnung
reformpädagogischer
Wurzeln
verzichtet
(Hövel
1996).
Walter
Hövel
ging
es
nicht
darum,
gleichsam
zum
100.
Geburtstag
des
französischen
Reformpädagogen
die
erste
Freinetschule
im
Bergischen
Land
zu
gründen.
Er
zitiert
vielmehr
mutig
aus
einer
Anzeige
der
Deutschen
Bank
(„Die
Zukunft
ver‐ langt
Phantasie
und
Kreativität
statt
Hierarchie“)
und
skizziert
dann
eine
moderne
Schule
nach
Vorstellungen
eines
BMW‐ Managers,
nicht
ohne
ganz
auf
das
vertraute
Vokabular
(„Tastendes
Versuchen“,
„Ateliers“,
„Freie
Texte“)
zu
verzichten.
Konsequenterweise
versteht
sich
auch
der
freinetpädagogisch
infizierte
Reformer
selbst
in
erster
Linie
als
Schulmanager.
So
dauert
es
keine
fünf
Jahre,
bis
seine
neue
Schule
in
der
Best-Practice-Liste
der
deutschen
Freinet‐Schulen
auftaucht
(Hansen‐ Schaberg
2002).
Neben
einigen
privaten
„Reformnestern“,
zu
denen
die
Freie
Schule
Prinzhöfte
und
die
FCS
Darmstadt
gehören,
verstärkt
die
Eitorfer
Neugründung
jetzt
das
kleine
Kontingent
staatlicher
Freinetschulen.
Schon
bald
wird
die
GS
Harmonie
zu
einer
bevorzugten
Hospitationsschule
Freinetpädagogisch
interessierter
Menschen,
auch
aus
dem
Ausland
(vgl.
Amlinger
2000).
Heute
schon
dürfte
die
Eitorfer
Schule
weit
höhere
Besucherzahlen
haben
als
Summerhill
oder
die
Laborschule
Bielefeld.
Sie
ist
fest
verknüpft
im
Netzwerk
exzellenter
Schulen.
Eine
Schule
der
Harmonie?
Fast
jeder
Besucher
–
ob
Jury‐Mitglied
oder
Praktikant
–
macht
sich
Gedanken
über
den
merkwürdigen
Namen
der
Schule.
Nicht
jeder
hat
von
der
ehemaligen
Kupfererzgrube
„Alte
Harmonie“
im
Bergischen
Land
gehört.
Ich
selbst
hatte
eine
andere
Assoziation:
Der
englische
Sozialreformer
und
Pädagoge
Robert
Owen,
der
als
utopischer
Sozialist
und
Textilfabrikant
Anfang
des
19.
Jahrhunderts
seine
berühmte
Kleinkind‐
und
Ganztagsgrundschule
für
die
Kinder
seiner
Mitarbeiter
in
New
Lanark
aufgebaut
hatte,
unternahm
1825
in
Nordamerika
einen
zweiten
Schulversuch
und
gründete
die
„New
Harmony
Community
of
Equality“.
Seine
Kooperative
in
New
Harmony
hatte
das
Ziel,
„alle
Kinder
in
solche
Verhältnisse
zu
bringen,
welche
als
die
schicklichsten
zur
Bildung
eines
guten
Charakters
bekannt
sind...“.
Pestalozzi
lässt
grüßen
und
Robert
Owen
jetzt
also
im
Bergischen
Land?
Weit
gefehlt!
Während
das
pädagogische
Experiment
von
New
Harmony
letztlich
an
seiner
utopischen
Hybris
scheiterte,
wurde
der
pragmatische
Ansatz
der
Eitorfer,
das
„gesamte
Repertoire
der
Reformpädagogik
als
Steinbruch
zu
begreifen“
(Beck
1996)
ein
Erfolgsmodell:
In
der
Grundschule
Harmonie
zeigt
sich,
wie
man
trotz
PISA‐ Auflagen
und
unter
Bedingungen
eines
allseits
erwarteten
moderaten
Instruktionismus
mit
den
Ideen
von
Kindern
ganz
eigene
Lernkulturen
schaffen
und
so
eine
Eitorfer
„Praxis
der
Selbstverantwortung
und
des
Dialogs“
erfinden
kann.
Als
junge,
erst
in
den
90er
Jahren
gegründete
Einrichtung
hat
die
Grundschule
Harmonie
den
Vorteil
gehabt,
den
didaktischen
Materialismus,
der
noch
die
frühe
Freinetbewegung
infiziert
hatte
(„Didaktix
+
Superteach“),
aus
der
Schule
weitgehend
heraushalten
zu
können.
Die
Grundschule
Harmonie
ist
heute
kein
„fertiges“,
konfliktfreies
Haus
des
Lernens,
sondern
im
Sinne
Freinets
eine
Ecole
Chantier,
d.h.,
eine
Dauerbaustelle,
auf
der
große
und
kleine
Architekten
ihr
Leben
entwerfen
und
gestalten.
Die
Schule
als
transparente
Baustelle!
Das
Leben
auf
der
Baustelle
bleibt
jederzeit
noch
überschaubar.
Zwar
mag
das
geschäftige
Treiben
von
Kindern
und
Erwachsenen
auf
den
ersten
Blick
etwas
Chaotisches
haben.
Aber
bei
genauem
Hinschauen
entdeckt
man
bald,
dass
es
auch
etwas
Geplantes,
Organisiertes,
Verantwortetes
hat.
Es
gibt
drei
ständige
Foren,
die
die
Arbeiten
auf
der
Baustelle
vorbereiten
und
durchdenken.
Walter
Hövel,
ohne
Berührungsängste
und
in
kritischer
Distanz
zur
Jenaplan‐Pädagogik,
spricht
von
„drei
entscheidenden
Kreisformen“.
Im
wahrsten
Wortsinne
„entscheidend“
ist
der
Klassenrat.
Wenn
man
bei
Walter
Hövel
liest,
was
hier
alles
geplant,
beraten,
eröffnet,
gezeigt,
gewürdigt
und
begutachtet
wird,
stellt
man
sich
darunter
einen
täglichen
Austauschplatz
auf
Klassenebene
vor
–
eine
Art
logistisches
Zentrum.
Der
Klassenrat
hat
keine
Chance,
zum
Morgenkreis
der
beliebigen
Geschichten
zu
verkümmern.
Gegenüber
dem
Klassenrat
der
Freinet‐Schule,
der
einmal
wöchentlich
–
in
der
Regel
am
letzten
Wochentag
–
stattfindet,
ist
hier
der
Klassenrat
als
potentiell
täglicher
Planungskreis
erheblich
aufgewertet.
Das
zweite
Forum
bildet
der
Lehrerrat.
Auch
dieser
Austauschplatz
findet
allmorgendlich
statt
–
eine
Art
Kurzkonferenz
für
die
Tagesabsprachen.
Wer
einmal
an
einer
Morgenbesprechung
teilgenommen
hat,
weiß,
dass
der
Lehrerrat
kein
Kaffeekränzchen
ist.
Verantwortlichkeiten
sind
an
das
ganze
Kollegium
delegiert,
das
gilt
selbst
für
die
Leitung
des
Forums.
Der
dritte
Austauschplatz
ist
die
Schulversammlung,
die
14tägig
stattfindet.
Die
Grundschule
Harmonie
hat
einen
wunderbaren
Raum
für
die
Großveranstaltung,
das
Foyer
im
Eingangsbereich,
ein
wahres
Forum
für
Aufführungen,
Präsentationen,
Ausstellungen,
Lesungen,
Vorträge.
Immer
stehen
die
Kinder
im
Mittelpunkt.
Das
symbolisiert
sich
auf
der
Bühne
schon
durch
ein
Kinderpult.
Keine
Frage,
wem
hier
das
Wort
gegeben
werden
soll.
Elise
und
Célestin
Freinet
haben
ihre
Schule
als
Ecole
Chantier
konzipiert,
als
große
Werkstatt,
in
der
die
Kinder
das
eine
Mal
in
der
Rolle
von
Architekten,
ein
anderes
Mal
in
der
Rolle
von
Handwerkern,
Künstlern
oder
Forschern
ihre
Lernvorhaben
voran treiben
konnten:
„Nichts
ist
aufregender
als
eine
Baustelle,
besonders
wenn
man
auf
ihr
Menschen
heranbildet“
(Freinet
1996).
Mit
dem
Baustellenkonzept
sprechen
sich
die
Freinets
für
eine
Werkstatt‐Schule
aus,
die
dem
„unaufhörlichen
Ansturm
des
Kindes
auf
das
Unbekannte“
gewachsen
sein
muss.
Was
in
der
metaphorischen
Sprache
der
französischen
Landschullehrer
als
würdevolle
„Haltung
von
Bauleuten“
bezeichnet
wird,
ist
zunächst
eine
Projektion
auf
das
Kind,
die
ich
an
anderer
Stelle
mit
dem
Begriff
der
Präsenz
umschrieben
habe.
Das
präsente
Schulkind
In
der
Grundschule
Harmonie
ist
das
präsente
Kind
längst
kein
reformpädagogisches
Konstrukt
mehr,
sondern
es
ist
das
zentrale
Leitbild
der
Schule.
Es
beantwortet
die
Frage
nach
dem
Prinzip
der
Kooperative:
Hier
gelingt
es
im
Schulalltag,
den
Kindern
Verantwortung
zu
übertragen
für
das
Zusammenleben
im
Klassenverbund
und
darüber
hinaus.
Die
Kinder
können
sich
jederzeit
auf
ihre
Entscheidungsforen
berufen.
Es
beantwortet
die
Frage
nach
dem
Prinzip
demokratischer
Entscheidungen:
Hier
wird
das
Aushandeln
von
individuellen
Arbeitsinteressen
und
gemeinsamen
Vorhaben
zwischen
Kindern
und
Lehrkräften
gleichsam
kultiviert.
Präsenz
durch
Planungskompetenz.
Es
beantwortet
die
Frage
nach
dem
Prinzip
der
bewussten
Urheberschaft:
Hier
sind
überall
Institutionen
des
Freien
Ausdrucks
eingerichtet
worden,
um
den
Kindern
Gelegenheit
zu
geben,
sich
als
Autoren
zu
erleben.
Die
Dichterlesung
ist
nur
eine
von
vielen
Institutionen.
Und
schließlich
beantwortet
es
die
Frage
nach
dem
Prinzip
des
freien
Forschens:
Hier
gibt
es
auf
dem
ganzen
Schulgelände
Neugierzonen,
die
den
Kindern
Impulse
geben,
eine
forschende
Haltung
zu
entwickeln
und
sich
in
die
Geheimnisse
der
Welt
zu
vertiefen.
Uschi
Resch
und
Walter
Hövel
haben
immer
wieder
die
Recherche‐Kompetenz
und
die
Fragen
der
Kinder
in
den
Mittelpunkt
gestellt
(Hövel
und
Resch
1996)
„Die
Formulierung,
Beantwortung
und
Bearbeitung
der
‚Fragen
zur
Welt’
durch
die
Kinder
ist
ein
‚Hauptfach’“
in
Eitorf
geworden
(Hövel
in
Backhaus
2008).
Auf
der
Baustelle
kann
das
Kind
immer
präsent
sein,
als
achtsamer
Bürger,
als
gefragter
Mitplaner,
als
Autor
oder
als
Weltenentdecker.
Wo
die
Schule
zur
Baustelle
geworden
ist,
kann
sie
eine
Schule
der
Kinder
sein.
Die
Baustelle
erlaubt
es
niemals,
stehen
zu
bleiben.
So
konnte
auch
die
Grundschule
Harmonie
nicht
bei
Freinet
stehen
bleiben.
Insofern
ist
sie
eine
Freinetschule
par
excellence.
Literatur:
Amlinger,
Lutz
(2000):
Hospitationspraktikum
in
der
GS
Harmonie.
In:
Freinet
Kooperative.
Zeitschrift
des
Vereins
Kooperative
Freinet
4/2000,
S.
36
–
39
Backhaus,
Axel
u.a.
(Hrsg.)
(2008):
Demokratische
Grundschule.
Mitbestimmung
von
Kindern
über
ihr
Leben
und
Lernen,
Siegen
2008
Brand,
Birgitt
e und
Walter
Hövel
(1993):
Die
Rechte
der
Kinder.
Freinet‐Pädagogik,
Bremen
1993
Faulstich Wieland,
Hannelore
(2007):
Lebens Wert
–
Grundschule
Harmonie,
Eitorf.
In:
Peter
Fauser
u.a.
(Hrsg.):
Was
für
Schulen!
Gute
Schul e
in
Deutschland,
S.
78‐81
Freinet,
Célestin
(1964):
Die
pädagogischen
Invarianten.
In:
Pädagogische
Werke,
Bd.
II,
Paderborn
2000,
S.
487‐518
Hövel,
Walter
(1995):
Demokratie
im
Klassenraum.
Die
Rechte
der
Kinder
und
der
Klassenrat.
In:
Ingrid
Dietrich
(Hrsg.):
Handbuch
Freinet‐Pädagogik.
Eine
praxisbezogene
Einführung,
Weinheim
1995,
S.
46‐71
Hövel,
Walter
und
Uschi
Resch
(1996):
Fragen
zur
Welt.
In:
Tastendes
Versuchen.
Wissenschaftliche
Erkenntnis.
Ein
Dialog
zur
Aktualität
der
Freinet‐Pädagogik,
Wien
1996,
S.
182‐191
Hövel,
Walter
(1996):
Die
alte
und
die
neue
Schule.
Rede
zur
Einweihung
einer
neuen
Grundschule.
In:
Jochen
Hering
und
Walter
Hövel
(Hrsg.):
Immer
noch
der
Zeit
voraus.
Kindheit,
Schule
und
Gesellschaft
aus
dem
Blickwinkel
der
Freinetpädagogik,
Bremen
1996,
S.
285‐292
Hövel,
Walter
und
Uschi
Resch
(2003):
„Was
Hänschen
nicht
lernt,
...“.
Demokratie
lernen
in
der
Grundschule
Harmonie.
In:
Karlheinz
Burk
u.a.
(Hrsg.):
Kinder
beteiligen
–
Demokratie
lernen?
Beiträge
zur
Reform
der
Grundschule,
Bd.
116,
Grundschulverband,
Frankfurt
2003
Hövel,
Walter
(2005a):
Vom
Durststillen
der
Pferde,
vom
Lesenlernen
der
Kinder
und
vom
Freinetstudieren
in
Studiengängen.
In:
Gerhard
und
Pia‐Maria
Rabensteiner
(Hrsg.):
Kooperative
Lehr‐
und
Lernkultur.
Ausgangspunkt
für
Veränderungen
und
neue
Wege
in
der
LehrerInnenbildung,
Hohengehren
2005,
S.
7‐15
Hövel,
Walter
(2005b):
Höchstens
eine
Ahnung
vom
Lernen
...
In:
Rabensteiner/Rabensteiner,
a.a.O.,
S.
195‐199
Hövel,
Walter
(2008):
Grundschule
Harmonie:
Ein
selbstverantwortetes
staatliches
Modell.
In:
Axel
Backhaus
u.a.
(Hrsg.),
a.a.O.,
S.
350‐358
Schiemann,
Elena
(2008):
Eine
etwas
andere
Regelschule
–
Mein
persönlicher
Blick
auf
die
Grundschule
Harmonie.
In:
Axel
Backhaus
u.a.. (Hrsg.):
Demokratische
Grundschule .
Mitbestimmung
von
Kindern
über
ihr
Leben
und
Lernen,
Siegen
2008,
S.
359‐365
Schlagworte:
lit_2009-art,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5427 | hinzugefügt von Jürgen an 06:18 - 8.5.2021 |
title: Kooperation statt Konkurrenz – Freinet-Pädagogik heute by Hartmann, Kris |
|
Titel: | Kooperation statt Konkurrenz – Freinet-Pädagogik heute |
Autor: | Hartmann, Kris | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Wien | Quellentyp: | Internetveröffentlichung |
veröffentlicht am: | 24.10.2009 | | |
url: | http://www.gbw-wien.at/article537.htm |
Text:
Kooperation statt Konkurrenz – Freinet-Pädagogik heute
Wie könnte die Schule des 21. Jahrhunderts aussehen? Unter dem Titel „Nur die Praxis verändert die Wirklichkeit“ stellten drei Volksschullehrerinnen im Rahmen des Werkstattgesprächs am 15. Oktober 2009 eine reformpädagogische Richtung vor, die heute aktueller den je ist.
Kris Hartmann | 24.10.2009
Die Freinet-Pädagogik hatte ihre Anfänge in den 1920er Jahren und begründet sich auf den Ideen der französischen Reformpädagogen Célestin und Elise Freinet. Beide versuchten das Schulwesen von innen heraus zu reformieren, indem sie 1924 zusammen mit anderen LehrerInnen die Arbeitsgruppe C.E.L („Cooperative de l´enseignement Laic“) bildeten, aus der später die französische LehrerInnenbewegung der „Ecole Moderne“ hervorging. Darüber hinaus eröffneten sie 1935 ihre eigene Schule in Vence (Frankreich) und gestalteten den Unterricht nach ihren zentralen vier Prinzipen: freie Entfaltung der Persönlichkeit, kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt, Selbstverantwortlichkeit des Kindes, Kooperation und gegenseitige Verantwortung.
Das Kind im Mittelpunkt der Bildung
Die Referentinnen Barbara Peyrl, Dagmar Schöberl und Eva Neureiter arbeiten als Lehrerinnen an öffentlichen Wiener Pflichtschulen genau mit diesen Prinzipien. Die Persönlichkeit eines Kindes kann sich ihrer Meinung nach am besten durch freien Ausdruck beim Schreiben, Musizieren und Gestalten entfalten. Dabei lernen die Kinder sich anderen gegenüber zu öffnen und gleichzeitig offen mit ihren MitschülerInnen umzugehen.
Die Freinet-Pädagogik wurde besonders durch die so genannte ‚Schuldruckerei’ bekannt. Dabei werden selbstständig produzierte Texte von SchülerInnen eigenhändig aus Metalllettern zusammengesetzt und anschließend gedruckt Auch wenn derartige Pressen heute nicht mehr obligatorisch bei jedem/er Freinet-LehrerIn eingesetzt werden, haben sie dennoch nicht an Bedeutung verloren. Der persönliche Schreibprozess und das gemeinschaftliche Veröffentlichen solcher Texte, zum Beispiel in Form einer Klassenzeitung, soll, so die Volksschullehrerinnen, ein Gefühl für sich selbst und die Gemeinschaft vermitteln.
Darüber hinaus findet eine kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt statt, indem Fragen und Bedürfnisse der SchülerInnen den Ausgangspunkt für praktische Arbeitsvorhaben oder Untersuchungen außerhalb des Klassenraums bilden. Dies bedeutet Lernen durch die eigene Realität und verbindet theoretische mit praktischen Elementen. In der Freinet-Pädagogik wird dies auch als „tastendes Versuchen“ beschrieben. Damit ist ein schrittweise forschendes Herangehen an eine Problemstellung gemeint. Die 'Schuldruckerei' wird dabei als wichtiges Präsentations- und Dokumentationsmittel empfunden und wertet die Arbeit der Schüler und Schülerinnen auf. Im Unterricht von Peyrl, Schöberl und Neureiter präsentieren SchülerInnen wöchentlich Arbeiten und Projekte vor der ganzen Klasse, was dazu beitragen soll, den Überblick zu behalten und Techniken des Präsentierens zu erlernen.
Demokratie in der Klassengemeinschaft
„Die Demokratie von morgen wird durch die Demokratie in der Schule vorbereitet. Ein autoritäres Regime in der Schule kann keine demokratischen BürgerInnen heranbilden.“
Dieser Leitsatz von Célestin und Elise Freinet – entnommen aus dem Einladungstext zur Veranstaltung - spiegelt die vier Grundprinzipien sowie die ideale Klassensituation der Freinet-Pädagogik wider. Ein demokratisch organisierter Klassenrat sowie Klassen- und individuelle Arbeitspläne, die von den SchülerInnen selbst mitgestaltet werden, spielen dabei eine zentrale Rolle. Individuelle Arbeitspläne ermöglichen einen spezifischen, dem Lernfortschritt angepassten Arbeitsplan, der auf die Bedürfnisse der SchülerInnen eingeht. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Didaktik ist der Klassenrat, welcher als ein offenes Plenum zu verstehen ist. So erklärten die Freinet-Referentinnen, dass sie selbst „nur“ eine Stimme im Plenum besitzen und sich wie alle anderen SchülerInnen zu Wort melden müssen. Die Moderation des Plenums übernimmt ein/e SchülerIn. Folglich spielt der Klassenrat eine wesentliche Rolle in der Klassengemeinschaft. Die Schüler und Schülerinnen organisieren sich selbst, ohne „von oben“ Anweisungen zu erhalten.
Freinet-Pädagogik im Zeitalter von PISA
Im Rahmen der Diskussion kritisierte ein Teilnehmer die so genannte PISA-Studie, da sie durch verstärkten Normen- und Erwartungsdruck die Schüler und Schülerinnen zusätzlich belaste. Die PISA-Studie sei „Bildung in Zahlen gegossen“ und „gehe am Menschen vorbei“, so ein Kommentar. Des weiterem wurde in der Diskussionsrunde mehrmals das Gefühl geäußert, dass in der Gegenwart Konkurrenz gegenüber Kooperation überwiege, genauso wie Quantität gegenüber der Qualität von Bildung. Demgegenüber wäre ein Bildungsmodell zu bevorzugen, so der Tenor der DiskutantInnen, das auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht nimmt und Kooperation in der Gemeinschaft fördert.
Die Zukunft der Freinet-Pädagogik
Freinet-Pädagogik bzw. -Schulen gibt es heute fast weltweit, wobei sie vor allem im romanischen Sprachraum verbreitet sind. In Österreich gibt es keine expliziten Freinet-Schulen, jedoch Freinet-Gruppen in jedem Bundesland. Darüber hinaus gibt es alle zwei Jahre einen internationalen Freinet-Kongress der von der „Rencontre Internationale des Enseignants Freinet“ (RIDEF) organisiert wird und einen internationalen Austausch gewährleistet.
Peyrl äußerte zu Beginn der Veranstaltung den Wunsch, dass „alternative Schulmethoden im allgemeinem Schulwesen einen Platz haben sollten“. Für die Entwicklung einer Gesellschaft, in der Kooperation wichtiger ist als Konkurrenz, bleibt zu hoffen, dass sie Recht behält.
Schlagworte:
lit_2009-art
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3812 | hinzugefügt von user unknown an 08:21 - 29.1.2012 |
title: Freinet-Pädagogik by Hecker, Ulrich, GEW (Hrsg.) |
|
Titel: | Freinet-Pädagogik |
Autor: | Hecker, Ulrich, GEW (Hrsg.) | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Essen, NDS-Extra | Quellentyp: | Sammelband |
veröffentlicht am: | DD.MM.1996 | | |
url: | |
Text:
Inhaltsverzeichnis:<p>
Noch immer unserer Zeit voraus (Konrad Wünsche)<p>
Annäherung an Freinet - Biographische Notizen<p>
Pädagogische Grundsätze<p>
Werkzeuge und Techniken<p>
<ul>
<li>Klassenrat
<li>Wandzeitung
<li>Ateliers
<li>Erkundungen
<li>Freier Ausdruck
<li>Freie Texte
<li>Drucken in der Schule
<li>Klassenzeitung
<li>Korrespondenz
<li>Klassentagebuch<p>
</ul>
Zum Weiterlesen<p>
Freinet Kontakte<p>
Wenn LehrerInnen zusammen arbeiten und lernen<p>
Selbstbestimmtes Lernen: Freinet-Woche der GWE<p>
Freinet-Pädagogik in der Sek I<p>
<ul>
<li>Adler steigen keine Treppen
<li>Steigt auf die Fahrräder
<li>Freinets pädagogische Texte
<li>Ich sage, daß die Sprache das Wichtigste ist (Sprache Kommunikation und Computer)
<li>Verstehen heißt Wiedererfinden
<li>Den Kindern das Wort geben ... und unsere Bücher dazu
</ul>
Schlagworte:
freier-Ausdruck, bio-c.frei,
kein Summary verfügbar
Notiz:
mit Fotos und Zeichnungen
|
ID: 167 | hinzugefügt von Jürgen an 04:11 - 13.4.2005 |
title: Freinet - auch in der Lehrerausbildung by Hintereicher, Petra |
|
Titel: | Freinet - auch in der Lehrerausbildung |
Autor: | Hintereicher, Petra | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 2 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1998 | | |
url: | |
Text:
Freinet - auch in der Lehrerausbildung
Vom 28. 11. 1997 - 30. 11. 1997 fand im Rahmen des Reformpädagogiklehrganges an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Kärnten ein Freinet-Workshop statt. Begonnen wurde mit einer Hospitation des Klassenrates in der ersten Freinet-Klasse. Diese Klasse der Volksschule Viktring (VS 20) ist wegen des Schulneubaues disloziert an der Volksschule in Waidmannsdorf untergebracht.
Die Reflexion der Hospitation war Ausgangspunkt für die Begegnung mit der Pädagogik Celestin Freinets. Viele TeilnehmerInnen hatten bis zu diesem Zeitpunkt nur vage Vorstellungen über die pädagogischen und politischen Zielsetzungen der Freinet-Pädagogik.
Verschiedene Ateliers standen den TeilnehmerInnen zur Auswahl: Freie Texte, Wasserexperimente, Drucken, Arbeit am Computer, Mathematik, Buchbinden, freies Malen mit Musik, Text szenisch darstellen, Dokumentation des Atelierbetriebs in Verbindung mit persönlicher Stellungnahme, Literaturstudium mit Aufgabe der Präsentation, Erproben von Lernmaterialien.
Die gemeinsame Pausen- und Jausengestaltung wurde zur intensiven Diskussion genutzt.
Die TeilnehmerInnen hatten auch die Möglichkeit, die Moderation und Diskussion im Morgenkreis, Abschlußkreis und Klassenrat kennenzulernen und auszuprobieren.
Die Auseinandersetzung mit Rechten der Kinder bildete einen weiteren Schwerpunkt des Workshops. Ungeheuren Arbeitseinsatz gab es in den Ateliers, um ein Workshopziel, nämlich ein Buch, welches die Arbeit des Workshops dokumentieren sollte, fertigzustellen. Der Sonntagvormittag diente noch der Dokumentation und Reflexion.
Schlagworte:
fr_koop_1-98
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3034 | hinzugefügt von Jürgen an 17:14 - 20.11.2007 |
title: Der Klassenrat by Hippeli, Christoph |
|
Text:
Thema: „Der Klassenrat – oder: Wie Demokratie in der Schule erfahrbar gemacht werden kann, indem demokratische Handlungsweisen sowie Schlüsselqualifikationen trainiert werden, die eine friedliche Konfliktlösung und eine aktive Mitgestaltung des Schullebens durch die Schüler unterstützen.“
Inhaltsverzeichnis
A Einleitung 4
B I. Demokratie – eine Definition ... 6
II. Demokratie und Schule ... 7
1. Schule als demokratische Institution? ... 7
2. Demokratie als Bildungsziel ... 10
III. Ideengeschichtliche Entwicklung und theoretische Modelle der Demokratieerziehung sowie deren praktische Umsetzung ... 14
1. Ideengeschichte und theoretische Modelle ... 14
1.1. Die reformpädagogische Bewegung ... 14
1.2. Die konstruktivistische Pädagogik ... 15
1.3. John Dewey - Erziehung und Demokratie ... 17
1.4. Celestine Freinet - Demokratie in der Schule ... 20
2. Praktische Umsetzung der Theorie ... 22
2.1. „Herkömmliche“ Partizipationsformen ... 22
2.2. „Aktuelle“ Partizipationsformen ... 24
IV. Der Klassenrat – Theorie ... 28
1. Der Klassenrat und seine Konzeptionen ... 28
1.1. Die Klassenversammlung nach Freinet ... 28
1.2. Der Klassenrat - ein individualpsychologischer Ansatz ... 30
2. Skizzierung eines möglichen Ablaufs ... 33
V. Der Klassenrat – Praxis ... 36
1. Die Adalbert-Stifter-Grundschule in Würzburg (ASV) ... 36
1.1. Administrativ-soziographische Gegebenheiten ... 36
1.2. Schulspezifische Aspekte der ASV Friedrichstraße ... 37
1.2.1. Räumliche Gegebenheiten ... 38
1.2.2. Organisation des Schullebens ... 39
1.2.3. Die Klasse 3a ... 40
2. Der Klassenrat in der Klasse 3a ... 42
2.1. Warum Klassenrat in der 3a? ... 42
2.2. Anbahnung und Entwicklung des Klassenrates in der 3a ... 43
2.3. Dokumentation einer Klassenratssequenz ... 46
2.3.1. Sitzung vom 03.06.2005 ... 47
2.3.2. Sitzung vom 10.06.2005 ... 55
2.3.3. Sitzung vom 17.06.2005 ... 59
2.3.4. Sitzung vom 24.06.2005 ... 64
3. Bewertung des Klassenrates ... 65
3.1. Positive Aspekte ... 65
3.2. Probleme, Grenzen, Schwierigkeiten ... 69
3.3. Ausblick für die Klasse 3a ... 71
3.4. Wie bewertet die Klasse 3a selbst den Klassenrat? ... 72
C Schlusswort ... 75
Quellenverzeichnis ... 76
Anhang ... 81
Einleitung
Mehr Demokratie! Mehr Mitbestimmung! Mehr Selbstverantwortung!
Heute gibt es kaum einen Bereich, in dem solche Forderungen nicht gestellt werden. Seien es die Arbeiter in Betrieben, die Beamten oder die Angestellten des öffentlichen Dienstes, die Studenten an den Universitäten und Hochschulen oder gar die Bundeswehr und die Kirchen, - zwei Institutionen, bei denen lange Zeit überhaupt nicht an Demokratisierung zu denken war -, überall dort wird mittlerweile verstärkt demokratische Mitbestimmung und aktive Teilhabe gefordert, teilweise auch schon praktiziert. Daher war es nur eine logische Folge, dass sich diese Entwicklung auch in einer der wichtigsten Institutionen unserer Gesellschaft zeigen musste: in der Schule.
In den meisten Verfassungen der Bundesländer ist den Schulen neben der Vermittlung von Bildung und fachlichem Wissen vorgeschrieben, „die Schüler im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit zu erziehen und sie zu politisch bewussten und mündigen Staatsbürgern heranzubilden.“1
Mehr und mehr setzt sich aber die Erkenntnis durch, dass unsere Schulen in ihren bislang eher autoritären Ausgestaltungen wohl kaum geeignet sind, derartige Ziele zu verwirklichen. Die Erziehung der Kinder und Jugendlichen kann nicht in einem System stattfinden, das nach dem Über- und Unterordnungsverhältnis aufgebaut ist. Denn dann kann man nicht erwarten, einen in demokratischen Denkweisen geschulten Staatsbürger vor sich zu haben, der zudem noch von der Idee der Demokratie überzeugt ist und diese auch lebt. Daher gilt es, die Grundlagen der Demokratie nicht nur theoretisch im Unterricht zu vermitteln, sondern dem Lernenden diese Idee praktisch, nämlich in der Schule, nahe zu bringen.2
Aber ist die Schule dazu in der Lage?
Lässt die Institution Schule Demokratie zu?
Inwieweit ist die Institution Schule an sich demokratisch organisiert?
Welche Möglichkeit der Mitgestaltung, der Partizipation haben Schüler?
Wie kann Demokratielernen in der Schule aussehen?
Ziel dieser Arbeit ist es, Antworten auf diese Fragen zu suchen und sowohl theoretische Grundlagen als auch Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung der anfänglich formulierten Forderungen aufzuzeigen.
Im Vorfeld dazu wird in Kapitel I Demokratie als Gesellschaftsform definiert.
In Kapitel II beschäftige ich mich mit der Frage, ob oder inwieweit Schule und Demokratie unter einen Hut zu bringen sind. Dabei soll auch anhand einer historischen Betrachtung der Schulpolitik erörtert werden, ob die Schule selbst als Institution Demokratie zulässt oder gar demokratische Züge aufweist und es soll ein Blick auf das schulische Bildungs- und Erziehungsziel Demokratie geworfen werden.
Darauf aufbauend werde ich in Kapitel III verschiedene theoretische Konzepte der Erziehung zur Demokratie vorstellen und sowohl auf „herkömmliche“ als auch auf „aktuelle“ Formen demokratischer Partizipation von Kindern in der Schule eingehen.
Abschließend stelle ich in Kapitel IV den Klassenrat als eine Form demokratischer Partizipation an einer Schule konkreter vor. Zuerst gehe ich dabei auf die Theorie und die Grundlagen eines Klassenrates ein, bevor in Kapitel V eine Dokumentation und Analyse der praktischen Durchführung eines Klassenrates in der Klasse 3a der Adalbert-Stifter-Grundschule in Würzburg sowie eine kritische Bewertung des Klassenrates durch mich und durch die Schüler selbst die Arbeit beenden.
I. Demokratie – Eine Definition
Die Demokratie (griechisch ??????????, von ?????, démos – Volk und ??????, kratía – Macht, Herrschaft, Kraft, Stärke) „bezeichnete zunächst die direkte Volksherrschaft. Heute wird Demokratie zumeist als allgemeiner Sammelbegriff für Regierungsformen gebraucht, deren Herrschaftsgrundlage aus dem Volk abgeleitet wird.“3 Grundlegend ist jede Demokratie durch die Einhaltung mehrer demokratischer Prinzipien gekennzeichnet.
Ein demokratisches Prinzip ist die Volkssouveränität. Sie verlangt, dass alle staatliche Macht durchs Volk legitimiert ist.
Weiterhin gehört der Glaube ans Mehrheitsprinzip zum demokratischen Konsens. Durch Abstimmungen und Wahlen wird dem Willen der Mehrheit entsprochen, um für möglichst viele einen zufriedenstellenden Gesellschaftszustand herzustellen.
Auf dem Mehrheitsprinzip basiert das Repräsentativsystem, durch welches nicht jeder Staatsbürger unmittelbar für seine Interessen einsteht, sondern Repräsentanten wählt, die ihn für seine Interessen im politischen Meinungsbildungsprozess vertreten.
Das Gleichheitsprinzip beinhaltet die Verpflichtung, dass alle Menschen ungeachtet ihrer individuellen und sozialen Unterschiede gleich behandelt werden.
Besonders wichtig im Bezug auf die Verlässlichkeit demokratischer Entscheidungen ist das Prinzip der streitbaren Demokratie. Damit soll gesagt werden, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung geschützt wird, und nicht auf legalem Weg oder mit Hilfe legaler Mittel aufgehoben werden kann. Inhalte und deren Umsetzung sind jedoch streitbar und veränderbar.4
Demokratie ist nicht starr, sondern von der Partizipation ihrer Teilnehmer abhängig, der Bereitschaft des Volkes also, an der Politik teilzuhaben. Um zu garantieren, dass das Volk nicht der Willkür seiner Repräsentanten ausgeliefert ist, bedarf es der Kritikfähigkeit der Repräsentanten und der Überprüfung und Aufmerksamkeit des Volkes bezüglich der Ergebnisse von Politik.5 Problematisch ist es daher, wenn sich das Volk auf seinen Repräsentanten ausruht und demokratische Werte und Entscheidungen nicht mehr reflektiert oder mitformt. Diese Entwicklung würde weniger Bereitschaft zur politischen Partizipation und die Negierung von Einflussmöglichkeiten mit sich bringen. Es würde eine Partizipationsmüdigkeit entstehen.6
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich ableiten, dass schon von früher Kindheit an das Bedürfnis und Interesse, am gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess teilzuhaben und ihn aktiv mitzugestalten geweckt werden muss, um keine Partizipationsmüdigkeit zu erlernen. Denn ist erst einmal das Denken entstanden, dass die eigenen Möglichkeiten auf die Gesellschaft Einfluss zu nehmen gering sind, kann man dies nur schwer wieder umkehren. Die Zukunft von Demokratie baut nämlich gerade auf aktiver Teilhabe und kritischer Partizipation auf. Hier setzt auch der demokratische Lernprozess in der Schule an.7
[...]
1 Meyer, 1973, S. 7
2 vgl. Meyer, 1973, S. 7 f.
3 http://de.wikipedia.org/wiki/Demokratie (14.07.2005)
4 vgl. Düsterhöft, S. 6 f. IN: http://www.uni-koeln.de/ew-fak/konstrukt/didaktik/download/kinderparlament.pdf (25.07.2005)
5 vgl. Düsterhöft, S. 6 f. IN: http://www.uni-koeln.de/ew-fak/konstrukt/didaktik/download/kinderparlament.pdf (25.07.2005)
6 ebd. S. 7
7 ebd.
Schlagworte:
Hauptseminararbeit, hausarbeiten.de, lit_2005-mono
kein Summary verfügbar
Notiz:
Note sehr gut, Preis 59,90 €
|
ID: 2740 | hinzugefügt von Jürgen an 01:09 - 2.1.2006 |
title: Ich lobe - ich kritisiere - ich wünsche: Klassenrat im Bühl 1.-3. Primar by Honegger, Andi |
|
Titel: | Ich lobe - ich kritisiere - ich wünsche: Klassenrat im Bühl 1.-3. Primar |
Autor: | Honegger, Andi | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Bindestrich 71, p. 29-30 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | 00.08.2011 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
lit_2011-art, Bindestrich-71,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 4119 | hinzugefügt von Jürgen an 16:14 - 17.2.2012 |
title: Den Kindern das Wort geben by Hopfgartner, Isabella |
|
Titel: | Den Kindern das Wort geben |
Autor: | Hopfgartner, Isabella | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 1 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1997 | | |
url: | |
Text:
Den Kindern das Wort geben
Alternative Lernformen boomen - in Diskussionen in aller Munde, auf dem Buchmarkt in allen Schaufenstern. Was selten besprochen wird: Zum Gelingen braucht es ein "persönliches Sich Öffnen".
Offenes Lernen in der Schule einzuführen ist der Wunsch vieler LehrerInnen. Es gibt heutzutage eine Menge Bücher über offenes Lernen, Freiarbeit, über reformpädagogische Konzepte (Montessori, Freinet,...) wie auch immer mehr Verlage, die Lernmaterialien für offene Unterrichtsgestaltung anbieten.
Diese Entwicklung ist begrüßenswert, wenn LehrerInnen ihren Unterricht öffnen und damit Möglichkeiten schaffen, die Individualität des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Trotz der Hilfen und Anregungen und des verfügbaren Materials ist es nicht immer leicht, die ersten Schritte erfolgreich und befriedigend zu gestalten.
Um offenen Unterricht effektiv gestalten zu können, ist das "eigene Sich Öffnen" eine wichtige Voraussetzung. Der Lehrer/die Lehrerin selbst muß bereit sein, vorgefertigte Gedankenmuster, Verhaltensweisen, Vorurteile, Klischees abzuwerfen, Abhängigkeiten loszulassen, um offen zu werden für das andere, für den anderen, für die Schüler und Schülerinnen. Jede/r soll offen sein für das, was der/die andere ihm/ihr mitteilt.
Entgegenbringen von Achtung und Toleranz
LehrerInnen brauchen die Artikulation der Kinder, um sie zu verstehen und sie auf ihrem Wege begleiten zu können.
Eine gelingende persönliche Entwicklung baut auf die Achtung vor dem Kind, den Respekt für seine Rechte, die Toleranz für seine Gefühle, die Sensibilität für seine Bedürfnisse und auf die Bereitschaft, aus dem Verhalten des Kindes selbst zu lernen.
Um vom Kind zu lernen, braucht es Empathie (griech.: Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen). Das steht im Gegensatz dazu, das Kind nach eigenen Bildern zu formen. Damit wird die freie Artikulation des Kindes und seine Möglichkeit, sich selbst zu entfalten, unterbunden.
Wer als Lehrperson nicht gelernt hat, seine eigenen Bedürfnisse zu spüren, seine Interessen zu verteidigen, seine eigenen Gefühle ernstzunehmen, kann schwer auf die Gefühle, Einstellungen, Interessen des anderen eingehen.
Mitmenschliches Fühlen und Verstehen schafft eine positive Beziehung zwischen Lehrperson und Kind.
Lernen ist abhängig von positiver Beziehung und daraus resultierender Kommunikation
Effektives Lernen ist abhängig von der Beziehung zwischen Lehrperson und Kind. Eine ideale Beziehung akzeptiert die Individualität des anderen. Sie ist gekennzeichnet durch Vertrauen, gegenseitige Anerkennung als Person und Offenheit im Kontakt miteinander. Daraus resultiert eine befriedigende Kommunikation zwischen Lehrer/in und Kind sowohl auf verbaler wie auf nonverbaler Ebene. Im Zuge dieser Kommunikation werden nicht nur Wissen vermittelt und Informationen weitergegeben, sondern auch Bedürfnisse mitgeteilt sowie Gedanken und Gefühle verständlich gemacht.
Jedes Kind hat das Recht, vom Lehrer als eigenständige Person behandelt zu werden. Das Kind hat das Recht, ernstgenommen zu werden. Antworten und Meinungen dürfen nicht abgetan, ignoriert oder lächerlich gemacht werden. Jedes Kind hat ein Recht, sich an Entscheidungen zu beteiligen.
Genauso muß das Kind lernen, die Rechte des Lehrers/der Lehrerin, die Rechte seiner des Lehrers/der Lehrerin, die Rechte seiner Mitschüler/Mitschülerinnen anzunehmen. Dadurch werden dem Kind natürliche Grenzen gesetzt.
"Das Wort geben" und "Zu Wort kommen" sind wesentliche Prinzipien der Freinet - Pädagogik. Der/Die Lehrer/in setzt Methoden und Unterrichtstechniken ein, die es Kindern ermöglichen, selbst zu Wort zu kommen; dem Lehrer, der Klasse können die eigenen Interessen und Wünsche zum Ausdruck gebracht werden und in Zusammenarbeit mit den anderen auch entwickelt werden (Klassenrat, freier Ausdruck,...).
Seinen eigenen Weg finden
Jeder kann seinen Weg finden, offenes Lernen in der Schule zu realisieren und damit den Kindern Möglichkeiten schaffen, ihre Interessen in den Unterricht miteinzubeziehen. Mit dem Eintritt in die Schule soll das Kind nicht zum kleinen Erwachsenen gemacht werden, das per Knopfdruck die gewünschten Lernschritte macht und Ergebnisse liefert, sondern es ist wichtig, daß jedes Kind sich seiner Persönlichkeit, seinem Temperament entsprechend individuell entwickeln kann, indem ein individuelles Lerntempo, schöpferisches Denken, Fühlen und Tun im Unterricht einbezogen wird.
Nicht mit einem regierenden, sondern mit einem empathischen Begleiter/in können sich SchülerInnen wie LehrerInnen in der Schule wohl fühlen; und der Unterricht kann Spaß machen.
Schlagworte:
fr_koop_1-97
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3028 | hinzugefügt von Jürgen an 16:47 - 20.11.2007 |
title: Klassenrat in der M9 by Hopfgartner, Isabella |
|
Titel: | Klassenrat in der M9 |
Autor: | Hopfgartner, Isabella | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 3 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1998 | | |
url: | |
Text:
Klassenrat in der M9
In der M9 – Klasse der Heilstättenschule 2 sind sechs Schüler und zwei Schülerinnen, die die achte Schulstufe besuchen. Sie werden nach dem Sonderschullehrplan unterrichtet, doch es bedarf in vielen Bereichen aufgrund ihrer Lernbeeinträchtigungen einer inneren Differenzierung.
Jeden Montag pünktlich um 9 Uhr, wenn alle SchülerInnen da sind, versammelt sich die Klasse zu einer Sitzung: den Klassenrat. Dieser ist fixer Bestandteil unserer Arbeitswoche.
Ein/e SchülerIn ist ProtokollführerIn und trägt die Beschlüsse und Tagespunkte in unser Protokollheft ein. Ein/e andere/r ist für den Klassendienstplan zuständig. Weiters gibt es eine Pinwand, wo die SchülerInnen ihre Wünsche, Beschwerden und Ideen anheften können. Auch diese werden bei der Besprechung behandelt.
Den Vorsitz übernehme ich in der Klasse. Vorher stelle ich die Tagesordnungspunkte zusammen. Ich achte auf die Einhaltung der Gesprächs- und Diskussionsregeln und erteile den einzelnen SchülernInnen das Wort.
Zuerst werden die Klassendienste eingeteilt. Aufgrund der Lernmaterialien in den Regalen, der Bücherecke, der Botendienste, der Pflanzen und zeitweise aufgrund eines Terrariums für eine Schlange in der Klasse ist es notwendig, regelmäßig aufzuräumen. Jede Woche übernehmen die SchülerInnen kooperativ Verantwortung für diese Aufgabenbereiche, die in der Klasse erledigt werden müssen.
Ein weiterer Punkt unserer Sitzung ist die gemeinsame Planung über das, was in dieser Woche zu tun ist. Die SchülerInnen bestimmen die Wahl der Wochenthemen, Exkursionen, Projektarbeiten, Freiarbeit und Arbeitseinteilung mit. Sie machen Vorschläge und bringen Ideen ein. Jede/r darf ihre/seine Meinung zu einem Thema, zu einer Sache äußern. Gegenstimmen müssen immer angehört werden. Bei Abstimmungen zur Beschlußfassung gilt die Stimmenmehrheit. Die Beschlüsse werden ins Protokollheft eingetragen.
Ein weiterer Bereich des Klassenrates deckt die emotionale und soziale Situation der SchülerInnen in der Klasse ab. Sie dürfen Schwierigkeiten bei der Arbeit, Störungen und Konflikte offen aussprechen. Gemeinsam versuchen wir Lösungen zu finden, die ein angenehmes Arbeiten in der Klasse für alle ermöglichen. Dabei lernen die SchülerInnen, einander zuzuhören und miteinander zu reden. Beim Gespräch selbst wird darauf geachtet, daß jede/r den/die Mitschüler/in direkt anspricht. Die Persönlichkeit und Individualität jedes einzelnen muß geachtet werden. Eigene Erfahrungen und Gefühle dürfen ausgesprochen werden und müssen von den anderen akzeptiert werden. Dies gilt nicht nur für die SchülerInnen, sondern genauso für mich als Lehrerin.
Die SchülerInnen organisieren somit über den Klassenrat ihre eigene Klassengemeinschaft, erlernen und erfahren demokratische Muster und Handlungsabläufe, erarbeiten eigene demokratische Regeln und Arbeitsweisen. Sie schaffen sich die kooperierende Gemeinschaft selbst.
Der/die ProtokollführerIn wiederholt nochmals die Beschlüsse der Sitzung und unterzeichnet mit seinem/ihrem Namen. Die Sitzung ist beendet. Die Pause haben wir uns verdient.
Isabella Hopfgartner
Klassenlehrerin der M9 – Klasse der Heilstättenschule 2 in Klagenfurt
Schlagworte:
fr_koop_3
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3088 | hinzugefügt von Jürgen an 02:19 - 22.11.2007 |
title: Zum Klassenrat an der Hauptschule by Hövel, Walter |
|
Text:
Auszug:
„Warum mache ich eigentlich Klassenrat? Ich mache es nicht, weil es zur Freinetpädagogik gehört. Vielmehr gibt es da meine eigene Schulzeit und meine eigene Lehrergeschichte.
1982 bekam ich mitten im Schuljahr eine 9.Klasse an einer Kölner Hauptschule. Das ist heute 13 Jahre her. Die bisherige Klassenlehrerin hatte aus tiefsten Hauptschulfrust heraus ihre Versetzung zur Grundschule durch. Die Klasse 9b bestand aus 27 Menschen, einigen sehr freundlichen und willigen Mädchen und einer übergroßen Zahl Jungs. Das Auffälligste an der übergroßen Zahl Jungs war ihre außen olivgrüne und innen orangefarbene Bomberjacke und ihr dazu gehöriges Verhalten. Sie hatten Kontakt zur „R.A.F.“, der „Roten Armee Fraktion“, den Hooligens des 1. FC Köln, die sich so nannten. Diese wiederum waren von Neonazis unterwandert.
Für diese Jungs war Schule „Scheiße“. Sie saßen – wenn sie überhaupt kamen – in der Schule nur ihre Zeit ab. Schule bot ihnen nichts, weder Anerkennung, noch Raum für ihre psychischen und physischen Bewegungsansprüche, weder ihre Themen, noch etwas, was sie nicht unterfordert hätte.
Sie hatten wie viele dieser Klassen die Einstellung „Zwing mich doch“. Freiwillig taten sie nichts oder lässig, gezwungerner Maßen arbeiteten sie nur unter übelsten Protest und ständiger Kontrolle.
Als ich „Freies Arbeiten“ einführte, fragten sie mich „Was soll der Scheiß. Sie werden für Ihre Arbeit bezahlt, nicht wir, also bringen Sie uns gefälligst was bei.“
Schlagworte:
lit_1995-art, Klassenrat,
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5452 | hinzugefügt von Jürgen an 23:30 - 9.6.2021 |
title: Der Klassenrat ist Garant des freien und offenen Lernens by Hövel, Walter |
|
Text:
Auszug:
Der Klassenrat oder die Klassenversammlung ist ein Kreis der Kinder und der LehrerIn. In ihm wird gelernt, den eigenen Lernprozess für sich selbst, mit und in der Gemeinschaft, zunehmend und umfassend selbst zu organisieren und zu bestimmen. Der eigenen Arbeit und dem eigenen Lernen wird ein Sinn gegeben.
Hier wird alles besprochen. Dies sind immer zuerst das eigene Lernen, Arbeiten, der Müßiggang und das Zusammenleben. Dies sind Probleme zwischen den Kindern, mit Lehrern oder anderen Menschen, Erfahrungen im Arbeitsprozess, Störungen im Arbeitsverhalten oder erfolgreiche Strategien. Dies sind das Wissenssammlung durch Fehler erkennen, neue Erkenntnisse und Vermutungen. Hier wird die elektronische und postalische Korrespondenz mit Klassen im In- und Ausland behandelt. Hier werden die Beziehungen untereinander und zu den anderen innerhalb und außerhalb der Schule geregelt. Es ist das Herz der Klasse (Uschi Resch).
Der Klassenrat ist Ausgangspunkt des eigenen Netzwerks, der selbstbestimmtem Kooperation und Kommunikation.
Im Klassenrat wird das eigene Lernen umfassend evaluiert. Hier wird das Lernenlernen gelernt. Hier wird das gemeinsame Verhalten, das Lernen, das Miteinander immer demokratisch entwickelt und geschützt.
Hier wird ein Regelwerk erstellt, das nicht einfach dazu dienen soll, es einzuhalten. Es hat nur so lange Bestand, wie es die Arbeit der Klasse erfolgreich und demokratisch organisiert.
Hier werden Grenzen vereinbart, die es allen möglich machen, in engen Klassenräumen oder außerhalb der Schule zu lernen.
Hier werden Projekte und andere Vorhaben geplant, begleitet, organisiert und ausgewertet.
Hier ist der Ort, um andere zu beraten und sich beraten zu lassen, ob es den nächsten Arbeitsschritt betrifft, oder Spannungen im Team.
Schlagworte:
lit_2017-art, Klassenrat,
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5453 | hinzugefügt von Jürgen an 23:35 - 9.6.2021 |
title: Kinderuni: Lernangebote im selbstbestimmten Lernen Eigenaktivität und Angebot Kinderuni im Lernprogramm by Hövel, Walter |
|
Text:
Ein eigenes Lernkonzept
Im Mittelpunkt des Lernens an der Grundschule Harmonie stand das selbst verantwortete eigene Lernen der Kinder aus ihrem Morgenkreis heraus. Es gab weder „Unterricht“, Stundentafel, „freie Arbeit“, Wochenpläne, Pensenbücher noch irgendwelche andere Vorgaben durch die Schule oder Lehrkräfte.
Tag für Tag lernte jedes Kind seine eigene Arbeit, seine eigenen Themen und Forschungsthemen zu bestimmen. Auch wenn Pädagogen mit „wissenschaftlichen“, „psychologischen“ oder “soziologischen“ Argumentationen „vor der Überforderung von Kindern durch zu viel und zu frühe Verantwortungsübernahme warnen“, zeigen 20 Jahre Praxis nicht nur der Grundschule Harmonie, dass weder Kinder noch andere Menschen unterschätzt werden dürfen. Sie können es, das eigenverantwortete eigene Lernen!
Sie können ohne Zwang oder fertige Programme hervorragend selber lernen. Unter-Richten hält Menschen unten, Lernen bringt sie nach oben. Eigenes Lernen lässt besser und gezielter wachsen. Kinder können fundierter und bewusster Kinder bleiben, um aus sich selbst bei Zeiten „gute Erwachsene“ zu machen.
Sie können nicht nur selber lernen, was ja ihre ureigene menschliche Fähigkeit ist. Sie können noch viel mehr! Sie können demokratische, inklusive, heterogene, kooperative, mehrsprachige, künstlerische Forscher, Philosophen, Wissenschaftler, Lehrer und Menschen sein.
Sie sind vielleicht kleine Menschen, wie es arme, weibliche, afrikanische, behinderte, ungebildete oder schlecht erzogene Menschen gibt. Aber sie sind Menschen. Wie alle anderen sind es vollständige Menschen für die alle Menschenrechte gelten. Doch dies wird immer noch nicht von der Mehrzahl der „erwachsenen Menschen“ anerkannt.
Sie mögen schutzbedürftiger, „unfertiger“ oder unerfahrener sein. Aber genau das wurde und wird auch über Frauen, Sklaven oder „barbarische, ungebildete Wilde“ gesagt.
Wie eigenes Lernen geht
Jeden Morgen stand im Kreis der Klasse für jedes Kind die Frage: “Was tue ich heute“. Tag für Tag beantworteten sie diese Frage.
Jede Hilfe wurde zur Verfügung gestellt. Darunter die Lernumgebung des Klassenraumes, der Schule, der Region, die Experten oder Helfer als Mitschüler*innen oder Erwachsene, die offenen Computer, Tausende von Bücher…
Drei bis fünf Jahre lang lernte jedes Kind das eigene autonome Lernen durch die Formulierung, eigenes Handeln und eigene Reflektion. Sie lernten durch Planung, Entscheidung, Präsentationen und Evaluation im Klassenrat, durch individuelle Selbsteinschätzung, Beratungsgespräche oder kooperative Einschätzungen selber zu lernen.
Sie waren Herren ihrer eigenen Zeit, der Auswahl ihrer Kooperationspartner, ihrer Lehrmeister, der Bestimmung ihrer Lernorte, ihrer Lerngeschwindigkeit und weiteren Lernbedingungen. Sie – und nicht die Erwachsenen – entschieden bewusst über die Nähe von kindlichen oder erwachsenen Helfern in ihrem Lernprozess.
Sie lernten, wie das eigene, das Lernen der Anderen, das ganzheitliche, das „fachliche“ und das kooperative Lernenlernen gehen, die eigene Leistung einzuschätzen und das eigene Lernen sprachlich zu erklären und zu begründen.
Sie lernten das eigene Lernen hoch zu halten, immer qualifizierter und komplexer zu werden. Sie bildeten sich selbst durch die kritische, kreative und selbst-systematische Auseinandersetzung mit ihrer Welt, die gleichzeitig mit ihrem Lernen wächst und sich immer weiter verändert.
Einige Kinder konnten dies sofort. Sie kamen aus Mittelschichtenfamilien, wo ihnen das Lernen schon beigebracht worden und der Drang zum eigenen Lernen geweckt war. Andere Kinder waren psychisch oder sozial vernachlässigt oder desorientiert. Sie waren zu Hausaufgaben, Vorlesen und Päckchenrechnen erzogen worden. Viele kamen aber auch aus Unterschichtenfamilien, wo niemand das Sich-Bilden gelernt und für „normale“ Schule nutzbar weiter gegeben hatte.
Ihnen konnten wir helfen – schließlich gab es bei uns viele Kinder, Erwachsene, keinen Unterricht und viel individuelle Zeit für sich selbst. Wir hatten Zeit, ohne den Unterricht, für sie. Wir halfen ihnen, eigene Themen, Kurzweile, sinnvolle Aufgaben, Arbeitsstrukturen oder Präsentationsstrategien – wie alle anderen Kinder - zu finden.
Die meisten von ihnen sogen dieses Lernen auf. Sie lernten ihre Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit schnell. Andere brauchten länger, bis sie ihren Zugang zum Schreiben, Rechnen, dem eigenen Ausdruck und Forschen fanden. Schnell fanden wir heraus, dass es länger dauerte sich vom vorgegebenen Lernen zu befreien als die Wege des eigenen Lernens selbst in geschlossenen Systemen zu finden. Wir mussten sogar feststellen, dass sich unsere offen gebildeten Kinder schneller und besser auf geschlossene Systeme wie das nachfolgende Gymnasium einstellten. Doch das Vertrauen in das eigene Lernen wuchs.
Einige Kinder gingen „Umwege“, etwa über das Schlagzeugspielen, den Computer, über individuelle Betreuung, das Spielen im Freien, Auseinandersetzungen mit anderen, mit sich selbst, über das Schachbrett, den Sport, die Natur, das Forschen oder das Verschlingen von Büchern. Alle fanden „ihre“ Schwerpunkte, zumindest für die Zeit der Grundschule.
Den einen gelang das durch das Schreiben freier Texte, Experimente, Lesen, Forschen und Versuchen, herausfordernde Mathematik, Malen, Zeichnen, Bauen oder Musizieren, anderen durch Gespräche und Begegnungen mit Meistern des Wissens und Könnens, durch Korrespondenzen, intensivster Auseinandersetzung mit eigenen oder gefundenen Fragen, Inhalten und Wissen.
Sie lernten sich zu mühen. Den eigenen Willen zum Lernen zu haben wurde zur Selbst-Verständlichkeit. Sie fanden die manchmal schweren, aber immer genussvollen Wege zu Kompetenzen und Fähigkeiten selbst.
Wieder andere lernten „im Vorübergehen“. Sie schauten sich scheinbar nur an, was andere taten, beherrschten aber (fast) jeden Stoff. Einige lernten sehr eigen-sinnig, andere eher klassisch, oft „die Schule spielend“, die ihnen angeboten wurde oder auch bekannt war.
Andere lernten durch Lehren. Sie erklärten anderen und halfen ihnen. Wieder andere spielten viel Theater oder übten sich im Wahrnehmen der Welt, die sie umgab. Wieder andere lernten auswendig oder schrieben ab. Andere brauchten Ruhe oder Aufmerksamkeit, Unterstützung, Erklärung oder kreative Ideen, Lernrezepte oder Beliebigkeit, andere äußere Strukturierung. Aber alle fanden eine eigene innere Struktur. Sie fanden ihre Lernerpersönlichkeit.
Die Erwachsenen erkannten mehr und mehr, dass Kinder nicht die Strukturen von Schule zwecks Anpassung lernen müssen. Sie erfahren ihre eigenen Strukturen, verstehen sie und fordern sie heraus. Die Strukturierungskunst der Pädagogik wird, die Struktur des Lernens jedes einzelnen Kindes in seiner Heterogenität und Diversität sich entwickeln zu lassen und sie zu verstehen.
Gegner und deren Mitläufer als ungewollte Unterstützer
Es gab nun in der Gemeinde viele Meinungsträger, die ihre Vorstellung von Schule bei uns nicht wiederfanden. Sie unterstellten der Schule gerne jene Fehler, die die klassische Schule zum Leidwesen der dort zum Lernen gezwungenen Menschen gerne macht. Sie vermissten Hausaufgaben, Zensuren, Klassenarbeiten, Tests, den Befehl und die Machtstellung der Lehrkraft, „Rollenklarheit“ oder das „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, den Marschplan des vorgegebenen Lehrplans, überhaupt Vorgaben, Fundamente und jene äußeren Strukturen, die Schule ausmachen. Sie warnten vor „Klippschulen“, dem „Laisser-fairen“ und der „Gefahr des Experiments“. Das Lieblingsargument war die nicht erweisbare Behauptung „Hier lernt man nichts“. Andere philosophierten „Das ist nicht durchsetzbar“.
Für sie war Schule jene Institution, wo die eigenen Kinder der Ober- und Mittelschichten unter sich blieben, wo sie nicht „mit den Dienstboten“, Harz-IV-Empfängern, Flüchtlingen und „Zigeunern“ in einer Bank saßen. Sie forderten die „Klarheit der erwachsenen Führungsrollen“, einige waren auch bereit „einmal zuzuschlagen“ oder „zuschlagen“ zu lassen.
Viele begehrten gegen uns auf. Sie verfolgten immer unsere Abschaffung. Einige ließen sich durch die Lernfreude und die Erfolge der eigenen Kinder und Enkelkinder beeindrucken. Andere durch die strukturelle Klarheit der Schule und ihrer Lehrkräfte durch das Vertrauen in die Entwicklung ihrer Kinder und beim Erkennen, Fördern und Fordern derer Stärken und Potentiale.
Erfolg des offenen Lernens
Einige verließen die Schule, viele kamen erst gar nicht, um den bequemeren, bekannten Weg der Nachbarn zu gehen. Trotzdem gelang es der Schule 20 Jahre lang erfolgreich, hoch dekoriert und anerkannt ihren Weg zu gehen. Die Schule machte vor, dass ein demokratisches Lernen so vielfältig wie die Facetten ihrer Kinder, Erwachsenen und Umgebung ist.[1]
Kaum einer der „Gegner“ erkannte, dass sie selbst Treibriemen des Erfolgs der Schule durch die ständige Formulierung der Aufgaben des alten Systems wurden. Täglich zwangen sie uns dazu unser Konzept besser und verständlicher zu formulieren.
Alle Geister schieden sich an der Frage der Anerkennung von Menschenrechten für die Kinder. Für die einen hatten Kinder als Schüler einfach keine. Andere blieben dabei, dass die Erwachsenen sich immer besser qualifizieren müssen, um den Kindern ihre Lehrinhalte vorzugeben. Wir lernten zu begreifen wie Kinder ihr Lernen selbst verantworten und die Erwachsenen ihr eigenes Können.
Die Kinder lernten was Demokratie und Menschenrechte bedeuten. Sie lernten ihr eigenes Lernen demokratisch, selbstbestimmt zu lernen. Sie hatten den Schutz „einer Insel“, auf der soziale Vorsprünge oder Vorteile so ausgeglichen wurden, dass auch Unterschichtenkinder viel mehr lernen konnten als das selektierende Schulwesen plant. Sie lernten die Inklusion aller Menschen im täglichen schulischen Leben als Selbstverständlichkeit. Sie lernten, dass Demokratie weder eine Frage der Mehrheit, noch die einer Religionszugehörigkeit ist.
Sie lernten sich selbst und andere als würdige, lernende Menschen zu erkennen und zu entwickeln. Sie lernten Kompetenzerwerb, Lernwillen, Eigenaktivität, Nutzen der Vielfalt und Verschiedenheit, Verantwortungsübernahme, Präsentation, demokratische Gestaltung, die Fähigkeit zum kooperierenden Zusammenschluss, die Bildung offener Gesellschaft, die Öffnung der Bildung, Veränderungskraft, Teilhabe aller und Selbstbestimmung so, wie dies immer deutlicher Zielgrößen in der staatlichen Pädagogik wurden[2].
Schlagworte:
lit_2017-art, Kinderuni,
summary:
-
Notiz:
|
ID: 5455 | hinzugefügt von Jürgen an 00:07 - 10.6.2021 |
title: Kinderuni selber machen by Hövel, Walter |
|
Text:
Auszug:
Wer forschend und eigenständig lernt, entdeckt die Universität wieder
Die Grundschule Harmonie macht in unregelmäßigen Abständen bis zu drei Tagen Dauer ihre „Kinderuniversität“. Diese Form des Lernens in der Kinderuniversität hat verschiedene Ursprünge.
Vor vielen Jahren begannen wir uns aufgrund des eigen verantwortlichen Lernens unserer Kinder mit einem eigenen Kompetenzbegriff auseinander zu setzen. Wir konnten beobachten, dass durch die Selbstbestimmung der Themen und Inhalte, der Organisation und der Formen der Kinder im täglichen Klassenrat, sich enorme Lernkompetenzkräfte entwickelten und vermittelten.
Wir sahen, dass das autonome, kooperative und demokratische Lernen, mit der Selbsteinschätzung der Kinder (orientiert an den Richtlinien und Lehrplänen des Landes und Erwartungen der Schule) und mit einer gegenseitigen Beratungskultur von Kindern, Eltern und Schule, nicht nur die Noten ersetzte, sondern die Kinder befähigt, ihre eigenen Lernwege zunehmend gestalten, beschreiben und beherrschen zu können.
Die Kinder lernten durch ihre Eigenaktivierung in ihrer eigen verantwortlichen Planung und Präsentation für sich selbst und von einander mehr und intensiver, als vermittelter Lehrstoff dies als Prinzip der Lernorganisation schaffen kann.
Als wir nach zweijähriger Diskussion mit Kindern und Eltern das durchgehend altersgemischte Lernen (1-4) Anfang des neuen Jahrtausends einführten, wurde uns immer bewusster, dass das Lernen durch die Selbstorganisation im Klassenrat nicht nur in den Klassenverbänden gelernt wird. Wenn wir die Klassen, wie an vielen anderen Schulen üblich, als abgesonderte Einheiten „unabhängig“ von einander hätten arbeiten lassen, hätten wir zwar den Vorteil des Lernens mit der Altersmischung gehabt, aber auch den Nachteil, dass eine größere Menge der Kinder Gleichaltrige mit der Ähnlichkeit des Denkens, Arbeitens und den Interessen gefehlt hätte. Wir nennen eine größere Anzahl von Lernenden “die kritische Masse des Lernens“, die nötig ist, um Kettenreaktionen beim Lernen in Gang zu setzen.
Wir lernten immer wieder in größeren Verbänden von zwei oder drei Klassen oder im ganzen Flur zu planen, zu arbeiten, zu präsentieren und zu evaluieren. Wir lernten „Englisch“ mit der ganzen Schule in Versammlungen durchzuführen. Wir machten Vorträge in oder von Klassen für alle Interessierten zugänglich. Vorlesungen, klassenübergreifende, über die Lerninhalte angebotene „Lehramtsanwärterstunden“, offene Chor-, Mathe- und Theaterangebote und viele weitere Angebote von Kindern, Eltern, Praktikanten, Studierenden und anderen Gästen bilden seitdem ein breites zusätzliches Lernangebotsprogramm der Schule. Kinder suchen sich Angebote aus und entscheiden selber über ihre Teilnahme.
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Universit%C3%A4t
Kinder gehen „als Spione“ in andere Klassen, um zu sehen konnten, wie andere arbeiten, sich organisieren und verhalten oder wir tauschten Kinder-Spezialisten und -Fachmenschen aus.
So kamen wir bereits in den 90iger Jahren auf die Idee über 50 Stationen Kinder anderen Kindern zeigen zu lassen, mit welchen Materialien und Techniken sie arbeiten. An einem Samstag wurde daraus dann ein „Tag der offenen Tür“ für Eltern.
Daraus entwickelten wir „Kompetenzschulungen“. Je mindestens zwei Kinder jeder Klasse besuchten eine von Erwachsenen angebotene Arbeitsgruppe, in der Computerwissen, Schreibtechniken, Experimentaufbau und -durchführung, Mathematerialien, etc., etc. in Dreitagekursen intensiv vermittelt wurden. Dem folgten nur von Kindern angebotene und organisierte „Kompetenztransfer-Seminare“ zu von ihnen selbst herausgefundenen und formulierten eigenen Fähigkeiten. Themen waren Theater, Kunst, Musik, Handarbeit, Filmen, Lesen, Bauen, Experimente, Schach, Phantasie- und Rollenspiele, Tanzen, Zu eigenen Themen forschen, Werken/Laubsägen, Mathe, Schreiben, Türkische Märchen, Band, Abpausen und Spiele.
Wir begannen darüber nachzudenken, was das, was wir taten, mit „Schulentwicklung“ über Klassenräte, Schulversammlungen, Kinderparlament, Teilversammlungen (etwa der Erstklässler), Halbjahres-Feedbackrunden oder Ganztagsversammlungen hinaus zu tun haben könnte. Wir begriffen, dass wir hier die Verstärkung der bisherigen intrinsischen Arbeit zum Selbst-Lernen auf weitere Bereiche wie die Verbesserung der Qualität des Lernens in den Fächern, die Anhebung des Niveaus bei Qualifikationen, Standards und Kompetenzen erheblich erweitern konnten. Wir betrieben nun die Schulentwicklungs- und Weiterbildungsarbeit nicht nur für Kinder, sondern mit ihnen und durch sie, als „Lernende Schule“2.
Zum andern wurden damals die „Kinderuniversitäten“ der Banken und Industrie zur Begabten- und Eliteförderung eingeführt. Da „durfte“, und darf immer noch, ein(!) ausgesuchtes Kind aus jeder sich meldenden und dann ausgesuchten(!) Schule gegen Bezahlung(!) und eigene Beförderung(!) durch die Eltern in den Ferien(!) zu einer Schule(, die sich dann Uni nennt) oder in eine echte Uni(, die sich dann aber auch „Kinder“-Uni nennt), um eine Woche lang Japanisch, Chemie oder sonst etwas „Außergewöhnliches“ zu lernen. Um kurz und inklusiv zu sagen, was wir dachten: Jeder Mensch ist begabt, jeder Mensch sollte „auf Verdacht“ Förderangebote bekommen und, „Kinderuni“ konnten wir schon lange! Also gründeten wir unsere eigene Kinderuni.
Entweder die Lehrkräfte, die Kinder oder qualifizierte Gäste bieten Seminare zu einem Oberthema an. Die Formulierung der Inhalte übernehmen immer andere, entweder durch Befragungen oder durch das Kinderparlament nur die Kinder oder nur die Lehrerinnen und Lehrer mit ihrer Konferenz oder es geschieht gemeinsam in den Klassenräten oder auf den Schulversammlungen. Die Kinder suchen sich aus, zu welchen Seminaren sie gehen. (Es gibt auch Kinder, die gar nicht hingehen, sondern an ihren ureigenen Themen weiter arbeiten.) Es fallen angebotene Themen weg, andere entstehen neu, weitere müssen mit einem weiteren Referenten gedoppelt werden, weil das Interesse so groß ist.
Schlagworte:
lit_ -art,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5456 | hinzugefügt von Jürgen an 00:11 - 10.6.2021 |
title: Der Klassenrat 2019 by Hövel, Walter |
|
Text:
Auszug:
Erst in den letzten beiden Jahrzehnten, nach dem Jahr 2000 ist mir richtig klar geworden, was eigentlich ein Klassenrat bedeuten kann.
Früher habe ich geglaubt die Tatsache, dass das Lehrpersonal und die Kinder oder Jugendlichen einer Lerngruppe (in Schulklasse, Kita oder bei einem Uniseminar) in einem gemeinsamen Kreis saßen, wäre schon der ultimative Ausdruck dessen, was an Veränderung sein sollte.
Und in der Tat erfüllten Freinetpädagog*innen und sehr viele andere Erzieher*innen und Lehrer*innen in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts eine historische Leistung. Zum ersten Mal in der neueren Bildung, nach der Einrichtung staatlicher Schulen, setzten sich die Lernenden und Lehrenden in einen Kreis. Zum ersten Mal redeten sie überhaupt über das, was da in der Schule oder in der Kita passierte.
„Ein Kreis ist das Demokratischste, was es gibt. Alle sitzen in der ersten Reihe“, sagte Jahre später ein Vater in Graz.
Schlagworte:
fuv-168, lit_2019-art, Klassenrat
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5506 | hinzugefügt von Jürgen an 06:08 - 12.6.2021 |
title: Planung für ein Seminar by Hövel, Walter |
|
Text:
Planung für ein Seminar:
Die Freinetpädagogik
Freinetgeschichte
Das Leben der Freinets, Texte des Schäfers Matthiew, Invariablen und die politischen Ziele
Grundeinstellungen
Kinderbild, Demokratie, Kinderrechte, Mehrheiten, Kreis, selbständiges, selbstorganisiertes Lernen
Grundthemen
Klassenrat, Kinderparlament, Kooperation, Erkundung der Welt, Druckerei und Korrespondenz
Grundbegriffe
Freier Ausdruck, Tasten und Versuchen, Fragen zur Welt, Text Libre und Methode Naturelle
Werkzeuge
Ateliers, Arbeits- und Darstellungstechniken, Einstiege, Bilderkartei, Begegnungen, Präsentation, Menschenschattenspiel, Filmen, Lernen im Dorf und in der Region
Umgang
Eigene Themen, Schreiben und Lesen, Vom eigenen Schreiben Freier Texte bis zur Dichterlesung, Sprachen, Sprache, Sprechen, Gruppe, elektronische Medien, Lernen und Lehren, Lernumgebung, Lernlandkarten, Lerngänge, Rollenspiel, Boaltheater, Glück, Freiheit, Leben, Essen und Gesundheit
Begegnungen
Projekte, Lernwerkstätten, Eigene Fragen, Individualisierung, Vernetzung, Diversität, Heterogenität, Leadership, Leiten, Kompetenzen, Internationalismus, Reformpädagogik, Lern- und Schulentwicklung, Altersmischung, Inklusion, Konstruktivismus und Systemik
Fächer
Deutsch, Fremdsprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, Kunst, Musik, Sport, Religion, Textil, Werken, Philosophie, Psychologie und Soziologie
Lehrer*innenbildung
Rolle der Lehrkräfte, biographisches Lernen, Elternarbeit und eigene Fort- und Weiterbildung
Prüfungsleistungen
Beherrschung der Inhalte und Methoden der Freinetpädagogik
Aufgaben zwischen den Seminaren
Entwurf eines eigenen Handlungskonzeptes zur Implantierung von Veränderung im Lernen
Lesen von Texten meiner Homepage www.walter-hoevel.de und Dokumentation der Umsetzung eines Beispiels in der Praxis in Verbindung mit dem Gelesenen
Schlagworte:
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5569 | hinzugefügt von Jürgen an 18:29 - 2.7.2021 |
title: Freinetpädagogik – Alle Lernenden können lehren by Hövel, Walter |
|
Text:
Keine Pädagogik setzt sich so konsequent für die Individualität ein wie die Freinetpädagogik.
Dabei gehören Individualität und Gemeinschaft zusammen.
Sprache ist Mittelpunkt jeder menschlichen Entwicklung von Anfang an.
„Den Kindern wird das Wort gegeben“.
Kein Mensch ist belehrbar.
Kinder bekommen in eigenaktiver Handlung und konsequenter Selbstbestimmung die volle Verantwortung für ihr Lernen.
Zentrales Element ist der von Kindern geleitete Klassenrat.
Hier werden individuelle und gemeinschaftliche Arbeit als soziales Miteinander demokratisch besprochen und reflektiert.
Freinetpädagogik bietet den Raum und die Zeit für Selbstbestimmung.
Dabei wartet sie nicht auf Reformen und Neuerungen.
Sie gestaltet hier und jetzt Lernen in einer futuralen Machbarkeit.
Freinetpädagogik lebt die Vielfalt der Gesellschaft in einer Schule für alle.
Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Menschenrechte von nicht privilegierten Gruppen und ihrer Kinder gelegt.
Schlagworte:
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5581 | hinzugefügt von Jürgen an 06:47 - 3.7.2021 |
title: Was ist ein Klassenrat by Hövel, Walter; Resch, Uschi |
|
Text:
Auszug:
Der Klassenrat oder die Klassenversammlung ist ein Kreis der Kinder und der Lehrerin, in dem gelernt wird, den eigenen Lernprozess für sich selbst mit und in der Gemeinschaft zunehmend und umfassend selbst zu organisieren, um der eigenen Arbeit und dem eigenen Lernen einen Sinn zu geben.
Hier wird alles besprochen, Probleme zwischen den Kindern, Erfahrungen im Arbeitsprozess, Störungen im Arbeitsverhalten, erfolgreiche Strategien, Wissenssammlung durch Fehler und neue Erkenntnisse und Vermutungen. Hier wird ein Regelwerk erstellt, dass nicht einfach dazu dienen soll, es einzuhalten, sondern nur so lange Bestand hat, wie es die Arbeit der Klasse erfolgreich organisiert.
Hier werden Grenzen vereinbart, die es allen möglich machen, in engen Klassenräumen oder außerhalb der Schule zu lernen. ...
Schlagworte:
fuv-91, lit_2000-art, Klassenrat
summary:
-
Notiz:
Erstveröffentlichug
|
ID: 5450 | hinzugefügt von Jürgen an 21:50 - 9.6.2021 |
title: Einführung eines Klassenrates by Iglesias, Svenja |
|
Titel: | Einführung eines Klassenrates |
Autor: | Iglesias, Svenja | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Essen | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | 1999 | | |
url: | |
Text:
Einführung eines Klassenrates in einem 3. Schuljahr - Beratung und Erziehung zur Selbstregulierung von Konflikten
Schlagworte:
Examensarbeit_Grundschulpädagogik
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 1146 | hinzugefügt von Hagstedt an 12:12 - 28.10.2002 |
title: Verbesserung des sozialen Klimas durch Interaktionen in einer wöchentlichen Klassenratstunde eines dritten Schuljahres by Kaiser, Silke |
|
Titel: | Verbesserung des sozialen Klimas durch Interaktionen in einer wöchentlichen Klassenratstunde eines dritten Schuljahres |
Autor: | Kaiser, Silke | Sprache: | deutsch |
Quelle: | München, Grin | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2008 | | |
url: | https://www.grin.com/document/119701 |
Text:
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Das soziale Lernen
2.2 Das „soziale Klima“ einer Lerngruppe
2.3 Die Klasse als zentraler Ort des sozialen Lernens
2.4 Der Klassenrat als interaktive Praxis
2.4.1 Reformpädagogische Wurzeln
2.4.2 Rahmenbedingungen und Voraussetzungen
2.4.3 Begründung und Zielsetzung
3. Entwicklung und Durchführung des Klassenrats in der Lerngruppe
3.1 Lerngruppenbeschreibung und Lernausgangslage
3.1.1 Allgemeine Lernbedingungen
3.1.2 Spezielle Lernbedingungen
3.1.2.1 Das „soziale Klima“ der Lerngruppe
3.2 Didaktische Begründungen des Vorhabens
3.2.1 Gegenwarts- und Zukunftsperspektive
3.2.2 Bezüge zum Rahmenplan, dem Bildungs- und Erziehungsplan von 0-10 Jahren sowie den Bildungsstandards im Fachbereich Deutsch
3.3 Gestaltung des Klassenrats und methodische Vorgehensweise
3.3.1 Regeln
3.3.2 Rolle der Lehrperson
3.3.3 Ämtervergabe
3.3.4 Interaktionen
3.4 Übersicht der geplanten Teilvorhaben
3.5 Lernziele des Vorhabens
3.6 Überprüfung der angestrebten Ziele
4. Reflektierende Dokumentation und Auswertung des Unterrichtsvorhabens
4.1 Durchführung des Klassenrats
4.1.1 Einführungsstunde
4.1.2 Weitere Durchführung
4.1.3 Zwischenreflexion und Ausblick
4.2 Auswirkungen auf die Lerngruppe
5. Resümee und Ausblick
Literatur Anhang
A1 Übersicht über die geplanten Teilvorhaben (Tabelle)
A2 Transkription einer Klassenratsitzung exemplarisch
A3 Dokumentation von Schülerergebnissen
- Protokoll der skizzierten Sitzung exemplarisch (vgl. A2)
- Anliegen aus der Gefühle-Box exemplarisch (vgl. teilweise A2)
A4 Fragebogen-Analyse
- Auswertung des Fragebogens zum Klassenklima
- Zwei ausgewählte Fragen in der graphischen Übersicht (Balkendiagramm)
- Schülerfragebogen exemplarisch
A5 Fragebogen-Analyse
- Auswertung des Fragebogens zur Klassenratstunde
- Schülerfragebogen exemplarisch (erste Seite)
- Schülerfragebogen exemplarisch (zweite Seite)
Schlagworte:
lit_2008-art, Examensarbeit (2. Staatsexamen),
kein Summary verfügbar
Notiz:
Studienseminar Korbach - Burken
|
ID: 5354 | hinzugefügt von Jürgen an 21:19 - 18.4.2020 |
title: Neue Medien in der Freinet-Pädagogik by Kellner, Michael |
|
Text:
Neue Medien in der Freinet-Pädagogik
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
Freinet im modernen elektronischen Zeitalter
Gefahren und Potentiale des Computers in der Freinet-Pädagogik
"Frei-NET-P@dagogik": Das Internet und seine Auswirkungen auf die "moderne Schule"
Konkrete Möglichkeiten für den freinet-pädagogischen Unterricht
Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Einleitung
Es ist noch nicht lange her, dass Politiker Deutsche Elite-Universitäten gefordert haben. Der Drang nach Bildung ist groß. Dies ist vielleicht eine verzweifelte Reaktion auf den PISA-Schock, der uns durch Mark und Bein gefahren ist und uns immer noch verunsichert. Es muss sich etwas tun im Bildungswesen meinen viele Politiker. Forderungen nach radikalen Veränderungen des Schulwesens kommen von allen Seiten. Ist jedoch die Amerikanisierung der Deutschen Hochschulen hier der richtige Ansatz? Werden die Elite-Pädagogen von morgen Deutsche Schüler wieder auf die richtige Bahn leiten? Ist es nicht vielmehr das Schulsystem im Primarbereich, das effektives pädagogisches Handeln erschwert? Lehrer haben heutzutage nicht viele Freiräume für Erziehungsexperimente und somit kaum Potential für eine pädagogische Effizienzsteigerung. Vor allem in Regelschulen stehen die Chancen schlecht für innovative Lernkonzepte wie zum Beispiel die Freinet-Pädagogik. Die Schulstruktur fesselt die Lehrer eng an sich und will sie nicht freigeben für neue, kreative Ideen. Zeit- und Stundenplanstaffelung lässt kaum Platz für intensives Arbeiten. Klassenkonstellationen von weit über 20 Schülern pro Lehrkraft überfordern diese Tag für Tag. Vielleicht sollte man die Probleme bei der Wurzel packen und vor Allem Grundschulen einer radikalen Neustrukturierung unterziehen. Vielleicht kann man die Gesellschaft so vor einer nächsten PISA-Krise und vor weiteren fehlgeleiteten Verzweiflungsentscheidungen der Bildungspolitiker bewahren und vielleicht kann die Freinet-Pädagogik hiefür eine Schlüsselfunktion übernehmen. Noch vor gar nicht langer Zeit veröffentlichte die Zeitschrift „Spiegel“ den Artikel: „Besser lernen mit Multikulti?“ (Spiegel 25/04). „Multikulti? - Da gab es doch einen Begriff, der so ähnlich klingt und alle Kulturen der Welt miteinander verbindet: Ach ja, Multimedia!“ Somit ergibt sich auch die Fragestellung: „Besser lernen mit Multimedia?“ - Also mit Computer Internet & Co. Den Neuen Medien wird nachgesagt, sie würden in sich neue Lernchancen beherbergen. Wenn die Gesellschaft nach moderner Erziehung für unsere Kinder verlangt, ist die Forderung nach Integration neuer Technologien oftmals nicht weit. Allein schon die Lebensumwelt der Kinder fordert den Einbezug Neuer Medien in den Unterricht.
Stellen wir also fest: Wir haben eine Bildungsmisere auf der einen Seite und schulische Neustrukturierungsgedanken, sowie Neue Medien auf der anderen Seite. Da lässt sich doch eins und eins zusammenzählen: Eine reformpädagogische Medienar-
beit muss her! Sieht man in der Reformpädagogik die Ideen Célestin Freinets, so ist die Mischung komplett: Freinet-Pädagogische Bildungsarbeit gepaart mit dem Einsatz Neuer Medien. Ist dies vielleicht das Geheimrezept für eine optimale Erziehung? Gefragt werden muss, inwiefern eine freinet’ische Medienpädagogik überhaupt realisierbar ist. Augenscheinlich bietet die Pädagogik Freinets mit ihren technischen Veranlagungen und Eigenschaften wie z.B. Korrespondenz, freier Text oder Druckerei einen idealen Nährboden für den Einsatz Neuer Medien. Noch mehr scheint sie mit ihrer didaktischen Grundlegung und Struktur erst einen sinnvollen Einsatz moderner Technologien zu ermöglichen. Vielleicht hat die Regelschule Neue Medien gar nicht richtig einsetzen können und deswegen versagt. Möglicherweise verlangt Medienpädagogik nach einem gänzlich anderen Schulsystem. Hier gilt es mögliche Zugänge oder Hindernisse aufzuspüren. Was kann die Medienpädagogik für die Freinet-Pädagogik tun bzw. nicht tun und umgekehrt?
Um diese Fragestellungen zu beantworten, sollen zunächst theoretische Aspekte der Freinet-Pädagogik verschiedenen Erkenntnissen der Medienpädagogik gegenübergestellt werden. Im weiteren Verlauf werden Einstellungen und Ideale Freinets in Bezug auf Technologie und Innovation betrachtet und Neue Medien intensiv beleuchtet. Mögliche Potentiale und Gefahren von Neuen Medien für die Freinet-Pädagogik spielen durchgängig eine bedeutende Rolle zur Meinungsfindung, bis abschließend praxisnahe Beispiele für eine mögliche Freinet-Medienpädagogik erörtert werden sollen.
1. Die historische Idee Freinets und moderne Ansätze der Medienpä-dagogik
Im Wandel der Zeit unterzieht sich Pädagogik vielen Veränderungen und Neuerungen. Neue Erkenntnisse kommen hinzu und ergänzen die bisherige Wissenssammlung oder befördern manch ältere Auffassung in die Schublade „Alt und pädagogisch nicht mehr tragbar“. Ein moderner und relativ junger Ansatz ist die Idee Neue Medientechnik aktiv in den Unterricht einzubeziehen. Hier passt man sich neuen technischen Gegebenheiten unter pädagogischen Gesichtspunkten an, um so mit dem Wandel der Gesellschaftstechniken Schritt zu halten und die pädagogische Wirklichkeit auf dem neusten Stand zu halten. Doch zeigt sich auch, dass ältere Erkenntnisse heute noch eine erstaunliche Aktualität aufweisen können. So sieht man es in der Freinet Pädagogik, welche nach wie vor in nahezu unveränderter Form die heutige Erziehungswissenschaft beeinflusst. Nachfolgend sollen nun ältere Ideen Freinets und moderne Ansätze der Medienpädagogik dargestellt werden, um im weiteren Verlauf dieser Arbeit Parallelen, Überschneidungen, Differenzen und Möglichkeiten zur Verbindung dieser zwei Bereiche darstellen zu können.
1.1 Zum Grundverständnis der Freinet-Pädagogik
1.1.1 Kerngedanken der Freinet-Pädagogik
Verfolgt man die Wurzeln der Freinet Pädagogik zurück bis hin zu den Anfängen, so gelangt man in das französische Dorf Bar-sur-Loup, um Mitte der zwanziger Jahre. Hier hat die Entwicklung einer einflussreichen pädagogischen Konzeption und die Idee einer grundlegenden Schulreform ihren Ursprung (Zehrfeld 1977, S. 16). Die Intention alt eingesessene Unterrichtsmethoden abzuschaffen und die Schule grundlegend zu verändern, rührte aus den Kindheitserinnerungen Célestin Freinets. Er berichtete, sich noch sehr gut an seine frühen Schuljahre erinnern zu können. Bei pädagogischen Fragestellungen versetzte er sich in seine eigene Kindheit zurück und erkannte für sich die Fehler einer alt eingesessenen Form der Schulpädagogik. Diese betitelte er aufgrund seiner meist negativen Schulerfahrung als „Kasernenschule“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 13). Freinet bemängelte das unangemessene Eingehen auf kindliche Interessen beruhend auf der zu sehr rationalen und kapitalistischen
Sichtweise der Verantwortlichen, die nicht die Kindesentwicklung selbst, sondern die notwendigen Lerninhalte zum Bestehen der Examina in den Vordergrund stellten (Freinet 1979, S. 14f.).
Erste Inspiration für neue Unterrichtskonzeptionen erhielt er durch Erfahrungen mit den „classes promenades“, die eine Art Lebensweltpädagogik darstellten (Zehrfeld 1977, S.16). Es entwickelte sich die Vision einer modernen Schule, die eigene und gesellschaftliche Bedürfnisse der Kinder in den erzieherischen Mittelpunkt stellt, es ihnen ermöglichte ihre Persönlichkeit optimal zu entfalten und ein gefestigtes Individuum in der Gesellschaft zu werden. Über diese Bedürfnisse sollten Lerninhalte und die Art der Erziehung abgeleitet werden (Freinet 1979, S. 15.). Nach Célestin Freinet stellte das Erfassen der gesellschaftlichen Bedürfnisse von Kindern kein besonders großes Problem dar, weil diese mehr oder weniger deutlich im Lehrplan festgelegt waren. Eine größere Herausforderung war für Freinet, das Individuum Kind differenziert in seiner physischen und psychischen Natur mit all seinen Neigungen und Fähigkeiten zu erkennen, um hieraus eine angemessene pädagogische Konzeption zu entwickeln. Es war jedoch nicht möglich jedem einzelnen Kind einen individuellen Erziehungsplan zu bieten. Zumindest wollte man ihm eine interessenfördernde Umgebung schaffen, kindgemäße Techniken zur Unterstützung der intellektuellen Entwicklung finden und entsprechende Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellen. So war es möglich dem Kind verschiedene Perspektiven für die Zukunft zu bieten, welche es je nach Veranlagung, Neigung und Bedürfnis nutzen konnte (Freinet 1979, S. 15f.).
Im Sinn des „Lebendigseins“ betonte Freinet immer wieder, dass die Schule nicht nur eine Lernwelt, sondern auch eine Lebenswelt der Kinder sein sollte. Die Akzente setzte Freinet nicht mehr auf eine einseitige Überlieferung von Wissen. Er wollte sich vielmehr den natürlichen Lerntrieb und die schöpferischen Kräfte von Kindern für den Unterricht zu nutze machen. Hierbei kann die Freinet-Pädagogik die breite Palette an Bildungsmöglichkeiten nutzen, die die Erziehungswirklichkeit zur Verfügung stellt und mit seinen Arbeitsmaterialien und Techniken eine natürliche, lebendige und in seinen Augen vollkommene Erziehung ermöglichen. Dazu soll die Arbeit Motor und Philosophie sein (Freinet 1979, S. 16).
In einer Arbeitergesellschaft sah Freinet die Arbeitsschule, die sich in den Prozess der Lebenswirklichkeit integriert. Bildungserwerb sollte vor allem durch Selbsttätigkeit zustande kommen, was nach heutiger Sicht der Kerngedanke aller reformpäda-
gogischen Bereiche ist (Eichelberger, Laner 2003, S. 7). Um den Gedanken der „Arbeitsschule“ realisieren zu können forderte er, der passiven und formellen Pädagogik den Rücken zu kehren. Er kritisierte das gesamte System dieser Pädagogik mit all seinen Ausleseverfahren, Klassenarbeiten und Examina. Weiterhin verurteilte er das Bestreben Kinder heranzuziehen, deren Hirne mit Wissen vollgestopft wurden und diese dann als „optimales Endprodukt“ anzusehen, während Kinder mit einem „wachen Kopf“ und „geschickten Händen“ ins Abseits gerieten (Freinet 1979, S. 17). Freinet war oftmals der Kritik ausgesetzt, seinem Konzept würde es an nötigen Or-ganisationsformen mangeln und eine Schule nach seiner Beschreibung würde im Chaos versinken, da keine ausreichende Disziplin der Schüler zu erwarten sei. Er widerspricht jedoch diesen Aussagen und beschreibt eine schulische Harmonie, welche in seiner pädagogischen und sozialen Reform enthalten sei. Aus dieser Harmonie solle sich die Disziplin der Schüler entwickeln, die auf natürliche Art und Weise, nämlich durch die Ordnung der organisierten Schüleraktivität, zustande käme. Er beschreibt diesen Vorgang als eine Kraft, die durch die rationelle menschliche Gestaltung des Schullebens geweckt werde. Damit sei die Disziplin eine andere, als die zu seiner Zeit an Schulen vorherrschende. Nach seiner Auffassung solle es keine oberflächliche und förmliche Disziplin mehr geben. Vielmehr sieht er in ihr den natürlichen Ausdruck und die Folge einer funktionierenden Organisation der Schüleraktivität und des schulischen Gemeinschaftslebens. Seine Konzeption aus materieller, technischer und pädagogischer Arbeitsorganisation solle entscheidendes Kriterium eines ausgeglichenen Schullebens sein (Freinet 1979, S. 17f.). Freinet spricht in diesem Zusammenhang von einem neuen Arbeitsklima in den Schulklassen. Er beschreibt dies als ein „Klima des Vertrauens“, in dem Kinder sowohl Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, als auch in die Mitschüler haben. Kinder sollen in einer Gruppe zusammenhalten und sich akzeptierend und weiterhelfend gegenübertreten und nicht etwa kontrahierend oder gehässig. Dieses Klima darf jedoch nicht dadurch zustande kommen, dass der Lehrer sämtliche Konflikte unterbindet, sondern soll vielmehr durch seine eigene funktionelle pädagogische Planung herbeigeführt werden (Zehrfeld 1977, S. 20f.).
Nach Freinet erfordert ein solch umfangreicher Paradigmenwechsel radikale Veränderungen. Er beschreibt, dass nicht nur Unterrichtsräume, Lehrpläne und Stundenpläne an das neue Schulmodell angepasst werden müssten, sondern auch Arbeitsmittel und Unterrichtstechniken. Er verurteilt vor allem den Frontalunterricht, der zum
größten Teil aus verbaler Aktivität des Lehrers besteht, den Unterricht nach Handbüchern, die schriftlichen Arbeiten, das sture Auswendiglernen und das streng an die Vorschriften gebundene Schönschreiben. Seine Reform- und Modernisierungsideen sollen jedoch nicht in radikaler Form die alte Schule ablösen. Freinet will die Anpassungen harmonisch und ausgeglichen in der Form vollzogen sehen, dass weder soziale Notwendigkeiten der Schule, noch finanzielle Aspekte der Lehrerumschulung ig-noriert werden (Freinet 1979, S. 18f.).
Freinet hat erkannt, dass nicht nur neue Lehr-, Lernmethoden im Mittelpunkt einer Reform stehen soll, sondern auch die individuelle Entwicklung des Kindes in der Gesellschaft. Er setzt bereits hier ein deutliches Zeichen für die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen am Schulsystem. Diesbezüglich erstellt er kein Förder- und Lernkonzept, sondern eher ein Entwicklungskonzept für Kinder. Es soll den Kindern genau das gegeben werden, was sie in gegenwärtigen Entwicklungsstufen benötigen (Eichelberger, Filice 2003, S. 16). Hierfür hält Freinet eine umfangreiche Planung bereit, bei dem vom Aufbau der Klassenräume über Arbeits- und Erziehungstechniken bis hin zur finanziellen Durchsetzbarkeit der Reform alles bedacht wird.
Im nächsten Abschnitt soll nun die Entstehung praxisnaher Ideen Freinets genauer beschrieben werden.
1.1.2 Zur Entwicklung der Freinet-Unterrichtspraxis
Wie schon erwähnt, entwickelten sich erste Ideen für neue konkrete Unterrichtspraktiken durch Freinets Kontakt mit den so genannten „classes promenades“, einer Art Lebensweltpädagogik. Er nutzte diesen Ansatz für seine Zwecke und entwickelte ihn Schritt für Schritt weiter.
Einen motivierenden und lebensnahen Unterricht erhielt Célestin Freinet nicht nur durch die typischen Erkundungsgänge der „classes promenades“, sondern auch durch die schriftliche Nachbereitung des Erlebten und Gelernten, direkt nach Rückkehr in den Klassenraum. Als Mittel zur Vergegenwärtigung nutzte er anfangs die Wandtafel, an der jeder seinen eigenen Text einfügen konnte, um nachher einen Gesamttext aller Schüler zu erhalten. Es tauchten jedoch Konflikte zwischen dieser Unterrichtsidee und den Richtlinien der Lehrpläne auf, welche das Arbeiten mit Lehrbüchern nahezu unumgänglich machten. Um diesen Konflikt zu lösen, nutzte er die Möglichkeit, eigene Berichte, Aufsätze und Gedichte der Kinder zu drucken und mit anderen
Schulen auszutauschen, um diese dann als eine neue Generation von Schulbuchliteratur zu verwenden. Es entstand die Idee der Klassendruckerei, welche in Form von Druckstock und Setzkasten in einer Ecke der Klasse aufgebaut wurde (Zehrfeld 1977, S. 17f.).
Auf diesen grundlegenden Gedanken baute Freinet weiter auf und es entwickelten sich spezielle Unterrichtstechniken, welche die Freinet Pädagogik heute auszeichnen. Schüler erstellten freie Texte, welche in dem so genannten „Klassenjournal“ zusammengestellt wurden und dann im Sinn einer zwischenschulischen Korrespondenz untereinander verschickt wurden. Insbesondere bildete der „freie Text“ den Ausgangspunkt zur Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption und der Unter-richtsorganisation. Freinet war es wichtig, den Kindern die Möglichkeit zu geben, zu jeder Zeit, zu jedem Anlass und in beliebiger Form Texte schreiben zu können, sei es mit der Schreibmaschine (heute wäre es wohl der Computer) oder mit Bleistift auf ein Papierfetzen - Die Form war Freinet hierbei egal. Wichtig war ihm, dass das Schriftstück zum Gegenstand eines Arbeitsprozesses wurde. Das Vorlesen bzw. Präsentieren des eigenen Textes in der Klasse war erster Teil des Arbeitsprozesses. Hierdurch sollten Kinder sehr viel motivierter lesen und schreiben lernen. In einem weiteren Arbeitsschritt sollte der Text in mühevoller Handarbeit gedruckt werden, wodurch die Kinder, neben sozialen Kompetenzen, sehr viel über Buchstaben, Schrift und Rechtschreibung lernen sollten. Um demotivierende Frustrationen hierbei so gering wie möglich zu halten, hielt es Freinet für wichtig, eine Lehrerkorrektur der Texte anfangs auszulassen. Eine Korrektur erfolgte erfahrungsgemäß vielmehr durch die Mitschüler, welche Probleme beim Weiterarbeiten mit den fehlerdurchsetzten Texten hatten. Hieraus und durch später wohldosiert einzusetzende Korrekturhilfen des Lehrers, sollte sich die Motivation zum gemeinsamen Überarbeiten der Texte entwickeln (Zehrfeld 1977, S. 18f.).
Freinet legte viel Wert darauf, Kinder in ihrem Neugierverhalten zu ermutigen und das Erfahrungslernen zu unterstützen. Hierzu entwickelte er verschiedene weitere Arbeitsmittel und Organisationsformen, die es jedem Kind erlaubten, gemäß eigener Interessen und Talente, einen individuellen Lernrhythmus zu erhalten. Er kam zu der Auffassung, dass es hierfür nötig war, den Aufbau des Klassenraumes grundlegend umzugestalten, um aus ihm einen Erlebnisraum zu schaffen, in dem entdeckendes und forschendes Lernen möglich war und eine freundliche und angenehme Atmosphäre herrschte (Eichelberger, Filice 2003, S. 18).
Auf die beschriebene Art und Weise entwickelten sich die Gedanken Freinets Schritt für Schritt weiter zu einer fein ausdifferenzierten und durchdachten Konzeption für einen neuen Unterricht.
Es ist jedoch erwähnenswert, dass Freinet nicht in allen Punkten als Pionier anzusehen ist. Er setzte sich intensiv mit anderen reformpädagogischen Bereichen ausein-ander, besonders mit der Arbeitschulbewegung 1 , und bediente sich hier und dort an dem, was ihm für seine Zwecke von Nutzen erschien. Im Laufe der Jahre reiste er viel herum, sammelte Erfahrungen mit verschiedensten Unterrichtspraktiken und Methoden und ließ sich dabei für seine eigenen Ideen inspirieren. Pädagogen, die Freinet besonders beeinflussten waren unter Anderem Georg Kerschensteiner, Hugo Gandig, Pawel Petrowitsch Blonskij, John Dewey, Ovide Decroly und Maria Mon-tessori. Auch seine Frau, Elise Freinet, übte Einfluss auf die sich entwickelnde Pädagogik aus, besonders im Bezug auf Aspekte wie „freier Ausdruck“, Kunst und Ästhetik (Hering, Hövel 1996, S. 233). Stück für Stück ergab sich am Ende schließlich das daraus, was wir heute als Freinet-Pädagogik bezeichnen, mit all ihren grundlegenden Techniken und Methoden.
Im Folgenden sollen nun fundamentale Prinzipien und Techniken, welche Freinet im Laufe der Jahre erarbeitete oder in sein Konzept integrierte, genauer dargestellt werden.
1.1.3 Wesentliche Unterrichtsprinzipien und Techniken der Freinet-Pädagogik
Fragt man heute danach, worum es in der Freinet-Pädagogik geht, stößt man häufig auf Begriffe wie „Korrespondenz“, „Druckerei“ oder „Freie Arbeit“. Dies sind nur einige der Eigenschaften, welche die Pädagogik Freinets heute besonders kennzeichnen. Er stellt spezifische Arbeitsprinzipien und Techniken sehr deutlich und übersichtlich dar und ermöglicht es so, eine Vorstellung davon zu erhalten, wie die Freinet-Pädagogik in der Praxis funktionieren kann. Im folgendem soll nun ein Überblick über die wichtigsten Unterrichtsprinzipien, Freinet-Techniken und Mittel geschaffen werden, um abschließend ein möglichst genaues Bild von der tatsächlichen Form dieser Pädagogik in der Unterrichtswirklichkeit zu erhalten. Die Freinet-Schule soll stets einen Bezug zum Leben der Kinder herstellen. Das alltägliche Leben soll in der Schule weitergehen und mit in den Unterricht hineinflie-
1 DieArbeitschulbewegung nach Kerschensteiner
ßen. Dazu gehört auch, eigene Erfahrungen zu machen, aktiv zu handeln und Dinge dieser Welt zu erproben. Nach Freinet ist das Lebenspotential des Menschen die positive Kraft, die die eigene Entwicklung vorantreibt (Laun 1938, S. 38). Um diesem Prinzip gerecht zu werden, schlägt Freinet verschiedene Mittel und Techniken vor. Hierbei ist zu erwähnen, dass Célestin Freinet nicht Erfinder, sondern Sammler dieser Techniken war. Er hat Vorschläge der Reformpädagogen seiner Zeit übernommen und für seine pädagogischen Zwecke verwendet. Ein Bezug zum Leben kann unter anderem durch Berichte, Untersuchungen oder Arbeitsateliers hergestellt werden (Eichelberger, Filice 2003, S. 18f.) 2 .
Auch in der Freinet-Schule ist man auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Es ist nicht nur wichtig, dass die in der Schule gelernten Inhalte sinnvoll sind, sondern auch, dass das Lernen und Leben in der Schule dazu beiträgt einen Lebenssinn finden zu können. Ein Lernen, bei dem man Erfahrungen mit dem eigenen Lebenssinn macht, kann nur ein selbst bestimmtes Lernen sein, bei dem Freiheit und Selbsttätigkeit eine große Rolle spielen (Eichelberger, Filice 2003, S. 19f.). Ein sinnvolles Lernen kann nach Freinet nur ein Lernen in Freiheit sein. In diesem Zusammenhang spielen vor Allem die freie Wahl der Arbeitsschwerpunkte, der freie Ausdruck und der freie Text eine wichtige Rolle. Kinder haben die Freiheit ihren Gefühlen, Träumen, Wünschen und Meinungen Ausdruck zu verleihen. Auch freie Untersuchungen oder freies Experimentieren sind für das Prinzip der Freiheit von Nutzen (Eichelberger, Filice 2003, S. 20). Die Schüler sind jedoch dazu angehalten, selbst ausgewählte Tätigkeiten auch zu Ende zu bringen. Freiheit ist also nicht gleichzusetzen mit Zügellosigkeit (Baillet 1983, S. 15). Um einer Arbeiterschule gerecht zu werden darf es nicht an der nötigen Arbeit und Selbsttätigkeit fehlen. Das selbstständige Arbeiten findet vorwiegend in den Arbeitsateliers statt. Als Mittel und Techniken empfiehlt Freinet unter Anderem Feldarbeit, Kochen, Mechanik, Dokumentensammeln oder künstlerisches Schaffen, wie zum Beispiel graphische Gestaltung. Einen Großteil der selbsttätigen Arbeiten übernehmen die Schüler eigenverantwortlich. Das Übernehmen von Verantwortung ist in einer Freinet-Klasse nicht wegzudenken. Gerade das Mitspracherecht bei der Gestaltung des Schulalltags setzt verantwortliches Handeln und Denken voraus. Damit das Prinzip der Verantwortung funktioniert, ist es wichtig den Kindern Aufgaben in aller Deutlichkeit zu übergeben. Sie können „Ämter“ übernehmen, Arbeitspläne erstellen
2 Siehe 1.1.2, Seite 12
oder im Rahmen einer Klassenversammlung zusammen mit allen Anderen die Ver-antwortlichkeit über das Schulleben tragen (Eichelberger, Filice 2003, S. 19 f.). Dabei entstehen im Laufe der Zeit wahrscheinlich Regeln der Zusammenarbeit auf natürliche Weise. Es sollte darauf geachtet werden das keine Regeln zum Selbstzweck entstehen und nicht vom Lehrer auferlegt werden, ohne dass die Kinder deren Notwendigkeit akzeptiert haben (Paulhiès, Barré 1977, S. 66). Ein weiteres grundlegendes Prinzip der Freinet-Pädagogik ist die Kooperation der Kinder untereinander und miteinander. Dieses Prinzip steht dem oft beobachteten Konkurrenzverhalten der Kinder gegenüber und soll diesem durch seine sozialen Förderungseigenschaften entgegenwirken. Die Kinder erleben die Kooperation ganz besonders bei Tätigkeiten wie z.B. dem Schuldrucken, der Korrespondenz unterein-ander, dem Abhalten des Klassenrates, das Arbeiten in Gruppen oder dem Experimentieren (Eichelberger, Filice 2003, S. 20).
Mit diesen Prinzipien zielt Freinet vor Allem auf eine offene und befreiende Erziehung ab, die sich im Unterricht manifestieren soll. Kinder sitzen also nicht mehr passiv auf den Bänken und warten auf Instruktionen des Lehrers, sondern gehen selbständig in Gruppen zusammen (zu zweit oder mehr) und Arbeiten an Aufgaben, welche sie selbst gewählt haben. Diese Arbeiten können verschiedenartig sein, vom Textdrucken über Mathematiklehrgängen bis hin zu Experimenten oder technischem Handwerk. Durch die freie Arbeitswahl ist die herkömmliche Fächertrennung meist aufgehoben. Die Unterrichtsplanung geht von den Interessen und Bedürfnissen der Kinder aus, was jedoch nicht die Vorgaben des Lehrplans entkräften darf. Die Rolle des Lehrers ist vorwiegend helfend, koordinierend und beratend. Sicherlich kommt man aber auch in der Freinet-Pädagogik nicht immer um das Korrigieren herum. Die Kinder sollen das Gefühl haben, dass der Lehrer stets für sie präsent ist und für jede einzelne Tätigkeit reges Interesse zeigt. Diese Form von Wertschätzung und Anteilnahme des Lehrers ist grundlegend für das Gelingen des Prinzips der selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Arbeit, welche ein zentrales Element der Freinet Pädagogik bildet. Die Arbeitsmittel, die im Unterricht verwendet werden, gehen über Schulbücher hinaus. Schüler arbeiten mit der Druckerpresse, dem Schreibcomputer, der Bibliothek, verschiedenartigen Werkzeugen etc. Sie lernen mit Kopf, Herz und Hand. Der Wahl der Arbeitsmittel ist kaum eine Grenze gesetzt, solange es für die Kinder sinnvoll ist. Zur Strukturierung des Unterrichts dienen Rituale wie die Wochenplanung, Tagesplanung, der Morgenkreis und der Klassenrat. Neben allgemein-
gültigen Prinzipien bietet Freinet eine Fülle von solchen Mitteln, Techniken und Unterrichtselementen, die er in genauer Form darstellt, womit er seine Pädagogik einfach zugänglich, verständlich und durchführbar macht (Eichelberger, Filice 2003, S. 21f.).
Der Klassenrat ist ein wichtiges demokratisches Element in der Freinet-Klasse. Hier lernen die Kinder durch Kommunikation und Kooperation, besonders in Bezug auf ihre sozialen Kompetenzen. Der Klassenrat hat die Aufgabe, die Verantwortung der einzelnen Kinder für die unterschiedlichen Bereiche der Gemeinschaft festzulegen. Aufgaben werden definiert und verteilt und auf deren Durchführung geachtet. Berichte über gelungene oder vernachlässigte Dienste werden zur Sprache gebracht. Aber auch für Probleme anderer Art findet man hier Rat. Für das gemeinschaftliche Zusammenleben werden im Klassenrat Regeln festgelegt und für Konflikte werden gemeinschaftlich Lösungen gesucht. Von den Schülern geleitet, findet er in der Regel ein Mal in der Woche statt. Man hat jedoch die Möglichkeit in besonderen Fällen weitere Sitzungen einzuberufen (Rohrwasser, Vesper 1976, S. 149). Weitere wichtige Funktionen des Klassenrates sind das Beschließen der Unterrichtsplanung, das Erstellen des Wochenplans, die Diskussion der „Klassenratspräsidenten“ und die Festlegung derer Amtszeit (z.B. einen Monat). Der Klassenrat hat einen großen erzieherischen Einfluss auf die Kinder. Sie erfahren, dass Zuhören ein wichtiger Teil des Dialogs ist, dass es nötig ist sich auf das Thema zu beziehen, dass man der Reihe nach zum Wort kommt, dass Fehler einen qualitativen Wert haben, dass die eigene Meinung behutsam vertreten werden kann und dass man auf Minderheiten Rücksicht nehmen soll. Der Lehrer ist im Klassenrat ebenfalls ein Teilnehmer, hilft bei der Organisation und Moderation, hat aber genau wie die Kinder auch nur eine Stimme bei den Abstimmungen. Beschlüsse des Klassenrates sind auch für ihn verbindlich (Eichelberger, Filice 2003, S. 25f.).
Im Gegensatz zum Klassenrat wird der Morgenkreis täglich durchgeführt. Er ist ebenfalls ein fester Bestandteil in den meisten Freinet-Klassen. Hier führen die Schüler freie Gespräche unter der Anleitung eines Kindes, welches vorher bestimmt wird. Hier hat auch der Lehrer die Möglichkeit mehr über das Leben und die Interessen der Kinder zu erfahren, was er sich später wiederum für den Unterricht zu Nutze machen kann. Die freien Gespräche im Morgenkreis sind eine notwendige Grundlage für das Zusammenleben und letztendlich auch für das Erlernen von Regeln. Es können Gefühle, Emotionen und private Angelegenheiten mitgeteilt werden, wofür eine vertrau-
te Atmosphäre zwingend notwendig ist, in welcher sich die Kinder geborgen fühlen. Der Morgenkreis bietet den Kindern die Möglichkeit der emotionalen und intellektuellen Teilnahme am Leben der Mitschüler. Die Schüler bekommen das Gefühl nicht alleine mit ihren Problemen dazustehen. Diese sozial-erzieherischen Effekte können sowohl das schulische als auch das private Gemeinschaftsleben stark beeinflussen (Eichelberger, Filice 2003, S. 26f.).
Viele Aktivitäten in der Freinet-Pädagogik wie z.B. das Schreiben, Malen, Tanzen oder Singen stehen unter dem Prinzip des freien Ausdrucks. Dies schafft Freiheit für individuelle Lerninteressen. Sämtliche Aktivitäten, wie z.B. das Tanzen sind nicht Fächergebunden, sondern können jederzeit in den Unterricht einbezogen werden. Der freie Ausdruck verhilft den Kindern zu wichtigen Selbsterfahrungen. Im gleichen Zusammenhang steht der freie Text. Er beginnt bereits mit dem Malen und Zeichnen, welches die erste schriftliche Ausdrucksform der Kinder ist, in denen sie sich ihrer Umwelt mitteilen. Sie stellen wahrgenommenes dar, drücken Empfindungen in Schrift oder Schriftähnlichem aus und können somit ihren Mitteilungsdrang ausleben. Das Verlangen nach einer kommunikativen Ausdrucksform findet also ein Ventil im freien Text. Diesem kann man eine therapeutische und politische Funktion zuordnen. Hinsichtlich der therapeutischen Funktion lässt sich sagen, dass der freie Text den Kindern durch das Ausdrücken von Erfahrungen oder Problemen helfen kann, Schwierigkeiten zu überwinden und/oder davon Abstand zu nehmen. Wenn Kinder frei von Sorgen sind, können sie sich besser auf ihr eigentliches Leben und die Schule konzentrieren. Der politische Sinn ist, dass die Schüler das Wort haben und frei bestimmen können was sie ausdrücken möchten. (Rohrwasser, Vesper 1976, S. 15). Die freien Texte benötigen keinerlei Korrektur, da die Texte nur ohne jegliche Einengung als frei empfunden werden. Die Aufgabe des Lehrers besteht darin, den Lernprozess zu unterstützen und gegebenenfalls Impulse für Gestaltungsmöglichkeiten und Hilfestellungen zu geben, um so die Vielfalt des schriftlichen Ausdrucks zu fördern. Eine gute Anwendungsmöglichkeit findet man in der Korrespondenz mit Partnerklassen per Brief oder E-Mail, im Gestalten einer Klassenzeitung oder einer Homepage (Eichelberger, Filice 2003, S. 30ff.). Oft wird mit der Freinet-Pädagogik das Schuldrucken in einem Atemzug erwähnt. Sie hat einen besonders hohen Stellenwert in der „modernen Schule“ 3 , was Freinet 1935 dazu veranlasste ein ganzes Buch zu diesem Thema zu veröffentlichen. Er be-
3 DieFreinet Bewegung wurde oftmals als die Bewegung der modernen Schule bezeichnet.
tont, dass durch die Einführung der Klassendruckerei in der Schulklasse ein neues Klima einkehre, welches das Schulleben intensiver mache (Freinet 1995, S.16). Die Druckerei dient der Vervielfältigung von freien Texten, aber auch als Kommunikationsmittel und Hilfe zur Orthographie. Die verfassten Texte werden nach vereinbarter Korrektur gedruckt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Von eigenen Texten bis hin zu politischen Flugblättern zur freien Meinungsäußerung kann alles gedruckt werden. Die Kinder lernen so, dass ihr Leben durch eigene Initiative gestaltbar ist und sie hierfür selbst die Verantwortung tragen. So präsentiert die Druckerei die Dimension des politischen Handelns und der Eigenverantwortung, wodurch sie unter Anderem zum Symbol der Freinet Bewegung geworden ist. Sie hat jedoch auch einen großen didaktisch-methodischen Wert beim Erlernen der Schriftsprache und des Lesens. Sie ermöglicht es Buchstaben zu greifen und zu begreifen, sie zu ordnen und zusammenzustellen. So befassen sich die Schüler intensiv mit dem ABC in einem aufwendigen Arbeitsverfahren, in dem die Eigenerfahrung des Kindes eine große Rolle spielt. Das Gefühl, etwas aus eigener Kraft geleistet zu haben, stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder. Aber durch das gemeinsame Arbeiten werden auch soziale Kompetenzen geschult. Sie lernen sich untereinander zu arrangieren und erfahren Rücksichtnahme sowie Toleranz. Oftmals wird aus verschiedenen Artikeln zuletzt eine Klassenzeitung erstellt und veröffentlicht. Die Schuldruckerei und das freie Schreiben sind eine gute didaktische Gelegenheit, um den „Kindern das Wort zu geben“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 33f.).
Die Klassenzeitung bringt viele Vorteile mit sich. Sie steigert den Wert der selbst verfassten Texte, bietet Sozialisierungsmöglichkeiten und ist ein Mittel des Austausches. Darüber hinaus dient sie der Entmystifizierung von Printmedien und ist letztendlich eine respektable Geldquelle. Die Klassenzeitung spiegelt das Geschehen in der Klasse und in der Umwelt der Kinder wieder. Die Kinder sollen die Verantwortung über veröffentlichte Texte übernehmen. Aber auch ganz wie bei einer „echten“ Zeitung sollte die Qualität des Produktes einwandfrei und die Inhalte für die Leser von Interesse sein (Barré, Beaugrand, 1977, S. 59ff.).
Es sollte ein Anliegen von jeder Freinet-Klasse sein, eine Korrespondenzklasse zu finden, mit der sie Erfahrungen aus ihrer Unterrichts- und Lebenswelt austauschen können. Ideen für gemeinsame Projekte, wie zum Beispiel einer gemeinsamen Zeitung, sind keine Grenzen gesetzt. Ein internationaler und interkultureller Austausch ist von besonders hohem Wert. Kinder können voneinander lernen und sich weiträu-
mig orientieren, was eine weltoffene Sichtweise fördert (Eichelberger, Filice 2003, S. 33f.). Jeder Schüler hat einen eigenen Korrespondenten in der jeweiligen Klasse. Es besteht also die Möglichkeit individuelle oder kollektive Briefe mit der Korrespondenzklasse auszutauschen. Dies hat den Vorteil, dass auch ungenutzte Texte noch eine sinnvolle Verwendung finden (Henning 1976, S. 16). Wenn Kinder die Möglichkeit haben Lerninteressen persönlich zu gestalten, ist es ratsam eine Dokumentation über durchgeführte Schülerarbeiten zu führen, was in der Freinet-Pädagogik häufig in Form von Klassentagebüchern geschieht. Diese verschaffen einen Überblick über vergangene Lerninhalte und fördern die Selbstorganisation und das kontinuierliche Lerngeschehen in der Klasse (Eichelberger, Filice 2003, S. 33f.).
Für Freinet ist nicht das Wissen an sich wichtig, sondern vielmehr der Weg der zum Wissen führt. Er spricht oftmals vom forschenden und entdeckenden Lernen, welches direkt aus dem Prinzip der eigenständigen Unterrichtsplanung und des freien Ausdrucks entsprießt. Um ein solches Lernen zu ermöglichen, ist es notwendig den Unterricht in die Natur oder außerschulische Einrichtungen zu verlegen. Hier können Erkundungen durchgeführt und später deren Ergebnisse dokumentiert und verwendet werden, zum Beispiel in der Klassenzeitung. Des Weiteren bedarf es für das entdeckende Lernen einer Anpassung in der Klasse. Freinet hat aus diesem Grund die Klasse in Ateliers, in Arbeitsräume, eingeteilt (Eichelberger, Filice 2003, S. 35). Die praktische Arbeit in den erwähnten Ateliers hat in der Freinet-Pädagogik einen hohen Stellenwert. Sie dienen den verschiedensten individuelle Tätigkeiten, Rollenspiele, aber auch dem Experimentieren und dem Umgang mit technischen Medien. Ein festes Atelier in der Freinet-Klasse ist häufig ein Lesebereich, bestehend aus einer Dokumentensammlung und einer Bibliothek (Jörg 1995, S. 25f.). Nachdem ein grober Einblick in die Entstehungsgeschichte und methodischdidaktische Konzeption der Freinet-Pädagogik gegeben wurde, gilt es nun den zweiten Teilbereich des Themas in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen. Im Folgenden sollen grundlegende Ideen, Inhalte und Ziele der Mediendidaktik in allgemeiner Form dargestellt werden.
1.2 „Moderne Mediendidaktik“ und „Moderne Medienerziehung“ als medienpädagogische Disziplinen
1.2.1 Begriffsbestimmung
„Mediendidaktik“ ist ein in der Literatur häufig verwendeter Begriff. Das Anliegen der Mediendidaktik ist die geplante, gezielte und reflektierte Verwendung von nichtpersonalen Medien (z.B. die Tafel, Lehrbücher oder Computer) zu pädagogischen Zielen und Zwecken (Hoffmann 2003, S. 346). Das Feld der nicht-personalen Medien ist groß und soll im Rahmen dieser Arbeit eingegrenzt werden. Im weiteren Verlauf der Betrachtungen sollen lediglich die Neuen Medien im engeren Blickfeld stehen. Aber auch diese gilt es genau einzukreisen. Den Begriff “Neue Medien“ verwendet man bereits seit dem Beginn der 70er Jahre für Kommunikationsmittel und Verfahren der Informationsübertragung und -speicherung, die durch die Entwicklung neuer Technologien entstanden sind. Von daher werden auch in die Jahre gekommenen Medien, welche schon längst in den Unterrichtsalltag integriert sind, in der Literatur zu den „neuen“ Medien gezählt, wie z.B. der Fernseher und der Videorekorder. Es ist fragwürdig, ob die Bezeichnung „neu“ hier noch gerechtfertigt ist. Gerade der Videorekorder ist inzwischen fast ganz vom Markt verdrängt und im Begriff von moderner DVD-Technologie ersetzt zu werden. Medien des „mittleren Alters“ sollen hier nicht weiter thematisiert werden, da es hierzu bereits einen reichhaltigen literarischen Fundus gibt. Als Neue Medien 4 sollen im Verlauf dieser Arbeit nur jene bezeichnet werden, die tatsächlich eine gewisse Aktualität in ihrem Lebensalter, technischen Standards und/oder gesellschaftlicher Verwendung aufweisen. Mit den Begriffen Computer, Internet, Webserver, CD/DVD, MP3-Player, Lern- und Kreativsoftware, Digitalkamera/Digitale Camcorder, Beamer und interaktive Präsentationssoftware (z.B. PowerPoint) sind die wichtigsten davon genannt. Auch sämtliche multimediale Angebote sollen dazu gezählt werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, soll die Bezeichnung des zugehörigen wissenschaftlichen Bereiches dieser Definition von Neuen Medien angepasst werden. Es bietet sich in diesem Sinn an „Mediendidaktik“ fortan als „Moderne Mediendidaktik“ zu bezeichnen, da sie sich ausschließlich auf Medien mit einer gewissen Modernität fokussiert. Im Gegensatz zur Freinet-Pädagogik hat die „Moderne Mediendidaktik“ als eine pädagogische Form keinen revolutionären Kerngedanken oder einschlägige Reform-
4 Sieheauch S. 43 „Alte Medien versus Neue Medien“
absichten des Bildungswesens. Natürlich geht es auch hier um Veränderung und Neuerung, doch wird dies vielmehr in einem ergänzendem Rahmen gesehen. „Moderne Mediendidaktik“ ist als eine Teildisziplin der Medienpädagogik anzusehen, die sich wiederum der allgemeinen pädagogischen Wissenschaft unterordnet. Sie ist ein Teil eines Ganzen, da sie von allgemeindidaktischen Theorien, gesellschaftlichen/bildungspolitischen Vorgaben und Erkenntnissen aus anderen Wissenschaften bzw. Nachbardisziplinen (z.B. Medienkunde, Medienforschung) beeinflusst wird. Die Funktionen und Wirkungen von Neuen Medien in Lehr- und Lernprozessen sind der zentrale Ausgangspunkt dieses wissenschaftlichen Bereiches. Ihre Intention als Frage formuliert könnte lauten: „Wie kann sich Pädagogik Neue Medien zunutze machen?“ und nicht etwa „Wie können Neue Medien die Allgemeinpädagogik grundlegend verändern?“ (Kron, Sofos 2003 S. 47f.).
Während es die Aufgabe der „Modernen Mediendidaktik“ ist, Neue Medien für eigene pädagogische Ziele zu benutzen, sind in der „Medienerziehung“ Neue Medien an sich das angestrebte Ziel. Der Blick ist darauf gerichtet Heranwachsende zu einem bewussten, kritischen und reflektierten Umgang mit Neuen Medien zu erziehen. Medienerziehung ist daher auch ein sehr praxisbezogenes Gebiet. Deshalb ist es sinnvoll, die beschriebene Definition der Medienerziehung der Begrifflichkeit der Neuen Medien anzupassen, indem man sie als „Moderne Medienerziehung“ bezeichnet. In dieser medienpädagogischen Disziplin kommen sowohl Erkenntnisse aus Forschung und Theorie, als auch gesellschaftliche, politische und Organisatorische Faktoren zum tragen. Diese werden dann im Blickwinkel von Handlungsnormen, beispielsweise in der Form von Zielen, Methoden, Medienauswahl oder Medienkontrolle gesehen. Im Vergleich beider Bereiche kann man feststellen, dass „Moderne Mediendidaktik“ versucht Lernziele durch Neue Medien zu erreichen, während „Moderne Medienerziehung“ nach Lernzielen für Neue Medien sucht (Kron, Sofos 2003 S. 47f., Tulodziecki 1997a, S.30). Oft wird das tatsächliche praktische Handeln mit Medien im Unterricht weiteren Begriffen, der „medienpädagogischen Arbeit“ oder der „Medienpraxis“ zugeordnet. Somit wären beide Bereiche als reine Theoriedisziplinen deklariert. Da in der Fragestellung dieser Arbeit Theorie und Praxis eng mit-einander verbunden sind, soll praxisbezogenes Medienhandeln im weitern Verlauf als ein Bestandteil der „Modernen Mediendidaktik/Medienerziehung“ gesehen und nicht weiter unterschieden werden (Sacher 2000, S. 14, Tulodziecki 1997b, S. 45).
Schlagworte:
lit_2006-buch, Examensarbeit_allgemeine_Pädagogik
kein Summary verfügbar
Notiz:
mail@liquidvybe.com
|
ID: 2930 | hinzugefügt von user unknown an 18:00 - 25.10.2006 |
title: Selbst- und Mitbestimmung in der Schule. Das Beispiel Klassenrat by Kiper, Hanna |
|
Titel: | Selbst- und Mitbestimmung in der Schule. Das Beispiel Klassenrat |
Autor: | Kiper, Hanna | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Hohengehren, Schneider-Verlag | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.1997 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
-
summary:
-
Notiz:
-
|
ID: 144 | hinzugefügt von user unknown an 18:16 - 20.3.2005 |
title: Selbst- und Mitbestimmung by Kiper, Hanna |
|
Titel: | Selbst- und Mitbestimmung |
Autor: | Kiper, Hanna | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Hohengehren | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.1997 | | |
url: | |
Text:
Selbst- und Mitbestimmung in der Schule. Das Beispiel Klassenrat
Schlagworte:
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2336 | hinzugefügt von Jürgen an 07:09 - 8.9.2005 |
title: Wald - Pädagogik - Waldpädagogik - Natur - pur by Knabi, Babel |
|
Titel: | Wald - Pädagogik - Waldpädagogik - Natur - pur |
Autor: | Knabi, Babel | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Wien, Elise 5, S. 10 - 11 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.3.2013 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
lit_2013-art, Elise-h05, Waldpädagoge, Waldpädagogin, Forst, Forstwirtschaft, Klassenrat, Lebensraum Wald,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 4468 | hinzugefügt von Jürgen an 15:29 - 26.3.2013 |
title: Der Klassenrat, Demokratie mit Jugendlichen im Schulalltag vorbereiten by Kovermann, Brigitta |
|
Titel: | Der Klassenrat, Demokratie mit Jugendlichen im Schulalltag vorbereiten |
Autor: | Kovermann, Brigitta | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Hohengehren / in: Reformpädagogische Schulkonzepte, Band 5, | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | 2002 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
-
summary:
-
Notiz:
[Inge Hansen-Schaberg und Bruno Schonig (Hrsg.)]
|
ID: 79 | hinzugefügt von Jürgen an 15:15 - 18.12.2004 |
title: Der Klassenrat, ein demokratisches Unterrichtskonzept by Kovermann, Brigitta |
|
Titel: | Der Klassenrat, ein demokratisches Unterrichtskonzept |
Autor: | Kovermann, Brigitta | Sprache: | deutsch |
Quelle: | in: Lernchancen, Heft 27/ 5.Jg, Friedrich Verlag | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | 2002 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 80 | hinzugefügt von Jürgen an 15:16 - 18.12.2004 |
title: Demokratie kann mit Freinet-Pädagogik gelernt und gelebt werden by Kovermann, Brigitte |
|
Titel: | Demokratie kann mit Freinet-Pädagogik gelernt und gelebt werden |
Autor: | Kovermann, Brigitte | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Bremen, Fragen und Versuche 136, S. 44 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.6.2011 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
fuv-136, lit_2011-art, Klassenrat, Gewalt, Werkzeuge, Klassenorganisation, Urteilsfähigkeit, Handlungskompetenz, Politik, Moral,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3637 | hinzugefügt von Jürgen an 18:59 - 27.7.2011 |
title: Freinet-Pädagogik in der Polytechnischen Schule by Kraiger, Daniela |
|
Titel: | Freinet-Pädagogik in der Polytechnischen Schule |
Autor: | Kraiger, Daniela | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 3 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1998 | | |
url: | |
Text:
Freinet-Pädagogik in der Polytechnischen Schule
Schon im ersten Satz der "Allgemeinen didaktischen Grundsätze" aus dem Lehrplan der Polytechnischen Schulen (PS) lautet: "Der Unterricht geht von den Erfahrungen, dem Bildungsstand und der persönlichen Lebenssituation der Schüler aus." ... und weiter: "Bei der Verwirklichung des Lehrplans und zum Erwerb der individuell am besten zu nützenden Lerntechniken sind abwechslungsreiche Arbeits-, Interaktions- und Unterrichtsformen anzuwenden, wie auch verschiedene Unterrichtsmittel und in besonderer Weise neue technische Medien zweckmäßig einzusetzen."...und noch viele andere schöne Worte mehr. Erinnert das nicht irgendwie an etwas? Etwas Besonderes? An Adler vielleicht? Ans Treppensteigen? An Individualität? Reformen? Alternativen? TATSACHEN?
Ist es nicht herrlich in einem ganz "normalen" Lehrplan Dinge zu lesen, die in reformpädagogischen Klassen Schwerpunkt sind? Nämlich die individuelle Eigenart des Kindes (in der PS der Jugendlichen) und eine sich ständig wandelnde Gesellschaft, der wir gerecht werden müssen, wollen wir leben können wie wir wollen. Kein Lehrplan dieser Welt wird diesen beiden Faktoren jemals wirklich so nahe kommen wie die Realität an sich. Das, was wir können, ist, die natürlichen Entwicklungsphasen des Kindes (Jugendlichen) so zu unterstützen, dass es sich selbst vertraut, sich in Beziehungen zu anderen einlässt, Initiativen und Eigenverantwortung trägt und Achtung erfährt.
Der Alltag der Schule hat uns oft viel zu schnell eingeholt, um diese Pädagogik wirklich durchzuführen. Dennoch wage ich zu behaupten, dass ich es ab und zu -zumindest- versuche. Es ist ja auch zugleich für mich ein Entwicklungsprozess, den ich erlerne. Ich stehe ungefähr auf der Stufe, die ersten Schritte zu machen. Natürlich hilft mir hierbei die Gesellschaft der Mitglieder unseres Vereins und meine Ausbildung über den Verein Maria Montessori. Genau dieser Zuspruch ist es, der mich auch oft dann weitermachen bzw. neu starten lässt, wenn ich glaube, dass ich von der Treppe nicht nur gepurzelt bin, sondern es gibt sie gar nicht - diese Treppe, auf der ich steigen, fliegen, hüpfen,...könnte.
Die Schwierigkeit des Anfangens ist der Beginn. Wie, wo, wann ...? Kein Klassenraum, keine ständige Stunden, keine Materialien,... Die SchülerInnen sind auch eher skeptisch denn angetan. Na gut, was also weiter? Überhaupt weiter? Natürlich...
Ich habe das Glück eine Gruppe montags in der ersten Stunde und freitags in der letzten zu unterrichten (äh zu begleiten). Also gibt es den Morgen- und den Abschlusskreis. Sie nehmen es verschieden auf. Sie kennen diese Art nicht, sie bezweifeln die Sinnhaftigkeit, den Effekt. Aber nach und nach wird es ihnen zur lieben Einrichtung. Schön war der Satz einer Schülerin, als ich einmal vertreten werden mußte, als ich zurückkam: "Wir machten nicht einmal einen Morgenkreis." Somit hatte ich meine Antwort auf viele zweifelnde "Warum"s? des Morgen- und Abschlusskreises. (Nicht unbedingt zu verwechseln mit dem Klassenrat, denn bei uns werden ausschließlich Themen zu unserer Gruppe, unserem Umkreis und unserem Zusammensein innerhalb der Gruppe, die nicht gleich der Klasse ist, besprochen.)
Wunderbar stellte ich mir natürlich den Aspekt der freien Wahlmöglichkeit vor - aus eigenem Antrieb aktiv werden und so. Der Wochenplan zog in unsere Unterrichtseinheiten ein (dann lange wieder aus, jetzt wieder ein.). Eine Gruppe war glücklich so arbeiten zu können. Sie hatten Spaß und Freude (und Spaß mit Freunden), sie schafften es auch tadellos. Doch sie wollten eine Belohnung. - ? - Ja, eine Belohnung - und hier steht das pädagogische Konzept "weg mit der Ziffernnote" kurzzeitig still - in Form einer Note. (Strahlende Gesichter überall, denn sie waren wirklich gut!) Die anderen Gruppen waren weniger erfreut und sahen sich einfach überfordert. All meine Erklärungen, Hilfestellungen,... nutzten nichts. Nein, sie wollen so nicht arbeiten. Adieu, Wochenplan! (Nach den Ferien starte ich einen neuen Versuch, diesmal mit einem neuen Trick!?)
Das, was sie gerne erleben, sind Ausdrucksformen mit Hilfe ihrer Sprache, Gestik und Mimik. Sie werden richtig lebendig, wenn es ums Gedichteschreiben, Texte verfassen, Rollenspielerarbeitungen,... geht. Denn all ihre Fragen zur Gesellschaft, zum Miteinander, manchmal auch Gegeneinander brennen ihnen unter ihren Nägeln, und hier dürfen sie aus sich rausgehen - ohne Rotstiftmorde fürchten zu müssen. Und aus ihrer Erfahrungswelt heraus finden sie auch oft durch diese Aufarbeitung die Antworten selbst.
Ich bin gerne an der Polytechnischen Schule, ich bin froh mit meinen SchülerInnen arbeiten zu können, bin glücklich mit meinem Kollegium und freue mich tagtäglich auf die Schule (im Gegensatz übrigens zu meiner Schulzeit als Schülerin). Auch wenn nicht immer alles gut geht, auch wenn ich manchmal alles hinwerfen möchte, auch wenn mich meine SchülerInnen manchmal launisch erleben, auch wenn ich manchmal unerträglich bin, so möchte ich doch nur einfach ich bleiben können, und vielleicht der/m einen oder anderen Schüler/in zu gerade diesem - ihrem - Ich eine Begleitung für kurze Zeit sein.
Schlagworte:
fr_koop_3
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3084 | hinzugefügt von Jürgen an 02:09 - 22.11.2007 |
title: Klassenrat online by Lechner, Ilka |
|
Text:
-
Schlagworte:
Elise-h20, lit_2021-art,
summary:
-
Notiz:
mit Wortprotokoll
|
ID: 5383 | hinzugefügt von Jürgen an 17:50 - 9.4.2021 |
title: Die Freinet-Pädagogik – Ein guter Weg ins Leben? by Lenkeit, Jörg |
|
Text:
Inhaltsverzeichnis Erster Teil
1 Einleitung
2 Biographische Skizze: Célestin Freinet
3 Die (reform)pädagogischen Ansätze der Freinet-Pädagogik
3.1 Erzieherische Zielsetzungen Freinets
3.2 Schulrelevante Prinzipien Freinets
3.2.1 Beschreibung einer kindgemäßen Schule
3.2.2 Bezug zum Leben
3.2.3 Die Verbindung von Hand- und Kopfarbeit – Selbsttätigkeit
3.2.4 Lernen ohne Zwang
3.2.5 Disziplin und Autorität
3.2.6 Kontrolle und Bewertung von Leistungen
4 Techniken Methoden und Materialien in der Freinet-Pädagogik
4.1 Freie Texte
4.2 Druckerei, Korrespondenz und Klassenzeitung
4.3 Freier Ausdruck
4.4 Praktische Arbeiten und Experimente
4.5 Exkursionen und außerschulische Untersuchungen
4.6 Arbeitspläne
4.7 Wandzeitung und Klassenrat
4.8 Morgenkreis
5 Die Rolle des Lehrers
6 Abschließende Bemerkungen
2
Zweiter Teil
7 Gespräch mit dem Lehrer
8 Befragung der Schüler
8.1 Bedingungsanalyse
8.2 Konzept der Fragebogenstudie
8.3 Die Fragebögen
8.3.1 Einschätzung des Klassenklimas / der Schulzufriedenheit
8.3.2 Einschätzung der erworbenen Kompetenzen
8.3.3 Selbstbeurteilungen der Schüler
9 Auswertung der Fragebögen
9.1 Klassenklima
9.2 Erworbene Kompetenzen
9.3 Selbstbeurteilung der Jugendlichen
10 Abschlussbemerkungen
Literaturverzeichnis Anhang
Schlagworte:
hausarbeit, lit_2003-buch,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Der Teil 2 ist über die URL zu erreichen
|
ID: 3782 | hinzugefügt von Jürgen an 20:30 - 28.1.2012 |
title: Zusammenhang zwischen Konstruktivistischem Lernen, Freiarbeit und Wochenplanarbeit by M. Gina |
|
Titel: | Zusammenhang zwischen Konstruktivistischem Lernen, Freiarbeit und Wochenplanarbeit |
Autor: | M. Gina | Sprache: | deutsch |
Quelle: | München, Grin | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2015 | | |
url: | https://www.grin.com/document/355199 |
Text:
Inhaltsverzeichnis
1. Die drei Teilbereiche
1.1 Konstruktivistisches Lernen
1.2. Der „Klassenrat“
1.3.1 Begriffsklärung und Abgrenzung
1.3.2 Ziele der Wochenplanarbeit:
1.3.3 Geschichtliche Entwicklung
1.3.4. Praktische Umsetzung
1.3.5 Wertung
2. Zusammenhänge der drei Themen
2.1 Konstruktivistisches Lernen und Klassenrat
2.2 Konstruktivistisches Lernen und Wochenplanarbeit
2.3 „Klassenrat“ und Wochenplanarbeit
3. Anhang
3.1 Literaturangabe
3.2 Materialien
Schlagworte:
lit-2015_art, Hausarbeit
kein Summary verfügbar
Notiz:
Universität Regensburg
|
ID: 5341 | hinzugefügt von Jürgen an 18:33 - 18.4.2020 |
title: Freinetpädagogik unter medienpädagogischen Gesichtspunkten, eine Alternative zu den allgemeinen Medien? by Mattick, Dieter |
|
Titel: | Freinetpädagogik unter medienpädagogischen Gesichtspunkten, eine Alternative zu den allgemeinen Medien? |
Autor: | Mattick, Dieter | Sprache: | deutsch |
Quelle: | München, Grin-Verlag | Quellentyp: | Internetveröffentlichung |
veröffentlicht am: | DD.MM.1996 | | |
url: | http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/95807.html |
Text:
Freinetpädagogik unter medienpädagogischen Gesichtspunkten, eine Alternative zu den allgemeinen Medien?
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG 3
2 PERSON UND GESCHICHTE SEINER BEWEGUNG 4
3 EINFLüSSE DER REFORMPäDAGOGISCHEN BEWEGUNG 5
3.1 Grundsätzliche Forderungen und Kritikpunkte der reformpädagogischen Bewegung 5
3.2 Ziele der Reformpädagogik sind: 6
3.3 Die Arbeitsschulbewegung 7
3.3.1 Georg Kerschensteiner 7
3.3.2 Hugo Gandig 7
3.3.3 Pawel Petrowitsch Blonskij 8
3.4 Weitere reformpädagogische Einflüsse 8
3.4.1 John Dewey 8
3.4.2 Adolphe Ferrière 8
3.4.3 Ovide Decroly 9
3.4.4 Maria Montessori 9
4 GRUNDPRINZIPIEN DER FREINETPäDAGOGIK 10
4.1 Der Arbeitsbegriff 10
4.2 Psychologische Grundlagen 11
4.3 Erziehung und Natur 12
4.4 Pädagogische Grundlagen 13
5 UNTERRICHTSTECHNIKEN 14
5.1 Freie Ausdrucksformen: Korrespondenz - Klassenzeitung - Druckerei 14
5.2 Arbeitspläne 15
5.3 Arbeitsateliers 16
5.4 Wandzeitung und Klassenrat 16
5.5 Arbeitsmittel 17
5.5.1 Arbeitsblätter 17
5.5.2 Sachblätter 17
5.5.3 Dokumentensammlung 17
5.5.4 Arbeitsbücherei 18
6 SCHLUßBEMERKUNG UND KRITIK 18
7 LITERATURVERZEICHNIS 19
Ich möchte meine Hausarbeit der Arbeit von Freinet widmen, denn durch seine Pädagogik ist er für einen Großteil der lernschwachen Schüler, aber auch für den "nur" leserechtschreibschwachen Schüler, ein Einstieg in die schriftlichen Medien. Hemmungen, die ein Schüler bei geschriebenen Texten hat, werden in der Gruppe durch das Drucken von Texten verhindert und abgebaut.
Freinet hat den Anspruch, durch seine Art der Erziehung, nicht nur die geschriebenen Medien zugänglich zu machen, sondern seine Schüler sollen die Umwelt als Medium erleben und aus ihr Schlüsse ziehen.
Denn nach der Definition aus Meyers Lexikon ist ein Medium:
Daraus folgt, daß auch die umgebende Umwelt als Medienquelle bezeichnet werden kann, denn auch sie ist nach der Auffassung Freinets ein vermittelndes Element. Freinet ist somit für die Sonderpädagogik von großer Wichtigkeit geworden, denn durch seine Techniken und Arbeitsweisen erhalten die Schüler ein gesundes Selbstvertrauen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, daß die Schüler nicht nur aus vorgegebenen Anlässen heraus lernen, sondern ihre Umwelt bewußt wahrnehmen. Die Umwelt wird nicht analytisch von außen betrachtet, sondern sie wird synthetisch gesehen und erlebt. Dieses ist für mich ein wesentlicher Gesichtspunkt, denn Dinge, die nur stupide gelernt werden, werden schnell wieder vergessen, denn der Gesamtzusammenhang wird häufig nicht erkannt. Wird dieser aber erkannt, so kann der Schüler diese Erfahrungen auch in seinen Alltag übertragen, so daß
es für ihn ein elementares Wissen, ist das er bewußt oder auch unbewußt immer wieder anwendet.
3 Person und Geschichte seiner Bewegung
Célestin Freinet wurde 1896 als Bauernsohn in einem Dorf in der Provence geboren. Seine Kindheit wurde einerseits durch dieses naturnahe, handwerklich-bäuerliche Milieu geprägt; anderseits von seinen Schulerfahrungen, welche er als Zwang und Drill erlebte. 1913 begann er seine Lehrerausbildung am Lehrerbildungsseminar, wurde aber 2 Jahre später in den Krieg eingezogen, von dem er mit einer Lungenverletzung zurückkam.
1920 (nach fertiger Lehrerausbildung) begann er als Lehrer an einer zweiklassigen Dorfschule in Bar-sur-Loup. Aufgrund der Lungenverletzung, des Desinteresses auf Seiten der Schüler, bedingt durch die sinnentleerten Übungen der Schulbücher, und seiner eigenen Schulerfahrung, suchte er nach neuen Unterrichtsmethoden. Häufig verläßt er mit seinen Schülern die Klasse, sucht mit ihnen Handwerker und Bauern auf und läßt die vom anschaulichen Unterricht begeisterten Schüler ihre Erfahrungen in freien Texten niederschreiben.
In dieser Zeit beschäftigte sich Freinet mit den Schriften der Reformpädagogen. Zu nennen wären hier u.a.: Kerschensteiner, Dewey, Montessori, Engels, Marx, Lenin, u.a.. Nun versuchte er diese neugefundenen Ansätze in Paris umzusetzen. Ein entscheidener Anstoß kam durch die Entdeckung der Buchdruckerei für schulische Zwecke. John Dewey´s ,,learning by doing" konnte von jetzt an auch auf die Arbeit mit Texten angewandt werden. Schon 1924 organisierte Freinet die erste schulische Korrespondenz und gründete eine Lehrerkooperative die ,,Coopèrative de l´Enseignement laic" (CEL), die sich bald zur Bewegung der ,,Ecole Moderne" formierte.
1926 heiratete er seine Frau Elise, die besonderes den ,,freien Ausdruck" weiterentwickelte. Als er 1928 an eine Schule nach St. Paul überwechselte, begann er mit seinen Mitarbeitern Arbeitsmaterialien, Nachschlagkisten und Dokumentensammlungen für die Schule herzustellen. Hier gab es bis zu diesem Zeitpunkt krasse soziale und schulische Mißstände, für deren Veränderung sich Freinet einsetzte. Dieses führte zu einem Kampf mit den Obrigkeiten, der 1933 mit der Beobachtung Freinet und anschließende Suspendierung endete. 1935 gründete Freinet mit seiner Frau Elise ein Landschulheim in Vence. 1940 wird Freinet festgenommen und in Internierungshaft gesetzt. Im Lager schrieb er viele Bücher.
1941 wird er entlassen und übernimmt die Widerstandsbewegung in Briancon. 1945 veranstaltet er den ersten pädagogischen Kongreß der Nachkriegszeit.
1947 eröffnet er seine Privatschule wieder, welche er bis zu seinem Tod am 08.10.1966 leitet. 1964 wird seine Privatschule durch die regionalen Schulbehörden als experimentelle Grundschule anerkannt.
Heute arbeiten über 25.000 Lehrer in Frankreich an Regelschulen nach der Freinetpädagogik. 4 Einflüsse der reformpädagogischen Bewegung
4.1 Grundsätzliche Forderungen und Kritikpunkte der reformpädagogischen Bewegung Die reformpädagogische Bewegung war eine europäische und amerikanische Bewegung, welche im Zeitraum von 1900 - 1930 ihren Höhepunkt erreichte. Ihr Ausgangspunkt war die Kritik am neuhumanistischen Bildungsideal im Sinne von Humboldt. Diese sah den wirklichen Bildungswert nur in einer möglichst umfangreichen geistigen Wissensvermittlung. Eine Beschäftigung mit der Wirklichkeit und den eigenen Erfahrungen galt als die niedrigste Form der Erkenntnis und als Zeitvertreib. Ziel war der geistige Mensch, ohne Bezug zu Welt und Arbeit, da sie keinen Bildungswert haben. Der Schüler ist bei der Wissensvermittlung nur rezeptiver Zuhörer. In diesem Sinne wurden auch alle sozialen Bezüge und ein Leben für die Gemeinschaft abgelehnt.
Im Gegensatz dazu forderte die reformpädagogische Bewegung die "Pädagogik vom Kinde aus". Das Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen sollte in den Mittelpunkt gestellt werden anstelle einer einseitigen Wissensvermittlung. Die spontanen schöpferischen Kräfte des Kindes sollen freigesetzt und gefördert werden. 4.2 Ziele der Reformpädagogik sind:
- die Aufhebung der Trennung von Schule und Leben, sowie von Kopf- und Handarbeit
- eine einseitige verbal-intellektuelle Wissensvermittlung wird abgelehnt
- Individualisierung statt Unterordnung
- Aktivität, Selbsttätigkeit und Interesse sollen in allen Lernvorgängen vorherrschen
- Fächergrenzen sollen überwunden werden (Gesamtunterricht)
- die Schulbildung soll in Verbindung zur Natur und Heimat stehen
- die Selbstbestimmung der Schüler wird gefordert - es tritt eine Änderung der traditionellen Lehrerrolle ein, er ist nur noch Berater und Helfer
- die Erfahrungen der Kinderpsychologie sollen mit einfließen
· der Versuch etwas zu tun, aber nicht in der Praxis stehenbleiben und über das Getane nachdenken
- die Kraft der Gemeinschaft zu nutzen, sowohl innerhalb der Klasse wie aber auch in der Lehrerschaft
- der Reichtum, der sich aus vielen Einzelbeiträgen zusammensetzt, soll sich entfalten
- die Schüler sollen erleben, daß ihre Worte, Gefühle und Gedanken ernst genommen werden
- Heranbildung einer kritischen Einstellung gegenüber jeglichen Druckerzeugnis; Entmystifizierung des gedruckten Wortes
- Lernen an der Realität
- Schüler erleben, daß es möglich ist der immer komplexeren Umwelt nicht verständnislos, hilflos, passiv gegenüberzustehen
- zeigen, daß man sich aktiv mit der Umwelt auseinandersetzen kann
- Schüler stellen sich in spielerisch-kreativer Weise selbst dar 4.3 Die Arbeitsschulbewegung
Diese Richtung beeinflußte Freinet besonders stark. Nachfolgend nenne ich einige Pädagogen, die Freinet einschneidend beeinflußt haben. 4.3.1 Georg Kerschensteiner
Georg Kerschensteiner (1854-1932) ist wohl der bekannteste. Für ihn bedeutete Arbeit zunächst Handarbeit, wobei jedoch die damit verbundenen geistigen Vorgänge eingeschlossen sind. Er strebte nach Vollendung bei der Arbeit. Sein Arbeitsverständnis wandelte sich aufgrund seiner Auseinandersetzungen mit Hugo Gandig, welcher ihm vorwarf, die geistige Arbeit zu vernachlässigen. Nun sah er selbständige geistige Tätigkeiten auch als Arbeit, letztendlich waren sie für ihn noch mehr ein Kennzeichen der Arbeitsschule als die selbständige manuelle Arbeit.
Er knüpfte an den spontanen Betätigungstrieb des Kindes an und sah die wichtigste pädagogische Funktion der Arbeit in der Selbsttätigkeit. Hinter dieser Arbeitsschule stand der Gedanke der staatsbürgerlichen Erziehung, wozu Disziplin, Charaktererziehung und Dienst an der Gemeinschaft gehörten. Ein weiteres erzieherisches Motiv der Arbeit lag darin, alle Subjektivität der Sache unterzuordnen. So erzieht Arbeit zur Unterordnung und Verzicht. Die Arbeit in der Gemeinschaft ist wichtig, denn sie führt zum Staat und ist staatsbürgerliche Erziehung. 4.3.2 Hugo Gandig
Hugo Gandig (1860-1923) sah Arbeit nur im Sinne einer freien geistigen Arbeit. Er wollte die Steuerung des Unterrichts auf den Schüler übertragen. Gandig sah in der Selbsttätigkeit den Ausgangspunkt und das zentrale Prinzip aller Bildung. Die Selbsttätigkeit stellt den Schüler als werdende Persönlichkeit in den Mittelpunkt. Trotz dieser Individualität muß sich der Einzelne auch in die Gemeinschaft einfügen können. Aufgabe der Erziehung sei es, die Techniken (z.B. Erzählen, Lesen) zu dieser geistigen Tätigkeit zu vermitteln. Die
Schüleraktivität soll hierbei methodisiert werden. Der Schüler soll erlernte Techniken bewußt anwenden, wodurch die Lernschule in eine Arbeitsschule umgewandelt wird. 4.3.3 Pawel Petrowitsch Blonskij
Pawel Petrowitsch Blonskij (1884-1941) ist als Hauptvertreter einer weiteren Richtung der Arbeitsschulbewegung zu nennen. Seine Produktionsschule will der wirtschaftlichen und industriellen Produktionsweise des 20. Jahrhunderts entsprechen. Die Wurzeln hierfür liegen bei Karl Marx, in dessen Erziehungsauffassung das Verhältnis von Bildung und Arbeit eine zentrale Stellung einnimmt. Der Mensch erfüllt sich erst in Arbeit, sie ist das Mittel zur Selbstverwirklichung. Dabei wird Arbeit als wirtschaftlich produktive Arbeit für die Gesellschaft verstanden. Schon in der Erziehung muß diese produktive Arbeit betrieben werden. Dadurch wird die Trennung von Kopf- und Handarbeit aufgehoben (Klassengegensätze). Die Produktionsschule soll auf das Arbeiten in der Industriegesellschaft vorbereiten.
4.4 Weitere reformpädagogische Einflüsse 4.4.1 John Dewey
John Dewey (1859-1952) entwickelte die Projektmethode. Sein Prinzip war "learning by doing". - Denken entwickelt sich aus den täglichen Erfahrungen, im Handeln wird gelernt, die dabei gewonnene Erfahrung und Erkenntnis kommt dem weiteren Handeln zugute. Die Arbeit ist ein Mittel, um theoretisches Wissen zu erlangen. Dewey orientiert seinen Unterricht an den Bedürfnissen der Menschlichkeit, allerdings fest vorgegliedert. Für ihn ist die Arbeit in der Gemeinschaft wichtig, um die Kinder auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. Sie ist die der Demokratie entsprechende Schule. 4.4.2 Adolphe Ferrière
Adolphe Ferrière 1879-1919) sah anfangs ähnlich wie Kerschensteiner, den Schwerpunkt der schulischen Arbeit auf der manuellen Arbeit, die immer auch geistige Bildung bewirken würde. Handarbeit hat für ihn nur einen Wert, wenn sie Mittel zur Bildung des Geistes ist. Man muß die Welt der Natur und des Menschen beobachten, um Dokumente zu sammeln. Zentrum seiner Methode ist die Dokumentensammlung, die von den Kindern selbst angelegt wird. 4.4.3 Ovide Decroly
Ovide Decroly (1871-1932) sah den Ausgangspunkt aller Bildung in den Bedürfnissen des Kindes. Er wollte die Umgebung bewußt als Bildungsmittel verwenden. Durch praktisches Kennenlernen des Leben werden die Kinder auf das Leben vorbereitet. Einerseits soll dabei das Prinzip der Freiheit zur Geltung kommen, anderseits ist eine vom Erzieher methodisch
durchdachte Bildungsfolge anzuwenden. Der Lehrplan ist gegliedert in Interessenzentren, welche sich um die fundamentalen Bedürfnisse des Kindes gliedern. Der Unterricht ist in drei Stufen gegliedert: 1. Beobachtung und Anschauung 2. Assoziation
3. Ausdruck als Verwertung von früher gemachten Erfahrungen im Aufsatz 4.4.4 Maria Montessori
Maria Montessori (1870-1952) schuf Materialien, die zur Selbsttätigkeit und Selbsterziehung der Kinder eingesetzt werden. Damit bewegt sich das Kind zwar frei, ist jedoch durch die Begrenztheit der Materialien indirekt gelenkt. Sie ging davon aus, daß die physische Entwicklung durch äußere Reize organisiert. Die Erziehung hat die Aufgabe, die geeigneten Reize zu bieten, die die Entwicklung der kindlichen Kräfte vorantreiben, nach der es von Natur aus drängt. Diese Reize bietet das Montessorimaterial. Decroly und Montessori sind stark geprägt von der "Bewegung vom Kinde aus". Das Kind wird als Individuum angesehen, welches sich aus seiner Kraft entfalten kann. Die erzieherische Aufgabe liegt darin, ungünstige Einflüsse vom Kind fernzuhalten und ihm eine die Entwicklung fördernde Umgebung zu schaffen. 5 Grundprinzipien der Freinetpädagogik 5.1 Der Arbeitsbegriff
Der Arbeitbegriff nimmt in der Freinetpädagogik einen zentralen Stellenwert ein. Arbeit ist hier nicht Mittel zum Zweck (Bildung), wie bei Kerschensteiner, Gandig oder Dewey, sondern sie ist das Ziel der Pädagogik. Sie hat die Befriedigung der individuellen, funktionellen Bedürfnisse zum Ziel und wird deshalb vom Kind in natürlicher Weise angestrebt. Mit diesem Arbeitsbegriff steht Freinet Marx näher, der ebenfalls in Arbeit ein elementares, funktionales Bedürfnis sieht. Allerdings wird sie im Zusammenhang mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnissen gesehen, während Freinet sich auf die erzieherischen Dimensionen beschränkt.
Das Kind hat nach Freinet kein natürliches Spiel- sondern nur ein natürliches Arbeitsbedürfnis. Das Kind spielt ein "funktionelles Spiel", in dem es seine Bedürfnisse befriedigen kann. Dieses Spiel ist eigentlich Arbeit, Kinderarbeit, Arbeit mit Spielcharakter. (Dem Tätigsein des Kindes gebürt der Begriff Arbeit, da das Kind sie als solche empfindet und das Spiel ernst nimmt.) Das Kind imitiert in dieser Arbeit die Aktivitäten der Erwachsenen und deren Zweckgerichtheiten. Wenn die Umgebung den Kindern keine Möglichkeit bietet, sich der Arbeit mit Spielcharakter zuzuwenden, müssen sie ihre Energie
auf andere Weise entladen. Sie betreiben Arbeit mit Spielcharakter (jen-travail), die aus der Sicht der Kindes ebenfalls elementare Bedürfnisse befriedigen als Ersatz für die Arbeit mit Spielcharakter. Laut Freinet werden die Kinder zu ihren Spielen mit Arbeitscharakter durch die selben Bedürfnisse motiviert wie die Erwachsenen zu ihrer Arbeit. Es geht um das zentrale Bedürfnis nach Selbsterhaltung, stark zu sein (Gruppenbildung), Leben weiterzugeben (Mutterinstinkt). Kennzeichnend dafür ist die Anstrengung durch Befriedigung.
Freinet meint, daß man Arbeit und Spiel nicht trennen kann, denn wenn die Arbeit nur noch Mühsal und nicht Befriedigung heißt und kein Teil von uns selbst ist, ist es normal, daß man ihr entrinnen will, um sich andere Befriedigungen zu schaffen.
Im Unterricht müssen Techniken wie z.B. die Druckerei und die Arbeitsateliers entwickelt werden, in denen das Bedürfnis nach Arbeit in Verbindung mit Spiel verwirklicht werden kann; indem Arbeit und Spiel identisch werden. 5.2 Psychologische Grundlagen
Das Kind hat nach Freinet eine angeborene unerklärbare Lebensenergie in sich, welche seine Entwicklung vorantreibt. Die Entwicklung vollzieht sich dabei nach bestimmten Gesetzen. Das grundlegende Gesetz des Lernens ist dabei das Gesetz des tastenden Versuchens. Die erste Entwicklungsstufe ist dabei das menschliche Tasten. Dies sind noch keine intelligenten Reaktionen, sondern mechanische Reaktionen auf die Umwelt. die noch mehr dem Zufall überlassen sind. Durch Wiederholung dieser tastenden Versuche werden sie zum automatischen Reflex, welcher dann zur Lebensregel wird, welche das spätere Verhalten bestimmen. Freinet bezeichnet dies als lebensnotwendigen Anpassungsprozeß. Die Imitation stellt ein stellvertretendes tastendes Versuchen dar, indem das Kind sich nicht selbst tastend verhält, sondern bei jemand anderen den Effekt beobachtet, und die gemäß den eigenen Zielen als wirkungsvoll bewertende Verhaltensweisen übernimmt. Entscheidend für das Entwickeln dieser Lebensregeln ist die Auseinandersetzung des Kindes mit der Umwelt. Sie bietet die Möglichkeiten und Schranken, diese Lebensregeln zu stärken oder zu schwächen. Das Kind wird sich in dieser Auseinandersetzung seiner Lebensenergie oder Kraft bewußt, die es immer weiter zu steigen versucht.
Setzt die Umwelt zu viele Schranken, muß das Kind Ersatzlebensregeln entwickeln (alle Verhaltensauffälligkeiten), um sich das Gefühl der Kraft zu erhalten und völlige Hilflosigkeit zu vermeiden. Sie befriedigen nur teilweise, haben einen Ersatzcharakter und sind realitätsfremd. Sie dürfen dem Kind nicht einfach genommen werden, da sie Mittel in einer bedrohlichen Situation sind, und sonst dem Kind der letzte Halt genommen würde.
Wenn das Kind die tastenden Versuche lenken kann, d.h. Erfahrungen bewußt einsetzen kann, spricht Freinet vom intelligenten Tasten.
Freinet unterscheidet drei Entwicklungsstufen der kindlichen Aktivität: 1. die Periode des tastenden Ausschauhaltens (Erfahrungen sammeln) 2. die Periode des "sich Einrichtens und Einordnens" (Kind beginnt Erfahrungen einzuordnen) 3. die Periode der Arbeit (Minimum der Zweckgerichtheit) Diese Phasen wiederholen sich bei jedem Lernvorgang, auch bei einem Erwachsenen. Aufgabe der Schule ist es, tastende Versuche zuzulassen, zu fördern, zu organisieren und die bestmöglichste Umgebung dafür zu schaffen. Sie kann durch entsprechende Techniken dieses beschleunigen und sich dabei auch den Auswirkungen der Imitation bedienen. Diese Aufgabe will Freinet in seinen Techniken erfüllen. 5.3 Erziehung und Natur
Durch seine eigenen Erfahrungen vom Aufwachsen auf dem Land ist Freinet sehr naturverbunden geprägt. Die Natur bietet nach seiner Meinung die besten Möglichkeiten, tastende Versuche zu machen und dabei positive Lebensregeln zu entwickeln, da sie sowohl unendliche Möglichkeiten der Erfahrung als auch natürliche unüberwindbare Schranken setzt (z.B. die Jahreszeiten). Dieser Reichtum an Möglichkeiten und die unüberwindbaren Schranken der Natur ermöglichen die Bildung von realen Lebensregeln, die Erfolg bringen und das Kraftpotential des Kindes steigern.
Das Landkind, welches diese Möglichkeit hat, besitzt eine reichhaltige, logische, wirklichkeitsnahe und an der Erfüllung seiner Lebensaufgabe orientierte Erfahrung. Da das Stadtkind diesen Ausgleich von Schranken und Möglichkeiten nicht vorfindet, muß ein möglichst reichhaltiges Milieu geschaffen werden, das die Natur versucht zu ersetzen. Freinet fordert daher die Schaffung von Kinderreservaten (großer wilder Park) und einer Schule, die Naturecken, Tiere, etc. enthält. Ähnliche Ansprüche versuchte auch Maria Montessori zu verwirklichen, doch dieses leider in einem künstlich begrenzten Raum, den Freinet ablehnte. 5.4 Pädagogische Grundlagen
Freinet fordert, ähnlich wie z.B. M. Montessori, die kindgemäße Schule, die das Kind in den Mittelpunkt der Erziehung stellt und von seinen Bedürfnissen ausgeht. Jedoch berücksichtigt Freinet auch die gesellschaftlichen Anforderungen, womit er Decroly nahe steht. Er kritisiert die Abgeschlossenheit der Schule gegenüber dem außerschulischen Leben. Der Unterricht nach Freinet erhält zahlreiche Impulse durch Kontaktaufnahme zur Arbeitswelt, Beobachtungen im Freien oder durch Besuche außenstehender Personen.
In seiner Schule erziehen und bilden sich die Kinder selbst, d.h. nicht mehr die Wissensvermittlung, sondern das selbständige Forschen der Kinder steht in dem Vordergrund. An die Stelle von sinnentleerten Übungen, Vereinzelungen und Konkurrenz treten die selbstbestimmte Arbeit und die Kooperation der Schüler. Wenn von den Interessen der Kinder ausgegangen wird, und das Kind den Sinn der Arbeit erkennt, wenn es sich nicht nur rein schulischen, sondern lebensnahen Aktivitäten widmen kann, so entsteht in ihm eine natürliche Motivation.
Freinet handelte immer nach dem Prinzip ,,Nicht für alle das Gleiche zur gleichen Zeit". Hierzu bietet er vielseitiges Material, von dem jeder das seinen Bedürfnissen entsprechende auswählen kann. Die körperliche manuelle Arbeit spielt keine untergeordnete Rolle mehr. Eigenständig regulierte Lernprozesse der Kinder stehen im Mittelpunkt des Unterrichts. So können wichtige Entwicklungsstufen durchlaufen werden. Der freie Ausdruck von Gedanken, Erlebnissen und Gefühlen spielt eine zentrale Rolle, ebenso die Stärkung des Selbstvertrauens, der Eigeninitative und der Neugierde bei den Schülern. Die Frage nach Disziplin und Ordnung ist für ihn wesentlich. Seiner Meinung nach ist ein Kind, dem man seinen Bedürfnissen entsprechende Aktivitäten anbietet, von sich selbst aus diszipliniert. Die Organisation der Arbeit und des Gemeinschaftslebens führt zur natürlichen Disziplin. Der Lehrer muß daher nicht mehr Autoritätsperson sein, sondern er ist Berater und Helfer der Kinder, die sich selbst bilden und disziplinieren.
In den Schulbüchern sieht Freinet ein Instrument der Verdummung. Sie zwingen den Kindern die Interessen einer Schulbürokratie auf und fördern den unkritischen Glauben an alles gedruckte. Anderseits zwingen sie den Lehrer, Wissen immer auf die gleiche Art und Weise zu vermitteln. Hiervon will Freinet die Lehrer und die Schüler freimachen. Die Umsetzung dieser pädagogischen Grundprinzipien geschieht mit Hilfe der von Freinet entwickelten Techniken. 6 Unterrichtstechniken
6.1 Freie Ausdrucksformen: Korrespondenz - Klassenzeitung - Druckerei In Freinet-Klassen werden keine Aufsätze zu vorgegebenen Themen verfaßt, sondern ,,freie Texte". Die Schüler schreiben über das, was sie gerade interessiert und immer wann sie das Bedürfnis danach haben. Dabei ist weder die Menge, noch das Material vorgegeben. In den "freien Texten" drücken die Schüler schon früh ihre eigenen Erfahrungen und Interessen aus, die behandelten Themen können zu weiteren Unterrichtsvorhaben Anlaß geben und so bestimmen die Schüler selbst einen Teil der Unterrichtsinhalte.
Die Klasse macht Besichtigungsgänge in die Natur, in Werkstätten etc. und schreibt die dort
gemachten Erfahrungen nieder. Die Nachbesprechung der Texte wirft neue Probleme auf, die mit Hilfe von Fachleuten, die in die Schule eingeladen werden, gelöst werden. Ansonsten steht für die nötigen Informationen zur Problemlösung eine vielfältige Materialiensammlung zur Verfügung. Es bilden sich Interessenkomplexe heraus, die sich stetig erweitern. Durch diese Form des Vorgehens wird die Schule eng mit dem Leben verknüpft. Neben realen Erlebnissen werden auch Träume, Phantasien etc. niedergeschrieben. Der ,,freie Text" erhält dadurch auch eine therapeutische Funktion, indem die Kinder ihre Erfahrungen ausdrücken und diese distanziert verarbeiten können.
Der ,,freie Text" wird jedoch nicht nur geschrieben, er wird auch gedruckt. Täglich werden ausgesuchte Texte gedruckt, die fertigen Texte werden einer Korrespondenzklasse zugesendet oder zu einer Klassenzeitung verarbeitet. Die zentrale Bedeutung der Druckerei, Korrespondenz und der Klassenzeitung liegt darin, daß die Schüler den Sinn ihres Schreibens erkennen. Sie sind zum Schreiben motiviert, da sie nicht nur für sich, sondern auch für andere schreiben. Durch die Korrespondenzklasse werden neue, bisher noch nicht behandelte Themen aufgeworfen.
Durch die Druckerei wird eine sinnvolle Arbeit hergestellt, im Sinne von Spiel mit Arbeitscharakter. Diese Arbeit fördert die Kooperation, denn alleine kann nicht oder nur sehr schwer gedruckt werden. Durch das Drucken werden intellektuelle und praktische Tätigkeiten miteinander verbunden, die Trennung von Kopf- und Handarbeit wird aufgehoben. Weiterhin fördert die Druckerei die manuelle Geschicklichkeit, die Aufmerksamkeit, das visuelle Gedächtnis und stellt in Verbindung mit dem ,,freien Text" eine natürliche Lese- und Schreibmethode dar (aktiv handelnder Umgang mit Sätzen und Buchstaben). "Beim Drucken wird die Sprache von den Händen der Kinder auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, sie ist keine anonyme Formulierung mehr, sondern wird ihre eigene Schöpfung". (Giradin, zit. nach Koitke 1977)
Weitere freie Ausdrucksformen sind das freie Malen, Linoldruck, Arbeiten mit dem Linographen, Fotografieren, Filmen, künstlerische Arbeiten mit Ton, Holz etc., Tanz, körperlicher Ausdruck, Rollenspiel, freies Musizieren etc.. Dadurch können die Kinder sich selbst ausdrücken, sich mitteilen und können ihr Selbstvertrauen steigern. Da sie selbst
produzieren, lernen Kinder sich kritisch gegenüber den Werken anderer zu verhalten. 6.2 Arbeitspläne
Die Arbeitsmöglichkeiten in einer Freinet-Klasse sind so zahlreich, daß eine Organisation dringend notwendig wird. Der Lehrer entwirft Jahres- und Monatspläne, die sich an den allgemeinen Richtlinien und Vorschriften orientieren. Mit den Schülern entwirft er dann Wochenpläne. Diese Pläne nehmen erstens auf die Jahres- und Monatspläne Rücksicht, und zweitens auf die Ordnung der Gemeinschaft. So können nicht alle zur gleichen Zeit drucken, es müssen Regeln beachtet werden.
Jedes Kind entwickelt einen individuellen Arbeitsplan, mit den Aufgaben, die es sich in den nächsten Tagen erfüllen will. Hierbei sind einige Aufgaben (z.B. Arbeitsblätter mit Selbstkorrektur) obligatorisch, die meisten bleiben jedoch dem Schüler selbst überlassen. Auf diese Weise wird sowohl Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Selbstbeherrschung geübt, als auch soziales Verhalten in Form von Rücksichtnahme und Kompromissen. Der 45-Minutenrhythmus wird aufgehoben, die Kinder können sich die Arbeit selbst einteilen. Jeden Tag steht ihnen auch Zeit zur freien Arbeit zur Verfügung. Die Arbeitspläne haben gleichzeitig auch eine Kontrollfunktion, denn sie dienen am Ende der Woche als Kontrollorgan der geleisteten Arbeit. 6.3 Arbeitsateliers
Um die Trennung von Schule und Leben aufzuheben, und die Kinder selbständig arbeiten und experimentieren zu lassen, hat Freinet auch den Klassenraum umgestaltet. Anstelle eines großen Klassenraumes hat er neben einem Gesellschaftsraum für Veranstaltungen, Vorführungen etc. spezialisierte Arbeitsateliers (Arbeitssektoren) im Schulgelände eingerichtet. Außerhalb der Schule (im Freien) befinden sich weitere Ateliers (z.B. für Feldarbeit, Tierzucht etc.). Dies ist die Idealvorstellung, doch in der Praxis werden die verschiedenen Arbeitsateliers meist durch Tische abgetrennt, oder im Klassenzimmer und Flur eingerichtet. In diesen Ateliers werden verschiedene Themenbereiche bearbeitet, manuelle sowie geistige Aktivitäten. Die Arbeitsvorhaben, die hier verwirklicht werden, entstehen aus den "freien Texten" und aus Unterrichtsgesprächen, also aus den Interessen der Kinder. 6.4 Wandzeitung und Klassenrat
An der Wandzeitung kann jeder Schüler seine Unzufriedenheit, seine Verbesserungsvorschläge sowie seine positiven Eindrücke kundtun. Im Klassenrat werden diese Eintragungen besprochen. Der Klassenrat dient der Konfliktlösung sowie der Besprechung und Initiierung von Vorhaben. Er ist ein Mittel zur Selbstverwaltung der
Schüler. Durch ihn wird gelernt, Kritik zu ertragen und Stellung zu beziehen. Damit fördert die Wandzeitung und der Klassenrat Techniken zu sozialen Verhalten und zur Verantwortung für die Gemeinschaft. 6.5 Arbeitsmittel
Freinet hat eine Vielzahl von Arbeitsmaterialien entwickelt, um in den Klassen eine individuelle, selbständige Arbeit zu ermöglichen. 6.5.1 Arbeitsblätter
Sie bestehen aus Arbeitskarten mit bestimmten Aufgaben und Lösungskarten zur Selbstkontrolle, sowie Textkarten für den Lehrer. Mit diesen Arbeitskarten trägt Freinet neben dem individuallisierten und selbständigen Unterricht auch den Lernzielen des staatlichen Schulwesens Rechnung, die am Ende des Jahres erreicht werden müssen. 6.5.2 Sachblätter
Freinet-Lehrer schicken Texte von Wissenschaftlern, Zeitungsberichte, Schülerarbeiten etc. an die CEL 1 oder ICEM 2 , die das Material zu Sachblättern zusammenstellen und sie den Mitgliedern zusenden. Hier finden die Schüler die notwendigen Informationen zur Behandlung eines Themas. 6.5.3 Dokumentensammlung
Alle Freinet-Klassen besitzen in Anlehnung an Fernière eine eigene Dokumentensammlung. Hier werden die behandelten Unterrichtseinheiten mit allen dazu entwickelten Material eingeordnet (Texte, Zeichnungen, Buchauszüge etc.). Im Laufe der Zeit entsteht ein wertvolles, in Eigenarbeit erstelltes Archiv. 6.5.4 Arbeitsbücherei
Die Arbeitsbücherei ist eines der wertvollsten Arbeitsmittel der Ecole Moderne. Sie enthält mehrere hundert Sachhefte, die von den Lehrern in Eigenarbeit zu den verschiedenen Themen ausgearbeitet worden sind. (Sie können auch über die Organisation der Ecole Moderne bezogen werden) Wenn sich ein Schüler für ein bestimmtes Thema interessiert, kann er sich in einem dieser Hefte informieren. Sie sind in der Regel sehr anschaulich und mit einem kurzen Text versehen.
Die Arbeitsblätter, die Sachblätter und die Arbeitsbücherei ersetzen zusammen mit der Klassenbibliothek und der Dokumentensammlung, welche aus "normalen" Büchern besteht, die Schulbücher und den traditionellen Fächerunterricht. 7 Schlußbemerkung und Kritik
Es hat sich gezeigt, daß in den Richtlinien der Sonderschule für Lernbehinderte und die Freinetpädagogik starke Übereinstimmungen bestehen. Daher ist es verwunderlich, daß in der
Praxis in Deutschland die Freinetpädagogik nur sehr selten angewandt wird. Gerade bei einer so heterogenen Schülerschaft würde sich die Individualisierung und Differenzierung positiv auswirken. "Normale" Medien und Schulbücher werden von einem großen Teil der Schüler abgelehnt, denn durch diese werden ihre Schwächen nicht schnell beseitigt, sondern nur offenbart.
Als positiv erweist sich auch die Trennung von der Kopf- und der Handarbeit, wie auch die Auflösung der Trennung von Schule und Leben.
Allerdings zeigen sich auch Schwächen bei der Freinetdruckerei. Diese liegen hauptsächlich in der spiegelverkehrten Setztechnik, der begrenzten Kapazität der gedruckten Texte. Ein weiterer Schwachpunkt der Freinetpädagogik ist die Frage, ob die Erziehung den Qualitätsanforderungen der industriellen Produktionsweise entspricht. Daher müßten die Freinet-Techniken um eine ökonomische Komponente erweitert werden. 8 Literaturverzeichnis
- Freinet; C: Pädagogische Texte; Reinbeck 1980
- Freinet, C.: Die moderne französische Schule; Paderborn 1979 2
- Freinet, E.: Erziehung ohne Zwang; Paderborn 1981 · Henning; Ch. / Zülch, H.-M.: Konzept der Freinet-Pädagogik; Reinbeck 1976
- Jörg, H.: Célestin Freinet, die Bewegung "Moderene Schule und das französische Schulwesen heute; Paderborn 1979 2
- Zehrfeld, K.: Freinet in der Praxis; Weinheim und Basel 1779 2 1 CEL = Coopèrative de l´Enseignement laicm (Es war ursprünglich der Name für die gesamte Freinet Bewegung. Seit 1948 ist sie eine Verbrauchsgenossenschaft, der heutige Materialvertrieb.)
2 ICEM = Institut Cooperatif de l´Ecole Moderne (1948 gegründet, heute eine lockere Organisation von Lehrergruppen, die sich mit dem inhaltlichen Aspekt der Pädagogik auf regionaler Ebene auseinandersetzt.)
Schlagworte:
Seminararbeit, hausarbeiten.de, lit_1996-buch, e-book,
summary:
-
Notiz:
Bewertung: (keine), Kosten: 1,49 €
Uni Dortmund
Titel: Freinetpädagogik unter medienpädagogischen Gesichtspunkten, eine Alternative zu den allgemeinen Medien?
Veranstaltung: Seminar: Bilder und Bildung
Autor:Dieter MattickJahr: 1996
Seiten: 15
Archivnummer: V95807
ISBN (eBook): 978-3-638-08485-7
DOI: 10.3239/9783638084857
Dateigröße: 185 KB
Sprache: Deutsch
|
ID: 1524 | hinzugefügt von Jürgen an 12:12 - 28.10.2002 |
title: Spielräume und Lernräume by Merz, Martin |
|
Text:
Spielräume und Lernräume
MARTIN MERZ
Spielraum bedeutet, landläufig gesagt, Platz und Bewegungsfreiheit zu haben, Raum zum Erleben, zum Entdecken, zum Variieren, zum Probieren,...
Im Spielraum tun sich jede Menge Möglichkeiten auf, Möglichkeiten der Entwicklung, Möglichkeiten des Verweilens oder der Rückschau.
Im Spielraum steckt Freiheit. - Freiheit, den Raum so oder anders zu nützen. Wenn Freinet schreibt: "....am Glanz der Augen misst man das Maß der Freiheit....", so sind es diese Spielräume, die es unter anderem braucht, um diesen Glanz der Augen hervorzurufen. Umgekehrt sind es die leuchtenden Augen, die immer wieder Ausschau nach weiteren Räumen und Möglichkeiten halten, die Räume erweitern, sie gestalten, neu einrichten oder verändern.
Es ist der Glanz der Augen, der offenbart, wie die Suche nach der Identität, dem "Ich" und nach der Welt, dem "Wir", sich gestaltet. Eben dazu braucht es adäquate Spielräume, Räume in denen das Ego Gestalt annimmt, Räume in denen die Welt gestaltet wird und Formen gewinnt. Das passiert mit allen Sinnen ebenso, wie mit sozialer Kompetenz, mit Verantwortung sich selbst wie auch der Umwelt gegenüber. Das geschieht mit ganzer Aufwendung persönlicher Fähigkeiten, wie auch unter Berücksichtigung eigener Mängel und Schwächen, vor allem aber unter Aufwendung aller kreativen Kräfte und Möglichkeiten. Diese Spielräume sind Lernräume in ihrer höchst entwickelten, ihrer höchst anspruchsvollen Form, sind Lernräume, in denen Raum zum Lernen und Entwickeln, zum Erfahren und Ausprobieren, zum Suchen und Finden, zum Gestalten und sich Ausdrücken in seiner ursprünglichen Form gegeben ist. Hier kann das Kind, wie Jochen Hering es beschreibt, Eigen-Sinn entwickeln, funktioniert Lernen in seiner natürlichen Weise. Es herrscht eine neue Schulkultur vor, wobei die Betonung auf Kultur gelegt werden soll, denn eine Schule an der Schwelle zum neuen Jahrtausend muss ein kultureller Raum sein, in dem gelebt wird, was eine Gesellschaft auszeichnet, und nicht was sie eigentlich vermeiden sollte. Wenn es wichtig ist, dass Selbständigkeit und Verantwortungsbereitschaft einen Menschen auszeichnet, dann muss die Schule dafür Raum geben, dann werden Kinder die Arbeit mitorganisieren und -gestalten, dann geht der Gemeinschaftssinn vom Klassenrat aus, dann kommen die Arbeitsimpulse von der Klassengemeinschaft und die Erledigung wird von ihr getragen.
Schlagworte:
atsch-h7
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2687 | hinzugefügt von Jürgen an 07:42 - 15.12.2005 |
title: Klassenrat - Raum für Zwischentöne by Müermann, Britta |
|
Titel: | Klassenrat - Raum für Zwischentöne |
Autor: | Müermann, Britta | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Bremen, Fragen und Versuche, Heft 148 S. 44 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.2014 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
lit_2014-art, fuv-148,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 4687 | hinzugefügt von Jürgen an 18:54 - 17.7.2014 |
title: Auf dem Weg zum Klassenrat by Müller, Ewald Th. |
|
Titel: | Auf dem Weg zum Klassenrat |
Autor: | Müller, Ewald Th. | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Sinntal | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.1999 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2337 | hinzugefügt von Jürgen an 07:12 - 8.9.2005 |
title: z.B. Klassenversammlung by o.A. |
|
Text:
-
Schlagworte:
Klassenrat, Bindestrich-01, lit-1985_art,
kein Summary verfügbar
Notiz:
in 2. Primar bei Lisbeth Galluser in Zürich
|
ID: 177 | hinzugefügt von Jürgen an 07:52 - 17.4.2005 |
title: Die Schuldruckerei by o.A. |
|
Text:
Die Schuldruckerei
"Par la vie – pour la vie – par le travail"
(Durch das Leben – für das Leben – durch die Arbeit)
Célestin Freinet
Seit dem Schuljahr 2004/05 gibt es an der Hans-Thoma-Schule in Malsch eine neu geschaffene Schuldruckerei im Sinne der Pädagogik des französischen Reformpädagogen Célestin Freinet.
Célestin Freinet (1896 – 1966)
Die Freinet-Pädagogik geht auf den französischen Lehrer und Reformpädagogen Célestin Freinet zurück.
Das alltägliche Leben der Kinder bildet neben deren Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnissen die Grundlage für die Arbeit der Schüler. Dabei ist der Lehrer für den organisatorischen Rahmen verantwortlich. Den eigenen Erfahrungen der Schüler kommt große Bedeutung zu.
Die Schule im Sinne Freinets ist eine „Arbeitsschule“. Sie wird zur Werkstatt, in der die Ziele mit verschiedenen Sinnen angegangen werden. Die Schuldruckerei ist eine zentrale “technique Freinet“, unter anderem gab es in Freinets Klassenzimmer auch Druckmaterialien wie Lettern und Druckpresse.
Drucken als pädagogisches Mittel
Neben der Schulung sprachlicher Fähigkeiten, technischer Fertigkeiten und der künstlerischen Gestaltung der gedruckten Texte (die Veröffentlichung ist von Beginn an vorgesehen) steht das soziale Lernen im Mittelpunkt. Die Gruppenarbeit, die auch immer wieder sinnvolle Arbeitsteilung beinhaltet, lässt neben eigenständigem Handeln viele Schüler Verantwortung für andere übernehmen. Gerade für Kinder mit Defiziten im sozialen Bereich ist die Arbeit in der Schuldruckerei von unschätzbarem Wert.
Druckereiarbeit erspart den Schülern nicht die Anstrengung. Dies ist im Sinne der Pädagogik von Célestin Freinet eine gute Vorbereitung auf das spätere Arbeitsleben. Das Kind soll aber auch die unvergleichbare Befriedigung empfinden lernen, die in der Arbeit liegt. So steigert die Anerkennung für die geleistete Arbeit durch die gesamte Gruppe das Selbstbewusstsein der Schüler.
Auftauchende Probleme bespricht die Schülergruppe im „Betriebsrat“, der dem Klassenrat entspricht. Hier werden Gesprächsregeln und demokratisches Verhalten eingeübt.
Themenfindung
Als Adressatengruppe für die Schuldruckerei haben wir an unserer Schule die Schüler der 5. und 6. Klassen ausgewählt. Die einzelne Klasse wird in zwei Gruppen eingeteilt, die im Wechsel in der Druckerei arbeiten.
Zu Beginn des Schuljahres wird die Schülergruppe in die praktische Arbeit einer Schuldruckerei eingeführt. Anschließend suchen die Schüler sich ein Thema aus, das die Grundlage für die Schuldruckereiarbeit in den zwei nächsten Schuljahren bildet. Dabei wird eine Exkursion durchgeführt, bei der lebensnahe Begegnungen stattfinden. So erhalten die Kinder Einblicke in die Lebenswirklichkeit verschiedenster Menschen.
Wieder zurück in der Schule schreiben die Schüler ihre Erlebnisse auf. Verbesserungsvorschläge der Klassenkameraden werden diskutiert und Texte ausgewählt.
Anschließend beginnt die praktische Arbeit in unserer Schuldruckerei.
Die Arbeit in der Schuldruckerei
Die einzelnen Arbeitsschritte: setzen ==> drucken ==> Lettern ablegen ==> Texte gestalten auf DIN A4 – Blatt ==> Texte binden (Spiralbindung) werden sehr schnell selbstständig von den Schülern ausgeführt.
Zur Planung und Dokumentation der eigenen Tätigkeiten führt jeder Schüler und jede Schülerin einen Arbeitspass.
Die Schüler verschönern das Präsentationsheft mit ihren Zeichnungen. Seit dem Schuljahr 2007/2008 erweitern wir unsere Druckfähigkeiten durch das Drucken von Zeichnungen und Bildern, die die Schüler auf Gebrauchsfolien einritzen. Hier könnte evtl. in Zukunft in Verbindung mit dem Fach Bildende Kunst der Linoldruck zum Einsatz kommen.
Durch das Setzen und Drucken neugierig geworden, beschäftigen wir uns im Verlauf der beiden Schuljahre auch mit Johannes Gutenberg und seiner Druckkunst. Dies geschieht (wenn es vom Stundenplan her möglich ist) auch im Rahmen des Deutschunterrichts.
Die Präsentation
Nach zwei Schuljahren findet unser Präsentationsabend statt, an dem vor allem die Eltern und Geschwister unserer Schuldrucker sowie das Team der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe eingeladen werden. Neben musikalischen Beiträgen – gestaltet von der Musik-AG – bildet eine Druckereivorführung den Höhepunkt des Abends. Die Schüler präsentieren dabei alle Arbeitsgänge einer Druckerei selbstständig. Das entstandene Präsentationsheft wird den anwesenden Gästen überreicht bzw. anschließend von den Schülern selbst mit nach Hause genommen.
Fazit
Die Arbeit in der Schuldruckerei fördert unterschiedliche Kompe- tenzbereiche bei den Schülern. Im Laufe der Zeit bilden sich unter den Schülern „Experten“ für bestimmte Arbeiten heraus.
Sie können hier verstärkt andere Fertigkeiten und Stärken als im täglichen Schulunterricht einbringen und permanent aktiv, selbstständig und selbstverantwortlich arbeiten.
Bei der Druckereiarbeit stellen die Kinder schnell fest, dass sie mit ihrer Arbeit für die gesamte Gruppe verantwortlich sind.
Schlagworte:
kein Summary verfügbar
Notiz:
Originaltext mit Bildern
|
ID: 3245 | hinzugefügt von Jürgen an 15:50 - 24.6.2009 |
title: Freinet-Kongress in Schaan/FL by o.A. |
|
Text:
Freinet-Kongress in Schaan/FL
Der Schweizerische Freinet-Kongress findet alle zwei Jahre statt. LehrerInnen und PädagogInnen setzen sich mit der Reformpädagogik von Célestin Freinet auseinander, tauschen ihre Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus und erweitern ihre Kompetenzen in Ateliers
(Workshops). Der Anlass findet erstmals in Liechtenstein statt und wird durch
die «Arbeitsgruppe Freinetpädagogik Ostschweiz» organisiert.
Der Freinet-Kongress findet an Auffahrt 2008statt. Er beginnt am Mittwoch, 30. April gegen
Abend und endet am Samstagmittag, 3. Mai 2008. Teilnehmen können alle interessierten
KollegInnen aus der Schweiz und dem Ausland, eine Mitgliedschaft ist nicht Voraussetzung.
Ganz im Gegenteil ist ein solcher Anlass die absolut beste Möglichkeit, Einblicke in eine Reformpädagogik zu riskieren, welche heute aktueller ist denn je.
Célestin Freinet (1896–1966) war einer der bedeutendsten Reformpädagogen des letzten
Jahrhunderts, welcher das Schulwesen stark mitprägte und dessen Ansätze bis heute
nichts an Aktualität eingebüsst haben. Die Pädagogik Freinets und der «École Moderne»
begegnen uns in Begriffen wie beispielsweise Projekt-Unterricht, schülerzentrierte Lernformen,
Integration und Klassenrat.
Für den Kongress 2008 konnten namhafte Referentinnen und Referenten sowie Atelierleiterinnen
und Atelierleiter aus der Schweiz, Österreich und Deutschland verpflichtet werden.
In den sogenannten Langzeitateliers wird über alle drei Tage jeweils am Vormittag
am gleichen Thema gearbeitet. Vorgesehen sind dazu folgende Angebote:
Labyrinthe, Irrgärten, Wege – mathematische Aspekte und Fragen mit Werner Hangartner, PHSG Rorschach
SpurenSuche-TatOrt – Schule ausserhalb des Schulzimmers mit Donatus Stemmle, PHZH
Farben-Wörter-Bilder-Texte – freier Ausdruck und Sprachspiele mit Martin Merz aus Steyr,
Oberösterreich
Lernen ist Kooperation – Kooperation ist lernbar mit Uschi Resch und Walter Hövel aus
Eitorf, Deutschland
Lesung aus der persönlichen Korrespondenz zwischen Célestin Freinet und seiner Frau Elise während des Zweiten Weltkriegs mit Dr. Herbert Hagstedt, Universität Kassel, Deutschland
Die «Arbeitsgruppe Freinetpädagogik Ostschweiz» ist eine Regionalgruppe der «Freinet Gruppe Schweiz», bestehend aus engagierten Lehrpersonen, welche auf ehrenamtlicher Basis zusammenarbeiten. Ihre Kurse und Veranstaltungen sind vom Bildungsdepartement des Kantons St.Gallen anerkannt und werden an die kantonale Weiterbildungspflicht angerechnet.
Für genauere Informationen: www.freinetkongress.ch
Anmeldungen an: info@freinetkongress.ch
Anmeldungen bis Ende Januar geniessen eine Reduktion auf den Kongressbeitrag!
Für das Organisationskomitee:
Andi Honegger, Nesslau, 071 994 29 69
Schlagworte:
lit_2008-art
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3276 | hinzugefügt von Jürgen an 19:26 - 16.7.2009 |
title: Freinet Pädagogik by o.A. |
|
Text:
Freinet Pädagogik
Lernen ohne Lehrbücher: Dieser Leitsatz aus den 1920er Jahren sorgt noch heute für Aufsehen. Ähnlich formuliert hat ihn Célestin Freinet, welcher gemeinsam mit seiner Ehefrau die Grundlagen der nach ihm benannten Freinet Pädagogik ins Leben rief. Nicht weniger als die komplette Umgestaltung des herrschenden Schulwesens wünschte sich Freinet - möglich gemacht durch vier Grundsätze, welche seine Pädagogik kennzeichnen. Und auch wenn der Franzose als Sympathisant des Sozialismus galt, so legte er großen Wert auf eine deutliche Trennung von Politik und Schule. Ganz im Gegenteil sollten Schülerinnen und Schüler selbst in der Lage sein, ihren Wunsch vom Zusammenleben aktiv in die Tat umzusetzen. Weder Religion noch andere weltanschauliche Vorstellungen des Lehrkörpers dürfen hierbei im Wege stehen.
Die Freinet Pädagogik unterscheidet sich sowohl inhaltlich als auch formal vom noch heute bekannten "Frontalunterricht". Dabei wurden einige Lehrmodelle inzwischen auch im gewöhnlichen Schulalltag umgesetzt: Längst sind zum Beispiel die Arbeit in Lerngruppen oder praktische Lernerfahrungen mit Exkursionen ganz normaler Bestandteil modernen Schulunterrichts. Die Freinet Pädagogik geht hierbei jedoch einen entscheidenden Schritt weiter: Hier bestimmen Schülerinnen und Schüler nicht nur, welches Thema sie bearbeiten möchten, sondern auch, mit wem sie zusammenarbeiten. Einen zentralen Aspekt der Schularbeit bildet auch die Druckwerkstatt, welche an Freinet-Schulen genutzt werden kann. Hier können eigene Texte einfach vervielfältigt werden.
Trotz oder gerade auf Grund des relativ frei gestalteten Unterrichts ist auch die Freinet Pädagogik durch ganz bestimmte Regelungen und Richtlinien gekennzeichnet, welche das Schulleben bestimmen. Diese Grundlagen formulieren die Ziele des täglichen Unterrichts: So sollen alle Schülerinnen und Schüler ihre Persönlichkeit frei entfalten können, was beispielsweise durch selbständiges Arbeiten, aber auch gezielte Förderung von musischen und kommunikativen Fähigkeiten erreicht wird. Eng hiermit zusammen steht die Selbstverantwortlichkeit des Kindes, welches schon im jungen Alter lernt, sich seine Wissensquellen selbst zu besorgen und hiermit kritisch umzugehen. Weitere wichtige Pfeiler der Freinet Pädagogik umfassen die Kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt sowie die Zusammenarbeit sowie das Verantwortungsbewusstsein für Andere. Auch hier formulierte Freinet zahlreiche Leitbilder, beispielsweise die Einrichtung eines Klassenrats, welcher das Zusammenleben nach demokratischen Richtlinien regeln hilft. Die Grundlagen der Freinet Pädagogik gelten heute als aktueller denn je. Neben Schulen im gesamten Bundesgebiet gibt es beispielsweise auch KITAs, welche ihre Arbeit hiernach ausrichten. Fördervereine bieten interessierten Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit, Grundlagen der Freinet Pädagogik auch für ihren Unterricht erfahrbar zu machen. Hierzu stehen verschiedenste Fort- und Weiterbildungen zur Wahl.
Schlagworte:
lit_....-art
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3816 | hinzugefügt von Jürgen an 08:54 - 29.1.2012 |
title: Autonomie statt Macht. by o.A. |
|
Text:
Leseprobe:
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Reformpädagogik gegen Kontroll- und Machtverhältnisse in der Schule
2.1 Machtstrukturen in den Regelschulen
2.2 Reformpädagogik – Erziehung und Lernen in Freiheit
3. Autonomie statt Macht: Die "Ècole moderne" Célestine Freinets
3.1 Die Emanzipation des Kindes
3.2 Die laizistische Schule
3.3 Die individuellen Interessen des Kindes und die Bedeutung der Arbeit
3.4 Autoritätsfreie Beziehung zwischen Lehrer und Schüler
3.5 Der „freie Ausdruck“
3.6 Der Klassenrat
3.7 Individuelle Arbeitspläne
3.8 Disziplin und Überwachung
3.9 Leistungsbewertung
4. Schlussfolgerung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Gegenstand der bevorstehenden Arbeit sind die abgeschafften Machtstrukturen in der Pädagogik des französischen Reformpädagogen und Begründer der l’Ècole Moderne, Célestin Freinet. Durch seine umfassende Kritik an der vorherrschenden Pädagogik seiner Zeit und durch seine revolutionären Ansätze ist sein Konzept zu einer bedeutsamen Lehre geworden (Skiera 2003: 327). Seine Schule, basierend auf der laizistischen Moral, möchte sich jeden Zwangs enthalten, wobei die Rechte und Bedürfnisse des Kindes höchste Priorität haben. Da für ihn das wichtigste Recht das Recht auf Freiheit ist, soll auf den folgenden Seiten ermittelt werden, wie sein Konzept die Schule zu einer befreienden Institution verwandeln soll.
Um ein umfassendes Bild der Konzeption Freinets zu schaffen, stellt der erste Teil dieser Arbeit konventionelle Schulen zur Zeit Freinets und die herrschenden Machstrukturen vor. Daraufhin soll die Kritik und Sichtweise der Reformpädagogik auf diese Machtprozesse in den Schulen vorgestellt werden. Daran knüpft der zweite Teil an, welcher die konkreten Neuerungen Freinets vorstellen soll. Der Unterricht soll in einer demokratischen und familiären Atmosphäre stattfinden (Kock 1996: 39). Darüber hinaus soll in der Schule keinerlei Moral, sowie politische, soziale oder religiöse Einflussnahme vermittelt werden. Er hat die Unterrichtstechniken und die Arbeitsmittel angepasst und die Schule strukturell umgewandelt. Durch die Bereitstellung entsprechender Arbeitsmaterialien soll es den Schülern ermöglicht werden, selbstständig Maßstäbe und Regeln zu entwickeln. Die Einführung des Klassenrats hat ebenso eine wichtige Rolle bei seiner Mission der „Befreiung der Kinder“. Durch welche Neuerungen Freinet seine Schüler befähigte, in der demokratischen Institution des Klassenrats mitwirken zu können, soll im Folgenden erläutert werden. Ferner soll auf die neue autoritätsfreie Beziehung zwischen dem Lehrer und dem Schüler eingegangen werden. Gewissen, Verantwortung und Eigenständigkeit sollen zu einem Pflichtbewusstem Leben führen. Der letzte Teil widmet sich der Frage, wie eine Schule ohne Disziplin und Überwachung aussehen kann und wie Freinet die Leistungsbewertung zwangsfrei gestaltet hat.
Die Arbeit schließt mit einem Fazit und versucht zu beantworten, welche Rahmenbedingungen Freinets Meinung nach geschaffen werden müssen, um die Schule zu einem Macht- und Zwangsfreiem Ort des Lebens zu verwandeln, in dem der Schüler durch Emanzipation und ohne Fremdbestimmung seine Persönlichkeit voll entfalten kann.
2. Reformpädagogik gegen Kontroll- und Machtverhältnisse in der Schule
2.1 Machtstrukturen in den Regelschulen
Herkömmliche Schulen legten großen Wert auf das vermitteln des Stoffes innerhalb der festgelegten Stoffpläne und waren infolgedessen bestimmten Faktoren unterworfen (Jörg 1979: 15). Die Einteilung des Unterrichts und die Dominanz des Lehrplans blenden aktuelle Interessen der Schüler aus. Ferner sorgt die Selektionsfunktion der Regelschulen für Ungleichheit. In einer „passiven und formellen Pädagogik“ (Jörg 1979: 17) wird Für Ruhe und Autorität gesorgt, indem die Kinder dazu gezwungen werden, deren Bedürfnisse zu unterdrücken. (Kock 1996: 34). Die Kontrolle der Arbeitsergebnisse in den traditionellen Schulen verlief durch das Aufsagen auswendig gelernten Stoffes, gutes Vorlesen und den Hausaufgaben. Solche Kontrolltechniken sind darauf bedacht, Schüler nach Leistungen einzuteilen und wecken in der Klasse Neid und Mistrauen (Jörg 1979: 118). Außerdem verbreitet sich unter solchen Umständen häufig ein Minderwertigkeitsgefühl unter den schwächeren Schülern. In Regelschulen wird die Harmonie des Kindes durch „unnatürlich forcierte schulische Anstrengung“ gestört (Kock 1996: 98). Die Aufgaben sind von dem Wirklichen Leben losgelöst und dadurch sind die Kinder später nicht dafür gewappnet, angemessen auf die Vorfälle der Zeit zu reagieren (Kock 1996: 100).
2.2 Reformpädagogik – Erziehung und Lernen in Freiheit
Reformpädagogik ist eine antiautoritäre und libertäre Pädagogik und eine ihrer Hauptkritikpunkte an der traditionellen Pädagogik ist das Konzept der Disziplin, Unterwürfigkeit und erzieherischen Autorität. Sie lehnt die gängigen Unterdrückungsmechanismen, Leistungszwang, die Machtmechanismen und die Hierarchie in der Klasse ab, wodurch ein „erzieherischer Machtvakuum“ entsteht (Skiera 2003: 335). Diesen gilt es durch Selbstständigkeit, Autonomie und Selbstregulierung zu ersetzen. Das wahre Ziel eine Pädagogik sollte es sein, „dass das Kind in einem gröstmöglichen Maße zur Entfaltung seiner Persönlichkeit in Schoße einer vernünftigen Gemeinschaft gelangen kann, der es dient, und die auch ihm dient.“ (Jörg 1979: 14). Es stellt sich für die Reformpädagogik die zentrale Frage, „wie Unterricht und Schule, Lehren und Lernen zur Freiheit führen und in Freiheit geschehen können…“ (Kock 2015: 111). Es ist die Aufgabe einer neuen Pädagogik, Organisationsformen zu entwerfen, in denen sich die Schüler durch aktive Teilnahme selbst verwirklichen (Jörg 1979: 17). Mitbestimmung und Selbstbestimmung sind ein wesentlicher Bestandteil aller Reformpädagogischen Ansätze. Auf dem Weg zu einer herrschaftsfreien Schule sollen die hierarchischen Strukturen aufgelöst werden. Das Ziel ist ein befreites Kind, der in einer demokratischen Gemeinschaft durch seine Partizipationsmöglichkeiten zum Selbstregulieren befähigt wird (Skiera 2003: 331). Durch die Ablehnung unmenschlicher und entwürdigender Behandlungen wird dem einzelnen die maximale Entfaltung seiner sozialen Kräfte und Menschlichkeit gewährleistet. Reformpädagogische Ansätze suchen durch die Schaffung demokratischer Arbeitsformen das menschliche Gleichgewicht zwischen dem Kind und dem Erwachsenen. Wie genau Freinet diesen Punkt angeht, wird im Folgenden erläutert.
3. Autonomie statt Macht: Die "Ècole moderne" Célestine Freinets
Freinets „Befreiende Volksbildung“ soll die Emanzipation des Kindes hervorbringen. Freiheit, Toleranz und Gleichberechtigung sind für ihn zentrale Begriffe. Dem Begriff der Selbstbestimmung liegt ein weiteres Ideal zugrunde: die Laizität. Die Schule und die Lehrpläne sollen Religionsneutral sein – Kirche hat in der Schule nichts verloren. Dadurch sollen die der freinetschen Pädagogik grundliegenden Werte gewährleistet sein und es soll eine „umfassende Befreiung von allen entfremdenden und unterdrückenden Bedingungen“ stattfinden (Kock 1996: 15). Die freiheitliche Pädagogik Freinets setzt auf selbstständige Arbeit und schafft Raum und Freiheit für die eigene Suche nach dem Wissen. (Skiera 2003: 311). Durch welche innovativen Methoden ihm dies geschieht, soll in diesem Kapitel erläutert werden.
3.1 Die Emanzipation des Kindes
Freinet erkennt gesellschaftliche Umstände, die einem befreienden und eigenverantwortlichen Bildungsprozess im Wege stehen. Darunter zählt er unter anderem Faktoren wie soziale Ausgrenzung, Ideologien, die Person des Führers, entmenschlichende Techniken, unkritisches Glauben und Manipulation (Kock 1996: 16). Die Erziehung nach Freinet ermöglicht es dem Kind, sich durch Lebensnahe Arbeit bestimmte Techniken anzueignen, die ihn für das spätere Leben bewaffnen (Kock 1996: 98). Durch solche Erziehung durch das Leben kann er sich auch später im Leben außerhalb der Schule seine Freiheit sichern.
„Freiheit in der Theorie Freinets…entsteht dort, wo das Individuum den mechanischen Prozess des Stroms, die ihn umgebenden Verhältnisse und die gleichsam natürlich erscheinenden Prozesse des Lebens mit einer höheren dynamischen Kraft überschreitet, dominiert und prägt“ (Kock 2006: 45).
Eine kindgemäße Schule überlässt dem Kind das Gestalten seiner Persönlichkeit und unterstützt es dabei lediglich (Jörg 1979: 15). Ein erster und wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Abschaffung der strikten Zeiteinteilung, welche den Schülern verschiedene Arbeitsrhythmen ermöglicht, was die langsameren Schüler der Versagersituation befreit.
3.2 Die laizistische Schule
Ein wesentlicher Punkt, den Freinet mit seinem Konzept umgehen möchte, ist die religiöse Vereinnahmung, da diese nicht zur Freiheit führt. Der Laizismus sei seiner Meinung nach die Basis für eine neutrale Schule, die ihre Schüler moralisch nicht bestimmt (Kock 1996: 29). Unter diesen Umständen wird es dem Kind ermöglicht, sich vollständig zu entwickeln. Eine der seiner laizistischen Pädagogik zugrundeliegenden Ideale ist Eigenständigkeit, die nur durch die Abschaffung des von außen diktiertem System möglich ist (Kock 1996: 17). Das vorgestellte Konzept der Laizität bedeutet für Freinet die Aversion gegen jede dogmatische Inhalte und Werte, die nicht vom Kind selbst kommen. Ferner fordert Freinet die Schüler als vollständige Individuen anzuerkennen, die dazu in der Lage sind, sich eigenständig „selbst zu erziehen“. (Kock 1995: 69).
3.3 Die individuellen Interessen des Kindes und die Bedeutung der Arbeit
Die Aktivität des Schülers soll die neue Grundlage für den Unterricht werden. Die Klasse soll keine passive Komponente sein (Kock 1996: 48). Das kann für Freinet nur durch selbstständige Arbeit gelingen. Für ihn ist die Wertschätzung der Arbeit deshalb so zentral, weil er sie als Grundstein einer befreienden Volksbildung versteht (Kock 1996: 17). Durch Arbeit entwickelt sich die Persönlichkeit des Kindes und gibt ihm ein Gefühl der Befriedigung (Skiera 2003: 319). Das grundlegende Bedürfnis jedes Kindes nach Aktion und Kreativität wird durch Arbeit erfüllt (Kock 1996: 49). Ausschließlich durch eine gesellschaftlich relevante Arbeit und die Reflexion dieser Arbeit kann sich eine befreiende Bildung entwickeln (Kock 1996: 21).
Eine der Wege zur Förderung der individuellen Interessen des Einzelnen ist die Abschaffung oder zumindest die Reduktion der Schulbücher, denn sie töten den kritischen Gedanken und die Kreativität. „Sie führen zur Unterwerfung des Kindes unter die Erwachsenen – genauer gesagt unter die Klasse der Erwachsenen, die durch die Lehrpläne und aufgrund ihres Kapitals über Unterrichtswesen verfügt“ (Kock 1996: 56). Doch werden nicht nur die Kinder Opfer den Schulbüchern, auch Lehrer werden durch sie gezwungen einen geschlossenen Stoff zu unterrichten. Ohne Schulbücher müssen sie nicht mehr mechanisch unterrichten, sondern werden davon befreit (Kock 1996: 57). Die von Freinet neu eingeführte Druckerei soll die Schulbücher gut ersetzen können. (vgl. Kock 1996: 59). Durch sie wird den Schülern eine freie Wahl des Stoffes ermöglicht, denn nur sie selbst können beurteilen, welche Gebiete sie gerade beschäftigen. Infolgedessen können sie den Stoff auswählen, der zu deren derzeitigen Interessen passen. Nur auf diesem Wege werden die Schüler von der Vereinnahmung durch die Erwachsenen befreit.
3.4 Autoritätsfreie Beziehung zwischen Lehrer und Schüler
Es soll nach Freinet keinen Wesensunterschied zwischen den Schülern und dem Lehrer geben. Der Lehrer soll bei der Selbstverwirklichung des Schülers eine lenkende und helfende Person sein, ein erfahrener Berater und Freund der ihm hilft, seinen Weg zu finden (Jörg 1979: 165). Er ist kein allwissendes Universalgenie, der als ständiger Bezugspunkt die Vorgehensweisen der Arbeit bestimmt. Er bereitet für die Schüler lediglich das Material vor und steht ihnen mit Ratschlägen zu Seite. Das Kind andererseits, nimmt von dem Lehrer in diesem Fall gerne Empfehlungen und Anregungen an (Kock 1996: 99).
Eine der zunächst äußerlichen Zeichen für die Gleichwertigkeit des Lehrers und Schülers ist die Abschaffung des Katheders. Indem der Lehrer an einem gewöhnlichen Tisch und Platz sitzt, wird er anders betrachtet (Jörg 1979: 128). Außerdem sind bei den Mahlzeiten alle vereint, was ebenso auf eine Gleichstellung von Kind und Erwachsenem deuten. (Kock 1996: 92).
Zwänge, die das Kind aus dem Gleichgewicht bringen und die ihn in eine unterlegene und machtlose Position versetzen, werden als ein „gefährlicher Bruch des notwendigen Gleichgewichts empfunden“ (Kock 2006: 42). Ziel ist es, die Fremdbestimmung des Kindes zu vermeiden. Dies geschieht am besten durch die Kinder selbst. Die Aufgabe der Erziehungsanstalten ist es demnach lediglich die Kinder dabei zu unterstützen (Skiera 2003: 311). In der Pädagogik Freinets soll es demnach keinen Zwang, Konformismus und strukturelle Gewalt geben (Jörg 1979: 156).
3.5 Der „freie Ausdruck“
Der freie Ausdruck ist ebenso eine Neuerung in der Pädagogik Freinets und ist für sein Konzept von großer Relevanz, da sie zur Befreiung von Ängsten, Unruhen, Nervosität und Sorgen dient (Kock 1996: 22). Außerdem ermöglicht er einen Einblick in die Interessen des Schülers. In der Schule Freinets werden künstlerische Tätigkeiten aller Art gefördert, da sie die Kreativität hervorbringen. Auch in der Kunst setzen sich Freinet und seine Frau Elise für eine absolute Freiheit ein, denn sobald ein Erwachsener bei dem Prozess einschreitet, ist das Werk nicht mehr authentisch (Kock 1996: 120). Der freie Ausdruck muss zwei Voraussetzungen erfüllen, um wirklich „frei“ zu sein: er „darf weder direkt noch indirekt von außen erzwungen werden und keinerlei Bewertung unterliegen“ (Kock 1995: 215). Einige der Techniken des freien Ausdrucks sind beispielsweise Malen, Fotographie, Musizieren, sowie das Verfassen freier Texte.
Schlagworte:
lit_2018-art, Hausarbeit,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5328 | hinzugefügt von Jürgen an 13:47 - 18.4.2020 |
title: Freinetpädagogik an Lernhilfeschulen by Ohlmes, Judith |
|
Text:
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung S.3
2. Definition von Lernschwäche S.4
3. Grundsätze der Freinet- Pädagogik in Bezug auf ihre
Anwendbarkeit an Schulen für Lernhilfe S.5
3.1 Tastendes Versuchen S.6
3.2 Freier Ausdruck S.8
3.2.1. Freier Text und Schuldruckerei S.9
3.3 Freie Arbeit S.11
3.4 Arbeitsateliers S.13
4 Erfahrungen einer Lehrerin, die an Lernhilfeschulen nach
Freinet unterrichtet S.15
5 Fazit S.16
6 Literaturverzeichnis 20
Seite 3 von 3
1. Einleitung
Die Reformpädagogik des beginnenden 20. Jahrhunderts hatte das Ziel, eine Pädagogik zu schaffen, die den Bedürfnissen des Kindes angepaßt war. Ein französischer Pädagoge, der sich nach einer Kriegsverletzung im 1. Weltkrieg (auch aus Eigennutz) eine Pädagogik erdachte, die ihm das Unterrichten und den Schülern das Lernen erleichtern sollte, ist Célestin Freinet. Sein schulpädagogisches Ideal verfolgte die Absicht, eine Schule zu schaffen, die ohne Klassenunterschiede und Privilegien für alle Kinder des Volkes zugänglich war 1 . Freinets Schülerschaft gestaltete sich aus Kindern vom Land, die dem heute vorherrschenden Leistungsdruck nicht ausgesetzt waren und- nach heutigen Kriterien- nicht als lernschwach zu charakterisieren sind.
Diese Arbeit möchte heraus arbeiten, inwieweit eine Pädagogik im Sinne Freinets an Lernhilfeschulen möglich ist. Zunächst möchte ich den Begriff „Lernhilfe“ definieren, dann einige wichtige Leitmotive des Unterrichts nach Freinet herauskristallisieren, um dann zu untersuchen, ob diese Grundsätze auch an Schulen anwendbar sind, deren Schüler Schwierigkeiten mit dem Lernen haben. Die Fülle der Prinzipien zwingt mich dazu mich gezielt auf ausgewählte Grundsätze zu beschränken.
Das im Anschluß angeführte Beispiel der Lehrerin Barbara Mahlstedt soll verdeutlichen, welche Problemfelder die Einführung dieses Unterrichtsprinzips ergeben können.
1 Jörg, Hans: Wolfsburg, 1985, S.11
Seite 4 von 4
2. Definition von Lernschwäche
Der Begriff Lernschwäche bezeichnet unterschiedlich geartete Störungen der Fähigkeit zu Lernen. Allerdings ist nicht jeder Schüler, dessen Noten nicht gut sind, lernschwach, denn Schwankungen in der Leistung sind als normal anzusehen. 2 Der Gegensatz zwischen den individuellen Lernvoraussetzungen und der erforderten Leistung, die sich an Regelschulen im allgemeinen am Niveau der Klasse orientiert, muß konstant, das heißt über einen längeren Zeitraum hinweg, deutlich erkennbar sein. Ein Unterricht, der den lernschwachen Schülern gerecht werden will, muß sich folglich nach den Bedürfnissen desselben richten. Die Erarbeitung der Lernziele ist dem persönlichen Lerntempo des Schülers angemessen und der Übergang zum nächsten Teilziel erfolgt erst, wenn das vorhergehende erreicht wurde.
Lernerfolg steht in einer engen Abhängigkeit zu den Bedingungen, unter denen Kenntnisse erworben werden. Von primärer Bedeutung sind demnach nicht etwa kognitive Fähigkeiten, sondern Motivation, Emotion und soziale Faktoren. 3 Differenzen, die ihren Ursprung in der Persönlichkeit des Schülers, seinen Lernvoraussetzungen und auf schulischen und familiären Defiziten basieren, müssen relativiert werden. Die alltäglichen Probleme, die Schüler der Lernhilfeschulen mehr beschäftigen, sollten in der Gruppe thematisiert werden, um gemeinsam Lösungen zu finden. 4 Der Zugang zu Kindern und Jugendlichen mit Lerndefiziten kann wesentlich schwieriger sein. Persönliche Schwächen zuzugeben und über Probleme des Alltags zu reden, fällt diesen Heranwachsenden meist nicht leicht, aber sie bilden die Grundlage der Motivation und des Schaffens eines Interesses für die jeweilige Thematik.
Lernschwächen können durch eine stärkere innere Differenzierung des Unterrichts und einer idealen Förderung mit dem Ziel, den Lernerfolg langsam zu steigern, ausgeglichen werden.
2 Hufen, Ursula, Gießen, 1988, S.44
3 ebd., S.45
4 ebd., S.47
Seite 5 von 5
3. Grundsätze der Freinet- Pädagogik in Bezug auf ihre Anwendbarkeit an Schulen für Lernhilfe
Der Unterricht an Freinetschulen liegt voll und ganz in der Selbstbestimmung der Schüler, der für Freinet, im Sinne der Reformpädagogen, zum Mittelpunkt der Geschehens wird 5 . Ihnen steht es frei zu wählen, womit sie sich wie befassen. Der Schüler plant seine Vorhaben zu Beginn einer Woche, wobei dies entweder in Form eines individuellen Wochenplans geschehen kann oder für die Klasse sichtbar auf einem Arbeitsplan. Die letztere hat den Vorteil, dass das soziale Zusammenspiel sich positiv entwickeln kann. Unter Zuhilfenahme der vom Lehrer bereitgestellten Materialien, deren Form sehr unterschiedlich ausfallen kann, gehen die Schüler den sich selbst gestellten Aufgaben nach. In Fächern mit systematischen Inhalten nutzt man ein geordnetes Kartensystem, das sich an Peter Petersen orientiert 6 . Eine Arbeitsbücherei, die Themen in einer verständlichen Sprache abhandelt, eröffnet den Schülern die Möglichkeit sich die nicht systematischen Themenbereiche zu erforschen. Damit arbeiten die Kinder auf aller unterster Ebene wissenschaftlich. 7 Ein lernschwacher Schüler ist selbstredend auf mehr Anleitung durch den Lehrer angewiesen. 8 Diese stehen dabei nicht unter Zeitdruck, jeder darf so schnell arbeiten, wie er kann. Gerade dieses Prinzip wird der Arbeit an Sonderschulen sehr gerecht, denn diese unterrichteten bereits ohne, dass ihnen das Curriculum ständig Druck macht. Insbesondere im Falle von Lernhilfeschülern, deren Lerntempo geringer ist, als das eines „normal“ befähigten Schülers, ist es wichtig ihm, die nötige Zeit zu zugestehen. Der Unterricht an Lernhilfeschulen kann, durch die geringere Klassengröße, die eine persönliche Betreuung des Individuums Schüler ermöglicht, flexibel auf dessen Bedürfnisse reagieren.
Die von Freinet selbst praktizierten und öffentlich ausgestellten Leitungskurven werden von den heutigen Freinetlehrern nicht mehr genutzt 9 . Eine
5 Kock, Renate: Frankfurt/ Main, 1995, S.104
6 Jörg, Hans: Wolfsburg, 1985, S.29
7 Ramseger, Jörg, Weinheim/ Basel, 1991, S.137
8 Hufen, Ursula, Gießen, 1988, S.47
9 Jörg, Hans: Wolfsburg, 1985, S. 31
Seite 6 von 6
solches zur Schau stellen kann zu einem Gefühl des Zwangs führen, der nicht auf der Quantität bzw. der Schnelligkeit basiert, die zur Erledigung des Lernstoffes benötigt wird, sondern von der Klasse selbst. Ein schülerinterner Leistungsvergleich wird auch ohne das Zutun des Lehrers stattfinden, indem die Gruppe sich untereinander austauscht. Auch während der Entscheidungen über den Druck freier Texte und des damit verbundenen Vorlesens vergleicht die Klasse die Leistungen untereinander.
Kennzeichnend für das pädagogische Konzept Célestin Freinets, sind unterschiedliche Lerntheorien, die ich im folgenden kurz darlegen möchte.
3.1 Tastendes Versuchen
Freinet unterstellt jedem Menschen von Beginn an den Besitz eines „potential de vie“, einer universellen Lebenskraft, die sich im andauernden Drang nach der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse ausdrückt 10 . Dieser innere Antrieb zeigt sich im „tastenden Versuchen“, mit dessen Hilfe der Mensch seinen Zielen nachstrebt. Der Ursprung dieses Vorgangs läßt sich nicht in der bewußten Psyche finden, denn schon Säuglinge probieren sich aus:
„Der Zeitpunkt des Stillens naht. Das Baby wird sichtlich ungeduldig. Besäße es eine wie auch immer geartete Intelligenz oder eine besondere Fähigkeit, sich zu verhalten, so würde es auf Anhieb die richtige Lösung ansteuern. Es versucht den Sauggestus, der ihn nicht befriedigt, bringt den Mund ans Kopfkissen, sucht mit den Lippen, strampelt, und wenn sich kein merklicher Erfolg einstellt, schreit es.“ 11
Das „tastende Versuchen“ im frühen Stadium des Lebens erinnert an Lernen durch Experimente und die Erfahrung des Fehlers. Ohne die Handlung
10 Ramseger, Jörg: Weinheim/ Basel, 1991, S.115f.
11 Freinet, Célestin: Reinbek, 1980, S.55
Seite 7 von 7
zuvor zu durchdenken, testet man alle Möglichkeiten leichtfertig aus und eine Unterscheidung zwischen Erfolg und Mißerfolg erfolgt. 12
Dieses Prinzip setzt sich in jeder Entwicklungsstufe, die ein Mensch im Laufe seines Lebens durchläuft, fort, wobei es sich nach Beendigung der Phase des Säuglings um zwei weitere ausdehnt:
a) das Prinzip des Empfindungsvermögens: Die sensible Reaktion auf äußere Reize führt zu mechanischen Reaktionen, die allein von
„der Macht des Antriebs und der Veränderungen der äußeren Bedingungen“ 13
abhängig sind.
b) das Prinzip der Zugänglichkeit für die Erfahrung: Die Gliederung der erfolgreichen Versuche und die Erfahrung, die das Tastende Versuchen lenken, sind erste Anzeichen von Intelligenz, deren Grad sich durch Schnelligkeit und Sicherheit messen läßt. 14
Überträgt man die Idee des „Tastenden Versuchens“ auf die Sonderschule, erkennt man, dass die selbständig gemachten Erfahrungen eines Kindes eine positive Wirkung auf seine Entfaltung und den Lernerfolg haben. Etwas zu verstehen, das nur theoretisch erklärt wird, setzt eine Begabung auf intellektueller Ebene voraus 15 , deren Existenz, insbesondere an Lernhilfeschulen, nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann. Eine eigenhändig erlebte und gefühlte Erfahrung prägt sich tiefer ein. Dieses Prinzip trifft ebenso auf einen Schüler mit Lernschwäche zu, wie auch auf Kinder, deren Lernverhalten unauffällig ist. Experimente im Unterricht möchten die Theorie nicht aus den Klassenzimmern aussperren, sondern erst zusammengenommen kann das „perfekte Verständnis“ erzeugt werden. „Tastendes Versuchen“ bildet den Anstoß zu Fragen, wobei die Suche nach der Antwort
12 Ramseger, Jörg: Weinheim/ Basel, 1991, S.116
13 Freinet, Célestin:Reinbek, 1980, S.59
14 Ebd.
15 Ebd., S.69
Seite 8 von 8
aus dem eigenen Interesse erwächst. Ich erachte „tastendes Versuchen“ als eine geeignete Methode, die insbesondere Kindern mit Lernschwierigkeiten eine Möglichkeit bietet Sachverhalte zu verstehen. Insbesondere in naturwissenschaftlichen Fächern ist die Visualisierung wichtig, deren Alltagsbezug ein erhöhtes Interesse bei dem Schüler weckt. Diese Form des aktiven Lernens führt zu einer höheren Erinnerungsleistung, die auf einer erhöhten Herstellung assoziativer Verbindungen basiert 16
3.2. Freier Ausdruck
Ebenso wichtig, wie die eigenhändig gemachten Erfahrungen, ist für den französischen Pädagogen der „freie Ausdruck“, der den Schüler in seiner Persönlichkeitsentwicklung fördern soll und die unterschiedlichsten Formen annehmen kann. Der „freie Ausdruck“ öffnet dem Kind den Weg sich individuell auszudrücken und Gedanken und Gefühle der Umwelt mitzuteilen 17 . Allein das Kind kann entscheiden, ob es sich in Form von Musik, Malerei, Dichtung, Theater, Tanz, bildnerischem Gestalten oder Textproduktion ausdrücken möchte. Die Fähigkeit dem Inneren Gestalt zu verleihen nimmt in Freinets Denken gleichermaßen einen hohen Stellenwert ein, wie die Erkundung von Umwelt, Natur und Gesellschaft 18 . Das Verlassen der gewohnten Bahnen, in denen Unterricht abzulaufen hat, drückt sich insbesondere durch dieses pädagogische Leitmotiv aus, das den Schülern zugesteht sich in jedem Fach so auszudrücken, wie sie es für richtig empfinden, was voraussetzt, dass die Schule alle notwendigen Materialien bieten kann. Das einzelne Fach repräsentiert nicht mehr eine spezifische Art und Weise sich mitzuteilen, sondern öffnet sich für alle Eventualitäten. Elemente, die sich an Regelschulen kaum miteinander vereinbaren lassen, werden an Freinetschulen zu etwas Neuem zusammengefügt, das allen Schülern gestattet sich ihrem Lerntyp entsprechend zu entfalten 19 . Ich sehe in diesem Prinzip allerdings die Gefahr, dass vereinzelte Schüler sich ausschließlich
16 Gage, Nathaniel L./Berliner, David C., Boston/ Massachusetts, 1996, S.299
17 Hans, Jörg: Wolfsburg, 1985, S.22
18 Ramseger, Jörg: Weinheim/ Basel, 1991, S.120
Seite 9 von 9
auf die Form der Artikulation, die ihnen liegt, beziehungsweise in der es ihnen am leichtesten fällt sich auszudrücken, beschränken und damit andere Talente und Fähigkeiten, deren Existenz ihnen vielleicht noch gar nicht bewußt ist, außer Acht gelassen werden.
3.2.1 Freier Text und Schuldruckerei
Die zentrale Technik des Freien Ausdrucks ist der „Freie Text“, der es den Kindern ermöglicht ihr natürliches Mitteilungs- und Kommunikationsbedürfnis auszuleben, ohne dass der Kreativität Schranken gesetzt werden.
„Der freie Text muß wirklich frei sein. [...] d.h. man schreibt ihn, wenn man das Bedürfnis hat, durch Malen oder Schreiben das auszudrücken, was in einem vorgeht. [...]Der freie Text darf nicht Anhängsel an ihre schulische Arbeit sein. Er soll vielmehr Ausgangspunkt und Zentrum sein“ 20
Schreiben und Lesen zu können, war für Freinet elementar, um Erfahrungen zu machen und das eigene Handeln zu revidieren, weshalb er auch versuchte seinen Schülern die Relevanz der Beherrschung dieser Fähigkeiten zu verdeutlichen. Der Verzicht auf eine klassische Fibel basiert auf dem leichteren Verständnis, das die Schüler selbst geschriebener Lektüre entgegenbringen. Die Fertigkeit den Sinn des Gelesenen zu erfassen, ist bei dem Lesen von freien Texten gegeben 21 . Die Handlungsorientierung, die der Umgang mit Buchstaben, vor allem beim Setzen der Letter in der Druckpresse, mit sich bringt, erleichtert das Synthetisieren und Analysieren des Wortes 22 Die Notwendigkeit eines Unterrichts, dessen Anliegen es ist den gelesenen Wörtern einen Sinn zu verleihen, bestätigen die Ergebnisse der Pisa- Studie.
Die geschriebenen Texte werden der Klasse vorgelesen und der Klassenrat entscheidet, ob die Zeilen gut genug sind, um in der Klassenzeitung veröf- 19 Gehrmann,Johannes: In: Dietrich, Ingrid (Hrsg.), Weinheim/ Basel, 1995, S.207
20 Freinet, Célestin, zietiert aus: Ramseger, Jörg: Weinheim/ Basel, 1991, S.122f.
21 Hufen, Ursula: Gießen, 1988, S.50
Seite 10 von 10
fentlicht zu werden. Obwohl dem Autor das Recht auf Authentizität zuge-standen wird 23 , wird sein Text sprachlich, grammatikalisch und orthographisch untersucht bis die Qualität des Manuskripts zufriedenstellend ist und es in den Druck gehen kann 24 . Ursula Hufen schreibt in ihrer Examensarbeit das soziale werde Verhalten positiv beeinflußt wird, da die Schüler gezwungen sind im Team zu arbeiten, um erfolgreich zu sein 25 . Ich halte die gemeinsame Auswahl der Texte einerseits für sehr sinnvoll, da sie die Fähigkeit Kritik zu akzeptieren fördert, ohne sich persönlich angegriffen zu fühlen, andererseits besteht die Gefahr, dass Kinder, die weniger beliebt sind, absichtlich übergangen werden und der tiefe Wunsch Erzeuger des zu druckenden Textes zu sein, Möglichkeiten des Angriffs bietet. Meiner Ansicht nach sollte die Klasse gemeinsam Regeln aufstellen, die eine Gleich-behandlung aller garantieren. Die Chance, das Kind zu sein, das seinen Text drucken darf, kann aber auch motivierenden Einfluß haben. Positiv zu werten ist auch die Tatsache, dass die Schüler lernen, eine Sache konsequent zu Ende zu bringen, um ihren selbst gedruckten Text in den Händen zu halten 26 .
Bezüglich der Schuldruckerei bin ich etwas kritisch eingestellt. Sicherlich ist es für die Kinder ein tolles Erlebnis, wenn sie das Produkt des Druckvorgangs in den Händen halten können, aber das 21. Jahrhundert bietet meiner Ansicht nach wesentlich mehr Medien zur Veröffentlichung des selbst Geschriebenen. Ich kann mir vorstellen, dass die Kinder genauso viel Freude an der Gestaltung einer Klassen- Homepage im Internet haben, die nicht nur die Möglichkeit bietet die „freien Texte“ zu lesen, sondern auch die öffentliche Präsentation der gemalten Bilder, der Aufzeichnungen von Theaterstücken etc. ermöglicht. Zusätzlich halte ich es für wichtig, den Kindern einen kritisches Verhältnis gegenüber den neuen Medien zu vermitteln. Die Zukunft unserer Kinder, die auch denen zugänglich gemacht werden sollte, die durch das Leistungsraster fallen, wird geprägt von Computern sein,
22 ebd.
23 Gehrmann, Johannes: In: Dietrich, Ingrid (Hrsg.), Weinheim/ Basel, 1995, S.211
24 Ramseger, Jörg: Weinheim/ Basel, 1991, S.123
25 Hufen, Ursula, Gießen, 1988, S.32
26 Hufen, Ursula, Gießen, 1988, S.32
Seite 11 von 11
weshalb ein frühes Kennenlernen des Gerätes nur von Nutzen sein kann. Auch Schüler, die Lernschwächen in bestimmten Bereichen haben, können von der Nutzung der PCs profitieren, denn es gibt für jeden Jahrgang zu jedem Thema Lernsoftware, deren Layout Spaß macht und bildet. Das Internet bietet unzählige Möglichkeiten des Austauschs (z.B. E-mail- Freundschaften zu Partnerklassen im In- und Ausland, die zugleich die Fähigkeit aufbauen sollen sich in einer Fremdsprache auszudrücken) und/ oder die Recherche zu bestimmten Themen. Beim anfänglichen Umgang mit der Tastatur und den Buchstabenanordnungen, kann der Schüler in ähnlichen Maße synthetisieren und analysieren, wie beim Setzen der Lettern. Wirklich neu ist diese Idee nicht, denn bereits in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es in einer Freinetklasse in Moussac sur Vienne, einer ländlichen Gegend zwischen Poitiers und Bordeaux in Frankreich, keine klassische Schuldruckerei mehr, sondern fünf Computer und zwei Drucker, die von den Schülern mit Begeisterung genutzt wurden 27 .
Die genannten Vorschläge, auch in Bezug auf den Unterricht an Lernhilfeschulen fordern nicht, dass die klassischen Elemente der Freinetpädagogik aus den Schulen verschwinden sollen, sondern, dass die Ideen Célestin Freinets sich ebenso weiter entwickeln, wie es der Gesellschaft eigen ist und sich nicht an ein pädagogisches Ideal des letzten Jahrtausends klammern, dessen Konzept zu seiner Zeit hervorragend war, aber den heutigen Umständen nicht entspricht.
3.3 Freie Arbeit
Die Idee der „freien Arbeit“ geht zurück auf die reformpädagogische Bewegung des 20. Jahrhunderts in Europa. Célestin Freinet empfand es als ungeheuer wichtig, dass ein Mensch manuelle Arbeit verrichtet, die so früh wie möglich produktiv ist. Trotz aller Kritik, die besagte, dass man im Interesse der menschlichen Gemeinschaft und des technisch- wissenschaftli-
27 Fries, Burkhard: In: Ingrid Dietrich (Hrsg.), Weinheim/ Basel, 1995, S.82ff.
Seite 12 von 12
chen Fortschritts, die Prioritäten hin zu einem zunehmenden Wissensstand und wachsenden intellektuellen Leistungen verlagern müsse, blieb er seinem Ideal treu 28 . Das physische und intellektuelle Potential der manuellen Arbeit war in den Augen des Reformpädagogen in der Lage, Menschen zur vollkommenen Harmonie zu bewegen, da Arbeit zunächst zur harmonischen Entwicklung des Einzelnen führe, die sich zu einer sozialen Ausgeglichenheit entwickeln kann 29 . Auch Kinder verspüren schon den Willen zu arbeiten, deshalb hat Freinet nicht das Ziel, zur Arbeit zu erziehen, sondern möchte durch Arbeit erziehen, weil sie für Kinder eine natürliche Aus-drucksform sei.
Arbeit definiert Freinet als konkretes, handwerklich- praktisches Tun. Wenn also ein Kind dem Gefühl arbeiten zu wollen nachkommen möchte und dazu in der Lage ist, kann Erziehung nur dann Erfolg haben, wenn diesem Anliegen entsprochen wird 30 .
„Das Kind spielt, wenn die Arbeit seine Energie nicht ganz aufbrauchen konnte!“ 31
Die Differenzierung zwischen Arbeit mit Spielcharakter und Spiel mit Arbeitscharakter verbindet zwei Begriffe, die auf den ersten Blick völlig gegensätzlich erscheinen. Spiele mit Arbeitscharakter finden ihre Motivation, ebenso wie arbeitende Erwachsene, im Selbsterhaltungstrieb, dessen sich die Kinder bedienen müssen, um sich, nach der Beschneidung des Bedürfnisses durch Erwachsene, ihre eigene Welt zu schaffen. Spiele mit Arbeitscharakter beschreiben Spiele,
„die nach ihrer Form, ihrer Tiefe und ihren unbewußten Triebkräften in Wirklichkeit nur mehr oder weniger verspätete Erinnerungen an die Arbeit sind und all deren Merkmale haben.“ 32
28 Kock, Renate: Frankfurt/ Main, 1995, S.123
29 ebd.
30 Ramseger, Jörg: Weinheim/ Basel, 1991, S.119
31 Freinet, Célestin: Reinbek, 1980, S.82
32 ebd. S.93
Seite 13 von 13
Wenn Kindern die Möglichkeit dazu gegeben würde, das Spiel gegen die Arbeit einzutauschen, so würden sie dies tun, deshalb hält Freinet es für notwendig, diese Bedingungen in der Schule zu schaffen.
3.4. Arbeitsateliers
Um dem triebhaften Wunsch nach Arbeit, der von den Kindern ausgeht, Rechnung zu tragen, verändert Célestin Freinet seinen Klassenraum in eine Werkstatt, die in unterschiedliche Ateliers unterteilt war. Die folgende Aufzählung der denkbaren Ateliers stammt von Freinet persönlich 33 , der allerdings nicht darauf besteht die Einteilung so beizubehalten, sondern sie den Bedürfnissen der Praxis anzupassen:
a) Arbeitsecke für die Arbeitsplanung und den Wissenserwerb mit Quellen-und Dokumentensammlungen
b) Arbeitsecke für naturwissenschaftliche Experimente c) Arbeitsecke für graphisches Gestalten, schriftlichen Ausdruck und Schü-lerkorrespondenz
d) Arbeitsecke für technische Medien im Unterricht e) Arbeitsecke für Versuche und Beobachtungen von Pflanzen und Tieren f) Arbeitsecke für das künstlerische und musische Schaffen, für Holz- Metall- und Keramikarbeiten g) Arbeitsecke für das hauswirtschaftliche Tun h) Arbeitsecke für Konstruktion, Mechanik, Handel, mit Geräten zum Wiegen und Messen sowie für räumliches Gestalten
Freinet entscheidet sich bewußt gegen die Nutzung mehrerer Räume und vermeidet damit:
33 Hans, Jörg: Wolfsburg, 1985, S.26
Seite 14 von 14
„die anormale Trennung der geistig arbeitenden Klasse von dem Raum, in dem [...] [man sich] auch werktätig beschäftigt[...]“ 34
Freinet verurteilt die räumliche Trennung der beiden Beschäftigungsfelder aus der Tatsache heraus, dass diese Unterscheidung zwischen geistiger und handwerklicher Arbeit Ursache für den mittelmäßigen Ruf der Handwerker ist. Obwohl behauptet wird, dass Freinet sein pädagogisches Konzept von seiner politischen Meinung trennt 35 , denke ich, dass ihm das in der Frage des Klassenraumes nicht gelungen ist. Auch das Grundprinzip der Reformpädagogik, das eine Pädagogik vom Kinde aus postuliert, entspricht diesem Handeln nicht. Selbstverständlich sollte jeder der Beschäftigung nachgehen dürfen, zu der er sich hingezogen fühlt, ohne dass er aufgrund der Form, also handwerklich oder geistig, bewertet wird. Allerdings denke ich, dass der Geräuschpegel der Werkzeuge, das Musizieren etc. denjenigen, die geistig arbeiten wollen das Denken unnötig erschwert. Gerade an Schulen für Kinder, die unter Lernschwächen leiden, müssen Bedingungen herrschen, die weder die einen, noch die anderen in ihrer Arbeit behindern. Die tatsächliche Existenz dieser Schwierigkeit belegt der Bericht einer Lehrerin 36 , auf deren Erfahrungen ich im Verlauf dieser Arbeit nochmals eingehen möchte. Ich begrüße den Gedanken, dass eine Klasse immer die Möglichkeit besitzt einer handwerklichen Arbeit nachzugehen, aber der klasseneigene Werkraum müßte separat, trotzdem immer zugänglich sein. Im Gegensatz zu Freinet bewerte ich die Arbeiten nicht nach geistig und handwerklich, sondern nach den Kriterien „laut“ und „leise“, um jedem Schüler die optimalen Bedingen zu schaffen, die er für das Erreichen seiner Lernziele benötigt.
34 Freinet, Célestin: In: Hans, Jörg: Wolfsburg, 1985, S.26
35 vgl. Hans, Jörg: Wolfsburg, 1985, S.16
36 Mahlstedt, Barbara, S.213
Seite 15 von 15
4. Erfahrungen einer Lehrerin, die an Lernhilfeschulen nach
Freinet unterrichtet
Das folgende Beispiel, welches die Umstellung des pädagogischen Konzepts durch eine Lehrerin auf die Prinzipien Célestin Freinets dokumentiert, beschreibt die praktische Umsetzung der Ideen des französischen Reformpädagogen. Die Frau unterrichtet eine 7. Klasse einer Lernhilfeschulen. Dagmar Mahlstedt lernte die Gedanken Freinets durch Kollegen kennen und verfolgte mit der Umsetzung das Ziel, ihrem Ideal von Unterricht ein Stückchen näher zu kommen. Zu Beginn des neuen Schuljahres fanden die Schüler einen veränderten Klassenraum vor, der von Ateliers bis hin zu Gruppenarbeitstischen und Büchern neue Möglichkeiten bot. Dagmar Mahlstehdts 37 Schüler begutachteten alles . Sie erklärte ihnen den Hinter-grund der Verwandlung, informierte sie über die künftigen Änderungen und bat sie darum, fehlendes Inventar mitzubringen. Nachdem die erste Stunde im absoluten Chaos endete, unternahm Mahlstedt einen neuen Versuch die Änderungen zu beschreiben und neue Begriffe (Verfügungszeit, Klassenkonferenz, freier Text, freies Malen/ Drucken,...) zu erklären. Die Reaktionen auf die erste Zeit der Einführung des Konzepts reichten von Unsicherheit, über Neugier, bis hin zu ersten Ideen, die im Rahmen der Schule nicht durchführbar waren. Einige Schüler konnten mit der neuen Situation, insbesondere während der Verfügungszeiten, nicht von Vertrautem lassen und beschäftigten sich ausschließlich mit den „zusätzlichen Arbeitsaufträgen“. Der andere Teil wußte nichts mit sich anzufangen, Unzufriedenheit machte sich breit, so dass die Lehrerin einen Gesprächskreis einberief, um gemeinsam Ideen für das freie Arbeiten zu finden. Durchführbar war einzig das tägliche Frühstück, für dessen Vorbereitungen wöchentlich drei Schüler verantwortlich waren. Alle empfanden das tägliche Frühstück als besonders angenehm und die Organisation durch die Schüler klappte. Mittlerweile entwickelten sich auch die Schiffs- bzw. Raketenbaupläne weiter. Skizzen wurden gezeichnet und mit enormer Begeisterung las die Gruppe Modellbaubücher und erste Modelle entstanden. Viele kamen mit ihrer Arbeit nur
37 Dagmar Mahlstedt: In: Boehncke, Heiner/ Hennig, Christoph, Reibek, 1980, S.207- 221
Seite 16 von 16
schwer zurecht, alle wollten zur gleichen Zeit Barbara Mahlstedts Hilfe und Lehrerin und Schüler waren überfordert. Vier Mädchen hatten sich dazu entschlossen ein Kleid zu nähen, die reparaturbedürftigen Nähmaschinen zwangen sie zum Knöpfe annähen, das sie, nachdem das auch zu langweilig geworden war, anhand einer Wandzeitung dokumentierten. Diese Idee faszinierte die Gruppe ungemein und alle schrieben Aufsätze über Knöpfe. Die Einführung der „freien Arbeit“ ergab allerdings auch Schwierigkeiten:
Die Lehrerin war mit der neuen Situation völlig überfordert. Die Unselbständigkeit und das destruktive Verhalten einiger Schüler wurden zu einer e-normen Belastung. Der Umgang mit der neu gewonnen Freiheit, verleitete manch einen zum Nichtstun und das daraus resultierende Mißtrauen führte dazu, dass die Lehrerin kontrollierte, ob gearbeitet wurde. Auch Konflikte mit dem Kollegium, die sich darüber beschwerten, dass sich Materialien in dieser Klasse ansammelten.
Im weiteren Verlauf des Schuljahres normalisierte sich das Schülerverhalten und auch Kollegen erklärten sich bereit ihre freie Zeit in der Klasse zu verbringen und waren positiv von der Arbeitshaltung der Kinder überrascht.
5. Fazit
Grundsätzlich empfinde es als richtig und gut, an Sonderschulen für Lernhilfe nach dem schulpädagogischen Konzepts Célestin Freinets zu arbeiten, da ihr die organisatorischen Mittel, welche die Basis für einen schülerzentrierten Unterricht bilden, zur Verfügung stehen. Lernen und Lehren ohne den Druck der curricularen Lernziele im Nacken, die an Regelschulen im 45 Minutentakt in Schülerköpfe gepumpt werden müssen. Die kleine Klassengröße läßt dem Lehrer die Schüler nicht mehr als Masse erscheinen, sondern die Individualität des Schülers wird beachtet. Der Lehrende kann sich den jeweiligen Bedürfnissen anpassen und folglich da fördern, wo es tatsächlich notwendig ist.
Seite 17 von 17
Das Prinzip des „tastenden Versuchens“ entspricht ebenfalls der Natur eines Kindes, das Lernschwächen hat. Ohne dass ihm bereits Gedachtes eingetrichtert wird, kommt er in den Genuß selbst denken und verstehen zu können. Das Gefühl selbständig etwas erreicht zu haben, stärkt das Selbstbewußtsein und ermutigt dazu, sich neuen Aufgaben zu stellen. Die Irrelevanz des Lehrplans läßt dem lernschwachen Schüler ausreichend Zeit sich auszuprobieren und in seinem Tempo zu arbeiten. Das Verstehen eines Prozesses, das auf eigener Beobachtung und Erkenntnis beruht, erleichtert das Lernen. Theorien, zu denen die Schüler bereits in der Praxis Erfahrungen gesammelt haben, lassen sich leichter nachvollziehen, weil das neue Wissen an bereits Verinnerlichtes anknüpfen kann. Die Möglichkeit, zum Verstehen eines Prozesses mehr als eine Form zu nutzen, kommt den unterschiedlich geprägten Lernkanälen entgegen. Kinder, denen Verstehen leichter fällt, wenn sie praktisch erfahren, haben die gleichen Chancen, wie Kinder, die Prozesse bereits nachvollziehen können, wenn sie diese durchdenken.
Auch der Gedanke des „freien Ausdrucks“ läßt sich mit Lernhilfeschulen vereinbaren. Die Möglichkeit sich in der Form auszudrücken, die der Individualität des Schülers entspricht, bietet jedem die Gelegenheit sich selbst zu finden. Auch hier können Erfolgserlebnisse entstehen, wenn ein besonderes künstlerisches Talent zu Tage tritt, dessen Existenz demjenigen bis dahin unbekannt war. Der freie Ausdruck ermöglicht es den Schülern sich immer wieder neu auszuprobieren, neue Techniken, Instrumente, Talente zu entdecken. Der „freie Text“ stellt im Idealfall eine Verbindung zwischen dem Alltag in der Familie und dem der Schule dar. Die Inhalte der „freien Texte“ stammen zumeist aus dem privaten Bereich, deren Probleme in der Schule besprochen werden können. Voraussetzung für die Erfüllung dieses Ideals ist allerdings ein fundiertes Vertrauensverhältnis, denn wenn der Lehrer die Rolle eines pädagogischen Diktators erfüllt, der sich im Extremfall Schwächen zu Nutze macht, um Schüler anzugreifen, was in meinem Dasein als Schülerin nicht unüblich war, ist die Aussicht auf tiefergehende Aufsätze gering. Ein Öffnen der Seele kann nur eintreten, wenn in der Klasse soziale Kompetenz und Empathievermögen vorherrscht. Schüler,
Seite 18 von 18
welche die Erfahrung gemacht haben von der Gemeinschaft verlacht und gehänselt zu werden, werden sich die Blöße bestimmt nicht mehr geben wollen. Etwas kritischer beurteile ich die „Schuldruckerei“ an sich, da ich denke, dass eine zeitgemäßere Wahl des Mediums auch Wissen vermittelt, das im Zeitalter der fortgeschrittenen Technologie elementar ist. Der Umgang mit Computern ist heute fest in das Leben eingebunden und sollte den Schülern nicht verwehrt bleiben.
Um den unterschiedlichen Talenten der Schüler Genüge zu tun, halte ich es für sinnvoll „freie Arbeit“ zu ermöglichen. Neben den handwerklichen Kenntnissen, die erworben werden können, unterstützt dieses Prinzip die berufliche Selbstfindung. „Freie Arbeit“ in der Schule ermöglicht einen Einblick in unterschiedliche handwerkliche Prozesse, die hilfreich bei der Wahl des Berufes sein können, weil es möglich ist sich auszuprobieren, ohne daß Risiken vorhanden sind. Die Schule ist ein Ort, in dem man sich finden kann, ohne weitreichende Konsequenzen, beispielsweise den Verlust einer Lehrstelle, tragen zu müssen.
Eine Umsetzung der Theorie Freinets gestaltet sich meiner Ansicht nach nicht immer einfach und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Ich halte es für diffiziler, wenn es sich bei den Schülern um Ältere handelt, deren Erfahren des Unterrichts bisher von Fremden bestimmt war und die ihr Schülerdasein passiv bestritten haben. Die von Pädagogen gepriesene Freiheit kann für sie zu einer Belastung werden, die sie überfordert. Obwohl das beschriebene Beispiel der Lehrerin Barbara Mahlstedt nicht repräsentativ ist, zeigt es deutlich, wie viel Zeit Kinder, die es bislang nicht gewohnt waren eigenen Interessen nachzugehen, zur Gewöhnung benötigen. Vor der Umstellung des pädagogischen Konzepts sollten sich die Verant-wortlichen fragen, welche Konsequenzen es für die Schüler mit sich bringen kann. Daher befinde ich die Einführung dieses Konzepts zu Beginn eines Schülerlebens als sinnvoll. Insbesondere für lernschwache Schüler beurteile ich es als wichtig, dass bekannte Strukturen die Kinder ein Schulleben lang begleiten, auch um die Konzentration auf die Inhalte des Unter- richts zu lenken, die in Schülerköpfen in den Hintergrund treten können,
Seite 19 von 19
wenn es interessanter ist, den neuen Klassenraum zu begutachten. Das soll nicht ausdrücken, dass um jeden Preis die althergebrachten Formen beibehalten werden soll. Meiner Meinung nach ist es vernünftig in derartigen Klassen Schritt für Schritt Elemente der Freinet- Pädagogik einzuführen. Im langfristigen Verwandlungsprozeß kann der Lehrer flexibel auf die Bedürfnisse der Schüler reagieren und das Geschehen der Aufnahmefähigkeit anzupassen.
Nichtsdestotrotz sollte die maßgebliche Figur des Unterrichts und dessen methodisch- didaktischer Organisation das Kind sein. Nur um dem Ideal eines Pädagogen Genüge zu tun, sollte man nicht gradlinig eigene Ziele verfolgen, was dem reformpädagogischen Geist der „Pädagogik vom Kinde aus“ widerspräche.
Seite 20 von 20
6. Literaturverzeichnis
Freinet, Célestin: ausgewählte Texte des Pädagogen. In: Boehncke, Heiner/ Hennig Christoph: Pädagogische Texte mit Beispielen aus der praktischen Arbeit nach Freinet, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1980
Fries, Burkhard: Eine Freinet- Schule auf dem Land- in den 90ern. Kein Beitrag über die Schuldruckerei. In: Dietrich, Ingrid (Hrsg.): Handbuch Freinet- Pädagogik- Eine praxisbezogene Einführung, Beltz Verlag, Weinheim/ Basel, 1995
Gage, Nathaniel L../ Berliner, David C.: Pädagogische Psychologie, 5. überarbeitete Auflage, Beltz- Verlag, Boston/ Massachusetts, 1996
Gehrmann, Johannes: Feinet-Pädagogik in der Sekundarstufe I, In: Dietrich, Ingrid (Hrsg.): Handbuch Freinet- Pädagogik- Eine praxisbezogene Einführung, Beltz Verlag, Weinheim/ Basel, 1995
Hans, Jörg: So macht Schule Freude, eine Schule, die Kindern das Wort gibt- Freinet- Pädagogik in Texten, Dokumenten und Bildern, Immen- Verlag, Wolfsburg, 1985
Hufen, Ursula: Grundlagen der Freinetpädagogik im Unterricht bei lernschwachen Schülern (Examensarbeit), Gießen, 1988
Kock, Renate: Die Reform der laizistischen Schule bei Célestin Freinet-Eine Methode begreifender Volksbildung, Peter Lang GmbH, Frankfurt/ Main, 1985
Mahlstedt, Dagmar: Freinet- Pädagogik in der Oberstufe einer Sonderschule (Sonderschule 7. Und 8. Klasse) In: Boehncke, Heiner/ Hennig, Christoph: Pädagogische Texte mit Beispielen aus der praktischen Arbeit nach Freinet, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, 1980
Ramseger, Jörg: Was heißt „durch Unterricht erziehen“? Erziehender Unterricht und Schulreform- Studien zur Schulpädagogik und Didaktik, Bd. 5, Beltz- Verlag, Weinheim/ Basel, 1991
Schlagworte:
Seminararbeit, hausarbeiten.de, freier-Ausdruck, tastver, e-book,
summary:
-
Notiz:
Bewertung: 1,
Uni Gießen
Titel: Freinetpädagogik an Lernhilfeschulen
Veranstaltung: Seminar: Einführung in die Theorie und Praxis der Freinet- Pädagogik
Autor:Judith OhlmesJahr: 2002
Seiten: 21
Archivnummer: V107985
ISBN (eBook): 978-3-640-06189-1
DOI: 10.3239/9783640061891
Dateigröße: 219 KB
Sprache: Deutsch
|
ID: 1528 | hinzugefügt von Jürgen an 12:12 - 28.10.2002 |
title: Demokratie Lernen im Sachunterricht: Ansätze und Konzeptionen by Ortmann, Mark |
|
Text:
INHALTSVERZEICHNIS II
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Zum Begriff Politik 4
2.1 Ein Definitionsproblem: Der Begriff Politik 4
2.2 Drei Dimensionen des Politikbegriffs in der Didaktik 6
2.3 Der Politikzyklus als Analysemodell 8
3 Zum Begriff Demokratie 11
3.1 Vorüberlegungen 11
3.2 Demokratietheorien 13
3.2.1 Klassische Demokratietheorien 13
3.2.2 Empirische Demokratietheorien 15
3.2.3 Partizipatorische Demokratietheorien 16
3.2.4 Zu den Demokratietheorien: Stärken und Schwächen 17
3.3 Ein Begriff von Demokratie f ur den Sachunterricht 19
3.4 Die wesensbestimmenden Elemente von Demokratie 21
3.4.1 Zum Begriff der Mündigkeit 21
3.4.2 Zum Begriff der Partizipation 25
4 Begründung und Bedeutung des Themas Demokratie Lernen
im Sachunterricht 29
4.1 Gesellschaft und Demokratie 29
4.2 Nationalsozialistische Vergangenheit und Demokratie Lernen 30
4.3 Demokratie in der Lebenswelt von Kindern 32
4.4 Demokratie Lernen als Aufgabe des Faches Sachunterricht? 37
4.5 Demokratie Lernen in den Richtlinien und Lehrplänen des Faches Sachunterricht 38
4.6 Demokratie Lernen im Perspektivrahmen der GDSU 40
INHALTSVERZEICHNIS III
5 Demokratie Lernen im Sachunterricht - eine Bestandsaufnahme 45
5.1 Fachliteratur Sachunterricht und Demokratie Lernen 45
5.2 Didaktische Konzepte und Demokratie Lernen 46
6 Demokratie Lernen:
Ansätze und Konzeptionen 50
6.1 John Dewey 50
6.2 Erziehung ohne Zwang": Célestin Freinet 54
6.3 Das Konzept der Alliierten nach 1945: Re-education 59
6.4 Erziehung zur Mündigkeit nach Auschwitz":
Theodor W. Adorno 61
6.5 Die Schule als Polis: Hartmut von Hentig 64
7 Ansätze und Konzepte:
Demokratie Lernen im Sachunterricht 69
7.1 Vorüberlegungen 69
7.2 Demokratie Lernen im handlungsorientiertem Sachunterricht 71
7.2.1 Umgang mit Schwachstellen der Demokratie:
Fremdenfeindlichkeit 74
7.3 Ein Konzept von Demokratie Lernen im Sachunterricht 75
7.3.1 Das Aquarium 76
7.3.2 Der Klassenrat 77
7.3.3 Die Zukunftswerkstatt 78
7.3.4 Der Comic 80
7.3.5 Zum Comic Möhrenverschwörung in Hanisauland 81
7.3.6 Hanisauland im Sachunterricht 83
8 Resümee 85
1 Einleitung
In meiner Arbeit werde ich erörtern, welche Inhalte für Demokratie Lernen von Bedeutung sind und wie der Sachunterricht diese vermitteln und für Kinder erfahrbar machen kann. Die Intention zu dieser Frage ergibt sich aus der Sachlage, dass es dem Sachunterricht anscheinend an didaktischen Konzepten und Unterrichtsmaterialien mangelt. Die Frage die damit einhergeht ist, warum diese nicht existieren? Eine Begründung des Themas erfährt Demokratie Lernen durch den bildungspolitischen Anspruch der Grundschule, Kinder zu Freiheit und Demokratie zu erziehen. Damit hat die Grundschule und gerade der Sachunterricht die Aufgabe, Kinder zu demokratischem Verhalten und Handeln zu befähigen.
Eine erste Grundlage für eine konzeptionelle Umsetzung von Demokratie Lernen im Sachunterricht ist eine Theorie über die heutige Gesellschaft, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll, da dies den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Es sei nur angemerkt, dass eine solche Theorie notwendig erscheint, "da sie die Kategorien bereitstellt, mit denen Strukturen alltäglicher Lebenswelten und systemischer Eingriffe analysiert und als objektive Bedingungen von Wirklichkeit aufgezeigt werden können". (Richter, 1996, S. 278) Eine Theorie über die Gesellschaft muss aber auch Sozialisationsprozesse systematisieren, da hierdurch gezeigt werden kann, wodurch Kinder beeinflusst werden. Nur so kann die Lebenswelt der Kinder erschlossen werden, und der Sachunterricht kann entsprechend seiner Maxime, sich an der Lebenswelt der Kinder zu orientieren, auf solche Phänomene reagieren und sie im Unterricht aufgreifen. (vgl. ebd.)
Im folgenden Kapitel werde ich mich zunächst mit dem Begriff Politik auseinandersetzen, da Politik und Demokratie zwei eng miteinander verbundene Gegenstandsbereiche sind, die sich gegenseitig bedingen. Demokratie Lernen ist auch immer politisches Lernen und somit spielt der Begriff der Politik im Kontext von Demokratie Lernen eine zentrale Rolle. Im dritten Kapitel wende ich mich dann dem Begriff Demokratie zu, und nähere mich diesem auf verschiede- ne Art und Weise, um letztlich auf die Frage, was bedeutet Demokratie Lernen im Sachunterricht?, eine Antwort zu finden, und damit auch, welche Inhalte unter dem Gesichtspunkt Demokratie Lernen im Sachunterricht aufzugreifen sind. Im nächsten Kapitel geht es um die Frage, warum Kinder (überhaupt) in der Schule Demokratie lernen sollen, und warum sich gerade der Sachunterricht mit diesem Thema auseinandersetzen soll. Dafür lassen sich gesellschaftliche und auch historische Gründe anführen, die ich zunächst erörtern werde. Weiterhin wird diskutiert, ob und inwieweit Demokratie in der Lebenswelt von Kindern eine Rolle spielt, denn auch die kindliche Lebenswirklichkeit bietet Gründe dafür, warum (bereits) Kinder Demokratie (in der Schule) lernen sollen. Abschließend werde ich den Lehr- und Bildungsauftrag des Faches Sachunterricht erörtern und den Lehrplan Sachunterricht sowie den Perspektivrahmen Sachunterricht daraufhin betrachten, ob und in welcher Weise Demokratie Lernen darin eine Rolle spielt. Infolge dessen werden Widersprüche im Anspruch des Sachunterrichtes, von der Lebenswelt der Kinder auszugehen, festgestellt. Im fünften Kapitel wird aufgrund dieser Widersprüche eine These von Richter verfolgt, der Sachunterricht führe überliefertes im Sinne von Traditionen fort. Dies würde bedeuten, dass der Sachunterricht seiner eigenen Maxime, sich an der Lebenswelt der Kinder zu orientieren und auf gesellschaftliche Veränderungen entsprechend zu reagieren, nicht gerecht wird, wie dies auch im Lehrplan schon aufgezeigt werden konnte. Da die These von Richter belegt werden kann, wird im sechsten Kapitel darüber diskutiert, wie der Sachunterricht im Kontext von Demokratie Lernen eben ein solches wirklichkeitsfremdes und naives Lernen vermeiden kann. Dazu wird zunächst darüber diskutiert, ob und in welchem Verhältnis Demokratie Lernen, politisches Lernen, soziales und historisches Lernen stehen. Daran anschließend werden verschiedene Konzepte aus der Philosophie und der Pädagogik vorgestellt und beschrieben. Diese Konzepte orientieren sich stark an den in Kapitel drei aufgezeigten wesensbestimmenden Elementen von Demokratie und gehen zumeist von den Erfahrungen und der Lebenswelt der Kinder aus. Diese Konzepte können für den Sachunterricht Anhalts- und Orientierungspunkte sein. Im siebten Kapitel werden anhand des Comics "Möhrenverschwörung in Hanisauland" einige Überlegungen und Ansätzen von Demokratie Lernen im Sachunterricht unternommen. Abschließend werden im Resümee die wichtigsten Punkte dieser Arbeit noch einmal zusammengefasst und es werden Anregungen zu weiteren Überlegungen dargestellt.
2 Zum Begriff Politik
Bevor ich mich dem Thema Demokratie Lernen und dem Begriff der Demokratie zuwende, setze ich mich mit dem Begriff der Politik auseinander. Dies ist notwendig, da sich beide Begriffe ergänzen und nicht voneinander zu trennen sind. Dies verdeutlicht sich in der Tatsache, dass sich im Demokratie Lernen auch immer eine politische Dimension verbirgt: zum einem in den Institutionen innerhalb einer Demokratie selber, zum anderen im Willensbildungsprozess, in dessen Sachverhalt das Politische erkannt werden muss. Demokratie Lernen hat ohne jeden Zweifel etwas mit politischer Bildung gemein. Daher müsste in dieser Arbeit auch von demokratisch politischem Lernen die Rede sein, um im Kern das zu treffen, was gemeint ist. (vgl. Himmelmann 2005, S. 24) Demokratie Lernen beinhaltet aber im Gegensatz zu Politik Lernen "einen höheren Grad an normativer und konkret gesellschaftsbezogener Identität (...) und strahlt eine größere Legitimationskraft" und gesellschaftliche Legitimation für politisch demokratisches Lernen aus. (ebd. S. 25) Aus diesen Gründen soll hier nicht von politischem Lernen sondern von Demokratie Lernen gesprochen werden.
2.1 Ein Definitionsproblem: Der Begriff Politik
Der Begriff Politik wird in Politiklexika wie folgt definiert: "Politik bezeichnet jegliche Art der Einflussnahme und Gestaltung sowie Durchsetzung von Forderungen und Zielen, sei es in privaten oder öffentlichen Bereichen." (Schubert/Klein 1997, S. 213) Mit Definitionen dieser Art, die sehr allgemein gehalten sind, läßt sich konkret nur sehr wenig anfangen. In der Politikwissenschaft gibt es jedoch zahlreiche weitere Definitionen von Politik und was sie ausmacht. So beschreibt Lehmbruch (1968,S.17) Politik als ein "gesellschaftliches Handeln (...), welches darauf gerichtet ist, Konflikte über Werte verbindlich zu regeln".
Mit dieser Definition macht Lehmbruch deutlich, dass Politik und die damit verbundene Willensbildung von der Gesellschaft ausgeübt wird und nicht von einer Gruppe oder einzelnen Personen. Nach Lehmbruch hat jedes Mitglied einer Gesellschaft die Möglichkeit, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Politik ist die Lösung von gesellschaftlichen Problemen und Konflikten, indem Werte vermittelt werden, die dann für das gesellschaftliche Kollektiv verbindlich sind.
Betrachtet man weitere Politikdefinitionen, so stellt man fest, dass eine einheitliche Definition nicht existiert. Dies kann zum einen aufgrund unterschiedlicher kultureller Hintergründe erklärt werden zum anderen aufgrund der ideengeschichtlichen Tradition. Die Ansichten von "Politikbegriffen gehen auf unterschiedliche ideengeschichtliche Traditionen und historische Erfahrungen zurück, und sind von unterschiedlichen Interessen geprägt". (Massing/Skuhr 1993, S. 242) Vielmehr existiert ein Pluralismus verschiedener Ansichten, wie oder was Politik ist und sein sollte, die auf "unterschiedlichste Gegenwarts- und Zukunftsinteressen" zurückzuführen sind und sich folglich daraus auch immer eine andere "Beschreibung der Aufgaben" von Politik und somit auch politischer Bildung ergibt.(von Reeken, 2002, S. 9)
Auch Schmitt stellte seiner Theorie des Politischen die Bemerkung voran, dass die Politikwissenschaft keine eindeutige Definition liefern könne, weil in Definitionen, die für das Politische als wesentliches Merkmal den Begriff der "Macht" anführten, "Macht" meistens mit "staatlicher Macht" gleichgesetzt sei, wie "Politik" überhaupt häufig mit "Staat" identifiziert würde. (vgl. Schmitt 2003, S. 21)
Diese begriffliche Gleichsetzung sei so lange zulässig, wie "der Staat eine klare, wirklich eindeutig bestimmbare Größe ist, und den nicht-staatlichen, eben deshalb unpolitischen Gruppen gegenüber steht". (ebd., S. 23) In solchen Fällen hat der Staat das "Monopol des Politischen". In einer Verfassung, in der Staat und Gesellschaft sich durchdringen und nicht mehr klar voneinander abgrenzbar sind, ist die Gleichsetzung von Staat und Politik nicht zutreffend. Politisch wäre dann, zumindest der Möglichkeit nach, alles. überträgt man das Verständnis, dass alles politisch werden kann, auf die Vorstellung des Demokratie Lernens im Sachunterricht, so ergibt sich als das zentrale Problem, wo die Grenzen von politischem und damit auch die von Demokratie Lernen zu setzen wären? (vgl. von Reeken 2001, S. 8) Eine Antwort kann der Politikbegriff in drei Dimensionen geben.
2.2 Drei Dimensionen des Politikbegriffs in der Didaktik
Mit der Unterteilung des Politikbegriffes in drei Dimensionen wird Politik nicht normativ definiert, sondern in einen entscheidungstheoretischen Zusammenhang gestellt. Die Verwendung der drei Dimensionen soll es Lehrern und Lehrerinnen erleichtern, sich einem politischen Problembereich anzunähern und ihn zu strukturieren. Politik wird gesehen als ein "Prozess zur Herbeiführung
verbindlicher Entscheidungen für ein Gemeinwesen". (Bundeszentrale 1994, S. 20 f.) Politik wird also als ein pragmatischer Diskurs bestimmt, der direkt zu lösungsorientierten Handlungen führen soll. Durch die Dimensionalisierung der Erscheinung Politik in 1. (polity)/Form, 2. (politics)/Prozess und 3. (policy)/Inhalt soll der Politikbegriff für politisches Lernen anwendbar gemacht werden. Diese Einteilung in institutionelle Strukturen (polity), Verfahrensabläufe (politics) und Probleminhalte (policy) soll eine schnelle und einfache Konkretisierung der abstrakten Struktur des Politikbegriffes ermöglichen. Diese aus dem englischem Sprachgebrauch stammende Dimensionalisierung wurde in den 70er Jahren von Karl Rohe in die deutsche Politikwissenschaft eingeführt (vgl. Kuhn 1999, S. 53) und ist gerade in der Fachdidaktik weit verbreitet, da sich die Einteilung in drei Dimensionen als praktischer darstellt als der analytische sehr schwer zu reduzierende Begriff Politik der deutschen Sprache. "Mit Hilfe des Dimensionen-Modells lassen sich Schwerpunkte für didaktische Perspektiven formulieren." (Kuhn 1999, S. 53) Im Einzelnen beschreiben die drei Dimensionen folgende Aspekte des Politischen: 1. Die formale Dimension von Politik (polity) umfasst die grundlegenden politischen Institutionsstrukturen von Demokratie wie: "Verfassung, Grundrechte, Wahlen, Parteien, Verbände, Repräsentationen, Gewaltenteilung, Bundestag, Bundesrat/Föderalismus, Bundesregierung, Kanzler, Bundesverfassungsgericht, Verwaltung" weiterhin die politische Kultur einer Gesellschaft und ihr politisches Bewusstsein. (Himmelmann 2005, S.16) Polity beschreibt also den "Handlungsrahmen von Politik". (von Reeken 2001, S. 9)
2. In der prozessualen Dimension von Politik (politics) geht es um die politische Willensbildung, also den Diskurs und Kompromisse, "und damit auch um Legitimations- und Entscheidungsvariable wie: Bedürfnis- und Interessenlagen der Menschen, Konflikt und Wettbewerb zwischen den Parteien, Bürgerinitiativen und Verbänden, Stadien der Entscheidungsfindung, Wege der Einflussnahme, Konfrontation, Macht, Herrschaft, Konsens, Kompromiss, Entscheidung und Revision, sowie Legitimation und Effizienz von Entscheidungen. Nicht zu vergessen: Bürgerrechte und Bürgerpflichten sowie bürgerschaftliche Qualifikation für die politische Partizipation". (Himmelmann 2005, S. 16)
3. Die inhaltliche Dimension von Politik (policy) umschreibt die verschiedenen Fragestellungen unterschiedlicher Felder außerdem "Aufgaben und Ziele, politische Programme, einzelne Politikfelder (...), aber auch die Wert- und Orientierungssysteme, die hinter den Programmen und politischen Überzeugungen stehen". (von Reeken 2001, S. 9) Es geht also um die "exemplarische Erörterung einzelner politischer Probleme und Sachthemen". ( Himmelmann 2005, S.16) Die Dimension (policy) befasst sich also "mit der ständigen Wiederkehr und mit der Zyklizität politischer Problemverarbeitung". (ebd.)
Diese Unterteilung des Politischen in drei Dimensionen macht zwar den Kern von Politik deutlich, ist aber insofern problematisch, als dass die einzelnen Dimensionen nicht trennscharf sind. Das Modell hat also seine Grenzen, denn es kann sich nicht "bruchlos in die politische Wirklichkeit" (Kuhn 1999, S. 54) übertragen lassen. In der politischen Realität lassen sich Schlüsselfragen aus bestimmten politischen Bereichen und politischen Phänomenen nicht im- mer eindeutig einer Dimension zuordnen.
So gehört beispielsweise die politische Kategorie "Interesse" zur formalen Dimension (polity). Betrachtet man sie aber unter dem Aspekt von Interessenkonkurrenz und -konflikt, lässt sie sich auch in die inhaltliche Dimension, also policy, einordnen. Damit stellt sich die Frage, ob die durch die Dimensionalisierung des Politikbegriffs angestrebte Strukturierung im Schulalltag auch entfaltet werden kann. Auch wenn darauf hingewiesen wird, dass die einzelnen Dimensionen im Zusammenhang zu verstehen sind und nur für analytische Zwecke getrennt werden, besteht die Gefahr, dass dies innerhalb der Analyse selbst vergessen wird und sich die Dimensionen verselbstständigen. "In einer solchen begrifflichen Unterscheidung ist die eigensinnige Tendenz zur Verselbstständigung angelegt, die zu einer künstlichen Zergliederung und Separierung des" politischen Realzusammenhangs führt. (Massing 2002, S. 174)
2.3 Der Politikzyklus als Analysemodell
Der Politikzyklus auch "policy cycle" oder "policy-Prozeß" genannt, ist ein Analysemodell der Politikwissenschaft, das vor allem in der Policy Forschung genutzt wird. Politik wird als ein Arbeitsbegriff gesehen. Politik wird definiert als eine prinzipiell endlose Kette, "in der sich der Versuch einer Bewältigung der geschichtlichen Gegenwart und Zukunft und der darin enthaltenen Problemen abzeichnet". (Kuhn 1999, S. 185)
Der Vorteil dieses Modells, in dem Politik (analysiert und) als Prozess der Problemverarbeitung und -lösung beschrieben wird, besteht darin, dass sich die einzelnen Phasen dieses Prozesses beschreiben lassen, von denen Politik bestimmt wird. (vgl. Kuhn, 1999, S. 185) Diese Phasen, auch "sequentielle Kategorien" genannt, werden wie folgt beschrieben: "Ein Problem tritt als solches ins öffentliche Bewusstsein, wird aufgrund der Forderung bestimmter Gruppen und dominanter gesellschaftlicher Wertvorstellungen als handlungsrelevantes Problem definiert und auf die politische Entscheidungsagenda gesetzt". (ebd.) Begleitet von Auseinandersetzungen und Aushandlungsprozessen zwischen "verschiedenen politischen Gruppen wird das Problem in die Form einer politisch-administrativ verbindlichen Entscheidung gebracht, die dann im Durchführungsprozeß durch nachgeordnete politische und administrative Akteure, gesellschaftliche Gruppen und Organisationen sowie Einzelbürger ihre konkrete Ausgestaltung erfährt. Die daraus resultierenden konkreten Policy-Ergebnisse und -Wirkungen (...) schließlich rufen eine politische Reaktion der Zustimmung oder Ablehnung hervor, die wiederum politisch umgesetzt wird und zu Weiterführung, Veränderung oder Beendigung der Policy führt." (Windhoff-Heritier 1987, S. 65)
Für eine didaktische Umsetzung von Themenbereichen der Politik im Kontext des Sachunterrichts bietet das Modell gerade im Bezug auf die Einarbeitung in einen Sach- oder Problembereich Vorteile. Der Sach- oder Problembereich kann auf die Grundstrukturen Problem, Auseinandersetzung, Entscheidung, Bewertung, Reaktion und neues Problem reduziert werden. Der Arbeitsbegriff, von dem der Politikzyklus ausgeht, beschreibt Politik in einer Art und Weise, die im Kontext von Demokratie Lernen im Sachunterricht als sinnvoll anzusehen ist. Erstens, weil der Arbeitsbegriff den individuellen Auffassungen von Politik gerecht wird und zweitens, weil er Politik als Lösungsversuch von Problemen der Gegenwart wie der Zukunft sieht. Diese Feststellung erscheint mir für den Kontext von Demokratie Lernen sinnvoll, denn sie grenzt den Rahmen dessen, was mit Politik gemeint ist, ein. Dennoch weist auch dieses Modell deutliche Grenzen auf. "Der skizzierte Politikbegriff als Arbeitsbegriff" (Kuhn 1999, S. 184) umfasst nicht alle Aspekte, unter denen sich Politik vollzieht.
Da der Politikzyklus einen selektiven Charakter aufweist, der in den sequentiellen Kategorien zu finden ist, liegt eine weitere Schwäche dieses Modells darin, dass "politische Probleme den Politikzyklus erst dann erreichen, wenn sie Gegenstand eines politischen Willensbildung- und Entscheidungsprozesses sind". (Kuhn 1999, S. 184 f) Das größte Problem des Politikzyklus als Analysemodell besteht jedoch darin, dass "bei der Untersuchung eines politischen Sachverhalts mit Hilfe der Dimensionen des Politischen (...) der Prozeßcharakter von Politik leicht verloren" geht. ( Breit 1993, S. 3) Politik ist ein dynamisches Phänomen: Im Modell erscheint sie aufgrund der Separierung in einzelne Dimensionen als etwas statisches ohne Entwicklung und Vorgeschichte. (vgl. Breit 1993, S. 3 und Kuhn 1999, S. 54) Ein bestimmter politischer Sachverhalt kann mit Hilfe des Modells also nur zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst werden. Zu konstatieren ist: Politik ist kein Begriff, der sich leicht definieren lässt. Er unterliegt den ständigen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen. Politik in einer Demokratie ist ein Prozess, der immer wieder mit der Aufgabe konfrontiert wird, Positionen und Entscheidungen zu überdenken, zu korrigieren und zu revidieren, um neue Lösungen zu finden.
3 Zum Begriff Demokratie
3.1 Vorüberlegungen
Befragt man die zuständige Fachwissenschaft und verschiedene Politiklexika zum Demokratiebegriff, so stellt man schnell fest, dass es nicht einen Ansatz oder eine Theorie zur Demokratie gibt. Es gibt vielmehr eine unüberschaubare Anzahl von Demokratiedefinitionen. Mal wird Demokratie als "Herrschaftsform " beschrieben: "Die Demokratie ist der moderne absolute Staat, die Allmacht begründet durch die Macht aller unter der Ideologie, der Mythe der Freiheit und Gleichheit." (Hättich 1967, S. 17) Greven dagegen sieht sie eher als eine "Kultur", denn "nur wenn man die kulturelle Dimension der westlichen Demokratie angemessen berücksichtigt, kann man erkennen, dass die Ablehnung der Demokratie als Ganzes oder einzelne ihrer Elemente zurückweisen, werden wir auf die Besinnung und Reflexion unserer eigenen kulturellen und politischen Identitäten im Rahmen der westlichen Demokratie zurückverwiesen." (Greven 1998, S. 29) Und schließlich sieht Honneth in der Demokratie eine "reflexive Kooperation." (1999, S. 37-65) Es existieren aber nicht nur unterschiedliche Definitionen von Demokratie, sondern auch unterschiedlichste Demokratietheorien (vgl. Himmelmann 2005, S. 35 f). Auch in der Politikdidaktik gibt es keine einheitliche Demokratietheorie, sondern einen Pluralismus verschiedener Lehrmeinungen, "die sich nicht in einer einzigen handfesten Definitionsformel verdichten" lassen. (Guggenberger 1989, S. 130). Abromeit konstatiert, dass "die Geschichte der Demokratietheorie eine Geschichte des Zweifels - nicht nur an der Realisierbarkeit, sondern letztlich auch an der Wünschbarkeit des liberalen Ideals" sei. (2002, S. 81) Der Begriff Demokratie bezieht sich auf vielfältige Fragen und Probleme der Theorie und Praxis, die je nach Theorieansatz unterschiedlich beantwortet werden können oder ungelöst bleiben.
In Bezug auf die Frage nach Sinn und Zweck von Demokratie gehen z. B. Überlegungen der klassische Demokratietheorie dahin, dass das Individuum auch unter den Bedingungen von politischer Herrschaft seine "naturgegebene" Freiheit und damit seine individuelle Selbstbestimmung behält. Die individuelle Selbstbestimmung kann aber auch als eine Selbstbestimmung im Kollektiv unter dem Aspekt der "Herrschaft der Vernunft" betrachtet werden. Die Legitimierung politischer Herrschaft basiert damit in einem Fall auf dem Bezug zur Gesellschaft und ihrer Selbstbestimmung und im anderen Fall auf der Vernunft. Damit erfolgt eine Legitimation von Demokratie in einem Fall über die Kontrolle von politischer Herrschaft, im anderen Fall soll sie individuelle Freiheit und Selbstbestimmung auch unter dem Aspekt von Herrschaft gewährleisten. (vgl. Abromeit 2002, S. 114, und Burk 2003, S. 14) Jede Demokratietheorie beruht auf einer bestimmten Vorstellung vom Volk demos: "wer ist es, der sich selbst bestimmt, der mitbestimmen darf, der "Mitgliedschaftsrechte hat, der die kollektiven Entscheidungen mitträgt?" (Abromeit 2002, S. 115) Hierzu kann die Frage der Verbundenheit über nationale, kollektive, historische, politische und kulturelle Identität sowie einer kollektiven Kommunikations-, Erfahrungs- und Erinnerungsgemeinschaft weiter angeführt werden, denn Vorstellungen über das Volk basieren auf diesen Aspekten. Die Lösungen dieses Problems sehen je nach Demokratietheorie daher ganz verschieden aus.
Eine zentrale Frage ist die nach dem Individuum in einer Demokratie und seiner Autonomie.
Egal von welcher der vielfältigen Demokratietheorien man ausgeht, immer ist diese verbunden mit einer Vorstellung davon, welche Rolle das Individuum innerhalb der Demokratie spielt. Die Vorstellung von der Rolle des Individuums steht immer im Kontext der Frage nach seiner Freiheit, seiner Autonomie im Verhältnis zur Gesellschaft ebenso wie zu kollektiven Entscheidungen. (vgl. Abromeit 2002, S. 122) Jede Demokratietheorie befindet sich also immer in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Individuum und dem Volk "demos".
Somit muss sich auch jede Demokratietheorie mit der Frage befassen, wie sie mit dem Verhältnis von Mehr- und Minderheit, Regierung und Opposition, individuellem und kollektivem Willen umgeht. Selbstbestimmung ist im Kern vom Willen des Einzelnen abhängig; wie geht man mit diesem Problem um?
Findet sich auf der Seite der Individuen und der Gemeinschaft einerseits eine Verbundenheit zu Solidarität und Emphatievermögen, so lassen sich andererseits in jeder Form von Demokratie auch Egoismus und Selbstsucht bei den Individuen feststellen.
3.2 Demokratietheorien
Da solche Fragen je nach Demokratietheorie unterschiedlich beantwortet werden, sollen im Folgenden die drei wichtigsten und am häufigsten im Gebrauch befindlichen Demokratietheorien in ihren Grundgedanken skizziert werden. Die Vorstellung von diesen verschiedenen Auffassungen soll dazu dienen, sich dem Begriff "Demokratie" von verschiedenen Seiten zu nähern, und damit den Rahmen dessen zu bestimmen, worum es beim Demokratie Lernen geht.
3.2.1 Klassische Demokratietheorien
Im Zentrum der klassischen Demokratietheorien steht die Frage, wie die naturgegebene individuelle Freiheit des Menschen auch dort erhalten werden kann, wo Herrschaft, Zwänge, Unterwerfung und damit kollektive Entscheidungen notwendig sind, wie sich also eine Regierung - und damit Herrschaft - mit der individuellen Freiheit jedes Einzelnen vereinbaren lässt. Im Naturzustand, so die Klassiker (Kant, Lock, Rousseau) gibt es keine Unterwerfung, und es wird keine Regierung benötigt. Diesen Naturzustand, den die Klassiker als das Paradies bezeichnen, haben die Menschen verloren. Dass eine Regierung notwendig ist, sehen die Klassiker vor allem in der Tatsache von Privateigentum und den Folgen menschlicher Unzulänglichkeit. (vgl. Abromeit 2002, S. 73) Die Klassiker bieten drei sich ergänzende Lösungsansätze, die den Erhalt der naturgegebenen individuellen Freiheit trotz Herrschaft weiter garantieren sollen.
• Die erste Lösung ist der "Gesellschaftsvertrag".
Diesen Vertrag schließen die Menschen einvernehmlich zum Zweck der Etablierung einer Regierung. Diesem Vertrag ist die Regierung verpflichtet. Auf diese Weise bleibt die individuelle Freiheit erhalten, da "doch jeder, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genau so frei bleibt wie zuvor". (Rousseau 1977, S. 17)
• Der zweite Lösungsweg besteht darin, dass Bedingungen geschaffen werden, unter denen Regieren zwangsläufig von Vernunft bestimmt und somit gerecht ist (vgl. Abromeit 2002, S. 74).
Diese Bedingungen sind dann geschaffen, wenn jedes Individuum die Freiheit besitzt, "von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen" (Kant 1965, S. 2), und so ein Prozess gegenseitiger Korrektur und Selbstkorrektur gewährleistet ist. Auf diese Weise entwickelt sich eine Herrschaft der Vernunft, die jedem Einzelnem gegenüber gerecht ist, weil sie nicht Unterwerfung, sondern letztlich den Gebrauch des eigenen Verstandes und damit der eigenen Freiheit fordert.
• Der dritte Lösungsansatz beruht auf der öffentlichen Diskussion, denn sie ist laut den Klassikern der Garant für die gerechteste und vernünftigste Lösung.
Der klassische Ansatz von Demokratie zielt also auf ein die gesamte Gesellschaft umfassendes Ideal einer "Realisierung des vernunftbestimmten Wohls der Gesamtheit wie aller Einzelnen". (Abromeit 2002, S. 79) Herrschaft ist hier nicht existent. Das Ideal zielt vielmehr auf die Befreiung der Menschen aus der Unmündigkeit. Demokratie ist aus der Sicht der klassischen Demokratietheorie nicht nur eine Sache von Verfahren", (ebd.) sondern zugleich eine Sache, mit "der anhand von Verfahren Wirkungen erzielt werden. Die Klassiker sprechen im übrigen nie von Demokratie, sondern immer von Republik.
3.2.2 Empirische Demokratietheorien
Aus Zweifeln an der Fähigkeit zur Selbstbestimmung des Individuums und Selbstregierung des Volkes resultierten in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts die empirischen oder auch realistischen Theorien von Demokratie. Das Konzept dieser empirischen Demokratietheorien basiert zum einen auf "der Kritik am Normativismus und Idealismus der liberalen Klassiker (...), zum anderen auf der Beobachtung der Funktionsweise der realen Demokratie in den USA und in Großbritannien sowie der Erfahrung mit den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts". (Abromeit 2002, S. 89) Versuche, eine "idealistische-identitäre" (ebd.) Demokratie zu etablieren, endeten, so die Befürworter der empirischen Demokratietheorien, im Totalitarismus. Daher erscheint es diesen Theorien zufolge als das Sinnvollste, Demokratie darauf zu reduzieren, sich an bewährten, stabilen, freiheitlichen politischen Systemen zu orientieren. Es geht hier also weniger um die Frage, wie individuelle Selbstbestimmung und Freiheit unter politischer Herrschaft zu ermöglichen ist, als vielmehr darum, wie die Stabilität eines nicht diktatorischen Systems garantiert werden kann. Demokratie wird hier verstanden als eine periodische Herrschaftsform auf Zeit. Hierbei spielt die ebenfalls periodische Wahl zwischen zwei Parteien die entscheidende Rolle. Die Wahl wird nicht vollzogen, um politische Inhalte zu bestimmen, oder den Volkswillen zu ermitteln, sondern vielmehr, um eine Regierung für das Volk hervorzubringen. (vgl. Burk 2003, S. 15) Politische Entscheidungen werden so von den Wahlberechtigten an eine Regierung ihres Vertrauens abgegeben. Die Idee ist also, dass es anstelle einer Regierung durch das Volk eine Regierung für das Volk gibt, "die durch aufgeklärte und verantwortungsbewusste Eliten wahrgenommen" wird. (Schreier 1996, S. 50) Von den Wählern wird nach diesem Verständnis wenig Wissen und Einsicht, Engagement und Teilhabe erwartet. Sich einmischen ist kein Postulat, sondern eher eine Störung der Arbeitsteilung zwischen Staat und Gesellschaft." (Burk 2003, S. 15) Die empirischen Demokratietheorien gehen von einem Menschenbild aus, nach dem viele Menschen gar nicht die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Selbstregierung besitzen; viele Menschen verhielten sich irrational, und eben daher seien "der Mitbestimmung durch das Volk enge Grenzen" zu setzen. (Schreier 1996, S. 50)
3.2.3 Partizipatorische Demokratietheorien
In den partizipatorischen bzw. deliberativen Ansätzen wird eine Rückbesinnung auf die Klassiker und die republikanische Tradition weg von den "normativ entleerten" Ansätzen der Demokratietheorie gefordert. (Burk 2003, S. 17) In Anlehnung an Habermas und seine Diskurstheorie geht es um eine Rückkehr zu "normativ gehaltvollen Demokratiemodellen". (Habermas 1994, S. 359) In diesem Modell ist Partizipation, das heißt die politische Teilhabe der Menschen am Willensbildungsprozess, der Schlüsselbegriff. (vgl. Burk 2003, S. 17) Demokratie wird hier nicht ausschließlich als Staats- und Herrschaftsform aufgefasst, sondern auch als Gesellschafts- und Lebensform: Sie wird als kommunikative Vergemeinschaftung verstanden und somit als eine besondere Form des Diskurses. Das Prinzip dieses Diskurses ist die "Erzeugung legitimen Rechts ".(Habermas 1994, S. 154 f) Recht ist dann legitim, wenn es von der Vernunft bestimmt ist. Die Selbstbestimmung der Bürger ist somit abhängig von der Erwartung einer vernünftigen Qualität ihrer Ergebnisse". (ebd, S. 369) Der Diskurs bildet in der Erwartung den Ort, an dem sich der vernünftige Wille bildet. "Die Legitimation des Rechts" (ebd, S. 134) stützt sich damit auf Kommunikation. Diese muss von allen Beteiligten als ein Arrangement gesehen werden, in dem es darum geht, ob "strittige Normen die Zustimmung aller möglicherweise Betroffenen (...) finden können". (ebd. S. 134 f) Regieren durch Partizipation, also Teilhabe und Kommunikation in Form von Diskussion, sind die zentralen Anliegen der partizipatorischen Demokratietheorie. Demokratie wird nach dieser Theorie verstanden als ein gesellschaftsumfassender Prozess. Sie schließt damit auch Familie, Erziehung und Schule ein. Ziel der deliberativen Demokratietheorie ist es, "autoritäre Herrschaftsstrukturen aufzudecken und durch Mitbestimmung und Selbstbestimmung zu ersetzen". (Burk 2003, S.17 f) Das Menschenbild, das dieser Demokratietheorie zugrunde liegt, ist dem der empirischen Demokratietheorie entgegenzusetzen. Es geht davon aus,
Schlagworte:
lit_2005-buch, e-book,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Uni Bielefeld
Titel: Demokratie Lernen im Sachunterricht: Ansätze und Konzeptionen
Veranstaltung: Keine
Autor:Mark OrtmannJahr: 2005
Seiten: 100
Archivnummer: V43292
ISBN (eBook): 978-3-638-03115-8
DOI: 10.3239/9783638031158
Dateigröße: 419 KB
Sprache: Deutsch
|
ID: 4357 | hinzugefügt von user unknown an 00:46 - 8.8.2012 |
title: Der Klassenrat. Miteinander sprechen by Platt, John M. |
|
Titel: | Der Klassenrat. Miteinander sprechen |
Autor: | Platt, John M. | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Sinntal, RDI Verlag | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2000 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
-
summary:
-
Notiz:
Erscheinungsjahr mir nicht bekannt, bitte nachtragen, wer kann. Danke
|
ID: 145 | hinzugefügt von Jürgen an 18:22 - 20.3.2005 |
title: Der Klassenrat. Schülerdemokratie und soziales Lernen an der Gesamtschule by Pohnke, Anna |
|
Text:
Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ausbildung zur/m staatlich geprüften Erzieher/-in
Der Klassenrat
Schülerdemokratie und soziales Lernen
an der Gesamtschule X
VERFASST VON ANNA POHNKE
Kurs:FSSP04 – Sozialpädagogische Hilfen (Maaß/Hansen)
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG 1
I NA
DER KLASSENRAT 3
II NA
Theorie des Klassenrats 3
1 NA
1.1 Grundlagen 3
1.1.1 Geschichtlicher Rückblick 3
1.1.2 Definition 6
1.2 Gründe und Ziele 7
1.2.1 Soziales Lernen durch Konfliktlösung 7
NA
1.2.2 Demokratie und Partizipation 11
1.2.3 Schulbezogene Ziele 13
1.3 Methoden im Klassenrat 14
1.3.1 Wandzeitung 14
1.3.2 Ämtervergabe 17
1.3.3 Klassenregeln 19
1.3.4 Positive Runde 21
1.4 Voraussetzungen für die Durchführung von Klassenratstunden 22
1.4.1 Rahmenbedingungen 22
1.4.2 Die Rolle der Lehrkraft 22
Praktische Umsetzung an der Gesamtschule X 25
2 NA
2.1 Die Stammgruppenstunde 25
2.2 Befragung 26
2.2.1 Schülerbefragung 27
2.2.2 Lehrerbefragung 28
2.3 Zusammenfassung 29
FAZIT 30
III NA
Konsequenzen für sozialpädagogische Kräfte 30
3 NA
Persönliche Stellungnahme 30
4 NA
Quellenverzeichnis 32
Anhang ....................................................................................................... 34 34
I EINLEITUNG
Die Schulreform in Schleswig-Holstein steht vor der Tür:
Am 24.01.07 wurde das neue Schulgesetz verabschiedet, das durch eine Auflösung des alten dreigliedrigen Schulsystems eine individuellere Förderung der Schüler/-innen verspricht und langfristig zu einer Verbesserung des deutschen Bildungssystems beitragen soll. 1 Bis zum Schuljahr 2010/11 sollen alle Haupt-und Realschulen zu Regionalschulen zusammengeschlossen werden, Gesamtschulen sollen zu Gemeinschaftsschulen umstrukturiert werden. Das Konzept sieht vor, dass alle Gemeinschaftsschulen in den Ganztagsbetrieb übergehen.
Die Praxisstelle meines 20-wöchigen Oberstufenpraktikums im Rahmen der Erzieher/-in-Ausb- ildung hat diesen Weg schon vor langer Zeit beschritten: Die Gesamtschule X als eine von zwei integrierten Gesamtschulen in Neumünster ist den traditionellen Schulformen in Bezug auf individuelle Förderung schon einen Schritt voraus. Zudem ist die seit 1991 bestehende Gesamt- schule seit November 1996 offiziell eine Ganztagsschule. Zwar ist die Schulform „Gesamt- schule“ in Deutschland nach wie vor umstritten, doch kann man in Anbetracht der aktuellen Veränderungen sicherlich von zukunftsweisend sprechen.
In meinem Praktikum im Arbeitsschwerpunkt „Schulsozialarbeit“ habe ich interessante Ein- blicke in das Gesamtschulleben bekommen und bin durch Hospitationen in verschiedenen Jahrgangsstufen insbesondere auf eine Institution aufmerksam geworden: den Klassenrat. Diese mir bis dato kaum bekannte Methode ist fest im Stundenplan verankert und ein bedeut- samer Überschneidungspunkt von Unterricht und Schulsozialarbeit.
Offene Fragen und Erkenntnisse, die ich durch meine Beobachtungen der Klassenratstunden gewann, führten mich zu einer tiefer gehenden Auseinandersetzung mit dem Konzept dieser Methode.
media/generator/Aktueller_20Bestand/MBF/Information/Schulgesetz/SG_20_C3_9Cberblick.html (Stand: Februar 2007)
„Klassenrat“, „Gruppenstunde“, „Stammstunde“, „Soziale Stunde“ – Dies sind nur einige Bezeich-nungen, auf die ich während der Recherche für die vorliegende Arbeit gestoßen bin. Und so verschieden die Namen sind, so unterscheiden sich auch die Umsetzungen dieser Methode stark voneinander.
Was hat es also mit dem „Klassenrat“ auf sich?
Was geschieht in dieser Stunde und welche Ziele werden verfolgt?
Welches Potenzial steckt in dieser – eher unbekannten – Unterrichtsform?
Und: Wie sehen eigentlich die Schüler den Klassenrat?
Um diese Fragen zu beantworten, habe ich zum Abschluss meiner Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin die vorliegende Hausarbeit eingereicht.
Den Inhalt der vorgeschriebenen 30 Seiten habe ich wie folgt strukturiert:
Im Hauptteil DER KLASSENRAT wird Theorie und praktische Umsetzung dieses Konzepts darge- stellt. Dazu beginne ich in 1.1 mit den Grundlagen, stelle in 1.2 Gründe und Ziele dar, erläutere in 1.3 verschiedene Methoden und gehe in 1.4 auf die Voraussetzungen für die Durchführung ein.
In 2.1 schildere ich meine Eindrücke von der Umsetzung an der Gesamtschule X. Anschließend stelle ich die Ergebnisse meiner Befragung unter 2.2 und fasse in 2.3 die Erkenntnisse zusammen.
Als Fazit gehe ich abschließend in 3 auf mögliche Konsequenzen für sozialpädagogische Kräfte ein und beziehe in 4 Stellung zu der Methode.
Der Hinweis auf die Verwendung von Fachliteratur geschieht durch Fußnoten, eine alphabe- tische Auflistung aller Werke binfindet sich am Ende der Arbeit. Gelegentlich verweise ich auf andere Textstellen innerhalb dieser Arbeit, in denen ein bestimmter Aspekt gesondert erläutert wird. Dies ist durch eine Kapitelangabe in Klammern hinter dem entsprechenden Begriff vermerkt.
Im Sinne einer besseren Lesbarkeit verzichte ich im Folgenden bewusst auf Doppelnennungen bei Personengruppen und verwende stattdessen das generische Maskulinum. Generell sind also bei Formulierungen wie „Schüler“, „Lehrer“ und „Sozialpädagogen“ sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint. Ist das Geschlecht für den Zusammenhang von Bedeutung, wird dies eindeutig benannt.
II DER KLASSENRAT
In diesem Kapitel wird die Theorie des Klassenrats umfassend dargestellt. Zunächst erläutere ich unter 1.1 die Grundlagen des Konzepts, anschließend formuliere ich in 1.2 mögliche Gründe für den Klassenrat und seine Ziele. In 1.3 stelle ich drei gebräuchliche Methoden der Klassenrat- praxis vor und gehe abschließend in 1.4 auf die Voraussetzungen für die Durchführungen von Klassenratstunden ein.
1.1 Grundlagen Um zu verstehen, was Klassenrat ist, sollte man zunächst einen geschichtlichen Rückblick voll- ziehen. Daher skizziere ich in 1.1.1 die Entwicklung von seinen Vorläufern bis heute und stelle in 1.1.2 verschiedene Definitionen vor.
1.1.1 Geschichtlicher Rückblick
Seine Wurzeln hat der Klassenrat in der Freinet-Pädagogik. Der Reformpädagoge beschrieb seine „Klassenversammlung“ (conseil de classe coopératif) als „demokratische Gesprächsrunde zu festgelegten Zeiten, in der sich Schüler und Lehrkräfte gemeinsam mit konkreten Situationen aus der Unterrichtsgestaltung und -planung beschäftigen.“ 2 FREINET vertrat eine Pädagogik vom Kind aus und wollte diesem so viel Selbstbestimmung wie möglich einräumen. Einige wesent- liche Elemente sind die Selbstverwaltung der Klasse in Form einer Kooperative, die Selbst- tätigkeit bei der Arbeit und beim Lernen und die Kooperation der Schüler in der Klasse. 3 Das Thema Klassenrat wird in der Fachliteratur stets mit der Freinet-Pädagogik in Verbindung gebracht.
In der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia gibt es ebenfalls einen erwähnenswerten Eintrag, in dem FREINET als einziger Begründer des Klassenrates dargestellt wird. Der Autor überprüft – nach einer Vorstellung der Methode – die Bildungsserver der Länder auf die gelieferten Ergeb- nisse zum Stichwort „Klassenrat“. Er scheint regelrecht empört über den Bildungsserver des Landes NRW und äußert sich:
2 s. Friedrich/Kleinert 1997, zitiert nach Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. Ziele, Vorteile, Organisation. Verlag an der Ruhr 2006, S.10 3 vgl. Laun, Roland: FREINET – 50 Jahre danach. Heidelberg 1983, S.47
„Es gibt keinerlei Hinweise auf die Herkunft des Klassenrats. Er ist - wie andere Elemen-te auch - aus dem großen Steinbruch reformpädagogischer Methoden herausgebrochen und zurechtgehauen.“ 4 Zu der Frage, inwiefern der Klassenrat in seiner Ursprungsform auf die heutige Praxis übertrag- bar ist, beziehe ich in Kapitel 4 gesondert Stellung.
Heike DE BOER hingegen sieht in Freinets sozialistisch geprägten Ansätzen einen Widerspruch: „Seine Konzeption gründete sich einerseits auf die Prämisse, der natürlichen und indi- viduellen Entwicklung jedes Kindes seinen Lauf zu lassen. Andererseits legt er seinem Erziehungsmaßstab eine hohe Moral zu Grunde, die nicht ohne erzieherisches Einwirken zu erreichen ist.“ 5 Sie erkennt FREINETs Klassenversammlung zwar als bedeutenden Vorläufer des Klassenrats an, sieht den Grundstein für seine Entwicklung jedoch bereits in den Werken John DEWEYs gelegt.
Für DEWEY kann Demokratie nicht bloß theoretisch vermittelt oder abstrakt erklärt werden. Er fordert Demokratie in allen Lebensbereichen und sieht Schulen als „embryonale Orte der Gesell- schaft“ an, in denen Kindern die Teilhabe am demokratischen Gespräch ermöglicht werden soll, um dort „Ansprüche, die das Gemeinschaftsleben an Kinder und Lehrende stellt, gemeinsam zu klären.“ 6 Zwar benennt DEWEY kein Gremium, in dem dieses demokratische Gespräch stattfinden soll, dennoch stellt er in seinem Hauptwerk „Democracy and Education“ fest, dass gelernte soziale Verhaltensweisen nur dann auf das außerschulische Leben übertragen werden können, wenn sie aktiv erlebt wurden:
“[…] the separation of learning from activity [...][is] overcome in an educational scheme where learning is the accompaniment of continuous activities or occupations which have a social aim and utilize the materials of typical social situations. For under such con-ditions, the school becomes itself a form of social life, a miniature community and one in close interaction with other modes of associated experience beyond school walls.” 7 4 Verf. unbekannt: Klassenrat im Spiegel der Bildungsserver. Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Klassenrat (Stand: Januar 2007) 5 s. de Boer, Heike: Klassenrat als interaktive Praxis. Auseinandersetzung - Kooperation - Imagepflege. Wiesbaden 2006, S.17 6 s. de Boer, Heike: Klassenrat als interaktive Praxis. a.a.O., S.14 7 s. Dewey, John: Democracy and Education. An Introduction to the Philosophy of Education. New York 1922, S.418f.
Mit diesen Gedanken unterscheidet sich DEWEYs Ansatz von FREINETs Konzept insofern, dass Kinder bereits als kompetente Akteure angesehen werden, deren Lernprozess sich ausschließlich über Erfahrungen vollzieht. Mit dieser konstruktivistischen Lerntheorie war er zu Beginn des 20. Jahrhunderts seiner Zeit voraus. 8
Einen demokratischen Leitgedanken verfolgte auch Rudolf DREIKURS, welcher in den 1980er Jahren den praktisch orientierten Ratgeber „Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme“ ver- öffentlichte. Er macht darin auf den starken Einfluss der Gleichaltrigengruppe auf den einzelnen Schüler aufmerksam und erklärt, wie Lehrer diese Gruppendynamik zum Vorteil ihres Unter- richts nutzen können. Der Klassenrat ist bei ihm ein „notwendiges Verfahren“ für ein demokratisches Miteinander und wird wie folgt beschrieben:
„[Der Klassenrat] ist der Ort, wo die Kinder sich in die Klassengemeinschaft mit ihrer Persönlichkeit, Verantwortungsbereitschaft und aktiver, freiwilliger Teilnahme ein- bringen können.“ 9 Bei Problemlösungen und Maßnahmen zur Verhaltensänderung müssten nach Dreikurs ebenfalls Wertvorstellungen verändert werden. Dabei wird der Lehrkraft eine große Bedeutung beigemes- sen, da Dreikurs „Werte“ gleichsetzt mit „Zielvorstellungen des Lehrers für das Kind“. 10 Eigentlich hat aber auch Dreikurs den Nutzen des Klassenrats schon früher entdeckt. Bereits in „Psychologie im Klassenzimmer“, das 1957 in der Originalausgabe erschien, rät Dreikurs zu der Durchführung von „Klassengesprächen“, die in ihrer Struktur dem späteren Klassenrat ähneln und in denen er viele Vorteile sieht: völlige Integration aller Kinder, das Entwickeln eines Ge- fühls für Bedeutung und Verantwortlichkeit auf Seiten der Schüler, sowie das Teilen der Verantwortung, indem man Lösungen gemeinsam findet. 11
Abschließend kann man wohl alle drei Pädagogen als Begründer des heutigen Klassenrats sehen: FREINET, der ihn in seiner reformpädagogischen Urform erstmals praktisch ins Leben rief, DEWEY, der mit seinen Demokratiegedanken alle Lebensbereiche zu Veränderungen anregte und DREIKURS, der sich auf die Kompetenzerweiterung der Lehrkräfte spezialisierte. 8 vgl. de Boer, Heike: Klassenrat als interaktive Praxis. a.a.O., S.17 9 s. Dreikurs, Rudolf / Grunwald, Bernice / Pepper, Floy: Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme. Weinheim und Basel 1995, S.122 10 vgl. Dreikurs, Rudolf / Grunwald / Pepper: Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme. a.a.O., S.125 11 vgl. Dreikurs, Rudolf: Psychologie im Klassenzimmer. Stuttgart 1967, S.88f.
1.1.2 Definition Bei meiner Recherche habe ich verschiedene Internetseiten von Schulen besucht, die Klassenrat- stunden durchführen und häufig ihren eigenen Namen und ihre eigene Definition dafür gefunden haben. Diese weichen sowohl in ihrer Verbindlichkeit als auch in ihrer Zielsetzung stark vonein- ander ab. Auch in der Literatur habe ich keine einheitliche Definition gefunden. Dreikurs unterscheidet zwischen verschiedenen Formen des wöchentlichen Gesprächs und sieht den Klassenrat als eine Kombination aus einem Gruppengespräch, in dem die Gruppe über The- men spricht und Entscheidungen trifft, die das Miteinander in der Klasse betreffen, und einer Klassenversammlung, die sich mit dem „geschäftlichen Bereich“ (d.h. Themen wie Sitzordnung, Ausflüge etc.) beschäftigt. 12 Wenngleich diese Beschreibung wenig prägnant ist, entspricht sie inhaltlich größtenteils den Definitionen, die in der aktuellsten Literatur zum Thema Klassenrat zu finden sind. Eva BLUM definiert den Klassenrat für die Regelschule wie folgt:
„Der Klassenrat ist eine regelmäßig stattfindende Gesprächsrunde, in der sich Schüler und die Klassenlehrkraft gemeinsam mit konkreten Anliegen der Klassengemeinschaft (z.B. Ausflüge oder Projekte, Organisationsfragen wie Dienste und Regeln, Probleme und Konflikte) beschäftigen und dafür möglichst einvernehmlich Lösungen finden.“ 13
Eine andere Definition, die noch stärker den demokratischen Charakter des Klassenrats hervor- hebt, findet sich in einer Handreichung zum aktuell laufenden Schulentwicklungsprogramm der Bund-Länder-Kommission „Demokratie lernen & leben“:
„Der Klassenrat ist ein Zeitfenster, in dem die Klasse alle aktuellen Themen, die die Schule, die Klasse und/oder die Schüler/innen betreffen, in einer demokratischen und eigenverantwortlichen Form besprechen kann. Im Klassenrat sind Lehrer/in und Schüler/innen gleichberechtigte Partner.“ 14 Die beiden Versionen unterscheiden sich insbesondere im Verständnis von den Rechten der Schüler (siehe Hervorhebungen) voneinander. HIERDEIS / GREßIRER weisen in ihrem Klassenrat- konzept darauf hin, dass Lehrkräfte sich ein Vetorecht (s. 1.4.2) gegen Beschlüsse des Klassen- rats vorbehalten müssen, um schikanöse Strafaktionen zu verhindern. 15 12 vgl. Dreikurs, Rudolf / Grunwald / Pepper: Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme. a.a.O., S.142f. 13 s. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. Ziele, Vorteile, Organisation. Verlag an der Ruhr 2006, S.10 14 s. Daublebsky, Benita / Lauble, Silvia: Der Klassenrat als Mittel demokratischer Schulentwicklung. Praxisbaustein zum BLK- Programm „Demokratie lernen & leben“. Berlin 2006, S.7 15 vgl. Hierdeis, Bernhard / Greßirer, Hans: Die Klasse – Basis erzieherischer Arbeit. Klassenrat - Klassengericht - Streitschlichter. Donauwörth 2005, S.20 [Hervorhebungen durch die Verfasserin]
Daher erscheint mir die Formulierung „gleichberechtigt“ aus schulrechtlicher Sicht problema- tisch. In dieser Arbeit beziehe ich mich also, wenn nicht anders angegeben, auf die Definition nach BLUM.
1.2 Gründe und Ziele An Schule wird der Anspruch gestellt, dass Schüler dort etwas lernen sollen – seit der PISA- Studie stärker denn je. Damit Lernen funktioniert, muss aber auch ein lernförderliches Klima gegeben sein, das den Schülern ein angstfreies Lernen ermöglicht. Jochen KORTE, Direktor einer Förderschule in Neumünster, der Bücher und Beiträge u.A. zu den Themen „Gewaltprävention“ und „Soziales Lernen“ veröffentlicht hat, schreibt:
„Man lernt nur dann gut, wenn die eigene Stimmung gut ist. Angst und Spannung stören das Lernen. Stress und innere Abwehr können dazu führen, dass man kaum Lernerfolg hat.“ 16 Da laut Definition im Klassenrat Konflikte und Probleme gelöst werden, kann man das Schaffen einer stressfreieren Atmosphäre an sich schon als Ziel des Klassenrats benennen.
Darüber hinaus verfolgt der Klassenrat als Unterrichtsgegenstand seine eigenen Lernziele. BLUM gliedert die Kompetenzen, die durch den Klassenrat vermittelt werden sollen, in 1. personale, 2. soziale, 3. methodische und 4. fachliche Kompetenzen. 17 Mir erschien eine andere Gliederung sinnvoll: Zunächst gehe ich in 1.2.1 auf die sozialen Kom- petenzen ein, zu deren Entwicklung der Klassenrat beitragen soll.
Da z.B. Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit wichtige Aspekte der Demokratiefähig- keit sind, betrachte ich diese Ziele gesondert unter der Überschrift „Demokratie und Partizipa- tion“ in 1.2.2. Die ebenfalls nennenswerten methodischen und fachlichen Kompetenzen, die im Klassenrat trainiert werden können, fasse ich unter 1.2.3 zusammen.
1.2.1 Soziales Lernen durch Konfliktlösung
Das Thema „Soziales Lernen in der Schule “ gewinnt vor dem Hintergrund sich häufender Gewalttaten an Schulen immer mehr an Bedeutung. Einige Schulen reagieren darauf mit Gewalt- präventionsprogrammen, die meist nur im Rahmen einer Projektwoche durchgeführt werden und somit für die Schüler nicht im Zusammenhang mit ihrem Alltag stehen. Vermittelt ein solches 16 s. Korte, Jochen: Schulreform im Klassenzimmer. Hilfen für die schulpädagogische Praxis. Weinheim und Basel 1998, S.64 17 vgl.. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. A.a.O., S.14
Programm keine Handlungsalternativen, die in das Klassenleben integriert werden, fällt ein gewalttätiger Schüler oft in seine gewohnten Verhaltensmuster zurück und es kommt erneut zu körperlichen Übergriffen. In diesem Fall wurde offensichtlich nicht nachhaltig genug „sozial gelernt“.
Unter „sozialem Lernen“ wird gemeinhin die Entwicklung von Wahrnehmungsfähigkeit, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Empathie- und Diskretionsfähigkeit, Kooperations- und Konfliktfähigkeit, sowie Zivilcourage verstanden. 18 Die Entwicklung von Konfliktfähigkeit stelle ich im Folgenden in den Mittelpunkt meiner Betrachtung.
Die Gesamtschule X benennt das soziale Lernen als verbindliches Ziel ihrer pädagogischen Konzeption:
„Die Schule fasst es als ihren Auftrag auf, die soziale Kompetenz der Schüler zu stärken und zu entwickeln. Die solzialen Bezüge sollen auf der Basis gegenseitiger Akzeptanz erweitert werden. Die Schüler sollen zu verstärkter Zusammenarbeit, wechselseitiger Hilfe und gegenseitigem Verständnis angeregt werden. Konfliktlösungsstrategien sollen entwickelt und trainiert werden. Verlässlichkeit und Kooperationsbereitschaft, Selb- ständigkeit, Leistungsbereitschaft, Konfliktfähigkeit sollen als Grundlage eines fried- lichen Miteinanders erfahren und erkannt werden.“ 19 Dem kritischen Leser stellt sich nun die Frage, ob und wie gerade eine Schule – als traditioneller Vermittler von Fachwissen– solche Ziele erreichen kann.
Betrachten wir zunächst die Rahmenbedingungen:
In Schleswig-Holstein müssen laut §40 SchulG alle Schüler mindestens neun Jahre zur Schule gehen. Damit verbringen Kinder und Jugendliche den größten Teil ihrer Entwicklung in der Schule. In den seltensten Fällen kann dabei beeinflusst werden, aus welchen einzelnen Persön- lichkeiten sich eine Schulklasse zusammensetzt. In Gesamtschulen wird angestrebt, dass Schüler aller drei Schultypen (laut Empfehlung) im gleichen Verhältnis vertreten sind. Diese Zwangs- gemeinschaft so verschiedener junger Menschen bietet zwar eine Menge Konfliktpotenzial, aber ebenfalls Lernchancen.
Viele Konflikttrainer wie Guido SCHWARZ sehen den Konflikt selbst als Chance. Bereits Heraklit sagte vor über 2000 Jahren:
18 vgl. Verfasser unbekannt: Soziales Lernen. Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Soziales_Lernen (Stand: Februar 2007) 19 s. Bülow, Hans: Internetseite der Gesamtschule X: Aus: http://www.gefa-nms.de/1frame.html (Stand: Februar 2007)
„Der Krieg ist der Vater aller Dinge.“ Auf die heutige Zeit übertra-gen kann man dies so übersetzen: „Der Interessensgegensatz ist der Ursprung aller Weiterent-wicklung.“ Wo zwischen Menschen keine Gegensätze bestehen und alle gleicher Meinung sind, gibt es keinen Anlass zur Weiterentwicklung, sondern Stillstand. 20
Ausgehend von dieser These kann an die Institution Schule – einen Ort, an dem Weiterentwick- lung und Lernen höchste Priorität haben – die Forderung gestellt werden, dass dort Konflikte nicht vermieden werden, sondern eine konstruktive Konfliktkultur aufgebaut wird. Untermauert wird diese Forderung durch §4 SchulG des Landes Schleswig-Holstein: Danach ist ein Erzieh- ungsziel der Schule, dass Lehrkräfte und Schüler bei der Lösung von Konflikten und bei unterschiedlichen Interessen konstruktiv zusammenarbeiten. 21 Der erste Schritt, eine positive Konfliktkultur aufzubauen, kann die Institutionalisierung von Konflikten sein. Wenn eine Plattform für eine geregelte Konfliktaustragung existiert, können Schüler miteinander soziale Kompetenzen entwickeln und erweitern.
Thomas GRÜNER, Gründer und Leiter des Instituts für Konflikt-Kultur in Freiburg, sieht haupt- sächlich fünf Ursachen dafür, dass es gerade in der Schule so viele Konflikte gibt:
1. Schüler sind zwangsweise zusammen und müssen auch mit den Mitschülern auskommen,
die sie nicht mögen.
2. Einige Schüler können nicht damit umgehen, dass in der Schule diszipliniertes Verhalten
erforderlich ist und sie schlechte Noten bekommen, wenn sie dieser Forderung nicht nachkommen.
3. Schüler, die Einzelkinder sind, haben Schwierigkeiten, sich in solch einer großen Gruppe
damit abzufinden, nur eins von vielen Kindern zu sein.
4. Durch den Konkurrenzdruck innerhalb der Klasse und die Selektion durch die Schule
entstehen Neid und Benachteiligungsgefühle, die für ein schlechtes Klassenklima sorgen.
5. Eine zunehmende – auch kulturelle – Heterogenität erfordert mehr Toleranz, als einige
Schüler vielleicht zu Hause gelernt haben. 22 Um mit dieser Menge an Konfliktstoff umzugehen, schlägt GRÜNER das Aufstellen „sozialer Spielregeln“ vor und sieht im Klassenrat eine wichtige Einrichtung, die Einhaltung dieser 20 vgl. Schwarz, Guido: Konfliktmanagement in der Schule. Wien 2003, S.8f.
21 vgl. Schulrecht für Schleswig-Holstein aus: http://www.schooloffice-sh.de/schulgesetz/index.htm (Stand: Februar 2007) 22 vgl. Grüner, Thomas / Hilt, Franz: Bei STOPP ist Schluss! Werte und Regeln vermitteln. Rheinmünster 2004, S.81f.
„Regeln des Zusammen-Lebens“ zu überprüfen. Dabei haben die Einschätzung und das Feedback der Mitschüler eine zentrale Bedeutung für das Funktionieren der Methode. (s. 1.3.2)
Schon DREIKURS erkannte den großen Einfluss der Gleichaltrigengruppe auf das einzelne Kind und berücksichtigte den Mitschüler als Erziehungsfaktor. Er stellte der Bestrafung durch die Lehrkraft die Anwendung „logischer Folgen“ als sinnvollste Konfliktbearbeitungsmöglichkeit gegenüber. Mit „logischen Folgen“ ist in Bezug auf das Sozialverhalten hier die Kritik der Mit- schüler gemeint. HIERDEIS beruft sich in seiner Modellvorstellung „Erziehung als Geschehen im Zwischenmenschlichen zwischen Schüler und Schüler“ auf DREIKURS und fasst die Wirkungs- weise wie folgt zusammen:
„Natürlich kann der Lehrer durch Wutausbrüche oder Standpauken mit dem moralischen Zeigefinger [...] eine punktuelle Betroffenheit erreichen. [... .] Eine tatsächliche erzieheri-sche Wirkung, die eine dauerhafte Verhaltensänderung erwarten ließe, ist selten zu beob-achten. Der bessere Weg erscheint uns hier eine aktive Auseinandersetzung durch Stellungnahme jedes einzelnen Schülers.“ 23 Die Vorteile einer Stellungnahme durch Gleichaltrige zum Verhalten eines Mitschülers liegen auf der Hand: Sie sind direkt von dem Verhalten betroffen und können es häufig viel konkreter und sprachlich ebenbürtiger beschreiben als die Lehrkraft. Meist bezieht sich die Kritik auf gemeinsame Erlebnisse, so dass der kritisierte Mitschüler genauer nachvollziehen kann, was er mit seinem Verhalten bewirkt hat, als wenn eine Autoritätsperson abstrakte Moralvorstellungen predigt. Auch die Empathiefähigkeit der Schüler wird durch einen offenen Austausch von Kritik und Gefühlen langfristig gefördert.
Hier setzt der Klassenrat an: Häufig müssen Schüler erst noch lernen, ihre Kritik angemessen und konstruktiv zu äußern, und brauchen dabei Unterstützung. Gibt es keine Institution, in der Kon-flikte nach einem geregelten Ablauf thematisiert werden können, wissen einige Schüler ihrer Un-zufriedenheit nicht anders Ausdruck zu verleihen als mit Gewalt.
Peter VEITH schlägt sogar vor, im Klassenrat das Thema Gewalt direkt zu thematisieren. 24 Er erhofft sich davon, dass Schüler auf die offene Ansprache ebenfalls mit Gesprächsbereitschaft reagieren und verdeckte Konflikte so frühzeitig erkannt werden können.
23 s. Hierdeis, Bernhard / Greßirer, Hans: Die Klasse – Basis erzieherischer Arbeit. A.a.O., S.9 24 vgl. Veith, Peter: Gewaltfrei lernen im Klassenzimmer. Konzepte zur Gewaltprävention in der Schule. Donauwörth 2005, S.92 [Hervorhebung durch die Verfasserin]
Der Klassenrat kann ein wirkungsvolles Instrument sein, um Konflikte zu institutionalisieren und wirkt insofern auch präventiv gegen Gewalt in der Schule.
1.2.2 Demokratie und Partizipation
Die Forderung nach mehr Demokratie in der Schule besteht schon seit Jahrzehnten. Die unter
1.1.1 dargestellten reformpädagogischen Ansätze sollten dies verdeutlichen.
In den letzten Jahren sind die Diskussionen darüber, wie viel Mitbestimmung in der Schule er- möglicht werden soll, wieder neu entbrannt. Demokratie soll nicht nur vermittelt, sondern erfah- ren werden. Hartmut VON HENTIG stellt eine Vision der Schule als polis vor, in der Schüler die Regeln ihres Zusammenlebens selbst erschaffen. Sie soll zu einem Ort werden, an dem Mitbe- stimmung erlebbar wird, da der Einfluss, den der Einzelne auf das Ganze hat, noch konkret beobachtbar ist. 25 Das bereits erwähnte BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“, in dem der Klassenrat eine wichtige Rolle spielt und ausführlich behandelt wird, verfolgt ebenfalls die Idee, dass demo- kratisches Verhalten wie jedes soziale Verhalten geübt und seine Folgen gefühlt werden müssen, und formuliert für die teilnehmenden Schulen zwei Hauptziele:
• „die Förderung von demokratischer Handlungskompetenz“
• „die Entwicklung einer demokratischen Schulkultur“ 26 Das erste Ziel meint Kompetenzen, die die Schüler zu demokratiefähigen Bürgern erziehen sollen. Diese Kompetenzen sind vorrangig Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit sowie die Fähigkeit zu gewaltfreiem Handeln. Sie wurden in 1.2.1 ausreichend behandelt. Das zweite Ziel meint strukturelle Veränderungen in der Schule, die die häufig herrschenden autokratischen Verhältnisse auflockern sollen.
Aktuell wird das Thema „Demokratie“ als Erziehungs- und Bildungsziel in §4 schulrechtlich wie folgt behandelt:
„Zum Bildungsauftrag der Schule gehört die Erziehung des jungen Menschen zur freien Selbstbestimmung in Achtung Andersdenkender, zum politischen und sozialen Handeln 25 vgl. Hentig, Hartmut von: Die Schule neu denken. Eine Übung in pädagogischer Vernunft. Weinheim, Basel, Berlin 2003, S.224f.
26 Verf. Unbekannt: BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“. Aus: http://www.blk-demokratie.de/programm/ programmziele.html (Stand: Februar 2007)
und zur Beteiligung an der Gestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft im Sinne der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“ 27
Um Schüler zur Beteiligung in der Gesellschaft zu erziehen, sollten sie schon möglichst früh Möglichkeiten zur Mitbestimmung oder Partizipation bekommen. Wer schon als Kind immer nur Fremdbestimmung erfährt und lernt, dass man gegen übergeordnete Instanzen nichts ausrichten kann, wird sich auch später Angelegenheiten der Gesellschaft gegenüber zurückhalten und sich mit einem Gefühl der Ohnmacht den Entscheidungen „von Oben“ unter-werfen. Erfährt ein Kind jedoch anders herum, dass die eigene Meinung zählt und man gemeinsam etwas verändern kann, wird es sich wahrscheinlich auch als Erwachsener politisch aktiver verhalten und am Gesell-schaftseben teilnehmen. Gunhild GRUNDMANN betont:
„[...] ermöglichte Partizipation [ist] eine wesentliche Grundbedingung für das Erlernen von demokratischen Spielregeln und das Wahrnehmen von demokratischen Grund- rechten.“ 28 Mit anderen Worten ist Partizipation die Voraussetzung für eine selbstbestimmte Zukunft der Schüler.
K. Peter MERK hingegen sieht einen generellen Widerspruch in den Begriffen „Schülerdemokra- tie“ und „Schülerpartizipation“. Er erläutert die rechtliche Stellung von Schülern und erklärt, dass das Verhältnis von Schülern zur Schule ein besonderes Gewaltverhältnis ist. Die einzige vergleichbare Zwangsstruktur sei die Rechtsposition Strafgefangener. Er erklärt weiter: „Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen [...], erscheint es im hohen Maße fragwürdig, dass es gelingen kann, Schule mit Demokratie und Partizipation in Einklang zu bringen.“ 29 Er sieht diese Möglichkeit erst gegeben, wenn die Gesellschaft sich dahingehend verändert, junge Menschen nicht mehr als politisch bedeutungslos einzustufen.
Bleiben wir jedoch auf Schulklassenebene, so liegt es primär in der Hand des Lehrers, wie viel Verantwortung den Schülern übertragen wird. Schon DREIKURS forderte 27 vgl. Schulrecht für Schleswig-Holstein aus: http://www.schooloffice-sh.de/schulgesetz/index.htm (Stand: Februar 2007) 28 s. Grundmann, Gunhild: Partizipation als schulische Dimension. Aus Böhme, Jeanette / Kramer, Rolf-Torsten (Hrsg.): Partizipation in der Schule.Opladen 2001, S. 88 29 s. Merk, K. Peter: Schüler-Partizipation? Aus: Palentien, Christian / Hurrelmann, Klaus (Hrsg.): Schülerdemokratie. Mitbestimmung in der Schule. München 2003, S. 92
„[...], dass der Lehrer es fertigbringt, den Entscheidungen der Schüler zu vertrauen und an sie zu glauben, was wiederum die Kinder dazu bringt, einander und den Erwachsenen zu vertrauen.“ 30 Diese Form des Vertrauens ist für DREIKURS die ausschlaggebende Vorraussetzung für eine demokratische Klassenkultur.
Neben den klassischen Partizipationsformen wie Schülervertretung oder Klassensprecherwahl ist der Klassenrat eine weitere Möglichkeit, Schüler in die sie betreffenden Entscheidungen mit- einzubeziehen. Sie hat aber den Vorteil, dass im Klassenrat alle Schüler an der Entscheidung mitwirken. Hier haben auch die Stillen, die normalerweise nicht z.B. Klassensprecher sein wollen, die Möglichkeit, sich bei Planungsangelegenheiten (z.B. Klassenfahrten, Ausflügen) und an Entscheidungsprozessen zu beteiligen.
Die am BLK-Programm beteiligten Schulen sehen im Klassenrat
„[...] ein wirksames Instrument [...], mit dessen Hilfe die ersten Schritte getan werden können, die Schule zu einer demokratischen Gemeinschaft des Lernens und Lebens zu machen.“ 31
1.2.3 Schulbezogene Ziele
Die bisher genannten Ziele sind sicherlich auch aus schulischer Sicht erwünschte Effekte des Klassenrats. Immerhin soll die Schule ja alle vier so genannten Schlüsselqualifikationen vermitteln. In der Regel mangelt es dabei an der Vermittlung von Sozial- und Selbstkompetenz, was aber – wie oben dargestellt – durch den Klassenrat teilweise gewährleistet werden kann. Jedoch können darüber hinaus im Klassenrat auch methodische und fachliche Kompetenzen trainiert werden.
Durch den großen Anteil an Gesprächszeit, lernen die Kinder, frei vor anderen zu sprechen. Was sonst mühevoll bei Referaten gelernt werden muss, geschieht im Klassenrat wie selbstverständlich.
30 s. Dreikurs, Rudolf: Psychologie im Klassenzimmer. A.a.O. S.92 31 s. Daublebsky, Benita / Lauble, Silvia: Der Klassenrat als Mittel demokratischer Schulentwicklung. A.a.O. , S.11
Auch die Fähigkeit, ein Gespräch zu leiten, kann z.B. für spätere Gruppenarbeiten von Vorteil sein. (Tatsächlich habe ich sogar in einem Deutschbuch für die 5. Klassenstufe eine kurze Beschreibung des Klassenrats gefunden, ergänzt durch die Aufgaben-stellung, die Qualitäten eines Moderators herauszuarbeiten. 32 )
Ebenfalls in den Lehrplan Deutsch einzuordnen ist die Methode, ein Protokoll zu erstellen. In jedem Klassennrat muss ein Protokoll verfasst werden. Durch anfängliche Tipps der Lehrkraft und das Ausprobieren lernen die Schüler schnell, was in ein Protokoll gehört und wie es auf- gebaut wird. Diese Fähigkeit ist außerdem in vielen Berufen später gefragt. 33
Durch das Teilnehmen an Planungsprozessen lernen die Schüler, wie man an planerische Auf- gaben herangeht, wie man im Team Entscheidungen trifft und Kompromisse findet. Ebenfalls lernen die Schüler verschiedene Möglichkeiten demokratischer Entscheidungsfindung, die für den späteren Politik-Unterricht interessant sein können. 34
1.3 Methoden im Klassenrat Viele der heute in Klassenratstunden praktizierten Verfahren entsprechen – mehr oder weniger modifiziert – Freinets Vorschlägen für Klassenversammlungen, die er bereits 1960 veröffentlich- te. 35 Er bezeichnet diese Methoden als „Techniken“, was ihnen einen stärker zielgerichteten Charakter gibt. Von zentraler Bedeutung sind bei ihm das Führen eines „Wandtagebuchs“ (journal mural) sowie die Vergabe von Ämtern an die Schüler. Diese beiden Elemente werden unter 1.3.1 und 1.3.2 dargelegt und erläutert.
In aktueller Fachliteratur wird der Schwerpunkt eher auf das Aufstellen von (Gesprächs-) Regeln und damit verbundene Rituale gelegt, welche ich unter 1.3.2 beschreibe.
Eine weitere Methode, die nicht notwendigerweise im Klassenrat durchgeführt werden muss, sich jedoch gut damit verknüpfen lässt, ist die unter 1.3.4 vorgestellte „Positive Runde“. 32 vgl. Schurf, Bernd / Wagener, Andrea (Hrsg.): Deutschbuch. Sprach- und Lesebuch 5. Cornelsen Verlag Berlin 2005, S.26 33 vgl. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. A.a.O., S.19f.
34 vgl. Giese, Christiane: Demokratie-Baustein „Klassenrat“.Praxisbaustein zum BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“. Hamburg 2004, S.4 35 vgl. Freinet, Célestin: Die moderne französische Schule. Übersetzt u. besorgt von Jörg, Hans. Paderborn 1965, S. 219
1.3.1 Wandzeitung Die Klassenversammlung nach Freinet soll einen festen, strukturierten Ablauf haben, in dem die Wandzeitung einen bedeutsamen Stellenwert hat:
„Dieses Tagebuch hat die Aufgabe, alle in der unvollkommen funktionierenden Schul- gemeinschaft sich zeigenden kindlichen Reaktionen zu einer vernünftigen Synthese zu führen“ 36 Die Wandzeitung soll aus einem großen Blatt bestehen, das montags in einer bestimmten Ecke im Klassenraum aufgehängt und am Samstagnachmittag in der Versammlung ausgewertet wird. Das Blatt selbst soll in drei Spalten unterteilt werden, in denen die Schüler namentlich gekenn- zeichnete Eintragungen vornehmen können. Sie sollen folgende Überschriften tragen: „Wir üben Kritik“: Hier können die Schüler Beschwerden eintragen und darin
vermerken, wenn eine Anordnung schlecht befolgt oder ein Ordnungsdienst mangelhaft ausgeführt wurde.
„Wir beglückwünschen“: In diesem Feld können einzelne Kinder gelobt werden. Ebenso kann dem Lehrer für eine besonders interessante Unterrichtseinheit gedankt „Wir fordern“: Diese Spalte enthält Wünsche und Vorschläge einzelner Schüler, die sich auf das Gemeinschaftsleben in der Klasse beziehen.
An anderer Stelle wird noch ein viertes Feld vorgeschlagen:
„Wir haben verwirklicht“: In dieser Rubrik werden geleistete Arbeiten und erzielte Erfolge der Schüler vorgestellt. 37 Die Schüler, die ein Thema eingetragen habe, dürfen ihr Anliegen in der nächsten Versammlung bzw. der nächsten Klassenratssitzung vortragen und zur Diskussion stellen.
Da FREINETs traditionelle Version der Wandzeitung eher einem Rechenschaftsbericht ähnelt und sich sehr auf seine „Neue Schule“ (Ecole Nouvelle) bezieht, lässt sie sich heute nicht mehr genauso anwenden – beispielsweise gibt es heute an den wenigsten Schulen noch Samstags- unterricht, sodass die Auswertung an dem jeweiligen Wochentag stattfinden muss, der den Klassenrat im Stundenplan vorsieht.
36 s. Freinet, Célestin: Die moderne französische Schule. A.a.O., S.76 37 vgl. Freinet, Célestin: Die moderne französische Schule. A.a.O., S.207ff.
Dennoch wurde seine Grundidee aufgegriffen und auf die jeweilige Schule oder Klasse abge- stimmt. Die geläufigste Veränderung ist der Ersatz der Wir-Form durch die Ich-Form. Bei HIERDEIS wird die Rubrik „Ich kritisiere“ in das konstruktiver formulierte „Ich schlage vor“-Feld und das persönlichere „Ich habe mich geärgert über“-Feld aufgespalten. 38 Eine Rubrik speziell für erreichte Vorhaben ist meist nicht mehr vorgesehen.
Ein Nachteil dieser Methode ist, dass es in der Anfangzeit häufiger zu anonymen Spaßeintra- gungen kommen kann. FREINET argumentiert – wenig überzeugend – zwar, eine anonyme Ein- tragung sei sinnlos, da die Schrift den Schreiber ja verrate. 39 Dennoch schlägt HIERDEIS als Stra- tegie in einem solchen Fall vor, Eintragungen dieser Art zu ignorieren, bis diese nachlassen. Falls durch solche Späße die Störungen so massiv werden, dass niemand mehr ernsthaft bei der Sache ist, kann der Lehrer die Sitzung auch mit dieser Begründung abbrechen und eine neue Wandzeitung aufhängen. 40
Eine weitere Gefahr benennt Birte FRIEDRICHS, indem sie von einer Schülerin berichtet, die auf Grund sozialen Drucks ihre Eintragung wieder durchgestrichen und der Lehrerin gegenüber be- hauptet hat, das Problem hätte sich schon geklärt. 41 In der Tat ist eine vorzeitige Klärung ein häufiger und auch erwünschter Effekt dieser Methode, weil zwischen Beschwerde und Konflikt- lösung bis zu eine Woche liegen kann. In dieser Zeit sieht der vermeintliche Täter seinen Namen öffentlich angeprangert, vielleicht wird ihm die Schwere seines Fehlverhaltens überhaupt erst dadurch bewusst. So kann es dazu kommen, dass ein Problem tatsächlich schon wieder geklärt ist, wenn der Klassenrat ansteht. Als Lehrkraft kann man aber nicht wissen, ob das der Fall war, oder ob der Eintrag als Folge von Drohungen entfernt wurde.
Man kann dies aber einfach vermeiden, indem man den Schülern von vornherein sagt, dass schon eingetragene Themen nicht mehr zurückgenommen werden dürfen. Das regt zusätzlich eine Re-flexion der Schüler über den „Schweregrad“ ihrer Probleme an.
BLUM stellt einige Variationen vor, die den gleichen Zweck erfüllen sollen:
38 vgl. Hierdeis, Bernhard / Greßirer, Hans: Die Klasse – Basis erzieherischer Arbeit. A.a.O., S.16f.
39 vgl. Freinet, Célestin: Die moderne französische Schule. A.a.O., S.76 40 vgl. Hierdeis, Bernhard / Greßirer, Hans: Die Klasse – Basis erzieherischer Arbeit. A.a.O., S.21 41 vgl. Friedrichs, Birte: Den „Schattenseiten“ auf der Spur. Schwierigkeiten und Paradoxien einer pädagogisch sinnvollen Institution am Beispiel Klassenrat. In: Ullrich, Heiner / Idel, Till-Sebastian / Kunze, Katharina: Das Andere erforschen. Empirische Impulse aus Reform- und Alternativschulen. Wiesbaden 2004, S. 226f.
1. Das Klassenratsbuch oder Klassenratsringbuch hat einen festen Platz im Klassenraum
und enthält tagebuchartige Einträge mit Angabe von Datum und Name. Darin können z.B. auch Vordrucke und fertige Protokolle aufbewahrt werden.
2. Der Klassenratsbriefkasten hat ebenfalls einen festen Platz und wird vor der Sitzung ge-
leert. Bei dieser Form der Themensammlung können die Anliegen vorher nicht von den Schülern eingesehen werden.
3. Die Klassenratswand ist eine Pinnwand, an die die Schüler ihre Anliegen auf Zetteln
anheften können. Diese Form ist ebenfalls sehr öffentlich, allerdings können Zettel unkontrolliert wieder abgenommen werden.
4. Die Fragerunde zu Beginn ist eine spontane Themensammlung zu Beginn des Klassen-
rates und hat den Nachteil, dass einigen Schülern erst ein Thema einfällt, wenn der Klassenrat schon wieder vorbei ist. 42
Über die Form der Themensammlung kann auch mit den Schülern im Klassenrat verhandelt werden, solange der Leitgedanke verfolgt wird, dass die Schüler die Tagesordnung vorgeben.
1.3.2 Ämtervergabe
Ebenfalls ein Element aus der Freinet-Pädagogik ist die Vergabe von Ämtern an die Schüler. Die „Verantwortlichen“ (les responsables) übernehmen Aufgaben und Funktionen und die damit ver- bundene Verantwortung. Roland LAUN rechtfertigt die Methode wie folgt: „Es handelt sich um Aufgaben, die aus der praktischen Notwendigkeit erwachsen, das alltägliche Zusammenleben zu regeln und die einfachsten materiellen und organisato- rischen Voraussetzungen für eine befriedigende Hand- und Kopfarbeit zu schaffen und aufrechtzuerhalten.“ 43 In der Versammlung gibt es folgende Ämter:
- Der Präsident leitet die Sitzung und sorgt für die Einhaltung der Tagesordnung.
- Der Animateur moderiert Abstimmungen.
- Der Sekretär fertigt das Protokoll der Sitzung an.
42 vgl. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. A.a.O., S.30f.
43 s. Laun, Roland: FREINET – 50 Jahre danach. A.a.O., S.51
Darüber hinaus gibt es andere Ämter, die vorrangig Verwaltungsfunktionen innehaben (z.B. den Kassenwart, den Briefträger, den Bibliothekar). Diese Ämter hatten in FREINETs selbstverwalte-
ten „Klassenkooperative“ zwar ihre Berechtigung, sind jedoch für die heutige Regelschule bedeutungslos, da die Lehrkraft diese Aufgaben übernimmt. Sie seien nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Die oberen drei Ämter werden jedoch auch in der heutigen Praxis ähnlich vergeben. Die Schüler, die das Amt übernehmen, wechseln in der Regel von Sitzung zu Sitzung.
Das Amt, das meist als „wichtigstes“ empfunden wird, ist das des Präsidenten. Gebräuchliche Bezeichnungen sind „Gesprächsleiter“, „Diskussionsleiter“, „Klassenratsmoderator“ oder „Klassenrats-Chef“. Je nach Alter und Fähigkeit sollte die Lehrkraft abwägen, wie viel Rede- anteil die Schüler schon allein übernehmen. BLUM empfiehlt, dass bei der Einführung des Klassenrats die Lehrkraft die alleinige Leitung hat und schrittweise einzelne Aufgaben abgibt, z.B. kann der Moderator zunächst nur die Abstimmungen leiten, während die Lehrkraft durch die Tagesordnung führt. 44 Später kann sie dann nur noch neben dem Moderator sitzen und – wenn nötig – Hinweise geben, was er als nächstes sagen muss. Als Endziel wird eine alleinige Leitung durch die Schüler angestrebt.
DE BOER fand in einer empirischen Untersuchung heraus, dass auch Grundschüler schon in der Lage sind, den Klassenrat zu leiten, und es als spannende Herausforderung erleben, dafür zu sorgen, dass die Gesprächsregeln eingehalten werden und alle reden dürfen. 45 Ist dies erreicht, muss der Lehrer sich ebenfalls melden und warten, bis er aufgerufen wird.
Für Lehrkräfte kann es schwierig sein, die Verantwortung weitestgehend abzugeben, weil sich dadurch die Rollen zwischen Lehrer und Schülern – zumindest in dieser Stunde – neu definieren (s. 1.4.2). Sie müssen je nach Situation entscheiden, ob sie lenkend eingreifen oder sich besser zurückhalten sollten.
Damit der Gesprächsleiter sich voll auf die Moderation konzentrieren kann, wurden diverse andere Ämter erfunden, um ihn dabei zu unterstützen: Der Zeitwächter achtet darauf, dass die Redezeit eingehalten wird, damit alle Themen behandelt werden können, die Regelbeobachter führen Strichliste über störendes Verhalten der Mitschüler.
44 vgl. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. A.a.O., S.30f.
45 vgl. de Boer, Heike: Klassenrat als interaktive Praxis. a.a.O., S.17
In der Gesamtschule X habe ich beobachtet, wie ein Schüler lediglich eine Glocke läuten musste, wenn der Geräuschpegel zu hoch wurde. Das Amt des Sekretärs wird häufig auf zwei Schüler verteilt: den Protokollvorleser und den Protokollschreiber.
Die Verteilung der Ämter kann sich nach dem Alphabet oder nach Sitzordnung richten. Es kann auch immer der jeweils amtierende Schüler seinen Nachfolger bestimmen. Die Hauptsache ist, dass jeder Schüler einmal jede Aufgabe wahrnimmt. Es kann hilfreich sein, die Namen der Ämter auf Namensschilder zu schreiben oder sie zusammen mit den damit verbundenen Funktionen auf Karten festzuhalten, die dann weiter gereicht werden.
Eine Grundschule, die am BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“ teilnimmt, verteilt 24 verschiedene Ämter oder „Chefaufgaben“ (z.B. Tafel-Chef, Austeil-Chef), sodass jeder Schüler eine Woche lang eine ganz bestimmte Aufgabe hat. 46
Die Idee hinter all diesen Ämtern ist die Übernahme von Verantwortung und Pflichten in der Klasse, sowie das schrittweise Kennenlernen von demokratischen Abläufen und Selbst- organisation.
1.3.3 Klassenregeln
Eigentlich sind Klassenregeln keine Methode, da es in jeder Klasse – auch ungeschriebene – Regeln gibt. Hier ist aber das gemeinsame Formulieren und evtl. Visualisieren von Umgangs- und Gesprächsegeln gemeint, deren Einhaltung auch immer wieder überprüft werden sollte. Da der Klassenrat mehr oder weniger nur aus Gesprächen besteht, sind Gesprächsregeln außerdem für die Erreichung des Ziels „Kommunikationsfähigkeit“ notwendig.
DREIKURS rechtfertigte die Notwendigkeit von Regeln wie folgt:
„Regeln helfen, die Rechte des einzelnen zu schützen, und halten unfaire Mitglieder davon ab, die Rechte anderer zu verletzen.“ 47 Diese Erkenntnis überrascht auf den ersten Blick nicht wirklich. Bei genauerer Auseinander- setzung kam ich jedoch zu dem Schluss, dass Kindern ihre Rechte oft gar nicht so bewusst sind wie uns Erwachsenen. Wenn jedes Kind seinen Anspruch auf Rechte für selbstverständlich halten würde, wäre das Wort „Petze“ inzwischen sicher aus der Mode gekommen. 46 s. Daublebsky, Benita / Lauble, Silvia: Der Klassenrat als Mittel demokratischer Schulentwicklung. A.a.O., S.29f. 47 s. Dreikurs, Rudolf / Grunwald / Pepper: Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme. A.a.O., S.124
Daher sollte jede Lehrkraft sich genau überlegen, was die Folgen sein können, wenn man denkt, das Aufstellen von Klassenregeln sei überflüssig, da ja jeder die Schulordnung nachlesen könne.
Die Regeln sollten nicht einfach vorgegeben werden, sondern mit den Schülern gemeinsam im Klassenrat erarbeitet werden, wenn man weiterhin den Gedanken der Mitbestimmung verfolgen will. Außerdem fällt es den Schülern leichter, sich an Regeln zu halten, die sie sich selbst aus- gedacht haben, als an solche, die ihnen von außen auferlegt wurden.
BLUM schlägt folgende Richtlinien für Gesprächsregeln vor:
- Die Ich-Form sollte der Wir-Form vorgezogen werden. Die Man-Form ist völlig zu ver-meiden. Auf diese Weise ist der Aufforderungscharakter höher.
- Die Regeln sollen positiv formuliert werden. Damit wird nicht das unerwünschte Verhalten verboten, sondern das erwünschte Verhalten konkret aufgezeigt.
- Mehr als fünf Regeln sollten nicht auf einmal aufgestellt werden, da die einzelnen Regeln dann weniger wichtig werden und am Ende keine richtig ernst genommenn wird.
- Die Regeln sollten visualisiert werden, damit sie immer präsent sind und leicht darauf verwiesen werden kann. 48 Im Konzept von GRÜNER haben Regeln einen besonders hohen Stellenwert. Zwar verzichtet er auf das Kriterium der positive Formulierung, dafür schlägt er ein anderes vor:
- Die Regeln sollten so konkret wie möglich formuliert werden. Bei älteren Schülern können sie auch abstrakter sein. 49
Für sein Konzept ist die Konkretisierung von Regeln deshalb so wichtig, da bei Regelver- letzungen das sogenannte „STOPP-Signal“ gegeben wird. Es wird begleitet von einer Verhal- tensanweisung für den Schüler, der eine Regel verletzt hat. Das Programm „Bei STOPP ist Schluss!“ bietet eine Möglichkeit, Regeln für Schüler verbindlicher zu machen. (Ich erwähne es auch deshalb, da eine der von mir beobachteten 5. Klassen einige Elemente aus GRÜNERs Konzept in ihren Klassenrat integriert hat.) 48 vgl. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. A.a.O., S.62 49 vgl. Grüner, Thomas / Hilt, Franz: Bei STOPP ist Schluss! A.a.O., S.86
Wurden in der Klasse schon allgemeine Verhaltensregeln aufgestellt, können auch Gesprächs- regeln speziell für den Klassenrat entwickelt werden. Sie sollten möglichst die folgenden Punkte beinhalten:
- Es redet nur, wer vom Moderator aufgerufen wurde.
- Wer nicht dran ist, hört dem Redner zu.
- Jeder spricht für sich selbst in Ich-Botschaften.
- Aussagen anderer werden akzeptiert und ernst genommen.
- Es wird nur über Anwesende gesprochen.
- Die besprochenen Themen werden vertraulich behandelt.
In vielen Klassen hat sich außerdem bewährt, einen Redegegenstand einzuführen. So ein „Sprechstein“ (oder -ball, -stofftier) drückt symbolisch aus, dass eine Person sprechen darf. Er unterstützt die Regel, dass immer nur einer redet, nämlich derjenige, der den Redegegenstand hat. 50
1.3.4 Positive Runde
In den meisten Konzepten für die Durchführung von Klassenratstunden wird empfohlen, mit einer „Positiven Runde“ oder Anerkennungsrunde zu beginnen. Das lässt sich am besten um- setzen, wenn die Schüler im Stuhlkreis sitzen.
Reihum sagt jeder Schüler etwas Positives über die Klasse, das sich z.B. auf Erlebnisse mit anderen Schülern, Lehrern oder auf den Unterrichtsstoff beziehen kann. Wenn einem Schüler einmal nichts einfällt, kann er das Wort (oder den Redegegenstand) an den nächsten weitergeben. Dann sollte man ihn am Ende noch einmal fragen, ob ihm etwas eingefallen ist. Bei jüngeren Schülern kann man auch Mitschüler Vorschläge machen lassen, was dem jeweiligen Kind gut gefallen haben könnte. Wichtig ist, dass der entsprechende Schüler das Gesagte noch einmal wiederholt statt nur zu nicken, damit es auch wirklich zu seinem eigenen Beitrag wird. Auch der Lehrer nimmt an der Runde teil.
50 vgl. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. A.a.O., S.30
Als Formulierungshilfe kann vorgegeben werden, dass jeder den Satz mit „Ich finde gut, dass...“ o.Ä. begonnen wird. Denkbar wäre auch, die Formulierung von der Wandzeitung zu verwenden und nur die Schüler ihre Beiträge vorstellen zu lassen, die sie dort eingetragen haben.
Diese Methode ist zur Einstimmung auf den Klassenrat gedacht. Da im Klassenrat häufig Probleme thematisiert werden, wird in der Runde der Blick auf angenehme Erlebnisse gelenkt, um so eine positive Grundstimmung zu schaffen. Sie regt die Schüler zu einer Reflexion über die Schulwoche an und schärft die Wahrnehmung für die positiven Seiten der Schule, die schnell vergessen werden, wenn immer nur Probleme besprochen werden. Außerdem lernen die Schüler Anerkennung und Wertschätzung auszudrücken. 51
51 vgl. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. A.a.O., S.33
1.4 Voraussetzungen für die Durchführung von Klassenratstunden
Dass es sich beim Klassenrat nicht um „normalen Unterricht“ handelt ist inzwischen klar geworden. Für eine erfolgreiche Durchführung, müssen einerseits die entsprechenden Rahmen- bedingungen geschaffen werden, andererseits muss die Lehrkraft sich ihrer veränderten Rolle bewusst werden.
1.4.1 Rahmenbedingungen
Die grundlegendste Bedingung, die geschaffen werden muss, ist Zeit: Wenn sich eine Klasse – oder eine ganze Schule – entscheidet, den Klassenrat verbindlich einzuführen, muss entschieden werden, ob hierfür eine zusätzliche Stunde geschaffen wird (was zum Leidtragen der Klassen- lehrer ginge) oder ob Fachunterrichtszeit dafür verwendet werden soll. Hierfür würde sich am ehesten der Deutschunterricht anbieten, was allerdings problematisch wird, wenn die Klassen- lehrer keine Deutschlehrer sind. Dies will ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen, weil an jeder Schule andere Bedingungen herrschen.
Die Hauptsache ist jedoch, dass der Klassenrat nicht nur partiell durchgeführt wird, sondern als fester, regelmäßiger Termin im Stundenplan vorgesehen ist. Keinesfalls sollte die Lehrkraft die Stunde spontan für Fachunterricht verwenden, weil dann auch die Schüler den Klassenrat ebenfalls nicht ernst nehmen werden. 52 Weiterhin muss geklärt werden, auf welche Weise die Lehrer Grundwissen über Ablauf und Methoden des Klassenrats erlangen sollen, und ob Externe einbezogen werden sollen. Es muss auch entschieden werden, ob jedem Lehrer die Freiheit gelassen wird, den Klassenrat selbst zu gestalten, oder ob es gewisse Minimalstandards geben sollte. Hier bietet sich eine Einbeziehung der Schulsozialarbeiter an.
Schließlich bleibt eine Informationsveranstaltung für Eltern zu organisieren, um auch diese über die Vorteile und Aufgaben des Klassenrats in Kenntnis zu setzen. 53
1.4.2 Die Rolle der Lehrkraft
Ebenso wichtig wie die Verbindlichkeit des Klassenrats ist der Umgang des Lehrers mit den Schülern für das Erreichen der Ziele, insbesondere bezüglich Mitbestimmung. Häufig gerät der Erziehungsauftrag der Schule neben all dem zu vermittelnden Fachwissen in Vergessenheit. 52 vgl. Blum, Eva und Hans-Joachim: Der Klassenrat. A.a.O., S.30 53 vgl. Daublebsky, Benita / Lauble, Silvia: Der Klassenrat als Mittel demokratischer Schulentwicklung. A.a.O., S.15ff.
Dennoch sollten Lehrern – wie auch HIERDEIS feststellte – ihre Einflussmöglichkeiten auf die Schüler wieder bewusst werden, denn:
„[...] Erziehung vollzieht sich in jedem Unterricht. Erziehung ist immer gegenwärtig, wo Unterricht durchgeführt wird. Nur der Schwerpunkt der Erziehung ist je nach Einstellung und persönlicher Geschichte der Lehrkraft unterschiedlich.“ 54
Wie bereits angedeutet, ist der Klassenrat eine besondere Situation für Lehrer und Schüler. Die Themen sollen von den Schülern vorgegeben werden, auch die Leitung der Stunde – und somit die Verantwortung – soll Schritt für Schritt an die Schüler übergehen. Im Idealfall soll der Lehrer am Ende laut DREIKURS ein „gleichberechtigtes Gruppenmitglied“ sein. An anderer Stelle betont er jedoch:
„Wenn der Lehrer ein wirksames Gruppengespräch will, kann er nicht passiv bleiben. Er muss beteiligt sein, die Richtung weisen und manchmal lenkend eingreifen.“ 55
DE BOER, die die praktische Umsetzung des Klassenrats eher kritisch betrachtet, bezeichnet den Widerspruch zwischen gleichzeitigem Leiten, Vorbild sein und Teilnehmen als „Rollenambi- valenz“. Sie kritisiert DREIKURS’ Vorstellung von der moralisch vorbildhaften Lehrperson und stellt schließlich fest:
„Entweder klären die Schüler und Schülerinnen Konflikte selbsttätig, dann bleibt offen, auf welche moralischen und normativen Vorstellungen sie dabei zurückgreifen. Oder die normativen und moralischen Vorstellungen werden vorgegeben, dann kann nicht mehr von Selbsttätigkeit gesprochen werden.“ 56 Da dieser Widerspruch ohne eine grundlegende Veränderung des Schulsystems aber nicht lösbar ist, muss man versuchen, innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen den Weg zu finden, der den Schülern die höchstmögliche Selbsttätigkeit gestattet.
HIERDEIS schlägt zu diesem Thema vor, dass die Lehrkraft sich von vornherein ein Vetorecht vorbehalten müsse, von dem sie aber nur sehr sparsam Gebrauch machen sollte. Zuvor könne die Lehrkraft versuchen, durch eine Wortmeldung die Schüler dazu zu bringen, ihren Beschluss 54 s. Hierdeis, Bernhard / Greßirer, Hans: Die Klasse – Basis erzieherischer Arbeit. A.a.O., S.7 55 s. Dreikurs, Rudolf / Grunwald / Pepper: Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme. a.a.O., S.125 [Anmerkung der Verfasserin: Meines Erachtens wird durch die Übersetzung die Aussage verzerrt. Man vergleiche mit dem Originaltext: „The teacher cannot be passive if she wants to have effective group discussions. She must be directive, involved, and even manipulative.” Hier wird weniger der Eindruck von einer „sanften” Leitung vermittelt.
56 s. de Boer, Heike: Klassenrat als interaktive Praxis. a.a.O., S.23
noch einmal zu überdenken. 57 Ein Gebrauch des Vetorechts ist dann angebracht, wenn die Beschlüsse mit der Schulordnung im Konflikt stehen oder die Würde eines Schülers gefährdet wird.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Klassenrat umso effektiver demokratische Mitgestaltung ermöglicht, je größer der Schüleranteil an der Gesamtredezeit ist und je kommunikations- fördernder die Beiträge der Lehrperson sind. Als Anhaltspunkt verweist Manfred BÖNSCH auf die Kriterien für einen demokratischen Führungsstil nach A. und R. TAUSCH:
Es wird angenommen, dass in dem gleichen Maße, in dem die Lehrkraft kommunikations- fördernde Merkmale aufweist, die Schüler Selbstständigkeit, Interesse, Initiative, kritisches Denken und Produktivität entwickeln. 58 57 vgl. Hierdeis, Bernhard / Greßirer, Hans: Die Klasse – Basis erzieherischer Arbeit. A.a.O., S.20
2 Praktische Umsetzung an der Gesamtschule X
2.1 Die „Stammgruppenstunde“ An der Gesamtschule X hat sich der Begriff „Klassenrat“ noch nicht durchgesetzt, da dieser bis vor zwei Jahren noch „Stammgruppenstunde“ oder kurz „Stammstunde“ hieß. Auch auf der Internetseite heißt es noch:
„Stammgruppenstunden
Um Konflikte in der Klasse zu besprechen, Vorhaben zu organisieren und demokratisches handeln einzuüben, steht jeder Klasse wöchentliche eine Stunde zur Verfügung. In dieser Stunde sind meist beide Klassenlehrkräfte anwesend.“ 59 Damit stimmt die Gesamtschule X in ihren Zielen mit den genannten Zielen für Klassenrat- stunden überein.
Laut Aussage der Sozialpädagogin werden neue Lehrkräfte nicht gesondert in die Durchführung dieser Stunden eingewiesen. Sie würden ihre Informationen hauptsächlich durch kollegialen Austausch sowie private Weiterbildung erlangen. Außerdem existiert ein 33-seitiger „Reader zum Kurs Klassen(rat)stunden“ ( erstellt von zwei Mitarbeiterinnen des schulpsychologischen Dienstes im Kreis Pinneberg), der zwar keine allgemeine Beschreibung enthält, dafür aber An- regungen zu gruppendynamischen Spielen gibt. Außerdem enthält er eine Anleitung zur Durchführung eines Konfliktgespräches und verschiedene Kopiervorlagen. Dieser Reader wird aber ebenfalls nicht verbindlich an alle Lerkräfte verteilt.
Bei meiner Beobachtung von sieben Klassen (je zwei Klassen des 5., 6. und 8. Jahrgangs und eine 7. Klasse) habe ich folgende Erkenntnisse über die praktische Umsetzung gewonnen, die ich wie folgt zusammenfasse:
58 vgl. Tausch, A. u. R.: Erziehungspsychologie, Göttingen 1971. Nach: Bönsch, Manfred: Grundlegung sozialer Prozesse heute. Verhaltenssicherheit und Demokratiefähigkeit. Weinheim und Basel 1994, S.67f.
59 s. Bülow, Hans: Internetseite der Gesamtschule X. Aus http://www.gefa-nms.de/Schulprogramm/12Schulprogramm.htm (Stand: Februar 2007)
1. Der Klassenrat ist verbindlich im Stundenplan vorgesehen und findet an verschiedenen Wochentagen und zu verschiedenen Tageszeiten statt.
2. Es waren in jeder Klasse beide Lehrkräfte anwesend.
3. In vier (von sieben) Klassen saßen die Schüler im Stuhlkreis. Ein Zusammenhang mit der
Jahrgangsstufe war nicht festzustellen.
4. In allen Klassen wurde eine Tagesordnung an die Tafel geschrieben. Zwei davon haben
eine zusätzliche Tafel dafür, auf der die Schüler während der Woche die Themen sammeln können.
5. In fünf Klassen wurde die Sitzung von einem Schüler, einer Schülerin oder zwei
Schülern geleitet. In vier Fällen stand der/die moderierende/-n Schüler/-in/ an der Tafel, während die Klasse und die Lehrer saßen. In einem Fall wurde die Moderation durch freiwilliges Melden zu Beginn der Sitzung festgelebt. In den beiden 5. Klassen hat der Lehrer die Sitzung geleitet.
6. In vier Klassen waren die Lehrer bemüht, ihre Beiträge durch Handzeichen anzukündi-
gen. In einer davon gab es einen Redegegenstand. (Ironischerweise war dies die einzige Klasse, in der sich beide Lehrkräfte konsequent gemeldet haben.)
7. In zwei Klassen gab es ein Ruhezeichen, in einer davon wurde dieses von einem Schüler
eingesetzt. In einer anderen Klasse wurde über Störungen Strichliste geführt.
8. In einer Klasse gab es das Amt des Zeitwächters.
9. In den beiden 8. Klassen habe ich beobachtet, dass ein Protokoll verfasst wurde.
Es war eine bereichernde Erfahrung, viele der beschriebenen Methoden in ihrer praktischen Umsetzung zu erleben. Mir fiel aber auch auf, dass es von Klasse zu Klasse teilweise gravierende Unterschiede gab. Ob und welche Auswirkungen das auf die Einstellung der Schüler und Lehrer zum Klassenrat und der Klassengemeinschaft allgemein hat, versuche ich im Folgenden zu klären.
2.2 Befragung In meinen letzten zwei Praktikumswochen habe ich in sieben Schulklassen der Jahrgänge 5-8 eine Befragung zum Thema „Unser Klassenrat“ durchgeführt. Insgesamt wurden rund 150 Schüler befragt.
Durch die Befragung wollte ich ein genaueres Bild davon bekommen, welche Bedeutung der Klassenrat für die Schüler hat, um daraus ableiten zu können, inwiefern die dargestellten Ziele tatsächlich erreicht werden. Mir ist dabei bewusst, dass es sich bei „Konfliktfähigkeit“ und „demokratischer Handlungsfähigkeit“ um schwer messbare Ergebnisse handelt. Daher sehe ich von unsicheren Interpretationen ab und stelle nur dar, was aus den Schülerantworten eindeutig und nachvollziehbar hervorging.
Ferner habe ich rund 60 Fragebögen an die Lehrkräfte verteilt, von denen ich 19 zurückerhalten habe. (Ob und inwiefern dies das Ergebnis beeinflusst, sei an dieser Stelle außen vor gelassen.) Mit dieser Befragung wollte ich einerseits ebenfalls ein Meinungsbild zum Klassenrat erhalten. Darüber hinaus bezogen die Lehrer zu den hier vorgestellten Methoden Stellung beziehen, indem sie sie auf ihre „Tauglichkeit“ hin bewerteten.
Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse befinden sich Tabellen mit einer detaillierten Auflistung im Anhang, ebenso je ein Muster der verwendeten Fragebögen.
Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, gehe ich nur auf die gewonnenen Erkenntnisse ein, die für meine Themenstellung relevant sind.
2.2.1 Schülerbefragung
Die Befragung war anonym, es sollte lediglich die Klassenstufe angegeben werden. Die Schüler bekamen zunächst 13 Aussagen, bei denen sie den Grad ihrer Zustimmung ankreuzen sollten. Sie konnten sich zwischen „stimmt“, „stimmt teilweise“, und „stimmt nicht“ entscheiden oder „weiß ich nicht“ ankreuzen. Anschließend folgten die zwei Satzanfänge „Ich finde Klassenrat gut, weil...“ und „Klassenrat wäre noch besser, wenn...“, die die Schüler ergänzen sollten und die Frage: „Was wäre in deiner Klasse wohl anders, wenn es keinen Klassenrat gäbe?“
Der weitaus größte Teil der befragten Schüler findet es gut, dass es einen Klassenrat gibt, einige zumindest teilweise. (Nur 0-7% stimmten der Aussage nicht zu oder sind unentschieden.) Sie begründeten dies in der Ergänzungsfrage zu ca. 60% damit, dass sie dort Probleme ansprechen und klären könnten. Ca. ¾ der Schüler hat der Aussage „Im Klassenrat können wir Streits klären und Probleme lösen“ im Ankreuz-Teil auch voll zugestimmt.
Weitere häufig genannte Begründungen sind, dass man wichtige Themen bespreche und allgemein die Meinung der Mitschüler kennenlerne. Vereinzelt wurde außerdem mit dem Informationsaustausch, der Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen sowie einer Verbesserung der Gemeinschaft begründet.
Der Aussage, der Klassenrat hätte die Klassengemeinschaft verbessert, stimmten die meisten Schüler nur teilweise zu. In den Klassen 5-7 halten sich Zustimmungen und Ablehnungen ungefähr das Gleichgewicht, während die 8. Klassen eindeutig zu „stimmt“ tendieren. 4-12% waren hier unsicher.
Dennoch stimmten die meisten Schüler der Aussage, in ihrer Klasse sei der Umgangston unfreundlich nur teilweise bis gar nicht zu. Die größte Zustimmung mit 24% gaben hier die 5. Klasse, während im 8. Jahrgang niemand zustimmte.
Auf sehr einheitlichen, jahrgangsübergreifenden Zuspruch traf die Aussage „Schülerinnen und Schüler möchten selbst Entscheidungen treffen und Verantwortung tragen.“ Jeweils etwa die Hälfte stimmte der Aussage ganz oder teilweise zu. Nur je 4-9% lehnten sie Aussage ab oder wussten es nicht.
Ebenfalls auf den Mitbestimmungswillen zielte die Aussage ab: „Ich möchte Klassenfahrten mitplanen.“ Mit Ausnahme des 6. Jahrgangs (44%) stimmten hier über die Hälfte der Schüler ganz und durchschnittlich 20% teilweise zu.
Verbesserungsvorschläge für den Klassenrat bezogen sich hauptsächlich auf das Verhalten der Mitschüler. So ergänzten 30-60% den Satz sinngemäß damit, dass alle sich leiser verhalten und einander zuhören sollten. Viele Schüler hatten keine Vorschläge oder schrieben explizit, dass sie mit ihrem Klassenrat zufrieden seien. Einige Schüler wünschten sich mehr Zeit, aktivere Teilnahme ihrer Mitschüler oder abwechslungsreichere Themen.
Bei der Überlegung, was anders wäre, wenn es keinen Klassenrat gäbe, kamen die meisten Schüler ( in jeder Klasse ca. 75%) zu dem Ergebnis, dass es dann mehr Streit bzw. ungelöste Probleme gäbe. Weitere häufig genannte Vorstellungen waren: mehr Gewalt, mehr Chaos und eine schlechtere Stimmung. Vereinzelt vermuteten die Schüler auch, die Probleme müssten dann eben in der Unterrichtszeit geklärt werden.
2.2.2 Lehrerbefragung Von den 19 befragten Lehrern führen einige erst seit 1-2 Jahren , andere wiederum seit über 15 Jahren Klassenratstunden durch. Die Antworten bezeihen sich auf die Klassenstufen 5-10. Auch hier begnüge ich mich mit einer Zusammenfassung der prägnantesten Aussagen.
89% halten den Klassenrat für eine sinnvolle Institution, die übrigen 11% stimmen immerhin
Schlagworte:
lit_2007-art, Hausarbeit,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3830 | hinzugefügt von Jürgen an 03:35 - 3.2.2012 |
title: Kooperative Lehr- und Lernkultur by Rabensteiner, Gerhard, Pia-Maria Rabensteiner |
|
Titel: | Kooperative Lehr- und Lernkultur |
Autor: | Rabensteiner, Gerhard, Pia-Maria Rabensteiner | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Hohengehren | Quellentyp: | Sammelband |
veröffentlicht am: | DD.MM.2005 | | |
url: | |
Text:
<b>Kooperative Lehr- und Lernkultur. Ausgangspunkt für Veränderungen und neue Wege in der Lehrer/innenbildung</b><p>
Inhaltsverzeichnis<br><br>
Gerhard RABENSTEINER/Pia-Maria RABENSTEINER<br>
Vorwort 1<br><br>
Überlegungen zu den Wegen<br><br>
Gerhard RABENSTEINER/Pia-Maria RABENSTEINER<br>
Ein Modell einer neuen Form der Lehrer/innenbildung 3<br>
Walter HÖVEL<br>
Vom Durststillen der Pferde, vom Lernenlernen der Kinder und<br>
vom Freinetstudieren in Studiengängen 7<br>
Barbara DAIBER<br>
Lernen auf verschiedenen Ebenen 16<br>
Gerhard RABENSTEINER<br>
Eine veränderte Schule erfordert Veränderungen in der<br>
Lehrer/innenbildung 23<br><br>
Demokratielernen in der Schule<br><br>
Walter HÖVEL/Uschi RESCH<br>
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“<br>
Demokratie lernen in der Grundschule? 36<br>
Pia-Maria RABENSTEINER<br>
Schulpraktische Überlegungen zum Thema Klassenrat 49<br><br>
Freie Ausdrucksmöglichkeiten<br><br>
Gerda GFRERER-DREIER<br>
„Freies Schreiben“ im Englischunterricht der Sekundarstufe 60<br>
Herbert HAGSTEDT<br>
Vom Erzählstuhl bis zum Erfinderbuch –<br>
Zu Gast bei der Sprache der Kinder 70<br>
Roman MANGOLD<br>
Freier Ausdruck durch eine Schuldruckerei –<br>
Freinet´sche Traditionspflege oder modernde Bildungschance? 78<br>
Pia-Maria RABENSTEINER<br>
„Freie Texte“ in der Grundschule 90<br>
Inhaltsverzeichnis<br>
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________<br>
II<br>
Barbara DAIBER<br>
Die Sehnsucht nach Ausdruck<br>
Nicht Bilder von anderen sehen – die eigenen Bilder malen 101<br>
Harald GRONOLD<br>
Der Unfug mit den Textrechnungen 107<br>
Gerd OBERDORFER<br>
„Methode naturelle“ im Mathematikunterricht 120<br>
Pia-Maria RABENSTEINER<br>
Die „Fragen zur Welt“ als Ausgangspunkt für einen<br>
kindgerechten Sachunterricht 125<br><br>
Eigene Arbeiten planen und Leistungen festhalten<br><br>
Pia-Maria RABENSTEINER<br>
Arbeit mit dem Wochenplan –<br>
Kinder als Initiator/innen des eigenen Lernprozesses 138<br>
Erika HASENHÜTTEL<br>
Schiefertafel oder Computer?<br>
Der lange Weg zu einem pädagogischen Leistungsverständnis 155<br>
Ulrich HECKER<br>
Den Leistungen ein Gesicht geben<br>
Schreibend lernen mit Portfolios 168<br>
Franz FRECH<br>
Monsteraufgaben mit Spaß meistern? 172<br><br>
Pädagogischer Austausch auf unterschiedlichen Ebenen<br><br>
Barbara DAIBER<br>
Reflexion als kreative Verdichtung 180<br>
Barbara DAIBER<br>
Versuche freinetpädagogischer Lernkultur<br>
an der Hochschule 185<br>
Hartmut GLÄNZEL<br>
Kooperative internationale Lehrer/innenbildung 191<br>
Walter HÖVEL<br>
Höchstens eine Ahnung vom Lernen ... 195<br>
Gerhard RABENSTEINER<br>
Neurorientierungen in der Lehrer/innenausbildung 200<br><br>
Verzeichnis der Autor/innen dieses Bandes 203
Schlagworte:
Schule, Ausbildung, Lehrerausbildung, Fortbildung, Diplom,lit_2005-mono, freier-Ausdruck,
summary:
-
Notiz:
Schneider Verlag (ISBN 3-89676-975-8) 18,- €
|
ID: 2259 | hinzugefügt von Jürgen an 17:17 - 6.9.2005 |
title: Klassenrat by RABENSTEINER, Pia-Maria |
|
Titel: | Klassenrat |
Autor: | RABENSTEINER, Pia-Maria | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Hohengehren, In: Kooperative Lehr- und Lernkultur, S. 49ff | Quellentyp: | Artikel aus Sammelband |
veröffentlicht am: | DD.MM.2005 | | |
url: | |
Text:
Schulpraktische Überlegungen zum Thema Klassenrat
Schlagworte:
Schule, Ausbildung, Lehrerausbildung, Fortbildung, Diplom, lit_2005-art
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2265 | hinzugefügt von Jürgen an 19:06 - 6.9.2005 |
title: Die freie Arbeit - Schüler planen ihre Arbeit selbst by Rabensteiner, Pia-Maria Mag. |
|
Titel: | Die freie Arbeit - Schüler planen ihre Arbeit selbst |
Autor: | Rabensteiner, Pia-Maria Mag. | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 3 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1998 | | |
url: | |
Text:
Die freie Arbeit - Schüler planen ihre Arbeit selbst
Geht man von Freinets Grundeinstellung aus, daß die Kinder sowohl das Recht auf ihren eigenen Lernprozeß, ihre eigene Entwicklung und Individualität als auch das Recht auf ihren eigenen Lernrhythmus haben, erkennt man zwangsläufig, daß der Unterricht auf diese Form abgestimmt werden muß. Freinet setzte bei seiner Unterrichtsarbeit die Schwerpunkte so, daß es keinen Stundenplan im üblichen Sinn gibt, sondern daß die Kinder ihr Lernvorhaben individuell, entweder in Einzelarbeit, Partner- oder Gruppenarbeit bewältigen können.
Zu Wochenbeginn wird in Absprache mit dem Lehrer und den Kindern der gemeinsame und individuelle Arbeitsplan fixiert. Während der Freiarbeitsphase können sich die Kinder die Arbeit, die sie sich für diese Woche vorgenommen haben, erledigen. Alle Arbeiten, die ein Kind in diesem Zeitraum erledigt, werden im Arbeitsplan vermerkt. Am Ende der Woche werden die individuellen Arbeitspläne vom Lehrer kontrolliert. So bestimmt jedes Kind sein Lernpensum und sein eigenes Lerntempo. Der Lehrer hat aufgrund der Arbeitspläne einen Einblick in das Leistungsvermögen der Kinder.
Als Arbeitsmaterialien, die für diese Freiarbeitsphase für die Kinder zur Verfügung stehen, zählen Arbeitskarteien und Arbeitsblätter mit Selbstkontrollmöglichkeit, die Arbeitsbücherei, Nachschlagekarteien, Dokumentensammlungen - eine Fundgrube geographischer, geschichtlicher, biologischer, umweltbezogener Unterlagen, Versuchskarteien, Spiele, Lexika, Bücher, Zeitschriften, Schallplatten, Tonbänder, CD, Material zum Basteln, Werken, die Schuldruckerei und vieles mehr. Praktisch handelt es sich um alle Materialien, die sich in den einzelnen Arbeitsecken befinden sollten.
Freinet lehnte Schulbücher, bei denen alle Kinder in der gleichen Zeit den gleichen Lehrstoff durchnehmen müssen, ab, "weil sie nur zur Langeweile erziehen, ein guter Schüler sie in kürzester Zeit ausgelesen hat und sie ihn dann nicht mehr interessieren" (Jörg, 19892 ,29).
Bei der Form des freien Arbeitens lernen die Kinder nicht nur verantwortungsvoll mit den verschiedenen Materialien umzugehen, sondern ihre Leistung einzuschätzen, sie mit anderen Kindern zu vergleichen, selbständig und selbstverantwortlich Aufgaben zu übernehmen. Das selbstgesteuerte Arbeiten bereitet den Kindern auch Freude. Aggressionen und Frustrationen können dadurch außerdem vermieden werden. Wenn Kinder in der Freiarbeitsphase ihren Aufgaben unterschiedlicher Art nachgehen, diese alleine, mit einem Partner oder in einer Gruppe erledigen, so müssen sie sich auch an bestimmte Ordnungprinzipien halten. Freinet meinte dazu in seinem Werk "Les techniques Freinet de l´école moderne" folgendes: "Wir behaupten..., daß die wahre Disziplin sich nicht von außen, von einer vorgegebenen Regel und auf diese Regel bezogenen Verboten und Bestrafungen herleiten soll. Sie ist vielmehr die natürliche Folge einer geglückten Organisation kooperativer Arbeit und des sich daraus herleitenden Klimas in der Klasse ("clima moral de la classe"). Die Erfahrung hat uns gezeigt, daß wir ein nahezu ideales Arbeitsklima erreichen, wenn bei der Arbeitsorganisation die Gruppenstrukturen der Klasse berücksichtigt werden, wenn die Kinder in ihrer Einzel- oder Gruppenarbeit eine sie interessierende Arbeit verrichten, die sich insgesamt außerdem noch in einen kontinuierlichen Gesamtarbeitszusammenhang einfügt. Unordnungen gibt es nur bei unangemessener Organisation der Arbeit und wenn ein Kind mit einer Arbeit beauftragt wird, die weder seinen Wünschen noch seinen Möglichkeiten entspricht." (Zehrfeld, 22)
Für das Arbeiten in den Freiarbeitsphasen kann ein Plakat erstellt erstellt werden, das die Kinder an den Ordnungsrahmen erinnern soll. Im Klassenrat sollte auch genau besprochen werden, warum diese Richtlinien einzuhalten sind. Innerhalb des Klassenverbandes gehen die Kinder unterschiedlichen Arbeiten nach. Kinder, die einen freien Text verfassen wollen, benötigen dazu Ruhe. Das muß ihnen ermöglicht werden. Arbeiten Kinder miteinander, wird daher aus Rücksicht auf die anderen im "Flüsterton" gesprochen. Die Regel, daß Materialien an den Ort, wo sie entliehen werden, wieder zurückkommen, muß ebenfalls eingehalten werden. Somit findet jedes Kind aus den Bereichen Deutsch, Mathematik, Sachunterricht, Experimentieren, Malen, Kreativitätsförderung uvm. wieder alle Materialien.
Die Freiarbeitsphasen beginne ich damit, daß die Kinder ihre Arbeitspläne aufschlagen und nachsehen, welche Aufgabe bereits erledigt ist und welche noch nicht. Kinder, die ein Material gerade in Arbeit haben, haben das Vorrecht darauf und dürfen dieses als erste nehmen. Diejenigen, die am Vortag ihre selbstgestellte Aufgabe erfüllt haben, überlegen sich, womit sie heute beginnen werden. Es steht den Kindern frei, alleine, mit einem Partner oder in einer Gruppe zu arbeiten. Wird eine Arbeit erledigt, so ist das Material wieder an den ursprünglichen Platz zurückzustellen, die geleistete Arbeit ist im Arbeitsplan zu vermerken.
-------------------------------------------------------------------------
Literatur:
Jörg H., So macht Schule Freude. Wolfsburg 1989
Zehrfeld K., Freinet in der Praxis. Basel 1979
C. Freinet., Die moderne französische Schule. Paderborn 1979
Schlagworte:
fr_koop_3
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3087 | hinzugefügt von Jürgen an 02:17 - 22.11.2007 |
title: Der Umgang mit dem freien Text in der ersten Klasse / by Rabensteiner, Pia-Maria Mag. |
|
Titel: | Der Umgang mit dem freien Text in der ersten Klasse / |
Autor: | Rabensteiner, Pia-Maria Mag. | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 4 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1998 | | |
url: | |
Text:
Der Umgang mit dem freien Text in der ersten Klasse /"Lesen durch Schreiben" - Kinder schreiben ihre eigenen Texte mit Hilfe der Anlauttabelle
Zu Beginn dieses Schuljahres stellte ich mir die Fragen, wie ich mit meinen 25 Schulanfängern bei der Erarbeitung der Buchstaben des Alphabets und beim Lesen beginnen sollte. Nach reichlicher Überlegung entschied ich mich für das Arbeiten mit der Anlauttabelle nach C. Reichen. Gerade in einer Freinet-Klasse erschien mir das Erlernen der Buchstaben mit Hilfe der Anlauttabelle am sinnvollsten, da der Lehrgang "Lesen durch Schreiben" am ehestens dem individuellen Lernen der Kinder gerecht wird. Das selbstgesteuerte Lernen steht im Vordergrund - das Niederschreiben der eigenen Wörter, Wortkombinationen, Gedanken, Erlebnisse, in späterer Folge der kleinen Texte und nicht das gemeinsame Erlernen von Buchstaben und das Abschreiben eines Lehrertextes von der Tafel. Mir erschien es auch beim Schreiblernen wichtig, auf den individuellen Entwicklungsstand und die Interessen der Kinder entsprechend einzugehen.
Die Anlauttabelle stellt keine Fibel im traditionellen Sinn dar, sondern ermöglicht es den Kindern, ihre eigenen Wörter von Anfang an selbständig zu schreiben. Es ist natürlich notwendig, zusätzlich zur Arbeit mit der Anlauttabelle Hörübungen durchzuführen, damit die Kinder die einzelnen Laute, die wir in unserer Sprache verwenden, erkennen. Das heißt, Lautierungsübungen beziehen sich auf die gesamte Lautabfolge und dienen nicht nur dazu, den Anlaut oder Endlaut zu erkennnen. Das Ziel dieser Lautierungsübungen war es, dass sich die Kinder bemühen, klar und deutlich zu artikulieren. Die Laute der einzelnen Wörter zu erkennen, zu unterscheiden, zu zerlegen..., das sollten die Kinder lernen. Dies bedeutete für viele Kinder große Schwierigkeiten, da bedingt durch den Kärntner Dialekt die meisten Endungen auf "-er" als reine "a" von den Kindern lautiert wurden. (z. B. Wassa, Mutta, Kinda...)
Die Anlauttabelle in ihrer Hufeisenform ist nicht vollständig und nicht nach einem bestimmten Muster aufgebaut. Die Bilddarstellungen für "St, Sp, C, X" fehlen, können bzw. sollen vom Lehrer/von der Lehrerin mit den Kindern gemeinsam in die Tabelle integriert werden.
Wie und wann wurde mit der Anlauttabelle begonnen?
Bereits in der ersten Schulwoche erhielt jedes Kind eine Anlauttabelle, wobei die Bilder von den Kindern nach und nach ausgemalt wurden. Wichtig war mir, dass die Kinder bei allen Bilddarstellungen die entsprechenden Bedeutungen wussten bzw. richtig erlernten ( "R" wie Rad, "S" wie Sonne, "K" wie Krokodil... Bei den täglichen Übungen oder Spielen mit der Anlauttabelle legte ich ebenso Wert darauf, dass auch bei jeder gesuchten Bilddarstellung der Anlaut laut artikuliert wurde. Zuerst wurden Wörter gemeinsam gesucht, lautiert und verschriftlicht. Die Kinder wollten aber neben den Wörtern Mama und Papa Wörter wie Schmetterling, Käfig, Wellensittich... schreiben. So dauerte es nicht lange, bis die Kinder selbst das Bedürfnis hatten, mit Hilfe der Anlauttabelle ihre eigenen Worte zu kreieren und niederzuschreiben. Viele Kinder liebten es, sich auf "Wörtersuche" zu begeben, manche hielten sich dabei eher zurück. Die Kinder arbeiteten alleine oder konnten auch in Partnerarbeit am Computer ihre "Texte" schreiben.
Das Schreiben eines Wortes erfolgte so:
z. B. das Wort Elefant:
Das Wort "Elefant" wurde zuerst deutlich artikuliert.
Das Suchen auf der Anlauttabelle begann - (E wie Esel).
Das "E" wurde aufgeschrieben.
Das Wort "Elefant" wurde wieder deutlich ausgesprochen. So sollten die Kinder erkennen, dass nach dem "E" das "L" zu suchen und zu verschriftlichen ist. D. h. die neuerliche Suche auf der Anlauttabelle begann.
"L" wie Lampe wurde aufgeschrieben.
In gleicher Weise wurden alle weiteren Buchstaben deutlich ausgesprochen, auf der Anlauttabelle gesucht und niedergeschrieben.
Die Kinder fanden sich bei der Handhabung der Anlauttabelle sehr schnell zurecht. Es war jedoch ganz klar, dass Kinder aufgrund der undeutlichen Aussprache oder durch Überhören eines Lautes diesen hin und wieder ausließen und Klein- und Großbuchstaben gemischt im Wort verwendeten. Das wichtigste war aber, dass sie sich mit Hilfe der Buchstaben verständigen konnten. Die Kinder konnten die Wörter, die sie schreiben wollten, lautieren und mit Hilfe der Anlauttabelle aufs Papier bringen. Durch das genaue Vorsprechen der Wörter erkannten die Kinder auch Dehnungen und Verdoppelungen recht schnell. (Leider gibt es aber auch immer diese Ausnahmen!) Ganz zu Beginn konnten die Kinder schreiben, aber ihre selbst verfassten Texte nicht lesen. Ich hörte sehr oft die Frage: "Habe ich das Wort jetzt schon fertig geschrieben?" Erst im Laufe der Zeit erfolgte durch das selbstgesteuerte Schreiben das selbstgesteuerte Lesen.
Es gab nämlich von Anfang an keine gemeinsam abgehaltenen Leseeinheiten oder Leseübungen. Vor allem gab es kein lautes Vorlesen vor all den MitschülerInnen. Die Kinder konnten Lesetexte aus der Klassenbibliothek, aus gedruckten Kindertexten, aus den vielen Lernmaterialien, Karteikarten uvm. aussuchen und für sich selbst lesen. Mit der Zeit kamen sie zu mir und wollten mir auch Texte vorlesen. Wer wollte, konnte jedoch seinen eigenen Text der Klasse im Abschlusskreis vortragen. Für mich persönlich war es ein unbeschreibliches Gefühl, als mir ein Kind im November einen Sachtext ohne Schwierigkeiten vorlas. Ein anderes Kind arbeitete mit dem Atlas und las mir verschiedene Städte und Staaten vor. Das Lesen geschah einfach nebenbei. Die Kinder konnten es. Das war für mich sehr faszinierend.
Die Kinder merkten schnell, dass man sich mit Hilfe eines geschriebenen Textes verständigen kann, und so richtete ich sowohl für jedes Kind in der Klasse als auch für mich einen "Postkasten" ein. So konnten sich die Kinder gegenseitig Briefe schreiben, diese lesen und dem Schreiber wieder antworten. Die Briefe erhielten immer den Namen des Absenders und des Adressanten und wurden in das gewünschte Fach gegeben. Die Kinder lernten die Namen ihrer MitschülerInnen zu lesen und zu schreiben und mussten das Briefgeheimnis wahren. Diese "Briefe" waren liebevoll gestaltete Zeichnungen und einfache Wörter, die die Kinder mit Hilfe der Anlauttabelle aufschrieben. Im Klassenrat wurde darüber diskutiert, wie auf erhaltene Post reagiert werden sollte - man antwortet. Das Klassenamt "Postbote" wurde installiert, der die Aufgabe hatte, die Post auszuteilen.
Es entstanden mit der Zeit nicht nur einzelne Wörter, sondern die Kinder verfassten ihre eigenen kleinen Texte - ihre ersten kleinen Sätze. Diese Texte wurden entweder am Computer verfasst oder mit Hilfe der Druckerei immer von jeweils zwei Kindern für alle in der Klasse gedruckt. Diese Texte wurden ebenso, wie die während der Freiarbeit entstandenen kleinen Büchlein, im Abschlusskreis den MitschülerInnen präsentiert.
Im Laufe der Zeit benötigten viele Kinder die Hilfe der Anlauttabelle für das Schreiben nicht mehr. Von einigen Kindern, die sich zu sicher waren, im Text jedoch immer wieder Laute aufzuschreiben vergaßen, musste die Anlauttabelle wieder zur Hand genommen werden.
Vor Weihnachten begannen wir mit den "Regenbogenkindern" (VS Zechnerschule - 2. Schulstufe aus Wien) zu korrespondieren. Jedes Kind aus der Klasse hat einen Briefpartner/eine Briefpartnerin in Wien. Unserer weiteren Korrespondenzklasse , den "lila Karmuffeln" (1. Schulstufe aus Eitorf in Deutschland), sandten wir individuell erstellte Texte. Nachdem die Kinder aber immer mehr freie Texte verfassten und mit Hilfe der Klappdruckpresse druckten, fingen wir an, die Texte auf unsere Postkarten zu drucken und an mehrere Klassen zu verschicken.
Nun senden die Kinder ihre Texte auch an die "Sternschnuppenkindern auf dem Regenbogen" (Volksschule Kirchberg in Oberösterreich) , an die Kinder der Ganztagesvolksschule II in Wien, an Kinder der 1. Klasse der VS Silbertal in Vorarlberg, an die "Bärenkindern" aus Köln (1. - 4. Schulstufe) und an Kinder einer weiteren 2. Schulstufe in Deutschland (Grundschule Ruppichterroth)
So beginnt sich die Spirale zu drehen. Texte schreiben, drucken, den Kindern der Klasse präsentieren, an die Korrespondenzklassen versenden, auf Post warten, Post erhalten, lesen, einen neuen Text schreiben... Motiviert gehen die Kinder ans Texteverfassen und schreiben ihre eigenen Ideen, Erlebnisse, Phantastereien uvm. auf.
Wie wird korrigiert?
Bei den Korrekturen halte und hielt ich mich sehr zurück. Ich griff nie in einen Kindertext ein, sondern schrieb zu Hause am Computer die Wörter richtig nieder und klebte das nun richtig Geschriebene in das Texteheft unter den jeweiligen Kindertext. Die von mir korrigierten Kindertexte kamen in ausgedruckter Form in den Ordner "Lesetexte" und in den Ordner "Laufdiktate". Beide Ordner standen in der Freiarbeit für alle Kinder zur Verfügung.
Zu Beginn des 2. Semesters wurden die individuellen "Lernwörter" (vom Kind falsch geschriebene, von mir korrigierte und ins Lernwörterheft des jeweiligen Kindes eingetragene Wörter) vom "Lernwörterheft" auf kleine Kärtchen übertragen. Diese individuellen Lernwörter konnten (oder waren zeitweise auch im Pflichtprogramm enthalten) während der freien Arbeitsphase mit Hilfe der 5-Fächer-Lernkartei, die jedes Kind besitzt, geübt werden.
Nachdem die Kinder ungefähr zu Weihnachten alle Buchstaben beherrschten, erhielten sie zu Beginn des 2. Semesters die Aufgabe, in der Freiarbeit die einzelnen Buchstaben des ABC individuell zu bearbeiten.
Elternarbeit.
Bei einem Elternabend erhielten die Eltern eine Anlauttabelle. Sie erhielten aber nicht die, mit denen die Kinder arbeiteten, sondern eine, bei der anstelle der Buchstaben Hieroglyphen eingesetzt waren. Die Eltern sollten sich damit gegenseitig ein paar Wörter aufschreiben. So erlebten die Eltern die Schwierigkeiten des Buchstaben(er)lernens und erkannten, worum es bei dem Lehrgang "Lesen durch Schreiben" ging: Die zuerst nur abgemalten Buchstaben werden zu einem Wort kodiert, beim Lesen oder Entziffern dekodiert. Die Eltern erkannten auch, dass es nicht sehr einfach ist, sich die Fülle der vielen neuen Hieroglyphen bzw. Buchstaben zu merken. Aus diesem Grund wurde die Anlauttabelle ganz bewusst lange nicht mit nach Hause gegeben. Die Eltern sollten nämlich nicht auf die Idee kommen, mit ihren Sprösslingen alle Buchstaben zu lernen. Gerade hier zeigte sich, wie wichtig die Elterninformation war. Den Eltern musste die Angst vor dem individuellen Erarbeiten der Buchstaben genommen werden. Dadurch, dass der Vergleich mit anderen KollegInnen bzw. anderen Kinderheften nicht gegeben war, waren sie nur auf die eigenen Beobachtungen der Lernfortschritte und die Gespräche mit mir über den individuellen Lernzuwachs und Leistungsstand angewiesen.
Resümee: Die Kinder schreiben Texte noch immer gerne.
Die Kinder können alle Wörter ihres Sprachschatzes sicherlich noch nicht richtig schreiben. Aber welches Kind in der 1. (2., 3., 4., 5....) Klasse kann das? Dies erfolgt nur durch Übung und viel schreiben. Dafür und für die Rechtschreibübungen ist noch Zeit genug.
Durch das weitgehend individuelle Erlernen der Buchstaben ist bei fast allen Kindern die Lust am Schreiben eines Textes noch immer vorhanden. Alleine das Herstellen der klasseneigenen Schülerzeitungen, das Veröffentlichen der Texte in der "Neuen Tapete" (vgl. Freinet-Kooperativ 1/97, S. 34), der rege Austausch von Kindertexten mit verschiedenen Klassen, das Vorlesen der eigenen Texte oder das Zuhören im Abschlusskreis motiviert meine Kinder immer wieder, ihre eigenen Idee aufs Papier zu bringen und niederzuschreiben. Sie haben so viel Phantasie und Einfallsreichtum - das sollen sie sich noch sehr lange behalten.
Falls du/Sie mehr Informationen zum Arbeiten mit der Anlauttabelle haben willst/wollen, stehe ich gerne für Auskünfte zur Verfügung.
Literatur:
Reichen J., Lesen durch Schreiben, Heft 1 - 8, Sabe-Verlag, Zürich 1988.
Fragen und Versuche - Nr. 56, 57, 60, 62, 67, 67
M. Merz., Lernen - ein Puzzlespiel Linz 1996
Freinet-Kooperativ 1/1997
Mag. Rabensteiner Pia-Maria
Schlagworte:
fr_koop_4
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3090 | hinzugefügt von Jürgen an 02:29 - 22.11.2007 |
title: Demokratie "lernen und leben" by Rademacher, Theresa |
|
Text:
Ein Interview mit Hans Brügelmann in zehn Fragen
(C) 2009 Theresa Rademacher
Unzufrieden mit dem, was ich während meiner Praktika erlebt hatte, stellte ich mir die Frage, wie man das Zusammenleben und -lernen in der Grundschule demokratisch(er) gestalten könnte.
Wie würden sich basisdemokratische Strukturen z. B. in Form von Klassenräten auswirken?
Bevor ich mich an die Grundschulen meiner Heimatgemeinde wandte, um die Möglichkeiten und Grenzen des Klassenrats praktisch zu erproben,
führte ich ein Interview mit Herrn Brügelmann über die Demokratisierung der Grundschule und die Institution Klassenrat
Interview mit Videosequencen
Frage 1: Demokratie "lernen und leben": Welche Rolle kann hier der Klassenrat spielen?
Frage 2: Demokratie als Staatsform und als Lebensform: Welche Bedeutung hat die Schule?
Frage 3: Werden die Kinderrechte in der Schule ausreichend berücksichtigt?
Frage 4:Welche Kompetenzen brauchen Kinder, um aktiv auf eine sich stetig wandelnde Umwelt Einfluss nehmen zu können?
Frage 5: Warum gibt es so wenige Schulen, die einen Klassenrat praktizieren? Und: Machen Klassensprecher eine Schule bereits demokratischer?
Frage 6: Werden die Kinder im Klassenrat überfordert?
Frage 7: Der Klassenrat zerstört die Klassengemeinschaft! Ist diese Befürchtung gerechtfertigt?
Frage 8: Geht mit der Einführung eines Klassenrats ein bestimmtes "Kinderbild" einher?
Frage 9: Worin bestehen die Möglichkeiten und Grenzen eines Klassenrats?
Frage 10: Gibt es Tipps, die man Lehrern für die Einführung von Klassenräten geben könnte?
Schlagworte:
lit_2009-art, video,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3825 | hinzugefügt von user unknown an 03:16 - 2.2.2012 |
title: Zur Bedeutung der Freinetpädagogik heute by Resch, Uschi; Hövel, Walter |
|
Text:
Zur Bedeutung der Freinetpädagogik heute
von Uschi Resch und Walter Hövel
Zwischen Musterschule und Gegnerschaft
Die Freinet-Pädagogik gibt es seit 1920. Sie schafft es seit Jahrzehnten nicht zu veralten, sondern immer wieder bei der Schaffung der modernen "Modernen Schule" mitzuwirken. Sie wird zusehends von seiten der Wissenschaft als Beispiel gebend anerkannt und von Seiten der bildungspolitischen Entwicklungsplaner als zu untersuchendes Objekt betrachtet.
Hier taucht sie auf mit einer vorzeigbaren "Musterklasse", dort mit einer "Modellschule". An einigen Universitäten gibt es sie in antiquarisch-historischer Form, indem die Originalliteratur Freinets eingereiht wird in alte reformpädagogische Modelle, andere schicken ihre Studenten los, um jene "alternativen Unterrichtsformen" zu erforschen, um die Frage disputieren zu lassen, ob sie wohl für die Regelschule geeignet wären1. In der LehrerInnenbildung tauchen mit immer größerer Regelmäßigkeiten Begriffe und Techniken der Freinetpädagogik auf, wie etwa "Freie Texte", "Verträge", "Wiedererkennen in der Mathematik", Klassenrat", Klassenämter", der "Kreis", "Freies Arbeiten", die "Draußenschule", und viele andere mehr. Andere Hochschulen richten Forschungsstellen ein, untersuchen sogar die heutige Praxis der Freinetpädagogik. Die Frage von Freinet-Studiengängen wird realisiert, die staatliche Organisations- und Qualitätsentwicklung von Bildung und Erziehung lässt forschen, die LehrerInnenbildung bietet das Thema als "Zusatzqualifikation" an.
Die Gegner der Freinetpädagogik wie die Kommunalpolitiker, die Freinet einst aus dem Schuldienst trieben, die Inspektoren und Schulräte, die bis in die 90iger Jahre Freinetlehrerinnen und -lehrer als Chaoten und unfähig diffamierten, die Professoren, die vor Kuscheleckenpädagogik und antiautoritärter Werteverfall warnten, die Bildungspolitiker, die die Angsttrommel vor zu wenig Leistung und sinkendem Bildungsqualifikation rühren, scheinen sich weniger mit uns zu beschäftigen. Sie scheinen eigenen oder anderen Problemen nach zu laufen. Aber diese Gegnerschaft kann uns auch heute noch und wieder begegnen.
Woran liegt das?
Schlagworte:
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5572 | hinzugefügt von Jürgen an 18:48 - 2.7.2021 |
title: Wandel der Jugend - Wandel der Schule by Reuther, Florian |
|
Text:
Inhaltsverzeichnis
1. E i n l e i t u n g 2
2. Célestin Freinets reformpädagogischer Ansatz
2.1.1 Grundsätze der Reformpädagogik Freinets 3
2.1.2 Der Klassenrat nach Freinet 4
2.1.3 Funktionszuschreibungen an den Klassenrat 5
3. Schwierigkeiten des Klassenrats in der Praxis 7
4. Schlussbemerkung 10
Literaturverzeichnis 12
1. Einleitung
Wie können Schulen so verändert werden, dass sie der Situation heutiger Kinder und Jugendlicher gerecht werden, diese ernst nehmen und ihre Bedürfnisse und Interessen ausreichend berücksichtigen? Viele Schulen, die sich dieser Problematik stellen, entdecken während ihres Wandlungsprozesses reformpädagogische Ansätze neu. Dabei wird klar, dass die Modelle der zwanziger und dreißiger Jahre nicht identisch übernommen werden können, vielmehr werden reformpädagogische Traditionen nur partiell rezipiert, bzw. werden aus ihnen einzelne zentrale Elemente adaptiert. 1
Ein immer wieder aufgegriffener reformpädagogischer Ansatz ist das Konzept von Célestin Freinet (1896 - 1966). Der Sozialist und Pazifist Freinet steht für Kooperation auf der Ebene der Einzelklassen, sowie für Kooperation zwischen Schulen. Dementsprechend ist für ihn die Selbstverwaltung einer Klasse in Form einer Kooperative eine der wichtigsten strukturellen Grundlagen seines Reformansatzes. 2 Bestimmt durch diese Grundlage bildet das Modell des Klassenrates ein unabdingbares Element der Selbstverwaltung der Klasse. „Die Klasse verwaltet sich selber durch den Klassenrat“ 3 Der Ansicht Freinets nach hat die Schule die konkrete Lebenssituation der Schüler zu berücksichtigen und muss den Schülern Raum geben selber Verantwortung tragen zu können. Mit dem Klassenrat wird die Forderung Freinets nach der Selbstbestimmung der Schüler und der Demokratisierung von Schule auf Ebene der Einzelklasse umgesetzt. Wie aber sieht nach Freinets Vorstellungen ein Klassenrat aus und nach welchen Prinzipien soll er arbeiten und funktionieren? Um dies nachzuzeichnen wird zunächst knapp umrissen wie Freinets Pädagogik konzeptionell ausgerichtet ist. Im Anschluss daran wird das Modell des Klassenrates vorgestellt und auf seine Schwächen und Stärken hin untersucht. Welche Möglichkeiten bietet der Klassenrat, bzw. wo liegen seine problematischen Punkte? Was spricht für eine Umsetzung, was könnten Gegenargumente sein? Was für systemimmanent Probleme treten auf? Im Anschluss werden noch einmal die die wichtigsten Erkenntnisse prägnant zusammengestellt und drauf eingegangen was Freinets Ansatz des Klassenrats leisten kann.
1 Vgl. Friedrichs, Birte: Der Klassenrat in der Offenen Schule Waldau - eine Schule entdeckt Freinet. In:
Maas, Michael (Hg.) 2000: Jugend und Schule. Ideen, Beiträge und Reflexionen zur Reform der Sekundar-
stufe I. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 145.
2 Vgl. Friedrichs, Birte: Der Klassenrat in der Offenen Schule Waldau - eine Schule entdeckt Freinet. S. 149.
3 Brinkmann, Günter (Hg.) 1980: Theorie der Schule. Schulmodelle I: Reformpädagogik. Königstein/Ts.:
Athenäum, S. 58.
2. Célestin Freinets reformpädagogischer Ansatz
2.1.1 Grundsätze der Reformpädagogik Freinets
Bei dem Franzosen Célestin Freinet scheinen mehrere persönliche Faktoren bedeutsam für seinen reformpädagogischen Ansatz gewesen zu sein. 4 Seine eigenen leidvolle Erfahrungen als Schüler, gesundheitliche Probleme, die Lebenssituation seiner Schülerinnen und Schüler, sowie seine politische Haltung. 5 Freinets eigene Schulzeit ist bestimmt durch Frontalunterricht und das Gefühl das Inhalt des Unterrichts und Lebenswirklichkeit ohne Bezug zueinander stehen. Ihm selber war ein Frontalunterricht als Lehrer auf Grund eines Lungenleides nicht möglich. Freinet beobachtet einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem lebhaft diskutierendem Verhalten der Schüler und Schülerinnen vor dem Unterricht und ihre Verhalten während dem Unterricht. „Diese Wahrnehmung seiner Schüler(innen) veranlasst Freinet, die Kinder weitgehend selbst bestimmen zu lassen, was Ge-genstand ihres Unterrichts sein solle.“ 6 Also überzeugter Sozialist und Pazifist wirkt sich auch Freinets politische Grundhaltung auf seine Vorstellung von zeitgemäßer Schule aus. Ebenfalls engagiert er sich auch außerhalb der Schule für eine Veränderung sozialer Missstände. 7
Durch Kontakt mit anderen Reformpädagogen, der Auseinandersetzung mit ihrer Literatur und der Erprobung deren Ansätze in seiner Unterrichtspraxis, sowie im Austausch darüber mit anderen Lehrerinnen und Lehren, entstand eine bis heute aktive Bewegung von Freinet-Lehrern und Lehrerinnen. Grundsatz dieser Bewegung war und ist noch heute, die Unterrichtsinhalte an den Interessen und Bedürfnissen der Kinder auszurichten. Auch strukturell partizipieren die Schüler und Schülerinnen an der Gestaltung des Unterrichts. Eine verstärkte Selbst- und Mitbestimmung der Schüler und Schülerinnen ist in der Freinet-Pädagogik zentral, damit gehört Freinest Ansatz zu der Minorität von reformpädagogischen Ansätzen dieser Ausrichtung. 8 Freinet setzt bei der Demokratisierung der Schule auf der Ebene der Einzelklasse, indem er den Schülern und Schülerinnen wesentliche Entscheidungen über die Unterrichtsgestaltung in die Hand gibt. Hier nun wird der Klassenrat
4 Einen systematischen Überblick bietet: Skiera, Ehrenhard 2003: Reformpädagogik in Geschichte und Ge-
genwart. Eine kritische Einführung. München, Wien: R. Oldenbourg Verlag, S. 328f.
5 Vgl. Friedrichs, Birte: Der Klassenrat in der Offenen Schule Waldau - eine Schule entdeckt Freinet. S.
147ff.
6 Friedrichs, Birte: Der Klassenrat in der Offenen Schule Waldau - eine Schule entdeckt Freinet. S. 148.
7 Vgl. Skiera, Ehrenhard 2003: Reformpädagogik in Geschichte und Gegenwart. Eine kritische Einführung.
S.312ff.
8 Vgl. Kiper, Hanna 1997: Selbst- und Mitbestimmung in der Schule. Das Beispiel Klassenrat. Baltmanns-
weiler: Schneider Verlag Hohengehren, S 27f.
Schlagworte:
lit_2006-buch, Hausarbeit, e-book,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Grin-Verlag, 4,99 €
Titel: Wandel der Jugend – Wandel der Schule
Veranstaltung: Mittelseminar: Wandel der Jugend – Wandel der Schule
Autor:Florian ReutherJahr: 2006
Seiten: 14
Archivnummer: V153954
ISBN (eBook): 978-3-640-66213-5
ISBN (Buch): 978-3-640-66208-1
DOI: 10.3239/9783640662135
Dateigröße: 125 KB
Sprache: Deutsch
|
ID: 3827 | hinzugefügt von user unknown an 01:58 - 3.2.2012 |
title: Freinet in der Realschule by Riemer, Matthias |
|
Titel: | Freinet in der Realschule |
Autor: | Riemer, Matthias | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Bremen, VHS-Video | Quellentyp: | Sammelband |
veröffentlicht am: | DD.MM.2005 | | |
url: | |
Text:
Riemer, Matthias: Freinet in der Realschule. VHS-Video. Bremen, Reutlingen: Freinet Kooperative und Verlag für Biologie und Pädagogik, 2005
Leihe und Kauf über die Freinet Kooperative e.V., Sielwall 45, 28203 Bremen, 0421/344929
Schlagworte:
Realschule, Freinet-Techniken, Arbeitsplan, Ateliers, Freies Forschen, Klassenrat, Dienste, Erkundung, Neuanfang, Film, Video
summary:
Dieser Film gibt Einblick in die Arbeit von Freinetklassen an einer Realschule in Tübingen. Zunächst wird erklärt, welche methodischen Elemente Freinetpädagogik ausmachen. Danach wird die Vorstellung verschiedener Freinettechniken mit der Frage verknüpft, was die Verwendung dieser Elemente legitimiert. So entsteht ein Bild von der didaktischen Struktur der Freinetpädagogik, das für StudentInnen wie NeueinsteigerInnen aufschlussreich ist.
Am Ende des Films berichten zwei FreinetlehrerInnen aus ihrer Praxis, wie Mensch mit einer Freinetklasse beginnen kann. Sie machen Mut, selbst freinetpädagogisch zu arbeiten.
(35 Minuten)
Notiz:
VHS-Video
|
ID: 2607 | hinzugefügt von Matthias an 04:15 - 11.11.2005 |
title: Die Freinet-Pädagogik neu begründen by Rüegsegger, Ruedi |
|
Text:
Die Freinet-Pädagogik neu begründen
RUEDI RÜGSEGGER
Nach wie vor lassen sich vor allem kritische und nachdenkliche Lehrerinnen und Lehrer durch die Postulate Freinets begeistern: Selbstgesteuertes Lernen durch die Arbeitstätigkeit, eigener Ausdruck in freien Texten, Aussprache und demokratische Entscheidung im Klassenrat. Andere sind vor allem fasziniert von den Techniken und den Ateliers, in denen gedruckt, gebaut, gemalt, gekocht werden kann.
Ist es das Gegengewicht zur Kopflastigkeit des konventionellen Schulunterrichts, oder erkennt man sich selber in seinem eigenen Lernen bestätigt, was die Freinetpädagogik so attraktiv macht? Und warum hat man heute, am Ende des 20. Jahrhunderts das Gefühl, sie sei für die Kinder besonders aktuell, angesichts der mediatisierten Umwelt, in der sie aufwachsen?
Ist das mehr, als ein Bauchgefühl, als romantische Natursehnsucht, als ein vages Unbehagen gegenüber der gesellschaftlichen Entwicklung. Können wir unsere freinetische Überzeugung rational und kompetent begründen?
Schlagworte:
atsch-h8
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2704 | hinzugefügt von user unknown an 08:29 - 15.12.2005 |
title: Zur Bedeutung der Freinet-Pädagogik unter besonderer Berücksichtigung der Musikpädagogik (Broschüre) by Samu, Sandor |
|
Titel: | Zur Bedeutung der Freinet-Pädagogik unter besonderer Berücksichtigung der Musikpädagogik (Broschüre) |
Autor: | Samu, Sandor | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Bremen | Quellentyp: | Internetveröffentlichung |
veröffentlicht am: | DD.MM.2002 | | |
url: | http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/18219.html |
Text:
Inhaltsverzeichnis:
1. Zielsetzung der Hausarbeit: 3
2. Wer war Célestin Freinet? 4
2.1. Biographie 4
2.2. Die Persönlichkeit Célestin Freinets. 4
3. Grundsätze der Freinet-Pädagogik 7
3.1. L’ecole moderne francaise 8
3.2. Ideelle und pädagogische Grundlagen der Schülerzentrierung 9
3.3. Konkrete Unterrichtstechniken (eine Auswahl) 11
4. Freinet-Pädagogik heute 16
4.1. Allgemein 16
4.2. Schriften zur Freinet-Pädagogik 17
4.3. Freinet-Pädagogik im Internet 18
4.4. Selbstdarstellung und Selbstverständnis der Freinet-Bewegung. 19
4.5. Probleme der Freinet-Pädagogik 20
5. Freinet-Pädagogik und Musikpädagogik 21
5.1. Zur Bedeutung des Musikunterrichts in dem ursprünglichen pädagogischen Konzept
von Freinet 22
5.2. Die Stellung des Musikunterrichts in der heutigen Freinet-Pädagogik 23
5.3. Inhalte der Freinet' schen Musikpädagogik. 24
6. Persönliche Schlußbemerkung 26
7. Literatur. 28
1. Zielsetzung der Hausarbeit:
C élestin Freinet ist, zusammen mit Maria Montessori, John Dewey, Janusz Korczak u. a.,
einer der bedeutendsten Reformpädagogen. Die Umgestaltung der Schule von unten steckt
trotz der weiten Verbreitung und Akzeptanz der Ideen in pädagogischen Kreisen gesell-
schaftspolitisch immer noch in den Anfängen. Die Stimmen nach einer Rückbesinnung auf
die alten ' Werte von Zucht und Ordnung' werden aus der Angst heraus vor weiteren Bildungs-
debakeln , wie sie die Ergebnisse der PISA-Studie anmahnen, sogar eher lauter.
Die vorliegende Hausarbeit versucht zunächst einen kurzen Überblick über die Person und die
p ädagogischen Grundsätze von Freinet zu geben. Im Anschluss soll anhand einiger Beispiele
erl äutert werden, inwieweit und wo die Lehre Freinets heutzutage umgesetzt bzw. angewendet
wird. Schliesslich soll in einem speziellen Teil die Beziehung zwischen der Freinet-Pädagogik
und der Musikpädagogik geprüft werden
2. Wer war Célestin Freinet?
2.1. Biographie
Celéstin Freinet wurde 1896 in Gars, einem abgelegenem kleinen Dorf an der Grenze der französischen Seealpen, geboren. Als 16jähriger begann er seine Ausbildung zum Lehrer. Er wurdw mit 18 Jahren in den 1. Weltkrieg eingezogen und so schwer verletzt, dass er erst 1921 beginnen konnte als Lehrer in einer Dorfschule zu arbeiten. Früh fing er an sich gegen die Lernmethoden der traditionellen, französischen Schule zu wenden, und tat seine Meinung auch, bereichert durch seine eigenen Vorstellung eines modernen Unterrichts, in Fachzeitschriften kund. 1924 führte er in seiner Klasse die für seine Pädagogik so typische ‚Druckerei‘ ein. Ab 1926 kamen als wesentliche Elemente die ‚Klassenkorrespondenz‘ und ‚Schulzeitung‘ hinzu. Zugleich vereinte er die Lehrer, die ebenso wie er die herkömmliche Schule re-formieren wollten, in einer Bewegung, der „Coopérative de l’Enseignement Lac“ (laizistische Erziehungskooperative). Im gleichen Jahr trat er der KPF (Kommunistische Partei Frankreichs) bei. Von 1928 an arbeitete Freinet in Saint Paul, wo er aufgrund seiner Ansichten mit den Behörden hart aneinandergeriet, was ihn 1935 schliesslich dazu veranlasste eine eigene Schule zu gründen. Ungeachtet dessen wuchs seine Bewegung zunehmend; als Sprachrohr diente die Zeitschrift L’Educateur Prolétarien. 1940 wurd seine Schule geschlossen und sein Leben von der Gestapo bedroht, weshalb er untertaucht und sich der ‚Resistance‘ anschloss. Trotz der schwierigen Lebensumstände schrieb er während des Krieges seine grundlegenden Schriften: L’Education du travail (Die Arbeitspädagogik) und Essai de Psychologie sensible (Psychopädagogische Essay). 1947 kam der zumindest in Lehrerkreisen berühmt gewordene Film L’école buisssionière (Die Heckenschule) hinzu, der das Leben in Saint Paul widergibt. Die Zeit nach 1950 war einerseits von heftigen Auseinandersetzungen mit Intellektuellen der in Frankreich starken kommunistischen Partei und andererseits von dem stetigen Anwachsen der Bewegung geprägt. Letzteres führte dann 1957 auch zur Gründung der „Fédération Internationale des Mouvements d’Ecole Moderne“ (Internationale Föderation der Freinet-Bewegung). In den nachfolgenden Jahren widmete Freinet sich vor allem der Verbreitung und Weiterentwicklung seiner pädagogischen Ideen. Er starb 1966 und wurde in seinem Geburtsort beigesetzt.
2.2. Die Persönlichkeit Célestin Freinets
Das Leben auf dem Lande und die Natur haben Freinet nachhaltig in seinen pädagogischen Vorstellungen beeinflusst (vgl. DIETRICH 1995, S. 14f., JÖRG 1979, S. 150; JÖRG 1981, S. 18).
So bezog er sich zur Darstellung seiner ' Lehre' immer wieder auf Gleichnisse aus der Natur bzw. dem bäuerlichen Leben (vgl. DIETRICH 1995, S. 15). Natürlichkeit und Lebensnähe sind Schlüsselbegriffe der modernen Schule, die er der Künstlichkeit und Lebensferne der bestehenden Schule gegenüberstellte (EBDA.). Seiner Vorstellung nach sollten sich Kinder ihre Handfertigkeiten und Kenntnisse nicht aus Büchern, sondern "Learning by doing" 1 aneignen, etwa in der gleichen Art wie ein Bauernsohn von seinem vater oder dem Knecht lernt. "Am Anfang jeder Eroberung steht nicht das abstrakte Wissen [...] sondern die Erfahrung, die Übung und die Arbeit 2 " (BOEHNCKE & HENNIG 1980, S. 21f.).
Eine wesentliche Stütze auf seinem Weg zu einer neuen Pädagogik war paradoxerweise die körperliche Schwächung durch seine im Krieg erlittene schwere Lungenverletzung 3 . Die Arbeit in der Schule, insbesondere in der stickigen Luft, war sehr anstrengend für ihn wie er selbst zugab: "Als ich 1920 aus dem 1.Weltkrieg zurückkam, war ich [...] geschwächt, außer Atem und nicht in der Lage, mehr als ein paar Minuten in der Klasse zu sprechen" (JÖRG 1981). Freinet ging einerseits dazu über, die Schule möglichst oft auch außerhalb der Klasse stattfinden zu lassen (die sogenannte "Heckenschule", vgl. JÖRG 1979, S. 152) bzw. die Schüler eben mehr zu einem selbsttätigem Lernen zu ermutigen. Wegweisend wirkten dabei vermutlich auch die ungünstigen materiellen Umstände, die er bei seiner ersten Anstellung in einer schlecht ausgerüsteten Dorfschule vorfand. Mit Hilfe seiner neuen Unterrichtstechniken wurde das Lehrmaterial von nun an selbst hergestellt, stumpfes Auswendiglernen durch kreatives selbstentdeckendes Lernen ersetzt. Ein interessanter Nebenaspekt ist, dass Freinet in diesem Zusammenhang selbst niemals von Methoden (vgl. BOEHNCKE & HENNIG 1980, S. 26) sondern nur von "Erziehungstechniken" sprach, womit er der Unvollkommenheit der pädagogischen Ansätze Ausdruck verleihen wollte. So stellt er nicht nur für die Schüler sein Konzept des "tastenden Versuchens" als Teil des forschenden Lernens in den Mittelpunkt, sondern öffnet auch seine eigene Unterrichtspraxis der ständigen Weiterentwicklung. 4
1 Ein Ausdruck, der vom ebenfalls berühmten Reformpädagogen John Dewey Eingang in unseren allgemeinen Sprachgebrauch genommen hat.
2 Hierher gehört auch die von Freinet bekannte Aussage: "Seien wir ehrlich: wenn man es den Pädagogen überlassen würde, den Kindern das Fahrrad fahren beizubringen, gäbe es nicht viele Radfahrer" BOEHNCKE & HENNIG 1980).
3 DIETRICH (1995, S. 14f.) sieht die "Legende vom Lungenschuß" nur zum Teil gerechtfertigt und lenkt den Blick gleichzeitig, belegt durch ein Zitat von ROYCOURT (1989, S. 41), auf Freinets Bedeutung als sozialistischer Klassenkämpfer: "Wenn Freinet sich die Aufgabe stellt, die Grundzüge einer Pädagogik des Volkes in die Tat umzusetzen, so geschieht das nicht nur deshalb, weil er als schwer Lungenverletzter nicht mehr als ein paar Minuten in der stickigen Atmosphäre einer Klasse mit 35 Schülern sprechen kann; sondern vor allem deshalb, weil er teilnimmt an dem philosophischen und sozialen Kampf um eine sozialistische Neuordnung der Gesellschaft, um die endgültige Befreiung der Arbeiterklasse. In diesen Kämpfen spielt der Volksschullehrer der 20er Jahre eine wichtig Rolle."
4 Dieses ' pädagogische Motiv' findet sich auch bei Janusz Korczak als eine zentrale Idee wieder.
Dass Freinet allerdings nicht nur auf seinen Pragmatismus reduziert werden kann, belegt sein umfangreiches Schriftenwerk, dass aus vielen Büchern und zahllosen Zeitschriftenaufsätzen besteht. 5 In seinen Veröffentlichungen legte Freinet in klarer, lebendiger oft mit Geschichten aus dem Unterrichtsalltag versehener Sprache, seine pädagogische Theorie dar. Dabei wurde er nicht müde die Kernthesen und den praktischen Aufbau seiner Erziehungstechniken zu wiederholen, um dem Mißbrauch und der falschen Interpretation vorzubeugen (BOEHNCKE & HENNIG 1980, S. 14). Ergänzt wird sein Schrifttum durch den umfangreichen Briefverkehr mit anderen Reformpädagogen seiner Zeit wie Maria Montessori, Adolphe Ferrière, Helen Parkhurst oder Ovide Decroly.
Freinet verstand sich zwar in erster Linie als Pädagoge (vgl. JÖRG 1981, S. 164), war abervermutlich nicht zuletzt aufgrund seines grossen Sendungsbewusstseins - auch ein sehr politischer Mensch. Er engagierte sich in der Lehrer-Gewerkschaft und schloss sich schließlich nach einer Studienreise nach Russland 1925 den französischen Kommunisten an. Seine Schriften und auch die Unterrichtstechniken weisen viele direkte und indirekte Bezüge zu den kommunistischen Vorstellungen oder auch Entlehnungen aus deren Begriffswelt auf. So ist beispielsweise die Arbeit, wohl im Sinne der Selbsttätigkeit der Schüler, aber auch als ein hehres Bild der Tugend "[...] Prinzip, der Motor und die Philosophie der volkstümlichen Pädagogik [...]" (JÖRG 1979, S. 16). Er erhofft sich von der von ihm initiierten Schulreform eine "pädagogische Revolution" und erklärt beschwörend: "Das zur Macht gelangte Volk wird seine eigene Schule und seine eigene Pädagogik haben. Diese Machtübernahme hat begonnen. Warten wir nicht länger, um unsere Erziehung der neu sich gestaltenden Gesellschaft anzupassen" (EBDA., S.20). Oder an anderer Stelle sagt er beschwörend: "Eine Reform unseres öffentlichen Schulwesens ist also dringend notwendig, um jetzt in der Mitte des 20. Jhdt. unseren Kindern eine Erziehung zuteil werden zu lassen, [...] in einer Welt, [...] die hoffentlich bald eine Welt des triumphierenden Sozialismus ist" (EBDA., S.13). In eindeutig wertender Beschreibung stellt er den unproduktiv philosophierenden "Schwätzer" dem schöpferischen "Schaffer" gegenüber (vgl. BOEHNCKE & HENNIG 1980, S. 20). Viele der von ihm engeführten Unterrichtstechniken wie der ' Klassenrat' , das ' Tagebuch' oder das Fehlen von Noten entsprechen dem Wunsch nach einer Gesellschaft mit gleichberechtigten Menschen, die ohne dem für die kapitalistische Idee so typischen ' Konkurrenzgedanken' auskommen. Allerdings ließ er sich nie von politischen Ideen vereinnahmen, sondern nutzte vielmehr deren Gehalt zur Befruchtung der eigenen Schulrealität. 1948 trat er aus der Partei aus, was ihm in
5 DIETRICH (1995, S. 268f.) nennt in einem bibliographischen Anhang allein 20 Bücher; BOEHNCKE & HENNIG (1980, S. 14) sprechen von "[...] Hunderten von Zeitschriftenartikeln." Letztere erschienen vielfach im Selbstverlag C.E.L (Coopérative de l' Enseignement Laic) der Freinet-Bewegung.
den folgenden Jahre heftige Kämpfe mit seinen ehemaligen, politischen Freunden einbrachte. Drei Jahre vor seinem Tod bekräftigt er seine Haltung: "Ich werde mich nicht mehr einseitig einer politischen Gruppe anschließen, und wenn ich die Hälfte meiner Anhänger verliere. Wenn die Politik sich der Schule bemächtigt, zieht die Pädagogik aus ihr aus. Uns geht es um das Kind, um nichts als das Kind und nur um das Kind!" (Protokollnotiz von HANS JÖRG vom Kongreß in Niort 1963, zit. in JÖRG 1981, S. 178). Und so ist Freinets Werk letztlich auch niemals ein politisches sondern ein pragmatisches, [...] dass jede Dogmatik vermeidet und von daher auch Anhängerinnen verschiedener politischer Tendenzen integrieren kann [...]" wie DIETRICH (1995, S. 15) feststellt.
Bleibt noch zu betonen, dass Freinet ein Organisationstalent war, was sich zum einen im gesamten Aufbau seines pädagogischen Konzepts manifestiert. Und zum anderen darin, dass es ihm trotz der meist widrigen Umstände in denen er gelebt und gearbeitet hat, gelungen ist, eine neue Pädagogik zu entwickeln, zu erproben und in einer immer noch lebendigen Bewegung zu verbreiten (EBDA.).
3. Grundsätze der Freinet-Pädagogik
Célestin Freinet hat seine pädagogischen Grundsätze vor allem aufgrund der Erfahrungen in der Volksschule, in der er selbst unterrichtete, aber auch für die Vorschulzeit entwickelt 6 (vgl. JÖRG 1979). Seine ' Lehre' hat er wiederholt in verschiedenen Büchern und Aufsätzen klar strukturiert und bewußt anwendungsbezogen beschrieben (z. B. in Les techniques Freinet de l' Ecole Moderne). Ein weiteres Grundlagenwerk, das L’ecole moderne francaise 7 , dem er auch den Untertitel "Ein praktischer Leitfaden zur materiellen, technischen und pädagogischen Organisation der Volksschule" gegeben hat, soll als Einstieg in die Gedankenwelt Freinets dienen. In einem zweiten Teil soll unter Heranziehung neuerer Literatur (im wesentlichen DIETRICH 1995) genauer auf die materiellen, organisatorischen und ideellen Elemente des Unterrichts eingegangen werden.
6 Hierzu gehören neben der Konzeption von Kindergärten auch die französische Mutterschule, eine Art Vorschule und die von Freinet gewünschten ' Kinderreservate' . Letztere stellen den Versuch dar, auch den in Städten aufwachsenden Kindern die Möglichkeit einer Erziehung in ländlicher Umgebung zu eröffnen. Ein Ansatz der vor ihm bereits der Altonaer Reformpädagoge Hermann Lietz vertrat, den Freinet auch persönlich kannte. Von JÖRG (1979, S. 137) wird Lietz mit einem in seinem Pathos und seiner Unlogik höchst komisch anmutenden Satz zitiert: "Der Aufenthalt in der Grossstadt ist aber noch schlimmer fürs Kind als Bergesabgrund und Stromschnelle. Diese töten im schlimmsten Falle den Körper, jene mit hoher Wahrscheinlichkeit die Seele, die Natur".
7 Beide sind in der Übersetzung von HANS JÖRG erschienen: L’ecole moderne francaise (Célestin Freinet: Die moderne französische Schule, 1979) und Les techniques Freinet de l' Ecole Moderne (Praxis der Freinet- Pädagogik, 1981).
3.1. L’ecole moderne francaise
Die Persönlichkeit des Kindes selbst steht als Grund, Impulsgeber und Gestalter im Mittelpunkt seiner Pädagogik, was sie z. B. von den mitunter recht abstrakten Bildungsidealen der sogenannten humanistischen Erziehung abhebt. So verwundert es nicht, dass Freinet der Formulierung eines Erziehungsziels in seinen "allgemeinen Grundprinzipien" auch die Kritik an dem bestehenden Bildungssystem voranstellt (JÖRG 1979) 8 : „[...] wird von der Mehrzahl der Eltern [...] , nicht die tiefe Bereicherung der Persönlichkeit ihrer Kinder als das Wichtigste angesehen, sondern die zum Bestehen der Examina notwendige Ausbildung, [...]. Angesichts dieser [...] Konzeptionen, [...] gilt es für uns, als wahres Erziehungsziel zu fordern, daß das Kind in einem größtmöglichen Maße zur Entfaltung seiner Persönlichkeit im Schoße einer vernünftigen Gemeinschaft gelangen kann, der es dient und die ihm auch dient“ (EBDA., S. 14). Um diesem Ziel gerecht zu werden, fordert Freinet in erster Linie von den Ansprüchen des Kindes auszugehen und eben nicht von denen der Gesellschaft an das Kind: „Von seinen wesentlichen Bedürfnissen, hingeordnet auf die Belange der Gesellschaft, der es angehört, sind die von ihm zu erwerbenden manuellen und geistigen Fertigkeiten, das Bildungsgut, die Art der Vermittlung des Bildungsgutes und die Art und Weise seiner Erziehung abzuleiten“ (EBDA., S. 15). Folgerichtig kann auch nur das Kind selbst der Lehrer sein („Durch Selbsttätigkeit wird aller Bildungserwerb erzielt“, EBDA., S. 16), dem Lehrer verbleibt hingegen die Rolle des Moderators, des ' Hausmeisters' und vertrauten Ansprechpartners - je weniger er gebraucht wird umso besser: "Da wir augenblicklich nicht behaupten dürfen, daß wir die Kinder sowohl methodisch wie wissenschaftlich so führen können, daß jedem von ihnen die ihm persönlich angepaßte Erziehung zuteil wird, begnügen wir uns damit, ihnen ein ihre Interessen förderndes Milieu zu schaffen und ein entsprechendes Arbeitsmaterial und kindgemäße Techniken zu entwickeln, die ihre Bildung fördern, [...]“ (EBDA.). Dass bei einem schülerzentriertem Unterricht ' Wissenslücken' 9 entstehen können, nimmt Freinet dabei wohlwissend und aus der Überzeugung heraus, dass die Entwicklung der Lebenskompetenzen wichtiger ist, in Kauf: "Wache Köpfe und geschickte Hände sind besser als mit Wissen vollgestopfte Hirne" (EBDA., S. 17). Bedingt durch die Selbstorganisation der Schüler bei gleichzeitiger Aufhebung der herkömmlichen Reibungsverluste durch das Lehrer-Schüler-Autoritätsgefälle, steigt die zu erwartende Motivation und sinken zudem die Disziplinschwierigkeiten
8 Die, wie im Grunde genommen alle der neueren Autoren bestätigen, an ihrer aktuellen Berechtigung nichts verloren hat.
9 Die Problematik des Begriffes steht ausser Frage. Was soll gewußt werden und was nicht? Grundlegende Fertigkeiten im Lesen, Schreiben, Rechnen sind auch bei Freinet deutlich erwünscht. Allerdings ist der innerhalb der Wochenpläne (vgl. Kap. 3.2) als Pflichtteil abzuhandelnde Stoff überschaubar. Während der sozusagen als ' Kür' zu bezeichnenden darüberhinausgehenden Stoffmenge keine Grenzen gesetzt werden.
Schlagworte:
Examensarbeit
summary:
Zwischenprüfungsarbeit aus dem Fachbereich Pädagogik - Reformpädagogik, Benotung: 1,0, Universität Bremen (Fachbereich 12 (Erziehungs- und Bildungswissenschaften)), ISBN-10: 3638226107
Notiz:
Kosten 9,90 €
Uni Bremen, Zwischenprüfung
|
ID: 2968 | hinzugefügt von user unknown an 05:30 - 11.6.2007 |
title: Freinet Workshop - ein Bericht by Schartner, Aloisia / Mag. Lausegger, Irene |
|
Titel: | Freinet Workshop - ein Bericht |
Autor: | Schartner, Aloisia / Mag. Lausegger, Irene | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 3 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1998 | | |
url: | |
Text:
FREINET WORKSHOP - EIN BERICHT
Im Rahmen des Zusatzstudiums Reformpädagogik an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Kärnten fand vom 16. - 18. Jänner 1998 ein Freinet-Workshop in der Klasse von Mag. Pia-Maria Rabensteiner statt. Ein besonders Dankeschön möchten wir auf diesem Wege Pia-Maria und Gerhard zukommen lassen, die uns mit viel Idealismus und Freude die Freinet-Pädagogik nahegebracht haben.
Zu Beginn dieses Workshops konnten wir den Klassenrat der ersten Freinet-Klasse miterleben. Bewundernswert dabei war die Reife der Kinder, ihre Art zu formulieren und sich an die vereinbarten Regeln zu halten. Im Anschluß daran gab es eine Reflexion der Hospitation und eine Einführung in Leben und Theorie Celestin Freinets.
Durch den Workshop hatten wir die Möglichkeit, uns in die Situation der Kinder zu versetzen. Wir konnten:
den Morgen- und Abschlußkreis, sowie den Klassenrat moderieren und protokollieren;
die Arbeit in verschiedenen Ateliers erproben - z. B.
experimentieren, freie Texte selbst verfassen und drucken,
mit dem Computer arbeiten,
mit oder ohne Musik malen, kreativ sein,
uns in die aufgelegte Literatur vertiefen,
Lernmaterialien kennenlernen.
Das gemeinsame Interesse an Freinet-Pädagogik war ein verbindender Faktor von Beginn an. Dieses verbindende Element kam besonders schön in der gemeinsamen Jause zum Ausdruck, die auch als Anknüpfungspunkt für weiterführende Diskussionen genutzt wurde.
Ein wesentlicher Bestandteil der Freinet-Pädagogik ist die Orientierung an den Interessen und Fähigkeiten der Kinder. Die Aufgabe der Freinet-LehrerInnen besteht darin, den Verschiedenheiten der Kinder Rechnung zu tragen, sie zu respektieren und zu akzeptieren und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich zu einer für sich selbst verantwortlichen Persönlichkeit zu entfalten.
Ganz wichtig erschien uns in diesem Zusammenhang die Vorführung von Videoaufnahmen, die einen Einblick in den Schulalltag einer Freinet-Klasse erlaubten.
Darauf aufbauend, beinhaltete eine Aufgabenstellung, die Rechte der Kinder innerhalb der Klasse, der Familie und der Gesellschaft aufzuzeigen. Die Lösung sollte in Form einer Plakatgestaltung festgehalten werden. Ein besonders gelungenes Exemplar verblieb in der Schule.
Am Ende dieses Workshops konnten alle TeilnehmerInnen ein selbstverfasstes und selbstgebundenes Buch in Händen halten. Aus diesem Workshop haben wie die Erkenntnis gewonnen, mit Celestin Freinet auf dem richtigen Weg zu sein. Wir würden und wünschen, dass noch viele Kinder die Möglichkeit haben, nach diesen Ideen unterrichtet zu werden.
Schartner Aloisia/Mag. Lausegger Irene
Schlagworte:
fr_koop_3
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3089 | hinzugefügt von Jürgen an 02:22 - 22.11.2007 |
title: Klassenrat und Streitschlichtung - Zwei Konfliktlösungsmethoden im Vergleich by Schlegel , Stefanie |
|
Titel: | Klassenrat und Streitschlichtung - Zwei Konfliktlösungsmethoden im Vergleich |
Autor: | Schlegel , Stefanie | Sprache: | deutsch |
Quelle: | München, Grin | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2006 | | |
url: | https://www.grin.com/document/72663 |
Text:
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition „Konflikt“
3 Klassenrat und Streitschlichtung
3.1. Ursprung und Definition
3.2 Vorteile und Ziele
4 Voraussetzungen
4.1 Für den Klassenrat
4.2 Für die Streitschlichtung
5 Organisation
5.1 Des Klassenrates
5.1.1 Elemente
5.1.2 Ablauf
5.1.3 Konfliktmoderation
5.2 Der Streitschlichtung
5.2.1 Die Streitschlichterausbildung
5.2.2 Schlichtungsablauf
6 Grenzen des Klassenrates und der Streitschlichtung
7 Abschließende Bemerkungen
8 Literaturverzeichnis
Schlagworte:
lit-2006_art, Hausarbeit,
kein Summary verfügbar
Notiz:
PH Freiburg im Breisgau
|
ID: 5357 | hinzugefügt von Jürgen an 00:49 - 19.4.2020 |
title: Zur Biographie Célestin Freinet by Schlemminger, Gérald |
|
Text:
Zur Biographie Célestin Freinet und zur Entwicklung der Grundzüge und Prinzipien seiner Pädagogik
In : Inge Hansen-Schaberg und Bruno Schonig (Hrsg.): Freinet-Pädagogik.
Reformpädagogische Schulkonzepte, Bd. 5.
<ol>
<li> Hinführung zur Freinet-Pädagogik
<li> Célestin Freinet: ein pädagogischer Eklektiker
<li> Pädagogik und Politik bei Célestin Freinet
<li> Einige Arbeitschwerpunkte von Célestin Freinet, sein methodisches Vorgehen, seine pädagogischen Konzepte
<li> Célestin Freinet und die etablierte Forschung in den (Erziehungs-) Wissenschaften
<li> ...und Élise Freinet?
<li> Schlußbemerkung<p>
<li> Anhang: Lebensdaten von Célestin Freinet
</ol>
Prof. Dr. Gerald Schlemminger
In : Inge Hansen-Schaberg und Bruno Schonig (Hrsg.) (2001): Freinet-Pädagogik.
Reformpädagogische Schulkonzepte, Bd. 5. Baltmannsweiler, Schneider-Hohengehren,
S. 9 - 51.
Zur Biographie Célestin Freinet und zur
Entwicklung der Grundzüge und Prinzipien
seiner Pädagogik
1 Hinführung zur Freinet-Pädagogik
Es gab lange Zeit kaum eine Schrift über die Freinet-Pädagogik, keine
wissenschaftliche Hausarbeit zum Thema, die nicht einleitend den Entstehungsmythos
huldigte und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Lungenstreckschuss –
den Célestin Freinet im 1. Weltkrieg erlitt und der ihn für ‘normalen’ Schulunterricht
lehrunfähig gemacht haben soll – und der neuen Pädagogik, die er deshalb entwarf,
herstellt. Wie die Geschichte der Pädagogik zeigt, begleitet solche Mythenbildung jede
Pädagogik, sobald sie sich etabliert. Sie ermöglicht einfache Verstehens- und
Erklärungsmuster, wird aber weder dem Werk noch der Person, in diesem Fall Célestin
Freinet, gerecht. Sie setzt in der Freinet-Pädagogik, wie die Rezeptionsgeschichte zeigt,
nach dem 2. Weltkrieg ein, als eine neue LehrerInnengeneration mehr aus
pädagogischem, denn politisch-gewerkschaftlichem Interesse und Engagement zur
LehrerInnen-Kooperative C.E.L. (“Coopérative d’Enseignement Laïque”)1 stößt, sich
der Kreis der französischen Pädagogik-Pioniere um Célestin Freinet erweitert und die
Kooperativbewegung – die sich zunächst “Schuldrucker” nennt – und ihre Praktiken
offiziell zu “Freinet-Pädagogik” und zur “Freinet-Bewegung”2 werden. Zu dieser
Legendenbildung tragen auch die romanhafte Darstellung seiner Person durch seine
Frau Élise Freinet in der Schrift Naissance d'une pédagogie populaire (1949) und der
Film L'école buissonnière von Jean-Paul le Chanois (1949) über seine Schule in Vence
bei. Erst die Arbeiten, die in Zusammenhang mit und seit dem 100. Geburtstag
herausgekommen sind3, ändern wirklich den Blickwinkel und versuchen, die Freinet-
1 Die C.E.L. ist faktisch ein kleines Verlagshaus, versteht sich aber bis zur Gründung (1947) des rein
pädagogisch orientierten I.C.E.M. (Institut Coopératif de l’École Moderne) auch als Koordination
der LehrerInnenbewegung, die sich dann aber zunehmend auf die Person von Célestin Freinet
fokalisiert.
2 Der Begriff “techniques Freinet” wird ab Mitte der 30er Jahre in der Kooperativbewegung und von
Célestin Freinet benutzt.
3 Dazu zählen universitäre Veröffentlichungen zur aktuellen Freinet-Pädagogik: Patrick BOUMARD
(1996), Ingrid DIETRICH (Hrsg. 1995), Herbert HAGSTEDT (Hrsg. 1997), Ahmed LAMIHI
(Hrsg. 1997), Henri PEYRONIE (1999) (Hrsg. 1997) als auch die schon älteren Arbeiten von Pierre
CLANCHÉ / Jacques TESTANIERE (Hrsg.) (1989) und Pierre CLANCHÉ / Éric DEBARBIEUX /
Jacques TESTANIERE (Hrsg.) (1994); dazu gehören die historische Arbeiten: Luc BRULIARD /
- 2 -
Pädagogik kritischer aufzuarbeiten.
So beginnt z.B. die erste in Buchform erscheinende, englisch sprachige Darstellung der
Freinet-Pädagogik, verfaßt von den beiden nordamerikanischen
Erziehungswissenschaftlern W. B. Lee und J. Sivell (2000) nicht mit dem obligaten
Kriegserlebnis und seinem vermuteten Einfluß auf die pädagogische Praxis, sondern
mit einer noch stärkeren Verklärung der Person, indem sie einleitend den Film L’école
bussionnière (1949) von J.-P. Le Chanois vorstellen. Den Autoren gelingt es jedoch,
ausgehend von dieser extremen Stilisierung, die (in Europa vorherrschenden) Klischees
eins nach dem anderen abzubauen und einen dem amerikanischen Leser fast
unbekannten Pädagogen4 nahezubringen. Diese ungewohnte, aber sehr interessante
Rezeption zeigt die sehr starke kulturelle Gebundenheit und auch die je spezifische
Aufnahme der Arbeiten von Célestin Freinet. Ich werde mich im Weiteren auf die
deutsche und französische Rezeption des Werkes von Célestin Freinet beschränken.
Unterschiede in der Aufnahme von Célestin Freinet bedeuten dabei keine Wertung
meinerseits. Ich werde versuchen, Erklärungsmomente für diese Differenzen
aufzuzeigen.
Da die Lebensgeschichte mittlerweile allgemein bekannt und auch auf Internet
zugänglich ist, selbst die Biographie der Tochter Madeleine FREINET (1997) keine
grundsätzlichen neuen Erkenntnisse liefert und die Originalschriften Célestin Freinets
mittlerweile auch auf Deutsch zugänglich sind5, erscheint es mir nicht notwendig, seine
Lebensgeschichte erneut ausführlich und chronologisch darzustellen, sondern nur einige
mir wichtig erscheinenden Punkte der deutschen und französischen
Rezeptionsgeschichte näher zu beleuchten.
2. Célestin Freinet: ein pädagogischer Eklektiker
Zunächst der soziokulturelle und politische Kontext, in dem Célestin Freinet steht: Das
Gerald SCHLEMMINGER (1996), Renate KOCK (1996). Allgemeinere Schriften sind: Victor
ACKER (2000), Jochen HERING / Walter HÖVEL (Hrsg. 1996), Anne Marie MILON -
OLIVEIRA (1996); Biographien wurden verfaßt von Michel BARRÉ (1995 / 96) und Madeleine
FREINET (1997). Des weiteren sind zu nennen Veröffentlichungen von französischen
Originaldokumenten: Michel BARRÉ(1996) und École Émancipée (1996) als auch Berichte von
Mitstreitern, ehemaligen Schülern usw. von Célestin und Élise Freinet wie: René FREGNI (1994),
Jacques MONDOLONI (1996), Michel BARRÉ(1997), LES AMIS DE FREINET (1997) und
Übersetzungen der Originalschriften ins Deutsche: vor allem Hans JÖRG / H. ZILLGEN (Hrsg.)
(1997 / 2000).
4 Der erste amerikanische Artikel über Célestin FREINET ist W. B. LEE (1977). Die ersten
Übersetzungen der Freinet-Schriften sind: John SIVELL (1990) (1993), John SIVELL / David
CLANDFIELD (1990). – Ein europäischer Leser erfährt in diesem Buch über Célestin Freinet
nichts, was nicht schon bekannt ist, jedoch ist die Sichtweise oft ungewohnt und überraschend, so
z.B. die Einteilung der französischen Freinet-Bewegung in die Flügel der eher “konservativen”
Materialentwickler und den “fortschrittlichen” Flügel der sozial engagierten Pädagogen.
5 siehe Hans JÖRG / H. ZILLGEN (Hrsg.) (1997 / 2000). ausführliche Übersetzungen in
italienischer, spanischer und portugiesischer Sprache liegen schon länger vor, vgl. die Bibliographie
von Gerald SCHLEMMINGER (1996 a) und die internationale Online-Bibliographie/ :
<http:www.freinet.com> => Bibliographie.
- 3 -
öffentliche französische Volksschulwesen ist in den 20er Jahren, besonders auf dem
Lande, in einem sehr desolaten Zustand (mit 40 Schülern überfüllte Klassen, schlechter
baulicher Zustand usw.). Das erklärt sich u.a. dadurch, dass der Unterhalt und der Bau
der Schule von der Gemeinde abhängt. Wenn im noch sehr lebendigen Schulstreit
zwischen Kirche und Staat die gewählten Volksvertreter6 eher auf der kirchlichen Seite
stehen und nicht die öffentlichen, sondern die privaten, katholischen Schulen
unterstützen wollen, dann sind trotz staatlicher Schulgesetzgebung Konflikte zwischen
republikanisch-laizistischen LehrerInnen und der Gemeindevertretung und ihren
Honoratioren nicht ausgeschlossen. Außerdem muß der jungen LehrerInnengeneration,
die sehr politisiert aus dem 1. Weltkrieg zurückgekommen ist und sich aktiv in den
Gewerkschaften und linken Parteien engagiert, Rechnung getragen werden. Hinzu
kommt das Wirken der (ersten) Reformpädagogikbewegung, die in Frankreich auch in
der Tradition der Pariser Commune steht und sich besonders in anarchistisch bzw.
anarchosyndikalistisch orientierten Schulversuchen – wie z.B. dem Waiseninternat
“Cempuis” von Paul Robin (1837 - 1912) und dem Landheim “La Ruche” (1904 -
1917) von Sébastien Faure (1858 - 1942) – ausdrückt, die aber heute in Vergessenheit
geraten sind. Schließlich experimentieren viele französische LehrerInnen mit neuen
Techniken und Unterrichtspraktiken. René Daniel erarbeitet mit seinen 92 Schülern in
Trégunc (Finistère) schon seit 1921 freie Texte und polykopiert sie Mithilfe von
Gelantineplatten. Ein anderer gewerkschaftlich organisierter Bretone, Jean Cornec,
macht schon zu Beginn der 20er Jahre mit seiner Klasse Erkundungen außerhalb der
Schule, druckt und führt Gruppenarbeit und Filmvorführungen in seiner Klasse ein7.
Auf internationaler Ebene werden auf den Treffen und Kongressen ähnliche
Experimente, so die deutsche Praxis des freien – künstlerischen – Ausdrucks (A.
Lichtwark), des freien Aufsatzes (P. G. Münch, A. Jensen, W. Lamszus…), die
Schulgazetten, die der polnische Arzt Janus Korczak in seinem Waisenheim mit den
Kindern herstellt, u.v.m. diskutiert.
In dieser gesellschaftspolitischen Umwelt und im regen intellektuellen Austausch mit
seinen KollgeInnen steht Célestin Freinet, als er in den 20er Jahren selbst die
Schuldruckerei, den freien Text, die Klassenkorrespondenz und die
Selbstlernmaterialien in seinen Klassen einführt. Célestin Freinet ist somit weder der
einzige, noch der erste, der diese Techniken in seinem Unterricht benutzt. Betrachten
wir die Biographien der führenden Reformpädagogiker dieser Zeit so wird ersichtlich,
dass diese auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn stehen, ihre Hauptwerke geschrieben
haben oder gerade schreiben, ihre Schule eröffnet haben usw., während Célestin Freinet
gerade ins Berufsleben tritt. Er zählt also erst zur zweiten Generation der
Reformpädagogen dieser Zeit; seine wichtigsten Schriften kommen nach 1945 heraus.
6 Volksvertreterinnen gibt es erst ab 1947, als die Frauen erhalten das aktive und passive Wahlrecht
erhalten.
7 Vgl. Jean CORNEC (1981, S. 28 - 32).
- 4 -
Wie schon angedeutet, setzt die Mythosbildung um Célestin Freinet in dieser Zeit ein.
D. Hameline (1994) hat dies beispielhaft in einer historischen Analyse des
Verhältnisses des Schweizer Reformpädagogen A. Ferrière zu Célestin Freinet
ausgeführt und aufgezeigt, wie letzterer nach dem 2. Weltkrieg seine eigene Geschichte
nachschreibt und versucht, sich in die Nachfolge der “großen” Pädagogen einzureihen.
Diese Tendenz zur (eigenen) Stilisierung ist ein Bestand der Geschichte der Pädagogik
und relativ häufig anzutreffen. Aber auch wenn Célestin Freinet nicht die Freinet-
Techniken “erfunden” hat, schmälert dies nichts an der Leistung, wie er die Techniken,
die er in der pädagogischen Debatte seiner Zeit vorgefunden hat, langsam zu einem
eigenen Volksschulkonzept verarbeitet hat. Der genuine Anteil seiner Arbeit liegt in
seinem organisatorischem Talent, in seiner sehr pragmatischen Art und Weise, an
Lernen und Unterricht herangegangen zu sein und aus unterschiedlichsten
“Versatzstücken” sich sehr eklektisch ein dann doch sehr kohärentes pädagogisches
Gebäude erbaut zu haben. Er hat es verstanden, dies mit seinem in den 20er und 30er
Jahren kommunistisch orientierten Weltverständnis zusammenzubringen und in
politisches Handeln umzusetzen.
3. Pädagogik und Politik bei Célestin Freinet
Auch wenn er im engeren Sinne kaum parteipolitisch aktiv war, so zeigt sich sein
Engagement nicht nur in den pädagogisch-politischen Artikeln, die er u.a. in der
Gewerkschaftszeitung École émancipée und im L’Éducateur [prolétarien]
veröffentlicht, sondern auch in der Aufnahme der Flüchtlingskinder spanischer
Republikaner in seiner Internatsschule (ab 1937), in seinem Versuch, eine “Front des
Kindes” (in Anlehnung an die Volksfront) zu schaffen, in seinem Engagement für die
Erneuerung des Volksschulabschlusses “Certificat d’études” (1937), an seiner
Teilnahme an der staatlichen Schulreform nach dem 2. Weltkrieg, in seinem Kampf für
Klassen mit nur 24 SchülerInnen, in seinem Einsatz gegen den (beginnenden)
Vietnamkrieg (1951) u.v.m.
Célestin Freinet wird 1920 Mitglied in der anarcho-syndikalistisch orientierten
Lehrergewerkschaft “Fédération Unitaire de l’Enseignement”. Er ist von 1926 bis 1948
Mitglied der Kommunisten Partei Frankreichs. In der Gewerkschaft gehört er zwar der
kommunistischen Minderheitsfraktion “Minorité Oppositionnelle Révolutionnaire”
(M.O.R.) an, ist jedoch mehr pädagogisch als politisch-gewerkschaftlich engagiert; die
LehrerInnen-Kooperative C.E.L. löst sich auch zunehmend von der
Lehrergewerkschaft, wie die Entwicklung der Mitgliederzahlen zeigt (vgl. Abbildung 2
- 4). Célestin Freinet vertritt – bevor er stärker von der sowjetischen Pädagogik
beeinflußt wird – die anarcho-syndikalistische These, dass die kapitalistische Schule
schon hier und jetzt und nicht erst nach der politischen und gesellschaftlichen
Revolution verändert werden muß. Er folgt aber nicht der anarchistischen, sondern der
- 5 -
– damals bolschewistischen – Auffassung, dass der Revolution auf dem politischem
Gebiet eine Übergangsphase mit Zwangscharakter folge müsse (Célestin Freinet 1920).
Seine Reise in die Sowjetunion 1925 bestärkt ihn vermutlich noch darin, in der UdSSR
lange Zeit das Vorbild – auch in Erziehungsfragen – zu sehen. Bis 1936 gibt es in der
Zeitschrift der LehrerInnen-Kooperative L’Éducateur prolétarien eine Rubrik
“Documentation internationale”, in der fast ausschließlich die sowjetische Schule
vorgestellt wird. Erst nach einer heftigen, aber offenen Auseinandersetzung in dieser
Zeitschrift im Jahre 1936 mit einigen Kameraden über den repressiven Charakter der
Schule in der UdSSR (die besonders nach der Stalinisierung des Bildungswesen ab
1932 eingesetzt hat) verändert sich seine Einstellung zum Modellcharakter der UdSSR.
Die besagte Rubrik verschwindet ab Herbst 1936 langsam aus der Zeitschrift, die
pädagogischen Beziehungen mit der Sowjetunion brechen ab und die oft erwähnte
Klassenkorrerspondenz in Esperanto mit der Ukraine hört auf8.
Das Thema der kommunistische Pädagogik tritt noch einmal zu Tage in einem
öffentlichen Konflikt zwischen Célestin Freinet und der kommunistischen Partei
Frankreichs, der vier Jahre anhält (1950 - 1954)9. Der Hintergrund sind die Neuordnung
der Gewerkschaften nach dem Krieg und der Versuch der P.C.F., einen stärkeren
Einfluß auf die Volksschullehrergewerkschaft zu gewinnen; die Ursachen sind
ideologische Differenzen. Die P.C.F. hat in Anlehnung an die KPdSU und zum Aufbau
der Volksfront 1936 den Kampf für eine “revolutionäre Volksschule” (als Gegenstück
zur Schule der Bourgeoisie) aufgegeben zugunsten der Verteidigung des Schulkonzepts
der 3. Republik, d.h. einer “progressiven” laizistischen Schule, in dem zwar
“fortschrittliche Inhalte” und die Einbeziehung der Werte der Arbeiterbewegung
gefordert werden, das aber die Schule mit ihrem enzyklopädischen und kognitiv
ausgerichteten Wissensbegriff sowie ihr Selektionsverfahren (“Auswahl und Förderung
der republikanischen Elite”) beibehält. Célestin Freinet hingegen verteidigt weiterhin
das Prinzip, dass die (Volks-) Schule jetzt und in ihren Grundwerten, d.h. in Bezug auf
Wissensvermittlung und ausgehend vom Kinde, verändert werden muss.
Auch wenn manche Rezipienten das politische Element der Freinet-Pädagogik mindern
woll(t)en, das politisches (Selbst-)Verständnis der Pädagogik und Erziehung Célestin
Freinets kann nicht zur Diskussion stehen; die Belege sind hier eindeutig. Gerade
deswegen wirft sich die Frage auf, wie es sich erklären läßt, dass die Freinet-Pädagogik
von manchen Forschern und auch Gruppierungen wohlwollend rezipiert und auch
praktiziert werden kann, die den politischen Aspekt ausblenden oder aber ein ganz
anderes politisches Selbstverständnis haben. So finden z.B. in den 60er und 70er Jahren
in Frankreich die Freinet-Techniken in einigen Jesuitenschulen eine Anwendung (cf. P.
8 Zu einer ausführlichen Darstellung dieser Auseinandersetzung vgl. Luc BRULIARD / Gerald
SCHLEMMINGER (1996 /: Kap. 10). Zur Beziehung von Célestin Freinet zur Ukraine, siehe auch
Irina SOURZHIKOVA (2000), dieser Artikel enthält auch eine Bibliographie der ins Ukrainische
übersetzten Artikel von Célestin Freinet.
9 Die treffenste Analyse ist wohl von Jacques TESTANIÈRE (1981).
- 6 -
FAURE 1979, M. Feder 1980); diese Internatsschulen haben ein elitäres Weltbild und
erziehen Kinder nach dem Weltbild des konservativen Großbürgertums.
Renate Kock (1996) versucht, Célestin Freinet auf das – von der Autorin als
fortschrittlich interpretierte – Volksfront-Modell der kommunistischen Partei
Frankreichs (P.C.F.) und auf ihr Laizismuskonzept festzulegen. Es handelt sich bei dem
Laizismus um einen für die 3. Französische Republik typischen Kampf der
Säkularisierung der Schule, der mit den Schulgesetzen von Jules Ferry (1881 - 1882)
einsetzt und der für die öffentliche Schule u.a. parteipolitische und religiöse Neutralität,
Schulpflicht und schulgeldfreie Beschulung forderte und auch durchsetzte. Dieser
Erklärungs- und Einordnungsansatz greift aber zu kurz: Zwar gehört Célestin Freinet zu
den jungen “schwarzen Husaren der Republik”, wie die Volksschullehrer oft genannt
wurden, die die öffentliche Volksschule auch gegenüber konservativer Schulverwaltung
verteidigten und ihre Verbesserung forderten. Seine Schriften zeigen aber, dass er in der
idealistischen Tradition der Pädagogik von Rousseau, Pestalozzi, Fröbel usw. steht, die
zur puerozentrischen Ausrichtung der ersten Reformschulbewegung führte. Die
grundlegendste und wohl meist gedruckte Schrift L’École moderne française10 ist eine
Anklage gegen die miserablen Bedingungen der öffentlichen Volksschule, die nicht
kindgerecht erzieht und – wie der Untertitel “Guide pratique pour l'organisation
matérielle, technique et pédagogique de l'École Populaire” schon andeutet - eine genaue
organisatorische und materielle Aufzählung und Darstellung enthält, wie er seine
“Schule des Volkes” anders aufgebaut und welche neuen Techniken er eingeführt hat.
Diese praktischen Hinweise haben auch heute noch nicht ihre Bedeutung verloren. Es
sind hilfreiche Vorschläge, die Klasse und das Lernen anders zu organisieren, sie sind
aber keine marxistische Herleitung von Schule und Erziehung (wie es z.B.1936 die
P.C.F. unternommen hat). Sein Bezugspunkt ist das Kind, eine Erziehung vom Kinde
aus, die er ideologisch in den größeren Zusammenhang einer “proletarischen” und
später einer “Volkserziehung” stellt.
Noch offensichtlicher wird seine Position in seinem Buch L'Education du Travail
(1947). In seinem Konzept der Arbeitsschule, das er hier entwickelt, unterscheidet er
sich einerseits von rein idealistischen Ansätzen wie dem von G. Kerschensteiner – der
Kinder der Arbeiterklasse handwerkliche Arbeit zuschreibt, da diese praktische Arbeit
ihnen näher liege und ihnen besser die Werte von Leistung und Tugend vermitteln
könne als abstraktes Lernen – und dem von A. Ferrière, der auf den geistig-ethischen
Wert der Arbeit abzielte, und anderseits von dem Begriff der marxistisch hergeleiteten
Industriearbeit, wie P. P. Blonskij ihn entwickelt. Célestin Freinet hat eher einen
entwicklungspsychologischen Arbeitsbegriff: Lernen erfolgt durch Arbeiten, wobei dies
als Grundtätigkeit jedes Menschen zur Aneignung und spontanen Neuorganisation von
Erfahrung in der sozialen Umwelt und in der Schule gefaßt wird und damit zur
10 1944 zum ersten Mal herausgegeben, dann vielfach nachgedruckt und 1969 – zusammen mit den
1964 verfassten Invariants pédagogiques – unter dem Titel Pour l'école du peuple veröffentlicht.
- 7 -
Entwicklung des Kindes beiträgt. Die Aufgabe der Lehrperson ist es, ein positives
Lernumfeld zu erstellen – seine Techniken wie Druckerei, freier Ausdruck,
Korrespondenz, Zeitung usw. gehören dazu –, aber möglichst wenig in den
eigentlichen, spontanen Lernprozess einzugreifen. Dieses Lernkonzept entwickelt er
dann in Essai de Psychologie sensible appliqué à l'éducation (1950) weiter, indem er
u.a. den Begriff des “tâtonnement expériemental”, des entdeckenden und forschenden
Lernens prägt.
Mit diesem Begriff von Arbeit und der Erziehung vom Kinde aus steht Célestin Freinet
nicht allein, andere vor ihm haben ihn, wenn auch nicht mit dieser pragmatischen,
technisch-pädagogischen Praxisorientierung und Ausführung, vertreten, wie die
anarchistischen Hamburger Lehrer zu Beginn der 20er Jahre (vgl. J.-R. Schmid 1971),
wie auch der "Kommissar für das Volksschulwesen" H. Scharrelmann, der später mit
den Nationalsozialisten zusammenarbeitet11. Es ist also ein methodischer Fehlschluß zu
glauben, dass sich ein (gesellschafts-) politisches und ideologisches Engagement, das
bei Célestin Freinet und vielen anderen ReformpädagogInnen zu finden ist, notwendig
und zwingend aus einem Pädagogikentwurf und seinen Innovationen herleiten lasse.
Die Freinet-Pädagogik läßt sowohl humanistisch-pädagogische als auch sozialpolitische
Lesarten zu12, wie es die Entwicklung der deutschen Freinet-Pädagogik mit dem
“Arbeitskreis der Schuldrucker” und der “Freinet-Kooperative” nur zu gut zeigt.
5. Einige Arbeitschwerpunkte von Célestin Freinet, sein
methodisches Vorgehen, seine pädagogischen Konzepte
Angesichts der großen Anzahl seiner Veröffentlichungen ist es wohl nicht falsch,
Célestin Freinet als einen sehr aktiven, viel schreibenden Autor zu bezeichnen, und es
ist nicht ganz einfach, diese Masse zu ordnen. Betrachten wir die Themen, die Célestin
Freinet in seinen Schriften und Artikeln anschneidet (siehe Abbildungen 5)13, so zeigt
sich, dass er sich zeitlebens mit den Grundtechniken (Drucken, Selbstkorrekturkarteien,
Korrespondenz, Arbeitsplan…) und ihrer Verbesserung auseinandersetzt, aber auch die
für die Zeit jeweils neuen Technologien auf ihre Tauglichkeit für einen aktiven Umgang
in der Schule geprüft hat, wie die Schallplatte, den Film, das Radio usw. Die Tonband-
Reportage hat hier schon früh eine besondere Bedeutung erlangt, die u.a. zur
Herausgabe der Reihe BT-Son (lange Zeit von Daniel Guérin geleitet) und in den 80er
Jahren zur Gestaltung von eigenen Radiosendungen führte (vgl. G. Bellot / J. Brunet
1989).
11 Vgl. D. HAGENER (1973, S.95, Anmerkung 564), zitiert nach A. RANG / B. RANG-DUDZIK
(1978, S.43).
12 … und sicherlich noch weitere, wie z.B. die existenzphilosophie Rezeption Freinets von
Peter TEIGELER (1992) zeigt.
13 Die Bibliographie sämtlicher Bücher und Broschüren befindet sich im Anhang 2, die Liste aller
Artikel ist von Halina SEMENOWICZ (1986) – leider etwas fehlerhaft – erstellt worden.
- 8 -
Célestin Freinet hat sich immer wieder mit methodischen Fragen, wie der natürlichen
Methode, dem forschenden Lernen, dem Platz des Schulbuchs beim Lernen, den
Interessenszentren der Kinder (“centre d’intérêt” / “complexe d’intérêt”)
auseinandergesetzt. In seinem psychopädagogischem Hauptwerk Essai de Psychologie
sensible appliqué à l'éducation (1950) versucht er, seine Konzepte ausführlich
darzustellen und zu begründen und baut sie 1953 zu einem “profil vital” des Kindes und
seiner Entwicklung aus (vgl. Célestin Freinet 1953), indem er 129 verschiedene
Faktoren miteinander korreliert. In seinem Hauptwerk stellt er besonders die seines
Erachtens aus schlechter pädagogischer Praxis entstehenden Störungen wie Dyslexie,
schulische Anorexie, Enurese (Bettnässen), Stottern, u.v.m. dar, denen er seine eigenen
pädagogischen und erzieherischen Konzepte entgegenstellt.
Sein Schrifttum zeigt auch die Ausweitung seiner Pädagogik über die Grundschule
hinaus. Nach dem 2. Weltkrieg widmet er sich nicht nur verstärkt den einzelnen
Schulfächern (Mathematik-, Musik- Sportunterricht), sondern anderen bzw. neuen
Schulformen (Sekundarstufe, Stützklassen) und zeigt sich gegenüber neuen
pädagogischen Entwicklungen immer offen, auch wenn manche von ihnen nach dem
Ausprobieren in der Klasse in eine Sackgasse führen sollen und dann fallen gelassen
werden. Ein Beispiel dafür ist die zu Beginn der 60er Jahre aufkommende pädagogische
Debatte um das programmierte Lernen, für das sich Célestin Freinet sehr interessiert. Er
entwickelt und vertreibt dann über die C.E.L. die sog. “bandes enseignantes”,
Abrollbänder, auf denen Fragen und Antworten zu einem Thema stehen, die die Schüler
“automatisierend” lernen sollen. Diese dem behavioristischen Lernmodell folgenden
Praktiken stehen dem Lernkonzept, das Célestin Freinet selbst in seiner Schrift Les
méthodes naturelles dans la pédagogie moderne (1956) entwickelt hat, diametral
entgegen und stoßen in der Freinet-Bewegung und auch bei Élise Freinet auf heftigste
Kritik. Célestin Freinet muß auf dem Kongreß der I.C.E.M. in Annecey (1964) seine
Position revidieren, um eine Spaltung der Bewegung zu vermeiden – und die
Abrollbänder werden aus dem Angebot der C.E.L. herausgenommen.
Diese kurzen Eindrücke aus seinen Schriften können seine Aufgeschlossenheit und
Vielseitigkeit nur andeuten. Sie dürfen jedoch nicht über den ideologisch-
philosophischen sowie soziobiographischen Hintergrund und die Zeitgebundenheit
hinwegtäuschen, auf dem Célestin Freinets intellektuelle und pädagogische Tätigkeit zu
sehen ist. Das obige Beispiel zeigt zwar seine Fähigkeit, eigene pädagogische
Fehlentwicklungen einzugestehen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Es steht aber
auch für die andere Tendenz. Einige weitere Experimente, die heute vergessen sind, da
sie in pädagogischen Sackgassen endeten (und vielleicht auch, weil sie der
Mythosbildung abträglich waren), mögen dies aufzeigen. Dazu gehört die von M.
Violet entwickelte Technik des vibrierenden Wassers (“l’eau vibrée”): mit
Elektrodenströmen behandeltes Wasser soll positiv auf den Organismus wirken.
Célestin Freinet hat versucht, es in seinem Landschulheim einzuführen, scheinbar ohne
- 9 -
großen Erfolg. Einen ähnlichen Ausgang hatten die mehrere Jahre andauernden
Versuche mit der Hörmuschel (“l’Aurelle”) eines gewissen Dr. Tomatis: Das Hören von
frequenzmodulierten Sprachaufnahmen sollte das Sprechverhalten verbessern und
Sprachstörungen aufheben. Es gibt heute noch diese Fotos, die Kinder zeigen, die
aufmerksam diesen Tonbändern lauschen. Es wäre falsch, dieses Experimentieren
vorschnell als skurril abzutun, nur weil es in diesen Fällen erfolglos war. Es zeigt
vielmehr das methodische Vorgehen von Célestin Freinet und sein stark
instrumentalistisch-positivistisch geprägtes Verständnis von Technik. Dieser Ansatz ist
auch heute noch in der Freinet-Bewegung vorzufinden. So verteidigen LehrerInnen z.B.
ihre Entscheidung, die Druckpresse nicht mehr zu benutzen, mit dem technologischen
Fortschritt – der Computer habe die Presse überholt – und nicht mit pädagogischen
Argumenten, die diese Technik hinfällig machen würden14.
Ich möchte an einem weiteren Beispiel vertiefen, wie sich Célestin Freinet fremde
Konzepte erarbeitet und sich zu eigen macht. Das Zusammenwirken von politischem
Vorverständnis und pädagogischer Technik, aber auch die immer wieder auftauchende
Debatte um den Behaviorismus und seinen Stellenwert in einer kindgerechten
Pädagogik werden hier klarer. Das Beispiel ist die Konzeption und praktische
Entwicklung der ersten Rechenkartei. Die Diskussion um die “pédagofiche”, um
“Studiometrie” usw., also das, was wir heute als Selbstlernmaterialien bezeichnen, geht
auf die 20er Jahre zurück. So entwickelt und experimentiert u.a. der Schulrat der
öffentlichen Schulen von Winnetka (U.S.A.), Carl Wasburne, in dieser Zeit ein ganzes
Programm Selbstlernübungen für den individualisierten und programmierten
Rechenunterricht, das er unter dem Namen “Winnetka-Methode” veröffentlicht. Über
Vorträge auf Kongressen und über einige Zeitschriftenartikel Anfang der 30er Jahre
erfährt auch die sich zu der Zeit noch als “Schuldrucker” bezeichnende
LehrerInnengruppe um Célestin Freinet von diesen Praktiken. Die ersten Reaktionen
lassen nicht auf sich warten, wo sich Ideologie, Pädagogik und Polemik vermischen.
Célestin Freinet schreibt 1932 :
Die Winnetka-Technik ist unserer Meinung nach eine der jüngsten und
vollendetsten Ergebnisse kapitalistischer Pädagogik, dessen Ziel es ist, die
Leistung zu erhöhen und Wissen anzuhäufen, ohne dass sich jemand
genauer darum kümmert, wie dieses Wissen nun seine menschliche
Anwendung findet.” (Célestin FREINET 1932 : 141)15.
Des weiteren kritisiert Célestin Freinet die trockene “Fließbandarbeit”, die diese
Methode auf “völlig überfüllten Seiten” fördert – die “Winnetka-Methode” lag in
Heftform vor –, wo nicht einmal die Kontrolltabelle fehle. Diese spannend zu
verfolgende Auseinandersetzung wird in der Pädagogik-Kooperativbewegung und ihren
14 Es sei daruf hingewiesen, das Célestin Freinet in seinen späteren Schriften, z.B. La lecture par
l'imprimerie à l'école (1952), die Schuldruckerei pädagogisch begründete.
15 Die Übersetzung aller französischen Zitate ist von mir.
- 10 -
Zeitschriften über fast ein Jahrzehnt geführt (1932 bis Kriegsbeginn) – und 1936
kommt in der LehrerInnen-Kooperative die Rechenkartei “Fichier Washburne - C.E.L.
(multiplication - division)” mit 350 kartonierten Übungs- und 350 Antwortblättern
heraus, die mehrmals überarbeitet bis in die 80er Jahre16 immer wieder neu aufgelegt
wird, da die Nachfrage nach dieser Kartei sehr groß war. Der Weg zu dieser
französischen Übersetzung und Überarbeitung der amerikanischen Version war jedoch
lang und sehr komplex. Hier seien nur die Hauptstränge der pädagogischen Seite der
Diskussion kurz angedeutet17: Auf der einen Seite die Gegner dieser Art von Kartei, die
hervorheben, dass sie auf einem behavioristischen Lernkonzept beruhe, das
individuelles Lernen nicht ermögliche, das nicht der Heterogenität von Lerngruppen
Rechnung trage, das eine langsame Konstruktion von Wissen über tastende Versuche
nicht ermögliche, sondern nur auf den Wiederholungserfolg baue und das keine
Verbindung zum realen Leben habe. Auf der anderen Seite die Befürworter, die schon
konkrete Rechenbeispiele, ihre Graduierung, den Aufbau von Selbstlernkarteien usw.
diskutieren. Das Grundproblem bleibt für Célestin Freinet – selbst wenn individuelles,
selbstgesteuertes Lernen zum Eintrainieren von (Rechen-) Routinen behavioristische
Lernformen rechtfertigen mag – das der Motivation d.h. aus welchen Beweggründen
der Schüler zur Arbeit mit dieser Kartei greifen soll. Bei dieser Debatte verliert er aber
nicht den pragmatisch geschäftlichen Aspekt aus dem Auge und schreibt 1934:
“[…] Dann müssen die Mechanismen der Rechenoperationen
herausgearbeitet werden. Hierzu ist unter der Leitung von Washburne in
Winnetka ein in der Welt einzigartiges, wertvolles und kooperativ
erarbeitetes Produkt herausgekommen. Wir18 haben dafür in Frankreich die
Exklusiv-Abdrucksrechte erhalten. Wir werden es überarbeiten und es auf
[kleinen] Karteikarten drucken, so wird die Freiarbeit mit diesem Material
erleichtert.” (Célestin Freinet 1934, S.557)
Doch die Anhänger der “natürlichen Methode” – die vertreten, dass das Kind Rechnen
ohne zusätzliches Training und ausreichend in der Klasse lernen kann, wenn diese nur
ein reiches und breitgestreutes Angebot von Aktivitäten ermöglicht – geben so leicht
nicht auf und werfen den Karteimachern “reaktionäres Verhalten” vor, so dass die
C.E.L. die erste Ausgabe der Kartei unterbrechen muß. Célestin Freinet muß sich
wiederholt für die “Winnetka-Methode” einsetzten und erklären, dass die “natürliche
Methode” und die von C. Washburne sich nicht ausschließen, sondern sich sinnvoll
ergänzen: die erste führe eigentlich in mathematisches Denken ein, die letztere diene
dazu, die Techniken dieses Denkens zu festigen und abzusichern. Erst jetzt kann die
Kartei herauskommen. Dieser implizit vorhandene Widerspruch des Lernkonzepts in
16 In dieser Zeit entsteht die neue Rechenkartei, die mit den Nachahmungsprinzipien bricht und auf die
neueren Erkenntnisse der Lernpsychologie aufbaut, die von den mentalen Vorstellungen der
SchülerInnen über Zahlen und vom konkreten Umgang damit ausgeht.
17 Für eine ausführlichere Darstellung siehe Gerald SCHLEMMINGER (1994).
18 Es ist der übliche Schreibstil Célestin Freinets, immer in Pluralform für die LehrerInnen-
Kooperative C.E.L. zu sprechen.
- 11 -
der Freinet-Pädagogik tritt auch heute noch manchmal zutage, wenn wir z.B. das sehr
unterschiedliche Verhalten der deutschen und der französischen Freinet-Bewegung zu
den Selbstkorrekturkarteien betrachten. Es genügt dabei, in die jeweiligen
Verlagsprogramme zu schauen oder die deutsche Rezeption der (erneuten und
interessanten) französischen Diskussion um die Mathematik zu sehen (wobei in
Deutschland nur der Teil um den “freien mathematischen Text” von Paul Le Bohec
rezipiert wird)19.
5. Célestin Freinet und die etablierte Forschung in den
(Erziehungs-) Wissenschaften
Bei aller Belesenheit von Célestin Freinet – und sie ist immens, wenn wir nur seine
unzähligen Buchbesprechungen in dem L’Éducateur (prolétarien) betrachten – ist
jedoch festzustellen, dass er trotz solider philosophischer Volksschullehrerausbildung in
Bezug auf Wissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten wie viele seiner KollegInnen
in der LehrerInnen-Kooperative ein Autodidakt ist. Auch wenn einige Rezipienten dies
gern bestreiten, so läßt es sich doch mehrfach nachweisen. Dabei ist hier weniger die
Frage von Interesse, wie und wieviel Wissen sich Célestin Freinet angeeignet hat,
sondern vielmehr wie er mit Wissen und wissenschaftlicher Erkenntnis umgeht. In
seinen Buchbesprechungen und Artikeln fällt zunächst ein bestimmter Diskurstypus
auf, der dominierend ist: Entweder wird die wissenschaftliche Erneuerung als für die
(Freinet-) Pädagogik entscheidend gelobt – oft um so mehr, je weiter das
Wissenschaftsgebiet von der Pädagogik entfernt ist –, oder aber abgekanzelt, dies auch
um so stärker, je näher es dem pädagogischen Bereich steht. Die wissenschaftlichen
Bezüge haben hier die Funktion des Autoritätsbezugs zur Rechtfertigung eigener
Positionen, werden aber nur selten ausgeführt20. Ein anderes Element ist der oft sehr
bild- und metaphernreiche Stil Célestin Freinets, der besonders stark in Dits de Mathieu
(1949) zum Ausdruck kommt. Er ist nicht nur sehr zeitgebunden, sondern widersetzt
sich wegen einer Tendenz zur Naturmystik auch der wissenschaftlichen
Auseinandersetzung. Dieser Text wird – zumindest in Frankreich – auch deshalb am
wenigsten zitiert, wenn es darum geht, Freinet-Prinzipien darzustellen21.
In Bezug auf seine pädagogischen Konzepte wird gern das Zitat von Jean Piaget
herangezogen:
"[…] Ohne groß auf Theorien zu pochen, ist er [= Célestin Freinet] zu zwei
Wahrheiten gekommen, die sicherlich den wichtigsten Stellenwert in der
Psychologie der kognitiven Entwicklungen haben /: Die Entwicklung der
kognitiven Operationen geht von echten Handlungen im weitesten Sinne
19 siehe z.B. Paul LE BOHEC (1997).
20 Eine ausführlichere Betrachtung dieses in der (französischen) Freinet-Bewegung verbreiteten
Diskurstypus ist zu finden in: Gerald SCHLEMMINGER (1996 b, S.153 - 155).
21 Dass von dieser Schrift mittlerweile drei Übersetzungen neueren Datums auf Deutsch vorliegen,
läßt eventuell Rückschlüsse auf eine andere Rezeption zu.
- 12 -
aus […], denn Logik ist zunächst einmal Ausdruck der allgemeinen
Koordinierung von Handlungen, und diese Koordination beinhaltet
notwendigerweise eine soziale Dimension […].” (Jean PIAGET 1969, S.99)
In der Tat ist Célestin Freinets Pädagogik, wie er sie in Essai de Psychologie sensible
appliqué à l'éducation (1950) darlegt, keine Entwicklungspädagogik im Piaget’schen
Sinne, die also die kognitiven Stufen des Kindes in der Aneignung von Welt aufzeigt.
Sie ist eher eine Darstellung des Zusammenwirkens von sozialer Umwelt und ihrem
Einfluß auf seine psychosoziale Entwicklung. Célestin Freinet hat diesen
Zusammenhang nie theoretisch begründet, sondern immer nur dargelegt. Dazu hätte es
aber einer Auseinandersetzung mit der etablierten Wissenschaft, besonders den
Erziehungswissenschaften bedurft. Sein Verhalten ihnen gegenüber war jedoch – wohl
sozialisationsbedingt – von Mißtrauen geprägt und durch die Argumente gestützt, ihre
Forschung sei scholastisch und praxisfremd. Bekannt ist seine Skepsis gegenüber der
modernen Psychoanalyse; so schreibt er z.B. in dem “21. Entwicklungsgesetz” explizit
gegen diese, dass der “Sexualinstikt in seiner normalen Form nicht vor der Pubertät
einsetzt”22. Als in den 60er Jahren die Human- und besonders die
Erziehungswissenschaften immer stärker von den Mitgliedern der Freinet-Bewegung
rezipiert werden und auch die Forderung aufkommt, die Ergebnisse in die Freinet-
Pädagogik mit einzubeziehen, kommt es zu scharfen Konflikten. Célestin Freinets
Verhalten kann in der Verteidigung der “wahren Freinet-Pädagogiklehre” hier nicht
anders als sektiererisch bezeichnet werden, als er persönlich 1961 und 1965 Mitglieder
der Pariser Freinet-Gruppe ausschließt23. Die erste Spaltung führt zur Entstehung der
psychopädagogisch orientierten “pédagogie institutionnelle” um F. Oury; die ab den
70er Jahren auf der Schulebene und in Veröffentlichungen von SchülerInnen-
Monographien24 sehr aktiv wird, das Konzepte wie das des Klassenrates, der
Kleingruppe usw. weiterentwickelt; Teile dieser Bewegung gliedern sich Ende der 70er
Jahre wieder in die offizielle Freinet-Bewegung / I.C.E.M. ein. Die zweite Spaltung
führt zur Gründung der “socioanalyse institutionnelle”, die um G. Lapassade, M.
Lobrot, Remi Hess an der (Experimentier-) Universität von Vincennes (heute
“Université Paris VIII- St.-Denis”) sozialpädagogisch sehr aktiv wird und auch mehrere
Lehrstühle in den dortigen Erziehungswissenschaften einnimmt25.
In der Tat tun sich Célestin Freinet und die (französische) Freinet-Bewegung mit
wissenschaftlicher Diskussion schwer. Zwar gründet Célestin Freinet 1959 gerade zu
diesem Zwecke die Zeitschrift Techniques de Vie; jedoch schon ab 1962 schreibt kein
22 Zitiert nach Célestin FREINET (1994,S.476).
23 Zur ausführlichen Darstellung dieser Konflikte siehe Luc BRULIARD / Gerald SCHLEMMINGER
(1996/: Kap. 14).
24 Siehe Gerald Schlemminger (1996 a).
25 Es ist bemerkenswert, dass diese Spaltung und ihre Folgen trotz Übersetzungen (Gabriele
WEIGAND 1983; Gabriele WEIGAND / Remi HESS / Gerald PREIN Hrsg. 1983) von der
deutschen Freinet-Bewegung nicht rezipiert wurden.
- 13 -
einziger Wissenschaftler mehr in diesem Blatt. Unter diesen Bedingungen ist es
verständlich, dass Debatten, wie sie in Deutschland z.B. über ein universitär
anerkanntes Freinet-Diplom stattfinden in Frankreich schwerer vorstellbar sind.
6. …und Élise Freinet?
Élise Freinet verdiente in der allgemeinen Diskussion um die Freinet-Pädagogik
sicherlich eine größere Würdigung. Bekannt sind ihre Bemühungen zur künstlerischen
Entwicklung des Kindes. Sie entwickelte auf diesem Gebiet Techniken und Konzepte,
um das kindliche Wahrnehmungsvermögen zu fördern und zu erweitern, seine
Kreativität und den freien Ausdruck durch das tastende Lernen im künstlerischen
Schaffen (spielerisch) zu entwickeln. Bekannt sind auch ihre Positionen zur
vegetarisch-frugalen Ernährung26 und zur Naturheilkunde, die sie in ihrer
Internatsschule in Vence, die sie offiziell leitete, auch durchsetzte. Weniger bekannt
sind ihre Schriften zur Rolle des Lehrers im Unterricht (Élise Freinet 1963, 1966), wo
sich von Célestin Freinet teilweise unterschiedene Positionen erkennen lassen. Sie tritt
u.a. für ein stärkeres Eingreifen der Lehrperson in den Selbstlernprozess des Kindes
ein27. Auf politischem Gebiet ist sie, da sie aus einer politisch sehr aktiven
Volksschulfamilie kommt, die geschultere von beiden. Sie wird von ZeitgenossInnen
als “Leninistin” beurteilt. Was das im einzelnen auch immer heißen mag, so setzt die
Politisierung von Célestin Freinet erst mit dem Ende des 1. Weltkriegs ein. – Da die
pädagogische Forschung Élise Freinet bisher kaum berücksichtigt hat, hört hier auch
schon der Vergleich der beiden Protagonisten auf. Es bedarf einer ausführlicheren
Sichtung und Analyse der Schriften von Élise Freinet (vgl. die Bibliographie im
Anhang 2). Die Biographie von M. FREINET (1997) Elise et Célestin Freinet. Souvenir
de notre vie zeigt erste Ansätze in diese Richtung.
7. Schlußbemerkung
Nicht nur Élise Freinet bedürfte einer eigenständigen Rezepetion, die die Fokussierung
der Pädagogik auf das Patronym Freinet verhindert hat. Auch andere Themen
verlangten eine vertiefte Untersuchung. Ich will hier nur einige andeuten. So benötigt
der Bezug von Célestin Freinet zu der stark moralisch-sittlich ausgerichteten
Gesellenvereins- und Zunftbewegung (“compagnonnage”) sicherlich eine
Ausführung28. Célestin Freinet bezieht sich nicht nur explizit hierauf, wenn er ihren
26 Vgl. ihr Kochbuch: Élise FREINET (1935).
27 Das (Schüler-)Protokoll einer der ersten Sitzungen der Schulversammlung der Internatsschule in
Vence von Jan. 1936 (abgedruckt in Michel BARRÉ 1996 : 140 - 141) zeigt deutlich, das “Mama”,
wie die SchülerInnen Élise Freinet nenne, auch öffentlich andere Positionen als “Papa”, d.h.
Célestin Freinet in Bezug auf Verantwortung vertritt. So schreibt Élise zum Protokoll selbst einen
längeren Nachsatz, in dem sie erklärt, dass in manchen Fällen die Erwachsenen die Verantwortung
für das Lernen der Kinder haben müssen.
28 Es ist deshalb sehr verkürzt, wie Renate KOCK (1996) es unternimmt, die “laïcité” nur auf einen
politischen Begriff der 3. Republik zurückzuführen. Die französischen Freimaurer – ideell
- 14 -
Wortgebrauch übernimmt, um die Arbeitsergebnisse der Schüler zu qualifizieren
(“brevet”, “chef d’œuvre”, “livre de vie”…). Auch das oft auf die Autodidaxie
verkürzte Konzept der LehrerInnenfortbildung der (französischen) Freinet-Bewegung
entlehnt sich der Tradition der “compagnonnage”, wo berufliche Fertigkeiten und
Wissen durch praktische (Mit-) Arbeit und “Einweihung” (“initiation”) unter Gleichen
vermittelt werden. Es unterscheidet sich von den stark universitär geprägten Konzepten
der Erfahrungsvermittlung im Lehrberuf und macht auch heute noch die Stärke dieser
Pädagogik aus und ist ein Grund für ihren Fortbestand. Es erklärt aber auch, dass trotz
der formaldemokratischen Strukturen die LehrerInnen-Kooperative C.E.L. mehr über
Kooperation denn über Wahl funktionierte, was nicht unerheblich zu einem hohen
Konfliktpotential führte.
Die Entwicklung des Verlagshauses C.E.L. bedürfte sicherlich ebenfalls einer
genaueren Untersuchung, die seine chronischen Finanzprobleme, aber auch die oft
auftretenden Konflikte (z.B. die Affaire Pagès29) und die Beziehungen zu anderen sog.
alternativen Verlagen aufarbeiten müßte. – Ein weiteres Forschungsgebiet wäre die
Untersuchung der Beziehung der (französischen) Freinet-Bewegung zu den beiden
anderen großen LehrerInnenbewegungen: die G.F.E.N., die französische Sektion der
Reformbewegung der Neuen Erziehung “Groupe français de l’Éducation Nouvelle”, die
heute noch besonders in der Sekundarstufe aktiv ist und der C.R.A.P. (“Cercle de
Recherche et d’Action Pédagogique”) und dessen Zeitschrift Cahiers pédagogiques, um
die sich (seit 1945) humanistisch und innovativ orientierte, engagierte LehrerInnen,
hauptsächlich aus dem Sekundarstufenbereich, gesammelt haben. – Ein letztes
Untersuchungsfeld ist sicherlich die historisch-soziologische Analyse der
Mitgliederstruktur der Freinet-Bewegung30, die interessante Aufschlüsse in Bezug auf
die Entwicklung des soziokulturellen und professionellen Einzugsgebiets dieser
Pädagogik, der Motivation und dem Weltbild ihrer LehrerInnen zuließe. – Der
wissenschaftlichen Erforschung der Freinet-Pädagogik, zu der schon der erste Schritt
gemacht worden ist31, stehen somit noch weite Bereiche offen.
hervorgegangen aus der Gesellenvereins- und Zunftbewegung – haben entscheidend zur
Säkularisierung des französischen Staates beigetragen. Dieses Gedankengut und die Bezüge zum
Freimaurertum sind auch noch heute feste Bestandteile des (Volksschul-)
LehrerInnenselbstverständnisses.
29 Vgl. Luc BRULIARD / Gerald SCHLEMMINGER Kap. 12)
30 Erste, partielle Untersuchungen von Henri PEYRONNIE (1994) liegen vor.
31 Siehe die Veröffentlichungen in: Pierre CLANCHÉ / Jacques TESTANIERE (Hrsg.) (1989), Pierre
CLANCHÉ / Eric DEBARBIEUX / Jacques TESTANIERE (Hrsg.) (1994), Herbert HAGSTEDT
(Hrsg.) (1997).
- 15 -
Abbildung Nr. 1: Der erste gedruckte freie Text, der von der Klasse des
Volksschullehrers René Daniel (Bretagne) an die Klasse von Célestin Freinet
geschickt wurde
Abbildung Nr. 2: Mitglieder der Lehrerkooperative C.E.L. im Jahre 1928
- 16 -
Abbildung Nr. 3:Mitglieder der Lehrerkooperative C.E.L. im Jahre 1938
Abbildung Nr 4: Politische Entwicklung Lehrerkooperative C.E.L.,
Entwicklungszahlen der französischen Mitglieder (in weiß) und Anteil derjenigen,
die gleichzeitig auch Mitglied in der Lehrergewerkschaft ““Fédération Unitaire de
l’Enseignement” waren (in grau)
- 17 -
19281929193019311932193319341935193619371938
0
100
200
300
400
500
600
Adhérents à la C.E.L. dont adhérents à la Fédération
de l'Enseignement
Abbildung Nr. 5: pädagogische Veröffentlichungen von Célestin Freinet (1925 -
1966)
Artikel + Schriften
1 Veröffentlichungen zu Techniken
- Selbstkorrekturkartei (1929 - 1963) : 26 + 1
- Arbeitsplan (1929 - 1962) : 20 + 2
- Schuldruckerei (1925 - 1965) : 13 + 5
- Korrespondenz / Schulaustausch (1927 - 1964) : 12 + 2
- Schulzeitung(1939 - 1962) : 12 + 1
- Einzelarbeit / Gruppenarbeit (1938 - 1966) : 11 + 4
- Freier Text ( 1928 - 1962) : 10 + 2
- Audiovisuelle Techniken (1955 - 1966) : 8 + 1
- “Diplom” / “brevet scolaire” (1948 - 1965) : 6
- Erkundungen (1933 - 1949) : 3 + 1
- Limograph (1947 - 1959) : 2 + 1
2 Veröffentlichungen consacrées zu den Schulstufen
- Sekundarstufe 1 und 2 (ab 1946) : 6 + 1
- Stützklassen / “classes de transition” (ab 1963) : 3
- Vorschule (1963) : 1
3 Veröffentlichungen zu einzelnen Unterrichtsfächern
- Naturwissenschaftlicher Unterricht (ab 1946) 26 + 1
- Kunstunterricht (ab 1946) : 14 + 5
- Mathematikunterricht (ab 1947) : 13 + 1
- Musikunterricht (ab 1947) : 3
- Sportunterricht (1961-1962) : 2
4 Veröffentlichungen zu pädagogischen Konzepten
- 18 -
- Zu den Lehrbüchern (1925-1964) : 14 + 2
- Schulkooperative / Klassenversammlung (1932-1962) : 19 + 1
- Natürliche (Lern-) Methode (1930-1965) : 8 + 8
- Interessenzentren / “centres d'intérêt” (1928-1965;
1949: “complexe d'intérêt”) : 7
- Experimentelles Lernen / “ tâtonnement expérimental” (1940-1966) : 15 + 1
5 Veröffentlichungen zu allgemeinpädagogischen Fragen
- Arbeitsorganisation der Klasse (1938): 1
und (1946-1964) : 13
- Disziplin (1930-1940) : 6
und (1948-1963) : 19
- Entwicklung des Kindes / "la connaissance de l'enfant" (1948-1964) : 25 + 1
- Staatsschuld (1945-1955) : 3
- Dyslexie (1950-1962) : 5
- Gedächtnis und Auswendiglernen (1960-1965) : 4
- Unterrichtsfragen (1961) : 1
- Gruppenführung (1960-1965) : 4
- 19 -
Anhang 1
Lebensdaten von Célestin Freinet32
1896: Am 26. Okt. wird Célestin Jean-Baptiste als 5. von 6 Kindern als Sohn von
Marie Victoire Freinet geb. Torcat und Joseph Delphin Freinet in Gars
(Département Alpes Martimes) geboren. Zur Familie gehört auch noch ein
Pflegekind. Die Eltern führen in dem kleinen, abgeschiedenen Dorf einen
Krämerladen zusammen mit einer Bauernwirtschaft33.
1898: Am 14. Aug. wird Élise (spätere Ehefrau von Célestin Freinet) als 3. von 6
Kindern in die Grundschullehrerfamilie von Julie und Claude Lagier-Bruno
in Pelvoux (Hautes Alpes) geboren.
1900: Einschulung von Célestin Freinet in die einklassige Dorfschule.
1908: Célestin Freinet macht den Volksschulabschluss “Certificat d’Études
Priamires”, Eintritt in die weiterführende Schule [École spuérieure] in
Grasse, zunächst 3 Jahre im “Collège Carnot”, dann 1 Jahr auf dem “Lycée
Amiral-de-Grasse”, das die Aufnahmeprüfung zum Lehrerseminar
vorbereitet.
1912: Sekundarschulabschluss “Brevet élémentaire”, Aufnahme in das
Lehrerseminar “École normale d’instituteurs” (16 Plätze pro Jahrgang) in
Nice, das in 3 Jahren auf den Volksschulehrberuf vorbereitet und Abitur
(“Brevet supérieure”) nach 2 Jahren einschließt.
1914: Nov.: Schulabschlussprüfung “Brevet supérieure”, Beginn des
schulpraktischen Jahrs.
1915: April: Abbruch der Ausbildung, Einberufung zum Militärdienst; Okt.:
Ausstellung des Schulabschlusszeugnisses “Certificat de fin d’études
normales”; Ausbildung an der Militärschule in Saint-Cyr.
1916 - 17: Fronteinsatz im Nord-Osten von Paris, wo er am 23. Okt. 1917 verletzt
wird.
1918: Lazarett, Einsatz in der Etappe, Ausmusterung kurz vor Kriegsende.
1919: Einsatz als Aushilfslehrer in kleinen Dörfern des Département Alpes
Martimes, unterbrochen von Krankheitsurlauben; die Politisierung Célestin
Freinets setzt ein. Die Kriegsverletzung führt zur Festanstellung als Lehrer.
1920: Stellvertretender Volksschullehrer an der Jungenschule in Bar-sur-Loup
(Alpes Martimes); Célestin Freinet holt die Prüfung zur Lehrbefähigung
“Certificat d’Aptitude Professionnelle” (C.A.P.) nach. – Er wird Mitglied
der Lehrergewerkschaft “Fédération Unitaire de l’Enseignement”.
1922: Fällt bei der schriftlichen Prüfung zum Französischlehrer an
Lehrerausbildungs- und weiterführenden Schulen (École supérieure
primaire) durch; lehnt Abordnung an die weiterführende Schule in
Brignoles ab; wird pädagogischer Sekretär der Gewerkschaftssektion Alpes
Maritimes; trifft in Deutschland mit Peter Petersen zusammen, besucht die
anarchistischen Schulversuche in Hamburg-Altona.
32 Es handelt sich hier natürlich um eine subjektive Auswahl und Beschreibung der objektiven
Lebensdaten, die meinem Zugang zur Freinet-Pädagogik entspricht. Interessant ist sicherlich der
Vergleich mit den “Biographischen Angaben”, wie Maurice FREINET (1998) sie in der deutschen
Ausgabe der pädagogischen Werke Célestin Freinets ausgewählt hat.
33 Für die Kindheit und Jugend Célestin Freinet ist am ausführlichsten Maurice FREINET (1997).
- 20 -
1923: Trifft mit dem engagierten Pazifisten Henri Barbusse zusammen, schreibt in
seiner Zeitschrift Clarté über die deutschen Schulversuche; nimmt zum
ersten Mal an dem Kongress der Reformpädagogen “Ligue internationale
pour l’Éducation nouvelle” in Montreux (Schweiz) teil; führt die Erkundung
(“classe promenade”) in seiner Klasse ein.
1924: Führt Druckerei, die Technik des freien Textes, die Schulzeitung, Filme
vorführen und drehen (Machart “Pathé-Baby”) ein und schafft Fibeln ab;
kritisch wohlwollender Bericht der Schulratsinspektion; Élise Lagier-Bruno
liest Artikel von Célestin Freinet und nimmt mit ihm Kontakt auf.
1925: Beginnt die erste Klassenkorrespondenz mit einer Jungenklasse aus Lyon,
dann mit einer Schule aus Brüssel; die Panrussische Lehrergewerkschaft
lädt französische Gewerkschaftsdelegation ein, an der Célestin Freinet
teilnimmt. Er lernt die politisch und künstlerisch tätige Élise Lagier-Bruno,
die aus einer sozialistisch engagierten Grundschullehrerfamilie kommt,
kennen; ein Polizeibericht der Stadt Cannes erwähnt zum 1. Mal Célestin
Freinet, der auf einer öffentlichen Versammlung über seine Russlandreise
berichtet hat.
1926 Heirat zwischen Élise Lagier-Bruno und Célestin Freinet; Élise verlängert
ihre Beurlaubung vom Schuldienst (die sie eingereicht hatte, um
Kunstkursen in Paris folgen zu können) und zieht nach Bar. Célestin Freinet
wird Generalsekretär der Gewerkschaftssektion Alpes Maritimes; erste
Zeitungsartikel erscheinen über die innovative Pädagogik Célestin Freinets;
er tritt – wahrscheinlich auf Veranlassung von Élise Freinet – der
kommunistischen Partei Frankreichs (P.C.F.) bei.
1927: Auf dem Lehrergewerkschaftskongress Gründungskongress der Bewegung
der Schuldrucker “Coopérative d’entraide L’imprimierie à l’école” und
Herausgabe der Zeitschrift L’Imprimerie à l’école / Bulletin mensuel de la
Coopérative d’entraide L’imprimierie à l’école; die Gewerkschaft initiiert
die Gründung der Kino-Kooperative “Cinématique Cooperative de
l’Enseignement Laîc”, an der auch Célestin Freinet teilnimmt; Élise Freinet
erhält den Malerpreis “Gustave Doré”.
1928: Beide Kooperativen schließen sich zur LehrerInnen-Kooperative
“Cooperative de l’Enseignement Laïc” (C.E.L.) zusammen34; die Freinets
nehmen am Kongreß der kommunistischen “Internationale der
Bildungsarbeiter” in Leipzig teil; Célestin Freinet nimmt eine Stelle in der
Jungen-Volksschule in Saint-Paul an, in der (enttäuschten) Hoffnung, das
beide hier unterrichten können; die Schule ist in einem baulich und
hygienisch sehr schlechten Zustand.
1929: Die C.E.L. hat erste finanzielle Probleme (die sie bis zur Auflösung 1986
permanent begleiten); die erste Arbeitskartei erscheint; 8. Aug.: das einzige
Kind der Freinets Madelaine wird geboren.
1930: Aufgrund des schlechten baulichen und hygienischen Zustand der mit 47
Schülern überfüllten Klasse entzündet sich ein Konflikt zwischen
Schulaufsicht, Bürgermeister und Célestin Freinet (der sich deshalb
mehrmals krank schreiben läßt); eine 2. Klasse wird eröffnet, aber Élise
Freinet erhält nicht die Stelle; sie wird in der Mädchenschule von Saint-Paul
ernannt; Célestin Freinet führt die Schallplatte in seinen Unterricht ein;
34 Zur Entwicklung und Loslösung der C.E.L. von der Gewerkschaft, siehe Luc BRULIARD / Gerald
SCHLEMMINGER (1996, S.73 ff) und Fabienne BOCK (1978).
- 21 -
Élise Freinet macht sich in Naturheilkunde und vegetarischem Essen
kundig.
1931: Élise Freinet erhält wegen akuter Tuberkulose einen Krankheitsurlaub, der
zwei Jahre dauern wird.
1932: Der Zustand der Jungenschule von Saint-Paul ist immer noch in hygienisch
schlechtem Zustand; die erste Nummer der Reihe “Bibliothèque de travail”
erscheint; Célestin Freinet nimmt am Kongreß der “Ligue internationale
pour l’Éducation nouvelle” in Nice teil, Kongressteilnehmer besuchen einen
Tag lang seine Klasse in Saint-Paul. Der Konflikt mit dem Bürgermeister
und Honoratioren des Dorfes spitzt sich zu einer politischen Affäre, die
nationale Ausmaße erreichen wird, zu35; der Auslöser sind zwei freie Texte,
die in der Klassenzeitung Les Ramparts erschienen sind36 und den
Bürgermeister und der Pfarrer in ein schlechtes Licht stellen37.
1933: Célestin Freinet wird daraufhin nach Bar-sur-Loup zurückversetzt, nimmt
einen – zwei Jahre dauernden – Krankheitsurlaub, der der ihm wegen
Kriegsinvalidität auch gewährt wird. Élise Freinet beantragt nach dem
Krankheitsurlaub Beurlaubung vom Schuldienst, mit halber Besoldung; Die
Freinets kaufen in Vence ein Grundstück im Viertel “Le Pioulier” auf, wo
sie eine eigene (Internats-)Schule aufbauen wollen; die Initiative stößt bei
den Mitstreitern von Célestin Freinet zunächst auf Unverständnis; in der
Zeitschrift der C.E.L. L’Éducateur prolétarien erscheit jetzt eine ständige
Rubrik “Vers le naturisme” (vegatarische Ernährung und Naturheilkunde),
die von Élise Freinet geführt wird38.
1934: Die Freinets bauen die Schule und entsprechende Gebäude auf. Die ersten
beiden Schüler treffen ein.
1935: Da die gesetzlichen Fristen von 2 Jahren für Krankheitsurlaub bzw.
Beurlaubung abgelaufen sind, reichen Célestin und Élise Freinet ihre
Verrentung ein; eröffnen am 1. Okt. nach vielen administrativen
Schwierigkeiten und zunächst ohne offizielle Erlaubnis ihre koedukative
Internatsschule mit 13 Kindern und 5 Erwachsenen (Élise u. Célestin
Freinet, Élises Mutter Julie Lagier-Bruno, Albert Belleudy und Fifine).
1936: Die ersten Arbeiterkinder aus den Pariser Vororten werden eingeschult.
1937: Die Freinets nehmen in ihrer Schule bis zu 30 Flüchtlingskinder spanischer
Republikaner auf; die erste Nummer der pädagogischen Reihe Brochures
d’Éducation nouvelle populaire er(wird später zu: Bibliothèque de l'École
Moderne) scheint in der C.E.L.
1939: Mit Kriegsausbruch werden die Veröffentlichungen der C.E.L. und die
Schulzeitung zensiert.
35 Wir haben gezeigt, dass Célestin Freinets Schwierigkeiten mit der Schulverwaltung zu dieser Zeit
kein Einzelfall ist, sondern viele politisch engagierte LehrerInnen trifft und oft mit Versetzungen
und Suspendierungen endet, wenn auch die Freinet-Affäre besonders kraß ist (cf. Luc BRULIARD /
Gerald SCHLEMMINGER 1996, S.85 ff).
36 Faksimile eines der beiden Texte in Michel BARRÉ (1996, S.114).
37 Der anekdotische Aspekt der Affäre wird ausführlich von Madeleine FREINET (1997, S.215 ff)
dargestellt.
38 Élise Freinet ist Fruchtvegetarierin, Ernährungsweise, die sie auch im Schulinternat einführen wird;
nach dem Prinzip der Freikörperkultur müssen alle Schüler das ganze Jahr über ein morgendliches
Kaltbad im Schwimmbecken nehmen, in die Sauna usw. Siehe dazu auch Daniel HAMELINE
(1994).
- 22 -
1940: Die letzte Nummer des L’Éducateur erscheint im März; 20. März: Célestin
Freinet wird wegen kommunistischer Propaganda und Subversion (noch
unter der 3. Republik) festgenommen und verweilt in mehreren
Internierungslagern, unterbrochen von einem Krankenhausaufenthalt; die
Schule muß auf Anordnung des Präfekten geschlossen.
1941: Die Schule wird von einem Verein zur Unterbringung tschechoslowakischer
Flüchtlingskinder genutzt; Élise Freinet verläßt mit ihrer Tochter39 Vence,
um bei ihrer Mutter in Vallouise (Hauptes Alpes) zu wohnen. 29. Okt.:
Célestin Freinet wird freigelassen und in Vallouise unter Hausarrest gesetzt.
1942 - 44: Célestin Freinet konzipiert und verfaßt in dieser Zeit seine Hauptschriften,
die nach dem Krieg veröffentlicht werden (siehe Bibliographie von Célestin
Freinet im Anhang 2).
1944: Célestin Freinet nimmt an der Widerstandsgruppe F.T.P. (“Francs Tireurs et
Partisans” von Béassac teil.
1945: Célestin Freinet nimmt aktiv am “Comité départemental de Libération des
Hautes-Alpes in Gap teil, baut in einem kath. Seminar dort ein
Schulzentrum für Waisen- und Flüchtlingskinder auf, das aber dann
schließen muss, weil die Kirche es wieder beansprucht; die erste Nummer
des L’Éducateur erscheint im Febr.
1946: Célestin Freinet zieht sich enttäuscht aus der Mitarbeit an der
¨Schulreformkommission Langevin-Wallon zurück; Wiedereröffnung der
Schule in Vence; Célestin Freinet unterrichtet nicht mehr an seiner
Schule40; die Freinets wohnen jetzt in Cannes am Sitz der C.E.L., wo sich
Célestin Freinet ganz dem Aufbau der Kooperative und der pädagogischen
Bewegung widmet, nur am Wochenende kommen sie nach Vence.
1947: Gründung der Pädagogik-Kooperative I.C.E.M. (“Institut Coopératif de
l’École Moderne”).
1948: Die Freinets erneuern nicht ihre Mitgliedskarte der P.C.F.41.
1949: Der Film L'école buissonnière von Jean-Paul Le Chanois über die Schule in
Vence kommt heraus.
1950-54: Öffentlicher Konflikt zwischen Célestin Freinet und der kommunistischen
Partei Frankreichs.
1957: Gründung der internationalen Vereinigung der Freinet-Bewegung
F.I.M.E.M. (“Fédération Internationale des Mouvements de l'École
Moderne“).
1959: Zur pädagogischen Diskussion wird (bis 1986) die interne
ZeitschriftTechniques de Vie herausgegeben.
1961: Nach heftigen Konflikten mit Célestin Freinet Abspaltung von Teilen der
Pariser Gruppe I.P.E.M. (“L'Institut Parisien de l'École Moderne”), aus der
die Bewegung der “Pédagogie institutionnelle” hervorgehen wird.
1965: Nach heftigen Konflikten mit Célestin Freinet erneute Abspaltung von
39 Die familiären Umstände und Kriegswirren führen dazu, dass Madeleine Freinet nie die höhere
Schule besucht und so später nach dem Tod ihrer Mutter die Schule in Vence nicht leiten kann.
40 siehe auch Michel BARRÉ (1996, S.79, 111). Junge, unerfahrene Kollegen aus der Bewegung
leiten die Klassen, wie Michel BARRÉ, M. E. Bertrand, A. Bonbonnelle.
41 siehe. Henri PORTIER (1990).
- 23 -
Teilen der Pariser Gruppe I.P.E.M.42
1966: 8. Okt.: Tod von Célestin Freinet.
1966-76: Schule in Vence: Mehrere Spaltungen, die zu Schulneugründungen führen;
die Schule von Vence, in der staatliche abgestellte, von dem Schulvorstand
ausgesuchte LehrerInnen arbeiten, entwickelt sich unabhängig von der
offiziellen Freinet-Bewegung I.C.E.M.
1981: Tod von Élise Freinet.
1986: Auflösung der C.E.L., Gründung des Verlags P.E.M.F. (“Publications de
l’´École Moderne Française”).
1991: Die Privatschule von Vence wird als “Experimentierschule” in die staatliche
Schulverwaltung übernommen.
42 Für eine genauere Analyse der Konflikte siehe Luc BRULIARD / Gerald SCHLEMMINGER
(1996).
- 24 -
Anhang 2
Sämtliche Schriften von Célestin FREINET:
Daten der Erstausgaben; das Herausgeberdatum wichtiger Werke ist in Fettdruck
* in CÉLESTIN FREINET (1994) aufgenommen bzw. von JÖRG, Hans / ZILLGEN,
Herwig (Hrsg. 1997 / 2000) übersetzt.
FREINET, Célestin (1920): Souvenir d'un blessé de guerre, Maison française d'art et
d'édition.
- - (1925): Tony l'assisté, Saumur, L'École Émancipée, coll. Édition de la Jeunesse
Nr. 6.
- - (1926): L'enfance de Minet, Saumur, L'École Émancipée.
- - (1926): L'imprimerie à l'école, Boulogne, Ed. Ferrary.
- - (1927): Un mois avec les enfants russes, Paris, Eds. de la Revue Littéraire des
Primaires.
- - (1928): Plus de manuels scolaires, St. Paul, Editions de l'Imprimerie à l'École.
- - (1935): L'imprimerie à l'École [Réédition de L'imprimerie à l'école (1926) et de
Plus de manuels scolaires (1928).]
- - (1937): La technique Freinet, Cannes, C.E.L., coll. Brochures d'Éducation
Nouvelle Populaire Nr. 1.
- - (1937): La grammaire en quatre pages, Cannes, C.E.L., coll. Brochures
d'Éducation Nouvelle Populaire Nr. 2.
- - (1938): Le fichier coopératif, Cannes, C.E.L., coll. Brochures d'Éducation
Nouvelle Populaire Nr. 5.
- - (1938): Les activités dirigées, Cannes, C.E.L., coll. Brochures d'Éducation
Nouvelle Populaire Nr. 6.
- - (1939): Premières réalisations d'éducation moderne à l'usage des débutants, des
hésitants et des sceptiques, Cannes, C.E.L., coll. Brochures d'Éducation Nouvelle
Populaire Nr. 14.
- - (1943): Conseil aux parents, Bruxelles, Service Social [revue].
- - (1944)*: L'École moderne française, Editions de l'Éducation Populaire, Belgique.
- - (1945): L'École moderne française, guide pratique pour l'organisation matérielle,
technique et pédagogique de l'École Populaire, Gap, Ophrys.
- - (1945): Images du Maquis, Gap, Ophrys.
- - (1945): Conseil pour l'organisation matérielle et pédagogique des Centres
Scolaires et Maisons d'enfants, Cannes, C.E.L., coll. Brochures d'Éducation
Nouvelle Populaire Nr. 18.
- - (1946): Par-delà le 1er degré, Cannes, C.E.L., coll. Brochures d'Éducation
Nouvelle Populaire Nr. 19.
- - (1946): La coopération à l'École Moderne, Cannes, C.E.L., coll. Brochures
d'Éducation Nouvelle Populaire Nr. 22.
- - (1946): Le milieu local, Cannes, C.E.L., coll. Brochures d'Éducation Nouvelle
Populaire Nr. 24.
- - (1947)*: L'Éducation du Travail, Gap, Ophrys.
- - (1947): Le texte libre, Cannes, C.E.L., coll. Brochures d'Éducation Nouvelle
Populaire Nr. 25.
- 25 -
- - (1947)*: Méthode naturelle de lecture, Cannes, C.E.L., coll. Brochures
d'Éducation Nouvelle Populaire Nr. 30.
- - (1947): Le limographe à l'École Moderne, Cannes, C.E.L., coll. Brochures
d'Éducation Nouvelle
Schlagworte:
elise-freinet_sec, bio-c.frei,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2572 | hinzugefügt von user unknown an 19:58 - 25.9.2005 |
title: Freinet-Pädagogik - Die Selbsttätigkeit fördern by Schor, Julia |
|
Text:
Inhaltsverzeichnis:<p>
1. Die Grundgedanken Freinets<br>
1.1 Bezug zum Leben<br>
1.2 Der Arbeitsbegriff in Freinets Pädagogik<br>
1.3 Die Arbeitsschule: Offene und Freie Erziehung<br>
1.4 Entdeckendes Lernen<br>
1.5 Materialistische Pädagogik<br>
1.6 Pädagogik des Erfolges<br>
1.7 Zwang in der Freinet-Pädagogik<p>
2. Umsetzung Freinets Reformvorschläge in die Praxis<br>
2.1 Freier Text, Schuldruckerei, Klassenzeitung, Korrespondenz<br>
2.2 Freier Ausdruck<br>
2.3 Praktische Arbeit: Experimente, Untersuchungen<br>
2.4 Arbeitsateliers<br>
2.5 Untersuchungen außerhalb der Schule<br>
2.6 Arbeitsblätter, Arbeitsbibliothek, Arbeitskarteien<br>
2.7 Selbstverwaltung: Tages- und Wochenpläne, Klassenrat, Wandzeitung<p>
3. Resümee<p>
4. Literatur<p>
Seit einiger Zeit ist in Deutschland wieder die Freinet-Pädagogik ins Blickfeld geraten. Im Gegensatz zu einer Bildungsreform im großen Maßstab geht es bei diesem Reformkonzept zunächst darum, wie sich „hier und jetzt“ schon in kleinen Schritten größere Freiräume für ein selbstbe-stimmtes Lernen im Schulalltag gewinnen lassen. Die wichtigsten Ziele dieser Bildungsreform, nämlich Lerndrill und soziale Isolierung aus den Klassenzimmern zu verbannen, lassen sich oft durch geeignete Unterrichtsmittel und Vorgehensweisen verwirklichen. Zugleich setzt die Freinet-Pädagogik bei der differenzierten Förderung verschiedenartig interessierter, v.a. aber sozial benach-teiligter Schüler an: die ausdrückliche Betonung der Gleichwertigkeit praktischer, kreativer und intellektueller Lernvorgänge, die zentrale Bedeutung des „freien Ausdrucks“ und die „natürliche Methode“ des Schreiben- und Lesenlernens lassen es häufig erst zu, dass Kinder aus sozial unterprivilegierten Familien Schule nicht mehr als unabänderliches Schicksal hinnehmen (müssen).
...
Schlagworte:
Hausarbeit, Examensarbeit_Sonderschulpädagogik, freier-Ausdruck,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2542 | hinzugefügt von Jürgen an 04:19 - 22.9.2005 |
title: Klassenrat und Neuigkeits-Runde by Schuhmacher, Petra (FG Zug) |
|
Titel: | Klassenrat und Neuigkeits-Runde |
Autor: | Schuhmacher, Petra (FG Zug) | Sprache: | deutsch |
Quelle: | o.O., in: Bindestrich-18, p. 04 -05 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | 12.12.1994 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 425 | hinzugefügt von Peter an 12:12 - 28.10.2002 |
title: Der Pädagoge Célestin Freinet by Schulz, Christina |
|
Text:
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 3
2. Wer war Célestin Freinet? 3
2.1. Ein "pädagogischer Lebenslauf" 3
3. Die "Freinet-Pädagogik" 5
3.1. Freinets Beweggründe nach neuen pädagogischen Wegen zu suchen 5
3.2. Célestin Freinet entwickelt sein eigenes Konzept 6
3.3. Merkmale der "Freinet-Pädagogik" 8
4. Lese- und Schreiblehrmethoden der "Freinet-Pädagogik" 10
4.1. im 1. Schuljahr 10
4.2. im 2. Schuljahr 12
4.3. Vorteile 12
5. Schlusswort 13
1. Einleitung
Die Pädagogik erweist sich immer wieder als ein Fachgebiet, innerhalb dessen, Reformen und Weiterentwicklungen, unabdingbar sind. Heute im Jahre 2002 wird es unter anderem die PISA - Studie sein, die pädagogische Reformen zur Folge haben wird. In der Vergangenheit ließen große Ereignisse, wie der 1. und 2. Weltkrieg, die Menschen umdenken, umdenken auch innerhalb der Pädagogik. Die Pädagogik ist also ständiger Entwicklung und Überarbeitung ausgesetzt. So wie sich das Lebensumfeld des Menschen ändert, so ändert er sich daraus wiederum selbst. Diese Veränderung des Menschen fordert so auch die Anpassung des pädagogischen Bereiches an ihn. Eine große „Anpassungsperiode“ stellte die Zeit der europäischen Reformpädagogik dar. Große Reformpädagogen, wie Adolphe Ferrière, Peter Petersen, Maria Montessori und Célestin Freinet traten aus ihr hervor. Auf der Suche nach neuen Ideen, greift man gerne auf „altbewährtes“ zurück um dies, der aktuellen Zeit angepasst anwenden zu können. Im folgenden Beitrag soll das Konzept des französischen Reformpädagogen Célestin Freinet, näher erläutert werden. Freinet, Pädagoge und Politiker, widmete sein Leben der Pädagogik und der Politik, zwei großen Gebieten, die es im Folgenden einzugrenzen galt. Ingrid Dietrich beschreibt ihn in ihrem Werk „Politische Ziele der Freinet-Pädagogik“ als politischen Pädagogen (Ingrid Dietrich 1982). Den Schwerpunkt des folgenden Beitrages wird jedoch „der Pädagoge Freinet“ sein. Es sollen neben seinem Lebensweg, vor allem seine Beweggründe, und anschließend der Weg der Entwicklung seines Konzeptes aufgezeigt werden. Den Abschluss bildet, den Seminarinhalten „Schriftspracherwerb und Leselehrgänge“ entsprechend, ein Kapitel über die Lese- und Schreiblehrmethoden nach Célestin Freinet innerhalb der Primarstufe. 2. Wer war Célestin Freinet ? 2.2. Ein „pädagogischer“ Lebenslauf
Célestin Freinet wurde am 15.10.1896, in einem kleinen französischen Dorf namens Gars, geboren. Seine eigene Schulzeit prägten Langeweile und körperliche Züchtigung, und trotz dessen besuchte er anschließend das Lehrerbildungsseminar in Nizza.
Es kam der 1. Weltkrieg und Célestin Freinet kehrte aus diesem, durch einen Lungensteckschuss schwer verletzt, zurück. Diese Verletzung wird im Nachhinein, als Auslöser für seine Suche, nach einer Alternative zum Frontalunterricht angesehen. Seine pädagogische Zukunft begann 1920 in Bar-sur-Loup, als Lehrer in einer Grundschule. Mit der vorherrsche nden Form von Pädagogik nicht zufrieden, suchte er nach neuen Wegen außerhalb seiner Heimat. Diese führten ihn in den Jahren 1922-1925 nach Deutschland und Russland. Zu erwähnen ist hier sein Besuch einer norddeutschen Reformschule und Volksschule in Hamburg im Jahre 1922. “Tief beeindruckt“ hatte ihn eine gewerkschaftlich organisierte Reise in die Sowjetunion 1925, von der er mit der Idee des Schulfilms im Unterricht zurückkehrte (Ingrid Dietrich 1995, S.14).
1924 hatte er bereits begonnen die Schuldruckerei, als Unterrichtsgegenstand einzuführen. Die Schuldruckerei bildet heute neben der Klassenkorrespondenz und dem Klassenrat, ein wichtiges Element seines pädagogischen Konzepts (Ingrid Dietrich 1995, S.18). 1926 lernte er an der Schule seine spätere Ehe frau, Mitarbeiterin und wichtigste Vertrauensperson „Elise“ kennen. Freinet, der nicht nur Pädagoge, sondern auch politisch sehr engagiert war, trat 1926 der KPF (Kommunistische Partei Frankreichs) bei. 1928 gründete er ein genossenschaftliches Verlagshaus (CEL), welches für den Druck der Unterrichtsmaterialien zuständig war. Gleichzeitig stand es für eine Kooperative, die „Coopérative de l`Enseignement Laic, unter der sich gleich gesinnte Lehrer zusammen geschlossen hatten.
1932, Freinet war mittlerweile an einer Schule in St.Paul-de-Vence, kam es zu einem Schulkampf auf Grund eines „freien Textes“ von einem seiner Schüler. Der Streit, bei dem „bekannte Größen wie der Pädagoge Adolphe Ferriere und der Schriftsteller Romain Rolland Freinets Partei ergriffen“ (Ingrid Dietrich 1995, S.17), endete nach 2 Jahren mit der Entlassung Freinets aus dem öffentlichen Schuldienst. Freinet jedoch gab nicht auf und eröffnete 1934 die „Freinet-Schule“, ein Landschulheim, in der Nähe von Vence. Seine Schule nahm unter anderem „elternlos gewordene jüdische Kinder aus Deutschland, und vom spanischen Bürgerkrieg betroffene Kinder“ auf (Ingrid Dietrich 1995, S.17). Seine politische Haltung zum Geschehen dieser Zeit führten zu 1 ½ Jahren Gefangenschaft in verschiedenen Internierungslagern, in dieser Zeit verfasste er zahlreiche wichtige Schriften, unter anderem „L`École moderne francaise“.
Nach seiner Rückkehr eröffnete er 1945 erneut seine Privatschule bei Vence, und bald darauf den ersten pädagogischen Kongress der Nachkriegsze it. Freinet beschloss eine Einrichtung zu schaffen, welche die Forschung intensiver unterstützen sollte, als es der „CEL“ möglich
war.1951 kam es daher zur Gründung der „ICEM“, die sich der Weiterentwicklung der Technik und Arbeitsmaterialien annahm. Eine internationale Vereinigung der Bewegung der „Ecole Moderne“ (FIMEM) entstand 1964.
1968 fand ein erstes internationales Treffen der Freinet-Pädagogen in Belgien statt, doch Freinet selbst nahm bereits 1965 zum letzten Mal am Kongress der „École Moderne“ teil. Am 08.10.1966 verstarb Freinet in Vence, nach einem langen pädagogischen und auch politischen Kampf für die Reform des Schulsystems, und somit für die Kinder in Frankreich und über die Grenzen hinaus. Ein Kampf der, so zeigt es sein Lebenslauf, angetrieben wurde nicht zuletzt von einem großen Herzen, „kleinen Menschen“ gegenüber.
3. Die „Freinet - Pädagogik“
3.1. Freinets Beweggründe nach neuen pädagogischen
Wegen zu suchen
Was kann einen Menschen dazu bewegen, vierzig Jahre für Reformen i nnerhalb seines Berufes zu kämpfen ?
Gesundheitliche Gründe, somit also vom Motiv aus betrachtet rein egoistische Gründe ? Im Fall von Célestin Freinets findet man in der pädagogischen Fachliteratur sehr oft den Grund der „schweren Kriegsverletzung“, die ihn in seiner Sprechzeit einschränkte, und ihn somit nach Alternativen zum Frontalunterricht suchen ließ. Dieser oft erwähnte „Lungensteckschuss“ wird mit ein Grund gewesen sein, doch war bei weitem nicht sein Hauptbeweggrund.
Ingrid Dietrich schreibt dazu innerhalb eines Beitrages „Wer war Célestin Freinet ?“: „(...) doch lässt diese Erklärung Freinets eigentliche Motivation außer acht“ (Ingrid Dietrich 1995, S.14). Hier stellt sich nun die Frage, was waren dann seine eigentlichen Beweggründe ? Betrachtet man sein Konzept und dessen Inhalte rückblickend, so stößt man immer wieder auf denselben Ansatz: Das Wohl des Kindes innerhalb einer ganzheitlich geförderten Entwicklung.
Die vorherrschende Unterrichtsform zur Zeit Freinets stellte der Frontalunterricht dar. Unterricht, der auf Lehrpläne gestützt, und durch entsprechende Lehrbücher unterstützt, das...
Schlagworte:
Referat, hausarbeiten.de, freier-Ausdruck, lit_2003-buch,e-book,
summary:
-
Notiz:
Bewertung: 1,3, Kosten: 6,99 €
Uni Koblenz-Landau Abteilung Grundschulpädagogik Landau
Titel: Der Pädagoge Célestin Freinet
Veranstaltung: Seminar: Schriftspracherwerb und Leselehrgänge
Autor:Christina SchulzJahr: 2003
Seiten: 17
Archivnummer: V19766
ISBN (eBook): 978-3-638-23812-0
DOI: 10.3239/9783638238120
Dateigröße: 184 KB
Sprache: Deutsch
|
ID: 1531 | hinzugefügt von Jürgen an 12:12 - 28.10.2002 |
title: Integration = Anpassung der Minderheit an die Mehrheit by Schöberl, Dagmar |
|
Titel: | Integration = Anpassung der Minderheit an die Mehrheit |
Autor: | Schöberl, Dagmar | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Wien, Elise 5, S. 3 - 5 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.3.2013 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
lit_2013-art, Elise-h05, Inklusion, Stadtschulrat Wien, sozialpädagogischer Förderbedarf, Ausgrenzung, ausgrenzen, Anderssein, Freinet, Wochenplan, Wochenpläne, Klassenrat, UN-Konvention, Rechte von Menschen mit Behinderungen, Inklusive Bildung,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 4465 | hinzugefügt von Jürgen an 15:12 - 26.3.2013 |
title: Cèlestin Freinets reformpädagogisches Konzept. Ansatz zur Ausarbeitung eines Konzeptes zur Integration unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge? by Simons, Lisa |
|
Titel: | Cèlestin Freinets reformpädagogisches Konzept. Ansatz zur Ausarbeitung eines Konzeptes zur Integration unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge? |
Autor: | Simons, Lisa | Sprache: | deutsch |
Quelle: | München, Grin | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2015 | | |
url: | https://www.grin.com/document/324189 |
Text:
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Cèlestin Freinet
1.1 Leben und Wirken
1.2 Pädagogisches Konzept
1.2.1 Ziele und Grundprinzipien
1.2.2 Praktische Umsetzung – Arbeitstechniken und Methoden
2. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland
2.1 Definition und Statistik
2.1.1 Gründe und Umstände der Flucht
2.2. Situation und Bedürfnisse der umF in Deutschland
2.2.1 Kindeswohl
2.2.2 Fremdheit
2.2.3 Zwischen Autonomie und Orientierung
2.2.4 Traumatisierung und Traumatherapie
3. Elemente der Freinet Pädagogik in einem Konzept für umF
3.1 Das Kindeswohl mit Freinet schützen
3.2 Fremdheit mit Freinet begegnen
3.3 Autonomie und Orientierung mit Freinet gewährleisten
3.4 Traumata mit Freinet aufarbeiten
4. Fazit
5. Quellenverzeichnis
5.1 Literatur
5.2 Internet
5.3 Rechtsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Im Reichstag herrschte ein totalitärer, grausamer Diktator. Auf den Straßen herrschte Gewalt. In den Häusern herrschte Hunger, Angst und Verzweiflung.
Während die Nationalsozialisten von 1933-1945 regierten, wurden in Deutschland Menschen aufgrund ihrer Rasse, Religion, sexuellen Orientierung oder politischen Einstellung verfolgt, eingesperrt und grausam getötet. Verfolgung, Repressalien und organisierter Massenmord von Minderheiten waren an der Tagesordnung und ließen die jüdische Bevölkerung, die besonders schwer von der Verfolgung betroffen war, verzweifeln. Um wenigstens verfolgte Kinder vor der Terrorherrschaft Hitlers zu bewahren, organisierten Hilfsorganisationen und Privatpersonen Kindertransporte, mit denen sie allein nach Großbritannien 9.354 Kinder in Sicherheit brachten (Hargasser 2014, S.8).
Heute hat sich die Situation grundlegend geändert. Niemand muss mehr aufgrund von Verfolgung aus Deutschland fliehen. Deutschland hat sich zu einem demokratischen Rechtsstaat entwickelt, der in der Weltgemeinschaft angesehen ist. Doch in vielen Krisen- und Kriegsgebieten dieser Welt herrschen heute ähnliche Zustände wie damals in Deutschland. Diese Zustände zwingen Menschen ihr Heimatland zu verlassen. Besonders in den Regionen Irak und Syrien, wo aktuell die Terrorherrschaft des „Islamischen Staates“ und ein verehrender Bürgerkrieg wüten, entschließen sich immer mehr Menschen ihre Heimat zu verlassen. Die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge steigt seit Monaten kontinuierlich und drastisch an. Politik und Medien sprechen von einer Flüchtlingskriese (Gambone 2015). Auch immer mehr Minderjährige sehen sich aus unterschiedlichen Gründen gezwungen, sich alleine auf die gefährliche Flucht in ein sicheres Land zu begeben. Deutschland hat sich innerhalb von weniger als 70 Jahren von einem Land, aus dem Kinder flüchten mussten, zu einem Land entwickelt, in das immer mehr Kinder flüchten und in dem sich immer mehr Kinder Sicherheit und eine bessere Zukunft erhoffen.
Die drastisch steigende Anzahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland ist eine große Herausforderung für die Politik, aber auch für die Soziale Arbeit. Der besondere und spezifische Hilfebedarf von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen erfordert spezielle Methoden und Konzepte, die auf die besonderen Bedürfnisse der Flüchtlingskinder eingehen.
Die vorliegende Arbeit soll untersuchen, in wie fern das Pädagogische Konzept von dem Reformpädagogen Cèlestin Freinet als Grundlage zur Entwicklung eines Konzeptes zur Integration von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland beitragen kann. Eine konkrete Ausgestaltung eines Konzeptes und der Rahmen für den das Konzept geschaffen wird, soll hierbei nicht erarbeitet werden.
Im ersten Teil der Arbeit wird das Pädagogische Konzept von Freinet in Grundzügen vorgestellt.
Im zweiten Teil wird der Begriff umF geschärft und die Situation der umF in Deutschland erläutert und deren Bedürfnisse herausgearbeitet.
Im dritten Teil der Arbeit wird erörtert, in wie weit die Bedürfnisse der umF durch die Elemente der Freinet Pädagogik im Rahmen eines Konzeptes zu Integration befriedigt werden können.
Eine solche Übertragung von Freinets Konzept auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurde bisher noch nicht untersucht. Als Grundlage meiner Ausarbeitung dienen Fachliteratur zu Cèlestin Freinet und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, sowie wissenschaftliche Studien zu umF und hierbei hauptsächlich die Studie „Unbegleitete Minderjährige in Deutschland. Fokus-Studie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk“.
1. Cèlestin Freinet
1.1 Leben und Wirken
Cèlestin Freinet wird 1896 als Sohn einer armen Kleinbauernfamilie in Gars, Südfrankreich geboren. Nach der Schule beginnt er 1912 das Lehrerstudium (vgl. Winkel 1997, S. 55-56). Dieses muss er jedoch aufgrund des 1. Weltkrieges abbrechen. Während des Krieges wird Freinet durch einen Lungensteckschuss schwer verwundet. Nachdem er zwei Jahre im Lazarett zubringt, tritt Cèlestin Freinet 1920 seine erste Stelle als Lehrer in einer französischen Ecole primaire an.
Während seiner Lehrertätigkeit steht Freinet im ständigen Austausch mit Reformpädagogen wie Hermann Lietz, Maria Montessori oder Peter Petersen und lässt sich von deren Werken beeinflussen und anregen. Er teilt mit den Reformpädagogen die kritische Einstellung gegenüber dem bestehenden Schulsystem mit festen Lehrplänen und Frontalunterricht (vgl. Köster 2005, S.48ff.). Freinet selbst beschreibt seine Kritik mit den Worten „Die Mangelerscheinungen sind nicht zu leugnen: schlecht verdaute Nahrung, Widerwille vor intellektueller Ernährung, der bis zur totalen Verweigerung gehen kann, Verkrüppelung des Individuums, Lebensuntüchtigkeit, Feindseligkeit gegenüber der falschen Kultur der Schule. Diese Mangelerscheinungen nenne ich „Scolatismus“ (Freinet 1980, S.22).
Um das Schulsystem in Frankreich zu reformieren, gründet Freinet 1924 die „Cooperative de l`Enseignement Laic“ (C.E.L.). Diese „Kooperative“ sollte Arbeitsmaterialien herausgeben und die pädagogische Zusammenarbeit organisieren und fördern. Später entstand hieraus die Lehrerbewegung „Ècole Moderne“.
Darüber hinaus verwendet Freinet selbst bei seiner Lehrertätigkeit immer mehr neue Methoden wie zum Beispiel die Praxis des „Freien Ausdrucks“ und die „Natürliche Methode“ und veröffentlicht Artikel, die sich gegen das traditionelle Schulsystem wenden wie zum Beispiel sein Aufsatz „Plus de manuels scolaires“ (Keine Schulbücher mehr) (vgl. Kock 2006, S.17). 1926 produziert Freinet seine erste eigene Schuldruckpresse, die zu einer zentralen Arbeitstechnik für ihn wird. In diesem Jahr heiratet Freinet auch seine Frau Elise, die ihn fortan in all seinen Tätigkeiten unterstützt (vgl. Köster 2005, S.51ff.).
Aufgrund von Freinets revolutionären Gedanken und seiner linken politischen Orientierung kommt es zu zahlreichen Hetzkampagnen gegen ihn und seine Pädagogik, sodass Freinet und Elise 1933 den öffentlichen Schuldienst in Frankreich quittieren. 1934 gründen sie ihr eigenes Landerziehungsheim im französischen Vence (vgl. Winkel 1997, S. 57).
Der 2. Weltkrieg setzt der Freinets Bewegung ein Ende. Freinet selbst wird zweimal interniert. Erst im August 1945, nach dem Ende des 2. Weltkrieges kann Freinet seine Schule in Vence wieder eröffnen und die Lehrerbewegung Ècole Moderne neu aufbauen. Darüber hinaus verfasst er zu dieser Zeit viele Werke über seine praktischen Pädagogischen Erfahrungen, darunter seine Werke „L`Ecole Moderne Francaise“ im Jahre 1946 und „Les dits de Mathieu“ 1956.
1966 verstirbt Cèlestin Freinet im Alter von 69 Jahren.
1.2 Pädagogisches Konzept
1.2.1 Ziele und Grundprinzipien
Freinet hat sich das Leitmotiv „Par la vie – pour la vie – par le travail“ zum Grundprinzip seiner Pädagogik gemacht (vgl. Freinet 1979, S.163). Sein Ziel ist es „dem Schüler möglich [zu] machen, zu einer möglichst selbstständigen, vollkommenen und harmonischen Entfaltung all seiner Anlagen und Kräfte zu gelangen.“ (Freinet 1979, S.153, Änderung Annika Botens)
Dabei stellt er den Schüler in den Vordergrund und fordert, das Kind schon von Geburt an als eigenständiges Individuum mit eigenen Rechten zu betrachten. Alles Lehren und Lernen soll ausgehen von den Bedürfnissen und der Lebenswelt des Kindes. Des Weiteren stellt Freinet heraus, dass jedes Kind das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat. Dies beinhaltet, dass die Eigenart und Identität des Kindes berücksichtigt und der freie Ausdruck gefördert wird (vgl. Hellmich 2007, S. 99). Dem Kind soll freier Raum gewährt werden um sich auszudrücken, sei es schriftlich, musisch oder mündlich.
Darüber hinaus soll das Kind zur Selbstverantwortlichkeit und zur Selbstständigkeit erzogen werden. „Durch eigenes Versuchen, Selbsttun und Experimentieren soll das Kind Lösungswege für die Bewältigung aller auf es zukommenden Lern- und Lebensaufgaben finden.“ (Hellmich&Teigeler 2007, S.99). Hierbei soll besonders die erzieherische Wirkung der Arbeit und die Wirkkraft des Erfolges beachtet werden. Durch Selbstkontrollmöglichkeiten soll diese Wirkung verstärkt und verdeutlicht werden.
Ein weiteres Prinzip der Freinet Pädagogik ist die Erziehung zur Kooperation und Mitverantwortung. Die Schule soll ein „Ort der Kooperation sein“. Probleme und Konflikte werden offen diskutiert und Kritik konstruktiv angebracht (vgl. Köster 2005, S. 65). Die Kinder übernehmen zum Beispiel Verantwortung für die Geschehnisse in der Klasse, für die Reinheit der Räume oder für Pflanzen. Sie arbeiten gemeinsam an Lernprojekten und müssen sich hierbei die Arbeit untereinander aufteilen (vgl. Kock 2006, S. 69).
Darüber hinaus fordert Freinet die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt. Der Schüler soll zur Kritikfähigkeit und kritischen Betrachtung der Wirklichkeit erzogen werden (vgl. Hellmich&Teigeler 2007, S. 101).
Dem Lehrer kommt in der Freinet Pädagogik eine andere Rolle zu als in der traditionellen Pädagogik. Er ist nicht in erster Linie Wissensvermittler, sondern er unterstützt, berät und koordiniert die Lernaufgaben der Schüler. Ähnlich wie bei Montessori soll der Lehrer „Hilfe zur Selbsthilfe“ leisten (vgl. Köster 2005, S. 75).
Im Folgenden soll beschrieben werden, mit welchen Arbeitstechniken und Methoden diese Grundprinzipien in der Praxis umgesetzt werden.
1.2.2 Praktische Umsetzung – Arbeitstechniken und Methoden
Raumgestaltung und Arbeitsmaterialien
Die Klassenzimmer weichen in der Freinet Pädagogik deutlich von der herkömmlichen Raumgestaltung ab. Freinet war der Meinung, dass „die Arbeit […] der Ausgangspunkt und der Motor allen schulischen Lernens sein [soll], deshalb soll die Schule […] ein Arbeitsatelier sein, das gleichzeitig der Gemeinschaftsarbeit wie der Einzelarbeit mit Sonderaufgaben dient.“ ( Freinet 1979, S. 56, Änderungen Annika Botens)
Die Klassenzimmer werden dementsprechend in verschiedene Arbeitsateliers aufgeteilt, die mit unterschiedlichen Materialien ausgestattet sind und die Selbsttätigkeit anregen sollen. Beispiele für Arbeitsateliers sind, das „Atelier für Quellen- und Dokumentensammlung, das Atelier für naturwissenschaftliche Experimente oder das Atelier für künstlerisches und musisches Schaffen.“ (Hellmich&Teigeler 2007, S. 102)
Diese Aufteilung soll unter anderem den freien Ausdruck des Kindes fördern, das somit die Möglichkeit hat die verschiedenen Ateliers aufzusuchen, anstatt durch den Lehrer oder die Unterrichtsstunde auf einen Bereich festgelegt zu werden.
Darüber hinaus wird der Schulalltag durch zahlreiche Untersuchungen außerhalb der Schule ergänzt. Hierbei werden zum Beispiel Bauernhöfe, Märkte, Handwerksbetriebe oder der Wald besucht und gemeinsam erfahren.
Als Arbeits- und Lernmittel dienen keine festen Schulbücher, sondern frei zugängliche Arbeitsbüchereien, Arbeitsmittelkarteien, Versuchskarteien und Selbstlernkarteien. Diese stellen eine Sammlung an Wissen zur Verfügung, müssen aber aktiv und selbstständig von den Schülern verwendet werden. Es sind Selbstbildungsmittel, die auch Selbstkontrollmöglichkeiten enthalten (vgl. Hellmich&Teigeler 2007, S. 103).
Druckerpresse, Korrespondenz und Klassentagebuch
Ein Spezifikum der Freinet Bewegung ist die Nutzung der Druckerpresse als Element der Pädagogik. Nach dem Motto „Dem Kind das Wort geben“ ermöglicht die Druckerpresse es den Kindern ihre Erfahrungen und Beobachtungen niederzuschreiben und durch den Druck zu vervielfältigen. Dabei legt Freinet besonderen Wert darauf, dass die geschriebenen Texte der Schüler keine Diktate oder Pflichtaufsätze sind, sondern „freie Texte“, die das Kind je nach Interesse und individuellem Erleben selbstständig verfasst hat. Das gemeinsame Setzen und Drucken der Texte fördert unter anderem die Kooperation der Schüler untereinander und löst ein Wirksamkeitserleben der Schüler aus (vgl. Köster 2005, S. 72). Darüber hinaus verbindet Freinet mit dem Mittel der Druckerei die geistige und körperliche Arbeit. Da die Kinder in Eigenverantwortung drucken, sind sie „Autor, Setzer, Drucker, Buchbinder, Verleger und Buchhändler zugleich.“ (Köster 2005, S. 71).
Die gedruckten Texte, geschriebenen Briefe, Bilder sowie die Klassenzeitung werden mit einer Partnerklasse einer anderen Schule ausgetauscht. Die Klassen stehen untereinander im ständigen Kontakt und die regelmäßige Korrespondenz dient dem wechselseitigen Erfahrungsaustausch und der Erweiterung der eigenen Sichtweise. Darüber hinaus werden die Kinder so zu sauberem und gutem Arbeiten motiviert (vgl. Hellmich&Teigeler 2007, S. 106).
Im Klassentagebuch hält jeden Tag ein Schüler die Erlebnisse, Lernfortschritte und Lerninhalte der gesamten Klasse mit Texten und Bildern fest. Das persönliche Tagebuch bietet die Möglichkeit individuelle Fortschritte und Erlebnisse zu notieren (vgl. Köster 2005, S.75).
Der individuelle Wochenarbeitsplan, Klassenrat und Klassenversammlung
Die Förderung der Selbst- und Mitverantwortung wird in der Freinet Pädagogik unter anderem umgesetzt durch den individuellen Wochenarbeitsplan, den Klassenrat und die Klassenversammlung.
[...]
Schlagworte:
lit_2015-art, Hausarbeit
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5330 | hinzugefügt von Jürgen an 14:21 - 18.4.2020 |
title: Der Klassenrat im Schulhaus Feld by SS |
|
Text:
Ein wichtiger Beitrag zum besseren Klassenklima der 5. Primarklasse
Es ist Dienstag. Vier Schülerinnen und
Schüler der 5. Primarklasse aus dem
Schulhaus Feld in Grabs gehen in den
Gruppenraum. Sie bereiten den Klassenrat
vom kommenden Mittwoch vor.
Zuerst wird einmal der Briefkasten
geleert. Es befinden sich drei Zettel
im Briefkasten. Gemeinsam füllt die
Schülergruppe das Vorbereitungsblatt
aus. Welche Traktanden sollen in welcher
Reihenfolge besprochen werden?
Wie viel Zeit wird jeweils benötigt?
Am Schluss werden die verschiedenen
Rollen zugeteilt. Wer übernimmt die
Leitung? Wer liest das Protokoll vom
letzten Mal vor und wer schreibt es dieses
Mal? Wer überwacht die Zeit?
SS. - Schüler (und auch Lehrpersonen)
verbringen einen grossen Teil ihrer Lebenszeit
in der Schule. Sie kommen in die
Schule, um Neues zu lernen und aber
auch, um ihre Beziehung zu Gleichaltrigen
zu pflegen. Fragt man Schülerinnen und
Schüler, so sind beide Bereiche gleich
wichtig. In der Schule stehen häufig leistungsbetonte
Fächer und Noten im Vordergrund.
Der Klassenrat schafft hierzu ein
Gegengewicht. Im Klassenrat werden
die Anliegen, Probleme und Ideen der
Schülerinnen und Schüler ernst genommen
und diskutiert. Der Klassenrat leistet
nicht nur einen Beitrag zu einem besseren
Klassenklima, mit dem Klassenrat können
eine Vielzahl von Kompetenzen erlebt und
eingeübt werden.
Was ist der Klassenrat und was
bringt er?
Der Begriff Klassenrat kommt ursprünglich
aus der Freinet-Pädagogik, die 1920
von Célestin Freinet begründet wurde. Der
Klassenrat ist eine Gesprächsrunde, die
regelmässig mit der ganzen Klasse stattfindet.
Die Lehrperson bespricht mit ihren
Schülerinnen und Schülern gemeinsam
konkrete Anliegen, Probleme, Konflikte
und Vorschläge. Dabei sollen
Themen besprochen werden, die
für das Wohlfühlen von Schülern
und Lehrern im Lebensraum Schule
Bedeutung haben. Hilbert Meyer
(2004) beschreibt in seinem Buch
„Was ist guter Unterricht?“ die
zehn Merkmale guten Unterrichts.
Darunter auch Punkt drei, das
„lernförderliche Klima“, indem
er die Bedeutung von gegenseitigem
Respekt, die Einhaltung von
Regeln, gemeinsam geteilte Verantwortung,
Gerechtigkeit und Fürsorge
untereinander betont. Der
Klassenrat kann hier einen wichtigen
Beitrag leisten.
Ziele des Klassenrats
Der Klassenrat hat die Aufgabe, den
Schülerinnen und Schülern gewisse Entscheidungen
der Lehrperson transparent
und nachvollziehbar zu machen. Die
Lehrperson wird dadurch für die Schülerinnen
und Schüler als Mensch fass- und
erlebbar (Modellfunktion). Durch den
Klassenrat übergibt die Lehrperson einen
Teil der Verantwortung der Klasse. Sie
übernimmt die Rolle des Begleiters.
Der Klassenrat bringt den Schülerinnen
und Schülern in vielerlei Hinsicht etwas:
Umgang mit Gefühlen, Selbststeuerung,
Konfliktfähigkeit, Empathie und Verantwortungsbereitschaft
sind nur einige Punkte
davon.
Wie läuft der Klassenrat ab?
Die Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse
sagen über den Klassenrat folgendes aus:
• „Alle konnten während der Woche Zettel
in die Kiste werfen. Die Themen werden
im Klassenrat diskutiert und mögliche
Lösungen werden gesucht.“
• „Der Klassenrat ist bei uns so, dass
wenn die Leitung spricht, die andern leise
sein müssen.“
• „Bei uns wird zuerst das Protokoll vorgelesen.
Dann werden die verschiedenen
Traktanden vorgelesen und besprochen.
Jemand schreibt mit, was im Klassenrat
besprochen wird. Am Schluss werden die
Beobachter gefragt, wie es war.“
• „Zuerst begrüsst uns die Leitung und
der/die Protokollvorleser/in liest das
Protokoll vor. Wenn niemand mehr etwas
dazu sagen möchte, liest die Leitung die
neuen Themen vor. Jetzt kann jedes Kind
seine Meinung abgeben.“
• „Wir suchen zusammen nach Lösungen.“
Meinungen über den Klassenrat
Bereits zu Beginn der 5. Klasse hat die
Lehrperson Saskia Beer zusammen mit der
Schulischen Heilpädagogin Sabine Seeli
den Klassenrat ins Leben gerufen. Saskia
Beer:
„Mir war es von Anfang an wichtig, den
Kindern eine Plattform zu bieten, auf
der sie Themen besprechen können, die
sie persönlich bewegen und beschäftigen.
Durch das Finden von eigenen Lösungen
werde ich als Lehrperson entlastet und die
Kinder lernen Probleme usw. konstruktiv
zu besprechen. Ich glaube, die Kinder sind
von der Übernahme dieser Verantwortung
mehrheitlich begeistert. Die sitzungsähnliche
Form verleiht dem Klassenrat Gewicht
und macht ihn spannender.“
Schülerinnen und Schüler meinen dazu:
• „Ich finde, dass andere Klassen das
auch machen könnten, denn dann würde
sich wahrscheinlich auch das Klima in
den Klassen verbessern.“
• „Am Klassenrat gefällt mir besonders,
dass jeder seine eigene Meinung sagt.“
• „Ich finde den Klassenrat eine super Sache.
Wir können dann viel dazulernen
und Spass haben.“
• „Im Klassenrat übernehme ich gerne
die Leitung.“
• „Mich interessiert es, was die andern
denken. Es macht auch Spass mit den
anderen Schülern zu sprechen.“
• „Ich finde das sehr cool, dass es so etwas
gibt. Es nützt sehr viel den Kindern, die
manchmal Probleme haben.“
• „Den Klassenrat sollte man nicht zu
lange machen, da man ja nicht Ewigkeiten
stillsitzen kann.“
• „Ich finde, der Klassenrat hat einen guten
Zweck.“
Kasten:
Ablauf des Klassenrates
0. Vorbereitung durch die Vorbereitungsgruppe.
1. Eröffnung der Sitzung.
2. Protokoll vom letzten Mal vorlesen
(Überprüfung und Rückmeldung zu
den Beschlüssen).
3. Vortragen der aktuellen Anliegen.
4. Besprechen der Anliegen / Probleme.
5. Lösungssuche und Vereinbarungen.
6. Schliessung der Sitzung.
7. Rückmeldungen durch die Beobachter.
+ Bild
Schlagworte:
lit_2009-art
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3274 | hinzugefügt von Jürgen an 18:01 - 16.7.2009 |
title: wie Freinet-P. mich erobern versucht by Steiger, Peter |
|
Text:
wie Freinet-P. mich erobern versucht (8 Bildnerisches Gestalten, Zusammenarbeit (Lebensheft zum Wald, Was git‘s Neus?, Vorlesen Texte, Zeigerunde, Klassenrat
Schlagworte:
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 736 | hinzugefügt von Peter an 12:12 - 28.10.2002 |
title: Die Klasse führt sich selbst by Stähling, Reinhard |
|
Text:
Auszug:
Die Klasse führt sich selbst
Artikel im Heft 1/2005 der Zeitschrift Grundschule (S. 30–33)
Regeln erarbeiten, sie durchsetzen und ihre Einhaltung überwachen, Dienste und regelmäßige Aufgaben organisieren – das und mehr können Kinder selber tun. Man muss sie nur lassen ...
Klassenführung ist eine der wichtigsten Einflussgrößen für eine gute Schulleistung. Durch folgende Faktoren wird eine Schülergruppe dazu befähigt, sich einer Sache konzentriert, engagiert und konstruktiv zuzuwenden (vgl. Stähling 2000; Helmke 2003):
<ul>
<li>effizientes Regelsystem (Regeln, Rituale und Verfahrensweisen sind mit den Schülerinnen und Schülern verabredet, Konsequenzen bei Verstößen werden möglichst vorab im gemeinsamen Gespräch vereinbart);
<li>wirksame Unterrichtsorganisation (Klassenraum und Unterricht sind vorbereitet, Transparenz für alle Beteiligten, Strategien für potenzielle Probleme sind eingeplant, optimale Zeitnutzung);
<li>Störungskontrolle (Beaufsichtigung, Regelverstöße werden mit minimalem Aufwand und unverzüglich im Sinne der Verabredung mit der Schulklasse unterbunden);
<li>Verantwortlichkeit (Verfahren, die den Schülerinnen und Schülern die Verantwortlichkeit für die Ergebnisse ihrer Arbeit verdeutlichen);
<li>Zusammengehörigkeitsgefühl (Aktivitäten, die dem Gemeinschaftserleben der Klasse dienen).
</ul>
Schlagworte:
lit_2005-art, Klassenrat,
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5445 | hinzugefügt von Jürgen an 03:00 - 5.6.2021 |
title: 7 Schritte gegen Gewalt by Stähling, Reinhard |
|
Text:
Klassenrat – das Einfache, das schwer zu machen ist
7 Schritte gegen Gewalt
Artikel in Aprilausgabe 2005 der Zeitschrift Humane Schule
Sorgen und Nöte von Kindern in einer Grundschule hört man, wenn man nur die Ohren aufmacht.
A hat zu mir „fickdeinemutter“ gesagt
B hat mich getreten
C ärgert immer
D hat meinen Radiergummi weggenommen
E hat mich ohne Grund einfach geschubst
F will 1 E von mir haben, sonst haut er mich
G lacht mich aus
H hat zu mir gesagt „ich bin nicht mehr dein Freund“
I und J nehmen den Kleinen immer den Ball weg
K hat gesagt, das sein großer Bruder mich verhaut
So hören sich Probleme von Kindern an, die wir alle ernst nehmen sollten. Ob Nachbarn, Eltern oder Lehrer – jeder ist gefragt, den Kindern zu zeigen, dass Unrecht nicht ungehört verhallt. Was liegt näher, als darüber zu sprechen – mit den betroffenen Kindern. Aber wo sind sie? Wann ist Zeit dafür? Ist das nicht alleine Sache der Kinder? (Sonst verwöhnen wir sie doch!?) Hat die Schule nicht ein anderes „Kerngeschäft“? Muss die Schule sich überhaupt damit beschäftigen?
Schlagworte:
lit_2005-art, Klassenrat,
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5446 | hinzugefügt von Jürgen an 03:10 - 5.6.2021 |
title: Sieben Schritte auf dem Weg zum Klassenrat by Stähling, Reinhard |
|
Titel: | Sieben Schritte auf dem Weg zum Klassenrat |
Autor: | Stähling, Reinhard | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Fundgrube Klassenführung. Berlin: Cornelsen, S. 129–131 | Quellentyp: | Artikel aus Sammelband |
veröffentlicht am: | DD.MM.2007 | | |
url: | |
Text:
Stähling, Reinhard 2007:
Sieben Schritte auf dem Weg zum Klassenrat.
In Reinhold Christiani, Klaus Metzger (Hrsg.)
Fundgrube Klassenführung. Berlin: Cornelsen, S. 129–131
Schlagworte:
lit_2007-art,
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 5447 | hinzugefügt von Jürgen an 03:16 - 5.6.2021 |
title: Sein eigener Chef werden: Schüler bestimmen ihre Pausen selbst by Stähling, Reinhard |
|
Titel: | Sein eigener Chef werden: Schüler bestimmen ihre Pausen selbst |
Autor: | Stähling, Reinhard | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Allen Kindern gereicht werden Aufgabe und Wege Horst Barnitzk Ulrich Hecker (Hrsg.) S. 189-190 | Quellentyp: | Artikel aus Sammelband |
veröffentlicht am: | DD.MM.2010 | | |
url: | https://www.reinhard-staehling.de/sein_eigener_chef_werden.html |
Text:
Wer gut arbeitet, braucht Pausen. Und hier gilt auch die Umkehrung: Wer sich Pausen nimmt, arbeitet gut. Pausen bringen wieder frischen Wind in die Arbeit. Auch unermüdlich arbeitende Menschen »schalten mal ab«. So weit besteht Einigkeit unter den »Gelehrten«.
Aber wie fühlen sich Lehrerinnen und Lehrer dabei, wenn sie sehen, dass
in ihren Klassen einige Kinder zwar an ihren Tischen sitzen, aber sich innerlich in einer Art von »Standby«-Modus befinden. Wenn Lehrpersonen unbedingt Leistung fordern, dann tun diese Schüler eben so, als ob sie arbeiteten. In Wirklichkeit schweifen ihre Gedanken ab. Wenn sie andere nicht stören, toleriert man diese Phase des Abdriftens. Selbst wenn sie andere ansprechen und ablenken, nehmen dies manche Pädagogen hin, ohne zu intervenieren. Sie können ja verstehen, dass die Schüler nach langem Sitzen auch mal müde werden. Pädagogen sind aber nicht glücklich damit, weil sie spüren, dass ihnen die Schüler entgleiten. Andererseits sagen sie sich: »Die Kinder brauchen doch auch mal eine Pause – und die nehmen sie sich selbstständig.. .«. Viele haben sich daran gewöhnt, die Kinder frei entscheiden zu lassen, wann sie »abschalten«. Aber nur wenige haben sich gefragt, welche Bedingungen Kinder brauchen, um wirklich eine erholsame und fruchtbare Pause machen zu können.
Vor dem Fenster eines Klassenraumes in der Grundschule Berg Fidel (vgl. Stähling 2009) befindet sich ein Spielgelände mit Sandkasten und Schaukeln. Außerdem gibt es in der Klasse für Kinder einen wunderbaren »Lesehimmel« auf einer Hochebene und einen Bauteppich. Warum sollten sich hier überall nicht die Kinder während der »freien Arbeit« aufhalten können, wenn sie Pause benötigen?
Die Kinder haben gesagt, warum sie Pausen brauchen:
- um sich von zu Hause zu erholen
- um ihre Müdigkeit zu bekämpfen
- um ihrem Bewegungsdrang freien Lauf zu lassen
- um überhaupt arbeitsfähig zu werden
- um einer überfordernden Aufgabe ein Ende zu setzten
- um sich mit ihren Freunden zusammenzutun
- um Probleme zu besprechen
- und natürlich auch, um sich von der anstrengenden Arbeit zu erholen, die hinter ihnen liegt.
Schlagworte:
lit_2010-art, Klassenrat,
summary:
-
Notiz:
,
|
ID: 5448 | hinzugefügt von Jürgen an 03:21 - 5.6.2021 |
title: Korrespondenz by Suttner, Lisi |
|
Titel: | Korrespondenz |
Autor: | Suttner, Lisi | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 5 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1998 | | |
url: | |
Text:
Korrespondenz
Freinetpädagogik ist immer noch eine unangepasste, weil im Ursprung radikale und revolutionäre Pädagogik. Die Vereinnahmung einzelner Elemente für den herkömmlichen Unterricht entspricht keinesfalls dem Grundgedanken Freinets.
Vereinnahmung?
Besonders bedenklich erscheint mir der Einsatz des freien Textes als didaktisches Rezept. Ist es doch das gesamte Ensemble der Elemente, das die Freinetpädagogik bestimmt.
"Auch darf die Pädagogik der Freinet-Bewegung insgesamt nicht als Summe von Methoden, didaktischen Tips oder gar lernzielorientierten Curriculum-Splittern verstanden werden."
Didaktische Rezepte?
Korrespondenz macht nur Sinn, wenn sie in die Arbeitspädagogik Freinets eingebunden stattfindet. Leider wird dies immer noch oft missverstanden:
"Zeitung und Korrespondenz.......Hier ergibt sich die didaktische Gelegenheit, ‘den Kindern das Wort zu geben’."
Für mich als Freinetlehrerin ist der Ausdruck "didaktische Gelegenheit" in diesem Zusammenhang unpassend.
Blickt man auf C. Freinets Forderungen zur Veränderung unseres Schulwesens wird klar, dass es nicht um didaktische Gelegenheiten, sondern um die prinzipielle Einstellung zu den Kindern geht.
"1. Die Schule hat von den Bedürfnissen des Kindes auszugehen.
2. Alle Erziehung hat naturnah und nach natürlichen Methoden vorzugehen."
Schreiben für die Schule?
Die Schaffung eines Klassenklimas, das freien Ausdruck ermöglicht, könnte nicht gelingen, wäre sie didaktische Finte.
Es wird nicht für die Schule geschrieben.
Vielmehr "muss das Schreiben von der herrschenden Form der Didaktik befreit werden. Dies kann dadurch geschehen, das Schreiben in den wirklichen Formen gesellschaftlicher Kommunikation betrieben wird."
"Schriftsprache, deren Erwerb nicht selten Anstrengung gekostet hat, wird beim Briefeschreiben in ihrem ureigenen Sinne, dem der Kommunikation, gebraucht und erlebt und als bereichernd empfunden."
Der freie Text versteht sich zunächst einmal als soziale Tätigkeit.
Die Maxime Freinets "den Kindern das Wort zu geben" prägt auch die Klassenkorrespondenz.
Und in der Praxis?
In meiner Klasse begannen die Kinder bereits auf der ersten Schulstufe durch die Wandzeitung , Austausch von Zeichnungen, die Klassenzeitung und kleine Briefe zu korrespondieren.
In der zweiten Klasse wurde mein Vorschlag mit einer anderen Freinet-Klasse einen Briefwechsel zu beginnen begeistert aufgenommen. Es gefiel den Kindern, dass Pia-Maria, die Lehrerin unserer zukünftigen Partnerklasse schon einmal bei uns zu Besuch war, und dass wir also Post aus Kärnten (einem anderen Bundesland!) erhalten würden.
Pias Klasse, damals eine erste Schulstufe, machte den Anfang.
Wir machten eine Wand im Klassenraum frei und hängten alle erhaltenen Zeichnungen und Briefe auf.
Pia hatte eine Namensliste aller Kärntner Kinder mitgeschickt. Spontan wurde entschieden, dass sich jede(r) von dieser Liste eine(n) BriefpartnerIn aussuchen sollte.
Das ging zu meinem Erstaunen völlig ohne Streitigkeiten; die meisten Kinder fühlten sich sofort einem Namen zugehörig.
Die Briefe, die die Kinder dann verfassten, fielen höchst unterschiedlich aus, was Länge und Ausführung betrifft. Einige trauten sich noch nicht an einen Text heran und schickten lieber eine Zeichnung ab. Allen war es wichtig sich vorzustellen und die meisten Kinder hatten gleich auch Fragen an ihre BriefpartnerInnen: Wie siehst du aus? Wie alt bist du? Hast du Geschwister? Wer ist dein(e) beste(r) FreundIn in der Klasse? ...
Im Klassenrat wurde ausgemacht, dass auch etwas Gemeinsames von uns nach Kärnten geschickt werden sollte. Wir bastelten ein Memory-Spiel.
Als dann kurz vor Weihnachten nicht nur die Antwortbriefe, sondern auch Pakete mit selbstgemachten Keksen von den Sternenkindern aus Viktring bei uns ankamen, war die Freude groß.
Nun gehen wir schon ins zweite Jahr unserer Korrespondenz. Die Briefe werden länger, Fotos und Erlebnisse werden ausgetauscht.
Wir sprechen oft über unsere Partnerklasse; Briefe werden vorgelesen, oder auch bewusst bei sich behalten (alle sind stolz, dass sie mit dem Briefgeheimnis umgehen können).
Die Korrespondenz ist also nicht nur Kommunikationsmittel, sondern regt diese auch an. Sie gibt den Kindern die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen und sie zu pflegen.
Der Wunsch der Kinder "Fremdem" zu begegnen hat mittlerweile dazu geführt, dass wir einen (noch etwas losen) Briefwechsel mit einer dritten Volksschuklasse in Lahti (Finnland) begonnen haben. Wir schicken mit unseren Briefen auch englische Übersetzungen mit, und schlagen im Wörterbuch, das ein Kind mitgebracht hat, immer wieder finnische Wörter nach.
Die Korrespondenz ist nicht nur Schreiben, das Sinn macht, sondern erweitert unseren Horizont auf allen Ebenen.
Lisi Suttner, Zechnerschule, Wien
Schlagworte:
fr_koop_5
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3097 | hinzugefügt von Jürgen an 02:53 - 22.11.2007 |
title: Arbeit in der 1. Klasse mit dem Arbeitsplan und Arbeitsbericht by Traar, Beate |
|
Titel: | Arbeit in der 1. Klasse mit dem Arbeitsplan und Arbeitsbericht |
Autor: | Traar, Beate | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Viktring, in: Freinet-Kooperativ 3 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1998 | | |
url: | |
Text:
Arbeit in der 1. Klasse mit dem Arbeitsplan und Arbeitsbericht
Seit Herbst 1997 arbeite ich in einer 1. Klasse in Klagenfurt. Vom Schulbeginn an versuchte ich, freinetpädagogische Prinzipien des Arbeitens und miteinander Lebens mit der Klasse umzusetzen. Bis Weihnachten ließ ich die Kinder ihre Arbeiten in den Freiarbeitsphasen ohne schriftliche Planung auswählen. Besprochen wurden die Freiarbeitsphasen und manche speziellen Arbeiten im Klassenrat. Auf Wunsch der Kinder erarbeiteten wir in den ersten 3 Wochen gemeinsam neue Buchstaben. Dies verselbständigte sich - sie wollten individuell und jedes Kind andere Buchstaben er- und bearbeiten. Parallel dazu "schrieben" sie bereits erste freie Texte in Form von Bild-Wort-Symbol-Aufzeichnungen. Sehr oft zeichneten sie eine Geschichte und ich schrieb sie auf, wozu ich in den Freiarbeitsphasen Zeit hatte. Sonst wählten die Kinder aus ihren jeweiligen Interessensschwerpunkten heraus ihre Tätigkeiten. Nach den Weihnachtsferien führte ich die Arbeit mit Arbeitsplan und Arbeitsbericht ein. Die Kinder sollen fähig werden, bestimmte Ziele/Wege/Arbeitsschritte zu planen, durchzuführen und darüber (mit Datum) zu berichten: was, wo, wie wurde gearbeitet. Einzige Vorgabe: jede Woche 1 Buchstaben zu be- und erarbeiten. Zu Beginn war dieses Planen und Berichten für die Kinder schwierig. Sie konnten schwer mit dem "Zerhacken" ihres Arbeitsflusses umgehen. Sie mußten sich täglich am Beginn der Freiarbeitsphase (Planungsphase) überlegen und aufschreiben, was sie arbeiten wollten und am Ende natürlich ihre Aufzeichnungen über die durchgeführten Arbeiten erledigen. Die ersten 3 Wochen mit dem Arbeitsplan waren gezeichnet von Unruhe, Überforderungsgefühlen, bei manchen Kindern mit Unwollen und Unsicherheit.
Als die Kinder erkennen konnten, dass es ihre Arbeit aber auch erleichterte bzw. übersichtlicher gestaltete, gingen sie "leichthändig" damit um. Nach diesem Zeitraum allerdings stellten wir die tägliche Planung auf eine wöchentliche Planung um. Protokoll über die durchgeführte Arbeit sollen die Kinder täglich schreiben. Da sie eigenständiges Arbeiten gewöhnt sind, entspricht ihnen diese längerfristige Planung mehr, wobei dies nicht immer für alle Kinder gleich gültig ist.
Diese Form der Selbstorganisation bewährt sich insofern, als die Kinder sich alle Möglichkeiten zu lernen aussuchen können, aber sie bietet auch Hilfe für Kinder, die eine Strukturierung des Ablaufs brauchen.
Der Arbeitsplan und -bericht wird von mir über das Wochenende kontrolliert und unterzeichnet, am Montag den Kindern zurückgegeben, damit sie und ihre Eltern diese ebenfalls mit Unterschrift zur Kenntnis nehmen können.
Schlagworte:
fr_koop_3
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3086 | hinzugefügt von Jürgen an 02:14 - 22.11.2007 |
title: Der Einsatz des Druckens in der Schule bei Freinet by Wiegand, Stephanie |
|
Text:
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung... 1
2 Freinet und die Technik des freien Ausdrucks... 1
2.1 Die Biographie von Celestin Freinet... 1
2.2 Freinets Prinzipien... 4
2.2.1 Lernen vom Leben für das Leben, Lernen durch Handeln und Ganzheitlichkeit... 4
2.2.2 Lernen durch tastende Versuche und Umgang mit Fehlern... 5
2.2.3 Lernen durch Kommunikation und Austausch... 5
2.2.4 Selbstbestimmtes und Selbstorganisiertes Lernen... 6
2.2.5 Lernen durch Nutzung von Heterogenität und Verhinderung von Selektion... 6
2.3 Freinet als „Vater“ der Schuldruckerei... 7
3 Der Einsatz des Druckens in der Schule... 8
3.1 Die pädagogischen Vorteile der Schuldruckerei... 8
3.2 Einsatzmöglichkeiten... 9
3.2.1 Das Lesen- und Schreibenlernen... 9
3.2.2 Rechtschreib- und Aufsatzschulung... 11
3.2.3 Drucken im Kunstunterricht... 14
3.3 Die Arbeitsmaterialien und Arbeitsschritte... 14
3.3.1 Das Setzen der Lettern... 14
3.3.2 Das Einfärben des Druckstocks... 16
3.3.3 Das Drucken... 17
3.3.4 Die Korrektur... 17
3.3.5 Das Reinigen und Ablegen der Lettern... 17
4 Reflexion... 18
5 Verknüpfung mit den anderen Lehrveranstaltungen... 19
5.1 Einführung in die Montessori Pädagogik (Fr. Segmehl, WS 2005/06)... 19
5.2 Familie und Schule (Fr. Schlemmer, SS 2006)... 20
6 Literaturverzeichnis... 22
6.1 Literaturquellen... 22
6.2 Internetquellen... 22
6.3 Abbildungsverzeichnis... 22
1 Einleitung
Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich zunächst auf die Biographie Celestin Freinets eingehen, da seine Erlebnisse und Erfahrungen auch ausschlaggebend und prägend für seine pädagogischen Ansichten waren. Anschließend werde ich einige Unterrichtsprinzipien Freinets erläutern und wo es möglich ist auch schon Bezüge zu Techniken und Methoden der praktischen Umsetzung schaffen. In der Überleitung soll die Entwicklung der Schuldruckerei durch Freinet aufgezeigt werden, um dann zu dem eigentlichen Thema des Schuldruckens im Unterricht zu kommen.
Als erstes werde ich pädagogische Vorteile ansprechen, bevor ich die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Druckens aufzeigen werde. Hierbei werde ich auf das Drucken im Erstlese- und Schreibunterricht und im Aufsatzunterricht eingehen. In dieses Kapitel werden jeweils Theorien von Freinet und der aktuellen Deutschdidaktik einfließen. Auch die Nutung der Druckerei im Kunstunterricht soll in dieser Arbeit nicht vernachlässigt werden. Abschließend werden die benötigten Arbeitsmaterialien und Arbeitsschritte erklärt. In der nachfolgenden Reflexion werde ich auf die Kapitel zuvor eingehen und zusammenfassen wie die Deutschdidaktik und die Theorien Freinets über den Anfangsunterricht und die Aufsatzschulung zusammenpassen und wie sich die Freinettechniken in den Deutschunterricht integrieren lässt. Anschließend werde ich Anknüpfungspunkte zu den beiden besuchten Vorlesungen suchen. Die Theorie von Maria Montessori wird in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu der von Freinet dargestellt. Abschließend werde ich überlegen, wie man mit der Arbeit nach Freinet auf die aktuellen Probleme der Individualisierung von Kindern und deren Auswirkungen auf Schule eingehen kann.
2 Freinet und die Technik des freien Ausdrucks
2.1 Die Biographie von Celestin Freinet
Freinet wird 1896 in einer ländlichen Umgebung der Provence geboren. Seine Eltern waren nicht sehr wohlhabende Bauern und hatten neben ihm noch sieben weitere Kinder zu versorgen. Wie damals üblich half auch Freinet bei der Arbeit auf dem Feld mit. Die Vermutung liegt nahe, dass diese prägenden Erfahrungen grundlegend für seine spätere Verbundenheit mit der Natur und seine pädagogischen Ansichten sind. Zu dieser Zeit konnten Kinder aus ärmeren Elternhäusern, zu denen gerade die Bauern gehörten, nicht studieren. Freinet aber wurde, ich nehme an wegen sehr guter Schulleistungen, besonderer Eignung oder Engagement, von seinem Lehrer für ein Studium vorgeschlagen. Mit 16 Jahren begann Freinet ein Jahr vor Beginn des Ersten Weltkrieges sein Lehramtsstudium. Nach zwei Jahren Ausbildung wurde Freinet zum Kriegsdienst verpflichtet. Wie viele Soldaten wird Freinet im Krieg verwundet. Er erleidete 1916 einen Lungenschuss. Die nächsten Jahre verbrachte er in Lazaretten und Sanatorien. Durch Naturheilmethoden gelang es ihm nach vier Jahren, sich soweit zu regenerieren, dass er 1920 eine erste Anstellung als Lehrer in dem Dorf Bar-sur-Loup erhielt. In manchen Biographien steht geschrieben, dass Freinet wegen seiner Lungenverletzung nicht viel sprechen konnte und deshalb nach anderen Unterrichtsmöglichkeiten suchte. Andere wiederum schreiben, dass er diese neuen Wege aus reiner Überzeugung beschritten hätte.1 Ich denke, dass auch eine Mischung aus beidem möglich ist. Dass vielleicht die Verletzung den Anstoß gegeben hat, er aber trotzdem unter anderem wegen seiner eigenen Erlebnisse überzeugt war von seinem Handeln.
Während dieser Zeit bildete er sich weiter und las die Werke von Rosseau, Pestalozzi, Montaigne, Decroly, Marx und Lenin.2 Freinet war Kommunist und erhoffte sich durch das Leben nach den Lehren von Marx, Engels und Lenin eine gerechtere Welt. Er gründete eine eigene pädagogische Gewerkschaft und wurde Mitglied in der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF), aus der er aber 1948 wieder austrat.3 Hans Jörg schreibt über Freinet: Obwohl Freinet “in seiner Weltanschauung und in seinen pädagogischen Grundanschauungen stark mit marxistischen und sogar kommunistischen Grundmaximen sympathisiere, so unterscheidet er sich doch in seiner pädagogische Konzeption wesentlich von der kommunistischer Pädagogen und Ideologen.“4 Für die Kommunisten war die Gemeinschaft wichtiger als das Individuum. Für Freinet spielten jedoch Selbsttätigkeit, Freiheit und Verantwortung eine große Rolle, die eher vom Individuum ausgehen.
„Freinet hat ein sehr starkes Individualitätsverständnis, gleichzeitig betont er aber auch die Kooperation, die gegenseitige Verantwortlichkeit und die Diskussions- und Kritikfähigkeit der Personen mit- und untereinander und legt damit auch auf die sozialen und kollektiven Fähigkeiten des Individuums Wert.“5
Dieses Verhalten hatte Freinet selbst durch Engagement in der Gewerkschaft, Gründung von Kooperativen und Vereinigungen und Austausch mit anderen Lehrern verinnerlicht. Solche Fähigkeiten möchte Freinet auch bei seinen Schülern durch Erziehung zur Demokratie, beispielsweise durch den Klassenrat, fördern. Freinet lebte in einer Zeit des pädagogischen Umschwungs, denn die erste Phase der reformpädagogischen Bewegung setzte um die Jahrhundertwende mit einer Kritik am Bildungswesen und an der aktuellen Schulpraxis ein.1 Ab 1924 begann man die Reformversuche im eigenen Land mit denen anderer Länder zu vergleichen.
[...]
Schlagworte:
Seminararbeit, lit-2006_buch
kein Summary verfügbar
Notiz:
6,99 €
PH Weingarten
|
ID: 3110 | hinzugefügt von Jürgen an 04:39 - 1.4.2008 |
title: Demokratie in der Klasse, Baustein 1 der Freinetpädagogischen Entwicklungsreihe by Wrulich, Andrea und Maier, Inge |
|
Titel: | Demokratie in der Klasse, Baustein 1 der Freinetpädagogischen Entwicklungsreihe |
Autor: | Wrulich, Andrea und Maier, Inge | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Klagenfurt, in: Freinet Kooperativ Heft 5 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.1999 | | |
url: | |
Text:
Freinetpädagogische Entwicklungsreihe – Baustein 1:
Demokratie in der Klasse (11. März 1999 – 13. März 1999)
Wie bereits in unserer letzten Ausgabe angekündigt, veranstaltet der Verein Kooperative Freinet gemeinsam mit dem Pädagogischen Institut des Bundes in Kärnten die freinetpädagogische Entwicklungsreihe. Nach den vielen vereinsinternen Gesprächen über das Warum? Wie? Wann? Wo? und die Ankündigung im PI-Programm warteten wir alle gespannt darauf, wieviel KollegInnen sich für diese Entwicklungsreihe interessieren und sich mit der Freinet-Pädagogik auseinandersetzen wollen.
Mehr als 60 KollegInnen bekundeten mit ihrer Anmeldung ihr Interesse. Wir waren ob der großen Interessentenschar sehr erstaunt, vor allem aber sehr erfreut. Die anfänglich geringer geplante Gruppengröße wurde verändert und mit nunmehr 34 TeilnehmerInnen wurde mit dem Baustein 1 "Demokratie in der Klasse" begonnen.
Da die freinetpädagogische Entwicklungsreihe zwei Jahre lang dauert, wird auch von jeder Teilnehmerin/jedem Teilnehmer ein Entwicklungstagebuch geführt, um den eigenen Entwicklungsprozess schriftlich festzuhalten. Dieses Tagebuch dient später auch als Grundlage für die Präsentation am Ende der freinetpädagogischen Entwicklungsreihe, da die KollegInnen aufgefordert sind, die Anregungen, die sie während der Entwicklungsreihe erhalten und die selbst aktiv erprobten und erlebten Arbeiten in den Ateliers in der eigenen Klasse umzusetzen, zu dokumentieren und zu evaluieren.
Meinungen und Eindrücke aus Baustein 1 "Demokratie in der Klasse":
Endlich konnte eine – lang ersehnte und letztlich hart erkämpfte - Fortbildungsveranstaltung am Donnerstag, den 12. März 1999 gestartet werden. Als wir das Ausbildungskonzept lasen, hat uns schon der Titel "Freinetpädagogische Entwicklungsreihe" besonders gut gefallen. Hier geht es nicht um die Vermittlung eines fertigen Konzeptes, sondern um die Vorstellung der freinetischen Grundprinzipien und die Möglichkeit der Umsetzung, die jeder nach seiner persönlichen Vorstellung gestalten kann.
Nach dem einführenden Gespräch und der formalen und bürokratischen Abwicklung stellten sich alle Teilnehmer kurz vor. Das Interesse an der Freinetpädagogik ist nicht nur im Volksschulbereich deutlich spürbar, sondern zeigt sich auch bei KollegInnen der Hauptschule, AHS und der Kindergartenpädagogik.
Nach der Vorstellungsrunde wurden die Teilnehmer mittels Zufallsprinzips – ziehen von Kärtchen – in zwei Stammgruppen geteilt, die dann jeweils von den beiden Referenten Pia-Maria Rabensteiner und Beate Traar mit den Eckpfeilern der Freinetpädagogik vertraut gemacht wurden. Der besondere Schwerpunkt dieses ersten Bausteines galt der " Demokratie in der Klasse". In sehr praxisbezogenen Vorträgen wurden die Kreisgespräche, wie Klassenrat, Morgenkreis und Präsentationsrunde erläutert. Es gab immer wieder Zeit für Fragen, Tipps und Berichte aus dem eigenen Unterricht.
Am Freitag schlossen sich die Teilnehmer zu Studiengruppen (4-5 Personen) zusammen, und diskutierten über die "Rechte der Kinder". Es entstanden sehr phantasievolle und kreative Plakate, die anschließend im Plenum präsentiert wurden.
Zum Abschluss sahen wir den Film "Freinet, des is was für alle Kinder", der uns Einblick in die Lebenswelt von Célestin Freinet gab und freinetorientierten Unterricht in verschiedenen Schulformen zeigte. Das gesellige Beisammensein kam nicht zu kurz, denn wir trafen uns zu einem gemeinsamen Abendessen, das nicht nur dem kulinarischen Genuss diente, sondern auch rege Diskussionen über freinetische Arbeitsweisen und deren Umsetzung im Unterricht entfachte.
Der Samstag begann mit einem Morgenkreis in der Stammgruppe. Eine Teilnehmerin übernahm die Diskussionsleitung und schrieb auch gleich ein Protokoll. Die Wortmeldungen zeigten, dass bei vielen ein Prozess des Vergleichens mit dem eigenen Unterricht und die Verarbeitung mit den neuen Informationen bereits begonnen hatte. Diese intensive Auseinandersetzung war für einige sogar "körperlich" spürbar. Auch unsere Referentin, Beate Traar, stellte fest, dass ein geplantes Konzept oft nur schwer durchführbar ist, wenn man es zulässt auf Fragen und Anregungen einzugehen. Da unsere Gruppe oft an praxisorientierten Ausführungen interessiert war, blieb für andere Punkte, die planmäßig vorgesehen waren, weniger Zeit.
Auch hier kamen wieder die freneitischen Prinzipien zur Anwendung:
Eingehen auf die Interessen der Gruppe, Wertschätzung jeder Meinung und die Offenheit in der anschließenden Reflexion. Natürlich mussten auch wir wissenschaftlich arbeiten. Drei pädagogische Texte standen zur Auswahl. In individuellen Gruppen wurden diese besprochen und deren Endergebnisse auf verschiedene Arten im Plenum vorgestellt. Diese Präsentation war für uns ein besonderes Erlebnis. Von Plakaten, Selbstdarstellungen gruppendynamischer Prozesse, bis zur pantomimischen Darstellung wurden uns die Inhalte der Texte auf vielfältigste Weise dargestellt. Da die Aufarbeitung der Texte den Gruppen sehr viel abverlangte, war das Ergebnis bei einigen emotionsgeladen, bei anderen wiederum sachlich orientiert. Auch diese Präsentationsrunde wurde von einer Teilnehmerin geleitet, die auch die anschließende Diskussion führte.
Danach wurde uns die Wochenplanarbeit vorgestellt, bei der die Kinder die Möglichkeit der persönlichen Gestaltung der Themen mitbestimmen können. Auch die Ämter, in Bezug der Selbstverwaltung der Klasse, wurden besprochen und anhand einiger Beispiele aus der Praxis dokumentiert. In den Pausen hatten wir die Möglichkeit in Büchern der Kindern zu lesen, in der reichlich vorhandenen Literatur zu schmökern und Karteikästen zu den vielfältigsten Themen durchzuschauen.
Zwischendurch war auch immer Zeit für die eigenen Tagebucheintragungen. Dieses Tagebuch wird nun unser ständiger Begleiter bei den Seminaren der freinetpädagogischen Entwicklungsreihe und auch bei unserer täglichen Arbeit in der Klasse sein. Hier kann die persönliche Umsetzung freinetischer Gedanken im eigenen Unterricht – deren Ergebnisse, Eindrücke, Erfolge und eventuelle Misserfolge schriftlich festgehalten werden.
Nach der "Kopfarbeit" wurde eine gemeinsame Jause hergerichtet und allen schmeckte das vielseitige Angebot an kulinarischen Genüssen, da jeder einen Beitrag dazu geleistet hatte. Auch hier gab es noch rege Gespräche und die Themen waren sehr vielfältig.
Im Schlussplenum waren die Wünsche und Anregungen der Teilnehmer gefragt.
Hospitationen in bereits bestehenden Freinet-Klassen
Hospitationen auch für HauptschullehrerInnen
Ein Fragebogen rundete das Programm ab, in dem wir eine kurze Reflexion unserseits kundgaben.
Für viele von uns beginnt nun – nach dem ersten Baustein der freinetpädagogischen Entwicklungsreihe eine Zeit des "Verdauens", des Nachdenkens und der Analyse des eigenen Unterrichtes. "Wie gestalte ich meinen Unterricht?" – "Kann ich einige freinetbezogene Inhalte in mein Unterrichtsgeschehen einbauen?" – "Will und werde ich meinen Unterricht verändern?" Wir glauben, dass gerade diese Fragen viele TeilnehmerInnen in der kommenden Zeit beschäftigen werden und freuen uns schon auf die Rückmeldungen und das nächste Zusammentreffen mit der Gruppe im Juni zum 2. Baustein der freinetischen Entwicklungsreihe.
Andrea Wrulich und Inge Maier; Sonderpädagogisches Zentrum 1, Klagenfurt
Schlagworte:
fr_koop_5, lit-1999_art, Klassenrat,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 3101 | hinzugefügt von Jürgen an 20:42 - 22.11.2007 |
title: Der Klassenrat. Ein Ritual der Freinet-Pädagogik by Wurm, Martin |
|
Titel: | Der Klassenrat. Ein Ritual der Freinet-Pädagogik |
Autor: | Wurm, Martin | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Bielefeld, in: Clausen, Bernd: Rituale | Quellentyp: | Artikel aus Sammelband |
veröffentlicht am: | DD.MM.2006 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
lit_2006-art
summary:
-
keine Notizen verfügbar
|
ID: 2932 | hinzugefügt von Jürgen an 04:39 - 27.10.2006 |
|